BGer 2P.187/2000 | |||
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BGer 2P.187/2000 vom 08.01.2001 | |
[AZA 0/2]
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2P.187/2000/hzg
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II. OEFFENTLICHRECHTLICHE ABTEILUNG ***********************************
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8. Januar 2001
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Es wirken mit: Bundesrichter Wurzburger, Präsident der
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II. öffentlichrechtlichen Abteilung, Hartmann, Betschart,
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Hungerbühler, Müller und Gerichtsschreiber Merz.
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In Sachen
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A.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Prof. Dr. Ivo Schwander, Bodanstrasse 4, St. Gallen,
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gegen
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Anwaltskammer des Kantons St. Gallen, Kantonsgericht St. Gallen, III. Zivilkammer,
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betreffend
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Art. 4 und 31 aBV, Art. 8, 9, 27 und 94 BV
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(Verletzung von Berufs- und Standespflichten), hat sich ergeben:
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A.- Seit dem 1. Juli 1994 gilt im Kanton St. Gallen das kantonale Anwaltsgesetz vom 11. November 1993 (AnwG). Der III. Abschnitt handelt von den "Berufsregeln"; der mit der Marginalie "Unabhängigkeit" versehene Art. 21 AnwG lautet dazu wie folgt:
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"b) Unabhän- Art. 21. Der Rechtsanwalt übt den Beruf
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gigkeit unabhängig, in eigenem Namen, auf eigene
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Verantwortung und auf eigene Rechnung
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aus. Vorbehalten bleibt die Begründung
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eines Angestelltenverhältnisses mit einem
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anderen Rechtsanwalt.
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Er lehnt einen Auftrag ab, wenn mit
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Dritten ein Rechtsverhältnis besteht, das
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seine Unabhängigkeit beeinträchtigt.. "
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B.- Rechtsanwalt A.________, damals angestellt bei der Treuhandgesellschaft X.________, verwendete in einem Verfahren vor der Anklagekammer des Kantons St. Gallen als Rechtsvertreter der Z.________ Vermögensverwaltungs AG zweimal ein Briefpapier, auf dessen Kopf neben seinem Namen (und dem eines weiteren Anwaltes) die Treuhandgesellschaft X.________ aufgeführt war. Deswegen erhob die Anklagekammer am 15. Januar 1997 bei der Anwaltskammer des Kantons St. Gallen (im Folgenden: Anwaltskammer) Anzeige unter Beilage je einer "Kopie der ersten Seite der Einsprache vom 11. September 1996 und der Vernehmlassung vom 25. Oktober 1996 zur Prüfung, ob ein Verstoss gegen eine Berufsregel (Art. 21 Abs. 1 AnwG) vorliegt".
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C.- Die Anwaltskammer verurteilte mit Entscheid vom 9. Februar 1998 A.________ wegen Verstosses gegen Art. 21 AnwG zu einer "Geldleistung" von Fr. 2'000.-- und zu den Verfahrenskosten von Fr. 3'000.--.
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Auf Beschwerde hin hob die III. Zivilkammer des Kantonsgerichts St. Gallen (im Folgenden: Kantonsgericht) den Entscheid der Anwaltskammer am 3. November 1999 wegen einer Ausstandspflichtverletzung auf und wies "die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz" zurück.
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D.- Mit Entscheid vom 27. Januar 2000 stellte die Anwaltskammer in geänderter Besetzung fest,
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"dass Rechtsanwalt A.________, indem er im Bereich
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des Anwaltsmonopols als Arbeitnehmer der Treuhandgesellschaft
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X.________ für eine Kundin tätig
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wurde, gegen das Unabhängigkeitsgebot nach Art. 21
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Abs. 1 AnwG verstossen hat".
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Sie auferlegte ihm die Bezahlung einer "Geldleistung" von Fr. 1'000.-- sowie der Verfahrenskosten von Fr. 3'000.--.
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A.________ erhob hiegegen erneut Beschwerde beim Kantonsgericht. Dieses entschied am 20. Juli 2000 wie folgt:
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"1. Rechtsanwalt A.________ hat gegen das Gebot der
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Unabhängigkeit verstossen.
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2. Von einer Disziplinarmassnahme wird abgesehen.
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3. Rechtsanwalt A.________ bezahlt Fr. 2'000.-- der
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erstinstanzlichen Verfahrenskosten.
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4. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens von
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Fr. 2'000.-- bezahlt Rechtsanwalt A.________. "
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Das Kantonsgericht verzichtete auf die Geldleistung und andere Disziplinarmassnahmen deswegen, weil "vorliegend eine erstmalige und präjudizielle Beurteilung der Tragweite des Unabhängigkeitsgebotes nach Art. 21 Abs. 1 AnwG vorgenommen" worden sei. Dementsprechend änderte es auch die erstinstanzliche Kostenverlegung.
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E.- Am 13. September 2000 hat A.________ beim Bundesgericht staatsrechtliche Beschwerde eingereicht mit folgenden Begehren:
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"1. Der Entscheid des Kantonsgerichts St. Gallen,
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III. Zivilabteilung, vom 20. Juli 2000 i.S.
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A.________ gegen Anwaltskammer des Kantons
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St. Gallen, sei aufzuheben.
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2. Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zulasten
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des Kantons St. Gallen für das Verfahren vor dem
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Bundesgericht und den kantonalen Instanzen.. "
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Zur Begründung wird geltend gemacht, "dass der angefochtene kantonale Hoheitsakt seine verfassungsmässigen Rechte, insbesondere seine Handels- und Gewerbefreiheit (Art. 31 aBV), seine Wirtschaftsfreiheit bzw. sein Recht auf Ausübung privatwirtschaftlicher Erwerbstätigkeit (Art. 27, Art. 94 Abs. 1 und 4, Art. 95, Art. 96 nBV) verletzt. Zugleich wird Willkür und rechtsungleiche Behandlung gerügt (Art. 4 aBV; Art. 8 und 9 nBV).. "
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F.- Die III. Zivilkammer des Kantonsgerichts St. Gallen hat eine Stellungnahme zur Beschwerde abgegeben, ohne jedoch einen Antrag zu stellen. Die Anwaltskammer des Kantons St.
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Gallen hat auf eine Vernehmlassung verzichtet.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
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1.-a) Angefochten ist ein letztinstanzlicher kantonaler Endentscheid, gegen den es auch im Bund kein anderes Rechtsmittel gibt (Art. 84 Abs. 2, Art. 86 Abs. 1 OG). Er trifft den Beschwerdeführer in rechtlich geschützten Interessen (Art. 88 OG), selbst wenn darin keine Disziplinarmassnahme im Sinne von Art. 35 AnwG verfügt wurde und der Beschwerdeführer nicht mehr bei einer Treuhandgesellschaft tätig ist. Der streitige Entscheid stellt nämlich eine Kosten verursachende disziplinarische Massregelung dar, die den Vorwurf standeswidrigen Verhaltens in sich schliesst und dem im Kanton weiterhin als Rechtsanwalt tätigen Beschwerdeführer nahelegt, ein bestimmtes Verhalten in Zukunft zu unterlassen. Er beeinträchtigt nicht nur die Berufsehre, sondern auch die Glaubwürdigkeit bei Klienten, Kollegen und Behörden sowie die Stellung in einem allfälligen künftigen Disziplinarverfahren (BGE 103 Ia 426 E. 1b S. 428 f.). Die form- und fristgerechte (Art. 89 und Art. 34 Abs. 1 lit. b OG) Beschwerde ist somit zulässig.
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b) Die staatsrechtliche Beschwerde stellt keine Fortsetzung des kantonalen Verfahrens dar. Das Bundesgericht untersucht nicht von Amtes wegen, ob ein kantonaler Hoheitsakt verfassungsmässig ist, sondern prüft nur rechtsgenügend vorgebrachte, klar erhobene und, soweit möglich, belegte Rügen.
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Die Beschwerdeschrift muss die wesentlichen Tatsachen und eine kurzgefasste Darlegung darüber enthalten, welche verfassungsmässigen Rechte bzw. welche Rechtssätze inwiefern durch den angefochtenen Entscheid verletzt worden sind (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG; BGE 110 Ia 1 E. 2 S. 3 f.; 125 I 492 E. 1b S. 495, mit Hinweisen). Auf rein appellatorische Vorbringen wird nicht eingegangen (BGE 107 Ia 186 E. b; 125 I 492 E. 1b S. 495). Dementsprechend tritt das Bundesgericht im Folgenden nur auf die den erwähnten Anforderungen genügenden Rügen ein.
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2.- a) Gemäss den unangefochtenen Feststellungen des Kantonsgerichts ist der Beschwerdeführer als Arbeitnehmer einer Treuhandgesellschaft in dem registrierten Anwälten vorbehaltenen Monopolbereich der berufsmässigen Vertretung vor Gericht (vgl. Art. 10 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 7 und Art. 13 AnwG) tätig geworden. Gegenstand des bundesgerichtlichen Verfahrens bildet ausschliesslich Art. 21 AnwG.
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Die Beschwerde richtet sich gegen die Bestimmung als solche und gegen die ihr "von den kantonalen Instanzen durch Auslegung gegebene extensive Bedeutung". Inwiefern Art. 21 AnwG falsch ausgelegt worden sein soll, führt der Beschwerdeführer indes nicht näher aus, so dass diese Rüge nicht weiter zu behandeln ist (vgl. E. 1b). Zu prüfen bleibt damit, ob Art. 21 AnwG - von den hinreichend geltend gemachten Rügen ausgehend - mit der Verfassung in Einklang steht. Die Verfassungsmässigkeit einer kantonalen Norm kann auch noch im Anwendungsfall vorfrageweise untersucht werden (BGE 121 I 102 E. 4 S. 104; sog. inzidente bzw. akzessorische Normenkontrolle).
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Hierbei beschränkt das Bundesgericht seine Prüfung aber darauf, wie sich die betreffende Norm unter den Verhältnissen des konkreten Einzelfalles auswirkt (BGE 103 Ia 557 E. 3a S. 560).
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b) Das Kantonsgericht hat im angefochtenen Entscheid die Bundesverfassung vom 29. Mai 1874 (aBV) für anwendbar erklärt. Der Beschwerdeführer erhebt hiegegen keine Rüge, macht sogar eine Verletzung von Art. 4 und 31 aBV geltend.
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Zusätzlich beruft er sich indessen auf Bestimmungen der neuen Bundesverfassung vom 18. April 1999 (Art. 8, 9, 27, 94 Abs. 1 und 4, 95 sowie 96 BV). Ob vorliegend altes oder neues Verfassungsrecht gilt, wirkt sich - im Rahmen der erhobenen Rügen - auf die Beurteilung der Beschwerde nicht aus und kann somit dahingestellt bleiben (vgl. zur Wirtschaftsfreiheit René Rhinow, Wirtschafts-, Sozial- und Arbeitsverfassung, in: Ulrich Zimmerli [Hrsg. ], Die neue Bundesverfassung, 2000, S. 157 ff., insbes. S. 162; JörgPaul Müller, Grundrechte in der Schweiz, 1999, S. 635 f.; Thomas Stauffer, Wirtschafts- und Finanzordnung, in: ThomasFleiner/Peter Forster/Alexander Misic/Urs Thalmann [Hrsg. ], Die neue schweizerische Bundesverfassung, 2000, S. 107 ff., insbes. S. 111 f.).
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3.- a) Der Anwalt steht wie die Angehörigen anderer liberaler Berufe und alle übrigen Personen, die einer privatwirtschaftlichen Tätigkeit nachgehen, unter dem Schutz der Wirtschaftsfreiheit (Art. 31 aBV und Art. 27 BV). Geschützt ist sowohl die selbständige wie auch die unselbständige Berufsausübung (BGE 123 I 12 E. 2a S. 15, mit Hinweisen).
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Unzulässig sind wirtschaftspolitische oder standespolitische Massnahmen, die den freien Wettbewerb behindern, um gewisse Gewerbezweige oder Bewirtschaftungsformen zu sichern oder zu begünstigen. Zulässig sind dagegen andere im öffentlichen Interesse begründete Massnahmen, wie namentlich polizeilich motivierte Eingriffe zum Schutz der öffentlichen Ordnung, Gesundheit, Sittlichkeit sowie von Treu und Glauben im Geschäftsverkehr oder sozialpolitisch begründete Einschränkungen. Diese bedürfen allerdings einer gesetzlichen Grundlage, müssen durch ein überwiegendes öffentliches Interesse gerechtfertigt sein und den Grundsatz der Verhältnismässigkeit sowie der Rechtsgleichheit (namentlich im Sinne der Wettbewerbsneutralität) wahren (BGE 123 I 12 E. 2a S. 15, mit Hinweisen; vgl. auch BGE 124 I 310 E. 3a S. 313; 125 I 417 E. 4a S. 422 und Art. 36 BV).
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b) Der Beschwerdeführer macht geltend, es fehle an einem öffentlichen Interesse an der beanstandeten Regelung des Art. 21 AnwG und diese sei unverhältnismässig; sie greife sogar in den Kerngehalt des Grundrechts ein.
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4.- a) Der Grundsatz der Unabhängigkeit des Anwaltes ist von herausragender Bedeutung und weltweit anerkannt, kann aber je nach Land verschieden ausgestaltet sein (vgl.
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näher BGE 123 I 193 E. 4a S. 195 ff.). In der Schweiz weisen die Regelungen der einzelnen Kantone Unterschiede auf (vgl.
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hiezu BGE 123 I 193 E. 4a S. 196 f., mit Hinweisen).
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aa) Das Bundesgericht befasste sich in verschiedenen Entscheiden mit Fragen der Unabhängigkeit der Anwälte.
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In einem unveröffentlichten Urteil vom 17. Oktober 1980 i.S.
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I. erachtete es die rechtliche Beratung und Vertretung von Gewerkschaftsmitgliedern durch einen von der betreffenden Gewerkschaft angestellten Rechtsanwalt als zulässig. Es beurteilte den Fall - der Begründung des angefochtenen Entscheides entsprechend - unter dem Aspekt, ob die finanzielle Unabhängigkeit des Anwalts gegenüber seinen Klienten gewahrt blieb, was im Hinblick darauf bejaht wurde, dass die Entschädigung durch die Gewerkschaft und nicht durch die vertretenen Klienten erfolgte. Eine Verletzung des Unabhängigkeitsgebotes verneinte das Bundesgericht auch in einem späteren - in der Literatur kritisierten (vgl. Albert-LouisDupont-Willemin, Salariat et indépendance de l'avocat, in:
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Der Schweizer Anwalt 1988, Nr. 115, S. 13 ff., auch in:
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Schriftenreihe SAV, Band 5, Unabhängigkeit des Anwalts, 1988, S. 13 ff.; Michael Pfeifer, Der Rechtsanwalt in der heutigen Gesellschaft, ZSR 115/1996 II S. 335 ff.) - Urteil vom 22. Oktober 1987 (BGE 113 Ia 279) über einen Berner Anwalt, der gegen eine Pauschalentschädigung für eine soziale Institution tätig war, welche Bedürftigen unentgeltliche Rechtsberatung sowie Vertretung im Prozess gewährte; dabei hatte der Anwalt auch das Alimenteninkasso zu besorgen. Die Unabhängigkeit sei gewahrt, weil sich der Anwalt im Arbeitsvertrag die Art und Weise der Durchführung des Mandats ausdrücklich vorbehalten hatte und diesbezüglich keinerlei Weisungen unterlag (BGE 113 Ia 279 E. 2 S. 282 f.). In einem Verfahren der abstrakten Normenkontrolle befand das Bundesgericht die genferische Regelung, welche dem Rechtsanwalt jede überwiegende Erwerbsarbeit neben seiner Anwaltstätigkeit verbot, als unverhältnismässigen Eingriff in die Handels- und Gewerbefreiheit; in den meisten Fällen würden die Unabhängigkeit des Anwalts und die Qualität seiner Leistungen nicht tangiert (Urteil vom 18. Oktober 1985 i.S. S., RDAF 1986 S. 157 ff.). Mit Urteil vom 12. Dezember 1996 i.S. G. hiess das Bundesgericht die Beschwerde eines Anwaltes, der hauptberuflich als Leiter der Schadenabteilung einer Versicherung tätig war, gegen die Verweigerung der Zulassung als Rechtsanwalt insoweit gut, als lediglich beabsichtigt war, vom Arbeitsverhältnis unabhängige Mandate zu führen; hingegen sei das Verbot der anwaltlichen Vertretung des eigenen Arbeitgebers bzw. der Ausübung von Mandaten unter dessen Einfluss mit der Handels- und Gewerbefreiheit vereinbar, weil in solchen Fällen die erforderliche Unabhängigkeit des Anwaltes nicht gegeben wäre; ob und allenfalls wie die Vertretung von Klienten des Arbeitgebers zulässig sei, liess das Bundesgericht indes offen (RDAT 1997 II Nr. 10 S. 14 E. 6b). Laut einem Urteil vom 18. April 1997 (BGE 123 I 193) verstösst es nicht gegen Art. 31 aBV, wenn die kantonale Aufsichtsbehörde die Berufsausübung wegen Verletzung des Unabhängigkeitsgrundsatzes einem Rechtsanwalt untersagt, der als leitender Angestellter einer Rechtsschutzversicherung die bei seiner Arbeitgeberin versicherten Klienten im Bereich des Anwaltsmonopols vertritt, denn er nehme eine Doppelfunktion wahr. Daraus brauche zwar nicht in jedem Fall eine Interessenkollision zu resultieren, doch sei die Möglichkeit einer Gefährdung der Unabhängigkeit und der eigenverantwortlichen Berufsausübung als Anwalt augenscheinlich (BGE 123 I 193 E. 4d-f S. 199 ff.).
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bb) In der Literatur wird die Tätigkeit von angestellten Anwälten im Monopolbereich, um den es vorliegend geht, grossenteils abgelehnt (so etwa: Dupont-Willemin, Le secret professionnel et l'indépendance de l'avocat, in:
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Bulletin des Schweizerischen Anwaltsverbandes 1986, Nr. 101, S. 9 ff., insbes. S. 19 ff.; ders. , Salariat et indépendance de l'avocat, in: Der Schweizer Anwalt 1988, Nr. 115, S. 8 ff., insbes. S. 11 ff.; Guido Rieder, Zur Unabhängigkeit des Anwaltes von Dritten, in: Der Schweizer Anwalt 1988, Nr. 116, S. 7 ff., auch in: Schriftenreihe SAV, Band 5; Unabhängigkeit des Anwalts, 1988, S. 18 ff.; Walter Fellmann/Oliver Sidler, Standesregeln des Luzerner Anwaltsverbandes, 1996, N. 6 zu Art. 1, insbes. S. 12; Martin Sterchi, Kommentar zum bernischen Fürsprecher-Gesetz, 1992, N. 6 zu Art. 9; Jacques Matile, L'indépendance de l'avocat, in: François Chaudet/ Olivier Rodondi [Hrsg. ], L'avocat moderne, 1998, S. 207 ff., insbes. S. 213 f.; Dominique Dreyer, L'avocat dans la société actuelle, in: ZSR 115/1996 II, S. 395 ff., insbes. S. 414 ff., mit Hinweisen auf die ältere Literatur; differenzierend: Franz Werro, Les conflits d'intérêts de l'avocat, in: Schweizerisches Anwaltsrecht, Festschrift des SAV, 1998, S. 231 ff., insbes. S. 240 ff.). Michael Pfeifer (a.a.O., S. 307 ff. und S. 335 ff.), Tomas Poledna (Anwaltsmonopol und Zulassung zum Anwaltsberuf - Streiflichter in vier Thesen, in: Schweizerisches Anwaltsrecht, Festschrift SAV, 1998, S. 89 ff., insbes.
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S. 97 f.) und Peter Nobel (Rechtsformen der Zusammenarbeit von Anwälten: Organisationsfreiheit für Anwälte!, ebda. , S. 339 ff., insbes. S. 354 ff.) folgen dieser Ansicht mit dem Zusatz, dass die Unabhängigkeit des Rechtsanwaltes unter bestimmten Rahmenbedingungen auch bei einer von Anwälten betriebenen juristischen Person gewährleistet sein könne. Andere Autoren wollen das Auftreten angestellter Anwälte im Monopolbereich grundsätzlich zulassen, zumindest dann wenn sich der Anwalt von seinem Arbeitgeber eine unabhängige Berufsausübung ausbedungen hat (vgl. Verein Zürcherischer Rechtsanwälte, Handbuch über die Berufspflichten des Rechtsanwaltes im Kanton Zürich, 1988, S. 209; Peter Schaufelberger, L'étude d'avocats multidisciplinaire, in: Chaudet/Rodondi, a.a.O., S. 243 ff., insbes. S. 253 ff.; Vincent Martenet, L'indépendance et la publicité des avocats, AJP 2000 S. 668 ff.; Werner de Capitani, Anwaltsgeheimnis und Unternehmensjurist, 1999, S. 43 ff., insbes. S. 57). Auch die Schweizerische Wettbewerbskommission sprach sich im Vernehmlassungsverfahren zum Entwurf für ein Bundesgesetz über die Freizügigkeit der Anwältinnen und Anwälte für die prinzipielle Zulassung angestellter Anwälte aus (vgl. Recht und Politik des Wettbewerbs 1997 S. 579 ff.). Gemäss Felix Wolffers (Der Rechtsanwalt in der Schweiz, 1986, S. 57 ff.) ist mit Blick auf die Handels- und Gewerbefreiheit ein Ausschluss angestellter Anwälte durch die kantonale Anwaltsgesetzgebung allenfalls dann zulässig, wenn dies "ausdrücklich" geregelt ist.
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b) Das - demnächst in Kraft tretende - Bundesgesetz vom 23. Juni 1999 über die Freizügigkeit der Anwältinnen und Anwälte (Anwaltsgesetz, BGFA; BBl 2000 3594; Referendumsfrist am 12. Oktober 2000 abgelaufen) sieht in Art. 5 ein kantonales Anwaltsregister vor. Anwälte, die über ein kantonales Anwaltspatent verfügen und Parteien vor Gericht vertreten wollen, lassen sich ins Register des Kantons eintragen, in dem sie ihre Geschäftsadresse haben (Art. 6 Abs. 1 BGFA); mit dem Eintrag können sie in der ganzen Schweiz ohne weitere Bewilligung Parteien vor Gerichtsbehörden vertreten (Art. 4 BGFA).
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aa) Nach dem vom Bundesrat vorgelegten Entwurf des Bundesgesetzes über die Freizügigkeit der Anwältinnen und Anwälte (mit Botschaft vom 28. April 1999, BBl 1999 6013 und 6078) sollte grundsätzlich nicht ausgeschlossen sein, dass angestellte Anwälte ins Register eingetragen werden können, solange kein Konflikt zwischen den Interessen des Arbeitgebers und den Interessen der Klientschaft entstehe (BBl 1999 6054, Ziff. 233. 22). Ohne ausdrücklich auf den Begriff "angestellte Anwälte" abzustellen, beschränkte sich der Gesetzentwurf darauf vorzusehen, dass die Behörde, die das Register führt, im Zeitpunkt des Antrags auf Eintragung im Register bereits zu prüfen habe, ob der Anwalt in der Lage sei, den Beruf unabhängig auszuüben. Diese Lösung sollte es den Aufsichtsbehörden und den Gerichten überlassen, die Konturen der Unabhängigkeit zu bestimmen und vor allem auch dem Problem der Interessenkollision Rechnung zu tragen (BBl 1999 6039, Ziff. 172. 17; Bundesrätin Metzler in AB 1999 N 1552).
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Würden in einem Unternehmen angestellte Anwälte auf Grund der 'liberalen' Praxis eines Kantons in dessen Anwaltsregister eingetragen, könnten die anderen Kantone ihnen das Recht zur Parteienvertretung auf ihrem Gebiet nicht auf Grund der Tatsache, dass sie angestellt seien, verweigern. Die Unabhängigkeit würde vermutet, sobald ein Kanton zulasse, dass Anwälte in dem ihnen vorbehaltenen Monopolbereich tätig werden. Bestünden Zweifel an der Unabhängigkeit eines Anwalts, könne die Aufsichtsbehörde ein Disziplinarverfahren eröffnen (BBl 1999 6055 Ziff. 233. 22).
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bb) Der Gesetzgeber wählte aber eine andere Lösung.
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Danach sollen angestellte Anwälte im Rahmen des Anwaltsmonopols von der Vertretung von Parteien vor Gericht (vgl. Art. 2 BGFA) ganz ausgeschlossen sein. Ausnahmen gelten lediglich bei Anwälten, die von nicht gewinnorientierten Organisationen oder von Personen angestellt sind, die ihrerseits in einem kantonalen Register eingetragen sind (vgl. AB 1999 N 1559-1563 und AB 1999 S 1162 und 1164-1169). Der dazu verabschiedete Art. 8 BGFA (BBl 2000 3596) lautet wie folgt:
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"Persönliche Voraussetzungen
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1Für den Registereintrag müssen die Anwältinnen und
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Anwälte folgende persönliche Voraussetzungen erfüllen:
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a....
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b. ...
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c. ...
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d. sie müssen in der Lage sein, den Anwaltsberuf
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unabhängig auszuüben; sie können Angestellte
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nur von Personen sein, die ihrerseits in einem
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kantonalen Register eingetragen sind.
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2Anwältinnen und Anwälte, die bei anerkannten
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gemeinnützigen Organisationen angestellt sind,
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können sich ins Register eintragen lassen, sofern
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die Voraussetzungen nach Absatz 1 Buchstaben a-c
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erfüllt sind und sich die Tätigkeit der Parteivertretung
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strikte auf Mandate im Rahmen des von der
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betroffenen Organisation verfolgten Zwecks beschränkt.. "
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Damit wurde auf Bundesebene eine mit Art. 21 AnwG vergleichbar strenge Regelung getroffen. Dies indiziert zwar nicht bereits die Verfassungsmässigkeit der kantonalen Regelung.
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Indes ist der damit zum Ausdruck gebrachten Wertung des Bundesgesetzgebers bei der Frage des öffentlichen Interesses und der Verhältnismässigkeit Rechnung zu tragen.
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c) Die Unabhängigkeit des Anwalts soll grösstmögliche Freiheit und Sachlichkeit bei der Interessenwahrung gegenüber dem Klienten wie gegenüber dem Richter gewährleisten.
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Sie bildet die Voraussetzung für das Vertrauen in den Anwalt und die Justiz. Wer sich an einen Anwalt wendet, soll gewiss sein dürfen, dass dieser in keiner Weise an einen Dritten gebunden ist, dessen Interessen den eigenen in irgendeiner Weise entgegenstehen können (Sterchi, a.a.O., N. 2 zu Art. 9). Wie das Kantonsgericht zutreffend bemerkt hat, ist bei Treuhandfirmen augenscheinlich, dass diese als gewinnorientierte Dienstleistungsunternehmen mit ihren verschiedenen Geschäftsfeldern klare Eigeninteressen verfolgen.
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Daraus ergibt sich eine nicht unerhebliche - konkrete und nicht bloss abstrakte - Gefahr der Beeinflussung des von ihr angestellten Rechtsanwaltes bei der Betreuung von Mandanten, die Bezug zum allgemeinen Geschäftsinteresse des Arbeitgebers aufweisen. Dabei wird der Mandant oft gar nicht abschätzen können, ob Eigeninteressen des Unternehmens tangiert sind. So sind Konstellationen denkbar, dass eine Treuhandgesellschaft verschiedene Klienten betreut, die untereinander Prozessgegner sind; das Treuhandunternehmen könnte - aus eigenem Antrieb oder auf Druck eines Kunden - geneigt sein, auf den von ihr angestellten Anwalt einzuwirken, der einen der Klienten im Prozess vertritt und möglicherweise selber keine Kenntnis davon hat, dass der Gegner ebenfalls (wenn auch nicht in der Prozesssache) Kunde seines Arbeitgebers ist. Das Gleiche gilt, wenn die Gesellschaft darauf aus ist, den Prozessgegner als neuen Kunden zu akquirieren (vgl. zudem das Beispiel von Ständerat Schiesser in AB 1999 S 1169). Diese Gefahr besteht unter Umständen ebenso, wenn der andere Kunde Prozesszeuge ist und die Treuhandgesellschaft ihn als solchen schonen bzw. nicht blossstellen möchte. Sodann könnte die vielschichtig tätige Treuhandgesellschaft an einer vom Ziel des Mandanten abweichenden Klärung einer Rechtsfrage interessiert sein (sei es aus eigenem Interesse oder im Interesse anderer Klienten). Im Gegensatz zum registrierten Anwalt ist die Treuhandgesellschaft selber nicht an die Standesregeln (vgl. Art. 19 ff.
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AnwG und Art. 12 BGFA) gebunden und unterliegt damit insbesondere auch nicht ihren Sanktionen (vgl. Art. 35 AnwG und Art. 17 BGFA), die bis hin zum Entzug der Berufsausübungsbewilligung gehen können und die das Unternehmen vom Versuch entsprechender Einflussnahmen abhalten würden. Zum anderen kann auch der Mandant versucht sein, über seine Geschäftsbeziehung Einfluss auf den Anwalt auszuüben. Damit ist die Möglichkeit einer Gefährdung der Unabhängigkeit und der eigenverantwortlichen Berufsausübung als Anwalt augenfällig, auch wenn nicht immer eine Interessenkollision zu resultieren braucht. Im Sinne einer klaren, transparenten und auch für den Rechtssuchenden überblickbaren Ordnung (vgl.
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Sterchi, a.a.O., N. 6a zu Art. 9, S. 35) erweist sich der generelle Ausschluss der von Treuhandgesellschaften oder anderen Unternehmen angestellten Anwälte als geeignet und verhältnismässig, um die Unabhängigkeit des Anwaltsstandes zu garantieren.
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Darüber hinaus dient die Unabhängigkeit des Anwaltes der Sicherstellung, dass die anwaltlichen Berufspflichten, insbesondere das Anwaltsgeheimnis, eingehalten werden. Im Rahmen der Unternehmensorganisation kann sich die erforderliche Geheimhaltung innerhalb des Betriebs, aber auch nach aussen, wenn das Unternehmen an sich nach anderen Vorschriften zu Auskünften verpflichtet ist, als problematisch erweisen (vgl. dazu auch Nationalrat Suter und Bundesrätin Metzler in AB N 1999 1566). Zudem stellt das Anwaltsgeheimnis im Rechtssystem eine Besonderheit dar, das dem registrierten Anwalt im Hinblick auf seine ausserordentliche Stellung in der Rechtspflege eingeräumt wird. Dem stehen Standespflichten gegenüber, denen der Anwalt nur vollumfänglich nachkommen kann, wenn er vom Mandanten und von Dritten unabhängig ist (Dupont-Willemin, Le secret professionnel et l'indépendance de l'avocat, a.a.O., S. 10). Eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigt sich in diesem Zusammenhang gegenüber dem Anwalt, der von einem anderen, im Anwaltsregister eingetragenen Rechtsanwalt angestellt ist. Der eingetragene Rechtsanwalt als Arbeitgeber ist im Gegensatz zu einer Treuhandfirma insbesondere selber an die Standesregeln gebunden und damit ebenso der Disziplinargewalt unterworfen.
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Demnach darf er vor allem nicht im Interesse eines anderen Klienten Einfluss auf seinen angestellten Kollegen ausüben.
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Bei allfälliger Interessenkollision bestünde sowohl beim angestellten als auch bei dem als Arbeitgeber auftretenden Anwalt die Pflicht zur Mandatsniederlegung.
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d) Nach dem Gesagten stellt sich die Regelung des Art. 21 AnwG im konkreten Fall als verhältnismässig heraus und ist durch ein überwiegendes öffentliches Interesse gerechtfertigt.
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Sie verletzt damit die Wirtschaftsfreiheit nicht. Auch der geltend gemachte Verstoss gegen das Rechtsgleichheitsgebot und das Willkürverbot ist nicht gegeben.
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Die Beschwerde erweist sich folglich als unbegründet, soweit darauf einzutreten ist.
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5.- Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 156 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 153 und Art. 153a OG). Eine Parteientschädigung ist nicht zuzusprechen (vgl. Art. 159 Abs. 2 OG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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1.- Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
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2.- Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.
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3.- Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Anwaltskammer des Kantons St. Gallen sowie dem Kantonsgericht St. Gallen, III. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.
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______________
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Lausanne, 8. Januar 2001
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Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
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des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS
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Der Präsident:
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Der Gerichtsschreiber:
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