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Informationen zum Dokument  BGer 4P.215/2000  Materielle Begründung
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BGer 4P.215/2000 vom 12.12.2000
 
[AZA 1/2]
 
4P.215/2000/rnd
 
I. ZIVILABTEILUNG
 
*******************************
 
12. Dezember 2000
 
Es wirken mit: Bundesrichterin und Bundesrichter Walter,
 
Präsident, Rottenberg Liatowitsch, Nyffeler und Gerichtsschreiberin
 
Zähner.
 
---------
 
In Sachen
 
Filomena Vacca, Promenade 132A, 7260 Davos Dorf, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Luzius Schmid, Villa Fontana, Obere Strasse 22B, Postfach, 7270 Davos Platz,
 
gegen
 
Mario Montanari, Hertistrasse 1, 7270 Davos Platz, Beschwerdegegner, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Patrik Wagner, Rosenhügelweg 6, 7270 Davos Platz, Kantonsgerichts von Graubünden, Kantonsgerichtsausschuss,
 
betreffend
 
Art. 9 und 29 Abs. 2 BV
 
(Zivilprozess; Beweiswürdigung; rechtliches Gehör), hat sich ergeben:
 
A.- Im Zusammenhang mit einer zahnärztlichen Behandlung von Filomena Vacca durch Mario Montanari kam es zwischen den Parteien zu einer Auseinandersetzung in Bezug auf die Honorarforderung.
 
Da Filomena Vacca (Beschwerdeführerin) eine Forderung in der Höhe von Fr. 1'989. 70 nicht bezahlte, ersuchte Mario Montanari (Beschwerdegegner) am 17. August 1998 die zuständige Behörde um Vermittlung. An der nachfolgend durchgeführten Sühneverhandlung konnte keine Einigung erzielt werden, da die Parteien einen Bericht der ebenfalls angerufenen zahnärztlichen Honorarprüfungskommission abwarten wollten. Die Parteien schlossen vor dieser Kommission am 5. Mai 1999 einen Vergleich.
 
Mit Schreiben vom 20. Mai 1999 teilte die Beschwerdeführerin dem Vermittler des Kreises Davos mit, die Parteien hätten einen Vergleich geschlossen und es sei einzig noch über die Höhe und Verteilung der amtlichen und ausseramtlichen Kosten zu befinden. Gleichzeitig reichte der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin zwei Honorarnoten ein, deren Summe sich auf Fr. 1'546. 20 (inklusive einer Bearbeitungsgebühr der Honorarprüfungskommission von Fr. 30.--) belief.
 
Da eine Einigung über die ausseramtlichen Kosten nicht zustande kam, verlangte der Beschwerdegegner beim Vermittler den Leitschein, der am 30. Juni 1999 ausgestellt, in der Folge aber nicht prosequiert wurde. Die Beschwerdeführerin beantragte am 23. November 1999 den Erlass eines Kostenentscheides im Zusammenhang mit der vom Beschwerdegegner eingereichten Klage und erhob ihrerseits Klage gegen den Beschwerdegegner.
 
Am 15. Dezember 1999 wurde die Vermittlungsverhandlung im zweiten Verfahren durchgeführt. Im Anschluss daran reichte der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin am 4. Januar 2000 zwei überarbeitete Honorarabrechnungen ein.
 
Die das vom Beschwerdegegner eingeleitete Verfahren betreffenden anwaltlichen Aufwendungen wurden mit Fr. 1'393. 30 in Rechnung gestellt. Die anwaltlichen Kosten des Verfahrens, welches durch die Beschwerdeführerin verursacht wurde, betrugen Fr. 504. 80. Die Beschwerdeführerin ersuchte den Vermittler zudem, für beide Verfahren je eine Abschreibungsverfügung zu erlassen. Der Beschwerdegegner teilte dem Vermittler am 28. Januar 2000 mit, der vom beklagtischen Rechtsvertreter in Rechnung gestellte Aufwand sei nicht angemessen.
 
Am 22.2./1.3.2000 schlossen die Parteien den folgenden Vergleich:
 
" Die Parteien vereinbaren basierend auf der
 
Schlichtungsverhandlung der Honorarprüfungskommission
 
vom 5. Mai 1999 und den Vermittlungen vom 10.
 
September 1998 und vom 15. Dezember 1999 was folgt:
 
1. Herr Dr. Montanari führt die zahnärztliche Behandlung
 
von Frau Vacca zu Ende. Er entfernt dabei
 
die beanstandete Brücke oben links, versucht die
 
Problematik mit einem Langzeitprovisorium zu lösen
 
und fertigt bei günstigem Verlauf eine neue Brücke
 
an. Aufgrund der zunehmenden Schmerzen von Frau
 
Vacca ist der erste Behandlungstermin so rasch als möglich anzusetzen.
 
2. Frau Vacca akzeptiert die bisher gestellte Honorarrechnung
 
von Dr. Montanari und verpflichtet
 
sich, den Restbetrag von Fr. 1'989. 70 innert 10 Tagen
 
nach gehörigem Abschluss der unter Punkt 1. genannten
 
Behandlung oder nach allfälligem durch Frau
 
Vacca verschuldetem Abbruch der Behandlung zu bezahlen.
 
3. (...)
 
4. Der Vermittler des Kreises Davos erlässt für die
 
Klage von Herrn Dr. Montanari vom 17. August 1998
 
eine Abschreibungsverfügung gemäss den bei ihm befindlichen
 
Unterlagen unter Kosten- und Entschädigungsfolge
 
zulasten des Klägers.
 
5. Der Vermittler des Kreises Davos erlässt für die
 
Klage von Frau Vacca vom 23. November 1999 eine
 
Abschreibungsverfügung unter Kostenfolge für die
 
Vermittlung zulasten der Klägerin. Er spricht dem
 
an der Vermittlung nicht anwaltlich vertretenen
 
Dr. Montanari für dessen eigenen Zeitaufwand eine
 
Entschädigung von Fr. 150.-- zu."
 
Der Vermittler des Kreises Davos erliess am 20. März 2000 in dem von der Beschwerdeführerin eingeleiteten Verfahren eine Abschreibungsverfügung, mit der er die Beschwerdeführerin verpflichtete, dem Beschwerdegegner eine Entschädigung von Fr. 150.-- sowie die Verfahrenskosten zu bezahlen.
 
Für das vom Beschwerdegegner mit Klage vom 17. August 1998 eingeleitete Verfahren, welches nach der Ausstellung des Leitscheins am 30. Juni 1999 nicht prosequiert wurde, erliess der Vermittler gestützt auf Ziff. 4 des Vergleiches am 4. April 2000 eine als Kostendekret bezeichnete Verfügung, mit der er den Beschwerdegegner verpflichtete, der anwaltlich vertretenen Beschwerdeführerin eine Entschädigung von Fr. 554. 90 zu bezahlen und die Verfahrenskosten zu übernehmen.
 
Zur Begründung dieses Entscheides führte der Vermittler aus, der vom Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin in Rechnung gestellte Aufwand von 6 Stunden und 10 Minuten sei überhöht. Er kürzte daher den Zeitaufwand und liess nur 4 Stunden und 49 Minuten zu. Die Kürzung begründete der Vermittler damit, ein Rechtspraktikant benötige für die Erledigung der verschiedenen Aufgaben mehr Zeit als ein erfahrener Anwalt. Er bestimmte in der Folge das Honorar auf Fr. 1'109. 80, inklusive Barauslagen und Mehrwertsteuer. Hievon belastete er den Beschwerdegegner mit der Hälfte, ausmachend Fr. 554. 90, weil er die Auffassung vertrat, die Bemühungen beider Parteien in beiden Verfahren hätten zu einer Einigung über die Honorarstreitigkeit beigetragen.
 
B.- Gegen dieses Kostendekret reichte die Beschwerdeführerin beim Kantonsgerichtsausschuss von Graubünden Beschwerde ein. Sie beantragte dessen Aufhebung und eine Anwaltsentschädigung in der Höhe von Fr. 1'393. 30. Der Kantonsgerichtsausschuss wies die Beschwerde mit Urteil vom 6. Juni 2000 ab. Der Ausschuss, dessen Kognition auf Rechtsverletzung und willkürliche Tatsachenfeststellungen beschränkt ist, befand, der Vermittler habe sich über den von den Parteien abgeschlossenen Vergleich hinweggesetzt. Danach hätte der Beschwerdegegner die gesamten Parteikosten der Beschwerdeführerin tragen müssen, umso mehr als sich diese Lösung auch aus dem Prozessrecht im Falle der Nichtverfolgung des Prozesses durch den Kläger ergebe. Zu entschädigen sei aber geleistete Arbeit nur, soweit sie angesichts der objektiven Bedeutung der Streitsache notwendig und unumgänglich ist. Die Honorarrechnung vom 3.1.2000 enthalte zudem auch Positionen, die nicht in einem derartigen Zusammenhang mit dem Vermittlungsverfahren stehen, so etwa zwei Briefe und je ein Telefon mit Rechtsanwalt Wieser und Dr. Florin sowie einen Brief an die zahnärztliche Honorarprüfungskommission.
 
Diese Aufwendungen gehörten zum Verfahren vor der Kommission, und nicht zum Vermittlungsverfahren.
 
Weiter führte der Kantonsgerichtsausschuss aus, der für Anwälte geltende Stundenansatz von Fr. 200.-- rechtfertige sich für einen Rechtspraktikanten nur, wenn sein effektiver Arbeitsaufwand auf den üblicherweise von einem erfahrenen Anwalt benötigten Zeitaufwand reduziert werde. Ein Anwalt hätte nicht 6 Stunden und 10 Minuten für die notwendige und auf die Vermittlung bezogene Arbeit benötigt. Eine Entschädigung von Fr. 550.-- sei angemessen, weshalb der Entscheid des Vermittlers im Ergebnis zu schützen sei.
 
C.- Gegen das Urteil des Kantonsgerichtsausschusses vom 6. Juni 2000 erhebt die Beschwerdeführerin staatsrechtliche Beschwerde und verlangt dessen Aufhebung.
 
Der Kantonsgerichtsausschuss beantragt in seiner Vernehmlassung die Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten ist. Der Beschwerdegegner liess sich nicht vernehmen.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
1.- Die Beschwerdeführerin stellte mit Schreiben vom 30. November 2000 ein Gesuch um Durchführung eines zweiten Schriftenwechsels. Sie begründete das Gesuch damit, der Kantonsgerichtsausschuss habe in seiner Vernehmlassung Behauptungen aufgestellt, zu denen sie einlässlich Stellung nehmen wolle.
 
Ein zweiter Schriftenwechsel wird nur in Ausnahmefällen durchgeführt (Art. 93 Abs. 3 OG), wenn wichtige Gründe dafür sprechen. Angezeigt ist er insbesondere, wenn die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse noch ungenügend geklärt sind, so dass kein Entscheid gefällt werden kann.
 
Allerdings liegt darin, dass die Behörde in ihrer Vernehmlassung eine Ansicht vertritt, welche von derjenigen der Beschwerdeführerin abweicht, kein für einen zweiten Schriftenwechsel ausreichender Grund. Das Gesuch ist unbegründet und wird abgewiesen.
 
2.- Die Beschwerdeführerin bringt zunächst vor, der Kantonsgerichtsausschuss habe ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, da er den Entscheid des Vermittlers mit einer völlig anderen Begründung geschützt habe, ohne dass die Beschwerdeführerin sich habe dazu äussern können. Da der Anspruch auf Gewährung des rechtlichen Gehörs formeller Natur ist, rechtfertigt es sich, diese Rüge an erster Stelle zu prüfen.
 
Der Kantonsgerichtsausschuss ging, ebenso wie bereits der Vermittler, bei der Berechnung der angemessenen Parteientschädigung von einem gegenüber dem geltend gemachten gekürzten Zeitaufwand aus. Dabei beurteilte der Kantonsgerichtsausschuss einzig den Umfang der angezeigten Kürzung anders. Von einer völlig anderen Begründung, die den Anspruch der Beschwerdeführerin auf Gewährung des rechtlichen Gehörs verletzt haben soll, kann daher nicht die Rede sein.
 
Die Rüge ist unbegründet.
 
3.- a) Die Beschwerdeführerin rügt weiter, es sei willkürlich, dass der Kantonsgerichtsausschuss bei der Festsetzung der Parteientschädigung nicht alle für das Vermittlungsverfahren aufgewendeten Bemühungen des Rechtsvertreters der Beschwerdeführerin berücksichtigt habe. Insbesondere seien die Aufwendungen im Zusammenhang mit dem Verfahren vor der zahnärztlichen Honorarprüfungskommission nicht miteinbezogen worden.
 
Vorab ist festzuhalten, dass die unterliegende Partei nur diejenigen Anwaltsgebühren der Gegenpartei zu ersetzen hat, welche durch die bei objektiver Würdigung notwendig erscheinende Inanspruchnahme des Anwaltes entstanden sind (vgl. Art. 122 Abs. 2 ZPO/GR). Was über dieses Mass hinausgeht, hat die Partei selber zu tragen. Ein Anwalt hat somit nur Anspruch auf Entschädigung derjenigen Tätigkeiten, die angesichts der Bedeutung der Streitsache und deren Schwierigkeitsgrad erforderlich erscheinen. Zieht eine Partei für bestimmte Handlungen einen Anwalt bei, für die ein Beistand überhaupt nicht nötig wäre, so können derartige Aufwendungen bei der Bemessung der von der Gegenpartei zu leistenden Parteientschädigung nicht berücksichtigt werden.
 
Die Parteien gelangten an die Honorarprüfungskommission, um zu klären, ob die Behandlung der Beschwerdeführerin lege artis erfolgte. Gleichzeitig wurden auch die staatlichen Gerichte um Vermittlung in der Forderungsstreitigkeit ersucht. Dass das Verfahren vor der Kommission den Ausgang des Vermittlungsverfahrens zu beeinflussen vermochte, wird nicht bezweifelt. Dennoch hielt der Kantonsgerichtsausschuss die anwaltlichen Aufwendungen in jenem Verfahren als nicht notwendig für das staatlichen Vermittlungsverfahren.
 
Die Parteien riefen die zahnärztliche Honorarprüfungskommission unabhängig vom staatlichen Vermittlungsverfahren an, um die medizinischen Fragen klären zu lassen. Das Verfahren vor der Kommission wurde vom Vermittler weder von Amtes wegen noch auf Antrag einer Partei angeordnet. Ebenso kann nicht behauptet werden, dass für die Durchführung des Verfahrens vor der zahnärztlichen Honorarprüfungskommission der Beizug eines Anwaltes als geradezu notwendig erscheint.
 
Dass der Kantonsgerichtsausschuss den bestehenden Zusammenhang zwischen den beiden Verfahren als nicht ausreichend erachtete, um die Aufwendungen des Verfahrens vor der Kommission zu den Bemühungen des staatlichen Vermittlungsverfahrens hinzuzurechnen, kann nicht als willkürlich bezeichnet werden.
 
b) Die Beschwerdeführerin macht weiter geltend, es sei willkürlich, dass der Kantonsgerichtsausschuss die Honorarnote des Rechtsvertreters so stark gekürzt habe, dass ein Stundenansatz von Fr. 72.-- resultiere. Diese Rüge ist unbegründet.
 
Die Beschwerdeführerin geht von der unzutreffenden Annahme aus, der von einem Anwalt ausgewiesene tatsächliche Zeitaufwand werde in jedem Fall ersetzt, und zwar unabhängig davon, ob er für die Prozessführung auch wirklich notwendig war. Der Stundenansatz für die anwaltliche Tätigkeit liegt unverändert bei Fr. 200.--, nur wurde lediglich ein Teil des zeitlichen Aufwandes anerkannt.
 
c) Als willkürlich wird zudem gerügt, dass der Kantonsgerichtsausschuss den geltend gemachten Zeitaufwand mit der Begründung gekürzt hat, ein Rechtspraktikant brauche für die Erledigung einer Arbeit mehr Zeit als ein erfahrener Anwalt.
 
Die Beschwerdeführerin macht in diesem Zusammenhang geltend, dass ein erfahrener Anwalt die in Rechnung gestellten Tätigkeiten nicht schneller hätte erledigen können. Ausserdem seien die rechtlichen und tatsächlichen Abklärungen, für welche der Praktikant mehr Zeit benötigt habe als ein erfahrener Anwalt, nicht in Rechnung gestellt worden. Abgesehen davon, dass die Beschwerdeführerin kein Beispiel für derartige Abklärungen zu nennen vermag, handelt es sich hier um neue tatsächliche Vorbringen, welche im Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde nicht zulässig sind (BGE 119 II 6 E. 4a S. 7). Auf die Rüge ist nicht einzutreten.
 
4.- Da die Beschwerde abzuweisen ist, soweit auf sie eingetreten werden kann, wird die Beschwerdeführerin kostenpflichtig (Art. 156 Abs. 1 OG). Da sich der Beschwerdegegner nicht vernehmen liess, steht ihm auch keine Entschädigung zu.
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.- Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2.- Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird der Beschwerdeführerin auferlegt.
 
3.- Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht Graubünden (Kantonsgerichtsausschuss) schriftlich mitgeteilt.
 
______________
 
Lausanne, 12. Dezember 2000
 
Im Namen der I. Zivilabteilung
 
des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS
 
Der Präsident:
 
Die Gerichtsschreiberin:
 
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