BGer 7B.267/2000 | |||
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BGer 7B.267/2000 vom 22.01.2001 | |
[AZA 0/4]
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7B.267/2000/bnm
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SCHULDBETREIBUNGS- UND KONKURSKAMMER
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22. Januar 2001
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Es wirken mit: Bundesrichterin Nordmann, Präsidentin der
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Schuldbetreibungs- und Konkurskammer, Bundesrichter Merkli,
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Bundesrichter Meyer und Gerichtsschreiber Gysel.
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In Sachen
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Betreibungsamt X., Beschwerdeführer,
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gegen
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den Beschluss des Obergerichts (II. Zivilkammer) des Kantons Zürich als oberer kantonaler Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs vom 16. November 2000 (U/O/NR000077/II. ZK),
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betreffend
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Retention
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(Ersatz der Kosten für eine Sicherungsmassnahme),
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Am 29. Dezember 1999 und 3. Januar 2000 nahm das Betreibungsamt X. für Mietzinsforderungen der Y. AG gegenüber der Z. AG von Fr. 20'060.-- in den gemieteten Räumlichkeiten eine Retentionsurkunde auf. Im Verlaufe des Vollzugs der Retention liess das Betreibungsamt das Schloss der Eingangstüre zu den erwähnten Räumlichkeiten auswechseln, den Schliesszylinder des direkt in die Räume führenden Warenlifts entfernen und die Türe zum Lift mit einem Stahlkabel absperren. Erst später wurde im Sinne von Art. 283 Abs. 3 SchKG die Betreibung eingeleitet.
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Das Betreibungsamt nahm in die für den Vollzug der Retention erstellte Kostenrechnung (Totalbetrag: Fr. 1'626. 40) unter anderem Fr. 217. 70 als "Kosten Schlüsseldienst" auf.
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Mit Eingabe vom 19. Januar 2000 erhob die Z. AG beim Bezirksgericht als unterer kantonaler Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen Beschwerde und verlangte, es sei festzustellen, dass das Vorgehen des Betreibungsamtes bei der Vornahme der Retention unzulässig gewesen sei, und die Position "Kosten Schlüsseldienst" der im Retentionsverzeichnis enthaltenen Kostenrechnung zu streichen.
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Das Bezirksgericht hiess die Beschwerde am 18. September 2000 teilweise gut und wies das Betreibungsamt an, die Kostenrechnung um Fr. 169. 30 zu kürzen. Zur Begründung erklärte es, das vom Amt angeordnete Auswechseln der Schliesszylinder sei unzulässig gewesen und die durch diese Vorkehr verursachten Kosten dürften daher nicht der Retentionsschuldnerin überbunden werden.
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Den vom Betreibungsamt erhobenen Rekurs wies das Obergericht (II. Zivilkammer) des Kantons Zürich als obere kantonale Aufsichtsbehörde durch Beschluss vom 16. November 2000 ab, soweit darauf einzutreten war.
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Hiergegen ist das Betreibungsamt an die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts gelangt, die die Beschwerde abweist, soweit darauf einzutreten ist.
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Aus den Erwägungen:
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3.- Im Gegensatz zum Obergericht ist das beschwerdeführende Betreibungsamt unter Berufung auf die Bestimmungen von Art. 98 Abs. 1 und 3 SchKG der Ansicht, es sei befugt gewesen, im Sinne einer Sicherungsvorkehr die strittige Auswechslung der Türzylinder anzuordnen; die Retentionsschuldnerin habe daher die damit verbundenen Kosten zu ersetzen.
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a) In Art. 98 SchKG sind besondere Vorkehren zur Sicherung beweglicher Pfändungsobjekte vorgesehen. So hat das Betreibungsamt Geld, Banknoten, Inhaberpapiere, Wechsel und andere indossable Papiere wie auch Edelmetalle und andere Kostbarkeiten, die es mit Pfändungsbeschlag belegt, in Verwahrung zu nehmen (Art. 98 Abs. 1 SchKG). Die gleiche Massnahme trifft es bei anderen Gegenständen, wenn es dafür hält, sie erscheine zur Sicherung der durch die Pfändung begründeten Rechte als geboten (Art. 98 Abs. 3 SchKG). Nach einem schon wenige Jahre nach Inkrafttreten des Schuldbetreibungs- und Konkursgesetzes gefällten Urteil der erkennenden Kammer kommt eine sinngemässe Anwendung dieser pfändungsrechtlichen Bestimmungen auf das Retentionsverfahren (Art. 283 SchKG) erst von dem Zeitpunkt an in Frage, da dieses Verfahren in ein Stadium getreten sei, das sich der Pfändung in der gewöhnlichen Betreibung gleichstellen lasse. Davon könne erst gesprochen werden, wenn die Forderung, deren Befriedigung aus den Retentionsobjekten angestrebt werde, in Betreibung gesetzt, das Zwangsvollstreckungsverfahren also eingeleitet sei (BGE 29 I 71 E. 2 S. 74).
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In einem Entscheid der Aufsichtsbehörde des Kantons Bern vom 6. Mai 1949 (veröffentlicht in: BlSchK 1952 S. 90 ff., insbes. S. 91, E. 2) und in der Literatur wird die Meinung vertreten, eine Verwahrung der mit Retentionsbeschlag belegten Gegenstände durch das Betreibungsamt sei unzulässig, solange (in der Prosequierungsbetreibung auf Pfandverwertung) nicht ein allfälliger Rechtsvorschlag beseitigt bzw. das Verwertungsbegehren gestellt worden sei (Jaeger, Kommentar zum SchKG, Zürich 1911, N 6 zu Art. 283, S. 346; Jaeger/Daeniker, Schuldbetreibungs- und Konkurs-Praxis der Jahre 1911-1945, N 2 zu Art. 98 und N 6 zu Art. 283, S. 472; Otto Studer, Die betreibungsamtlichen Funktionen im Retentionsverfahren für Miet- und Pachtzinsforderungen, in: BlSchK 1952 S. 167; vgl. auch ErnstBlumenstein, Handbuch des Schweizerischen Schuldbetreibungsrechts, S. 537 unten, und Pierre-Robert Gilliéron, Commentaire de la loi fédérale sur la poursuite pour dettes et la faillite, N 20 zu Art. 98, die sich darauf beschränken, auf BGE 29 I 71 ff. zu verweisen). Vorbehalten werden Fälle, in denen gegen den Mieter eine vollstreckbare Ausweisungsverfügung vorliegt (vgl. den erwähnten Entscheid der Aufsichtsbehörde des Kantons Bern, in: BlSchK 1952 S. 91 f., E. 2; Fritzsche/Walder, Schuldbetreibung und Konkurs nach schweizerischem Recht, 3. Aufl. , II. Bd., § 63 Rz 23; Schnyder/Wiede, Kommentar zum SchKG, N 62 zu Art. 283). Ebenso wird unter Berufung auf BGE 37 I 556 die Möglichkeit einer amtlichen Verwahrung im Hinblick auf einen in Analogie zu Art. 124 Abs. 2 SchKG durchzuführenden Verkauf rasch verderblicher oder hohe Unterhaltskosten verursachender Sachen erwähnt (Fritzsche/Walder, a.a.O.; Gilliéron, a.a.O.; Schnyder/Wiede, a.a.O.).
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b) Ein Sonderfall mit Dringlichkeitscharakter der angeführten Art liegt hier nicht vor, so dass dahingestellt bleiben mag, von welchem Stadium des Retentionsverfahrens an eine amtliche Verwahrung der mit Beschlag belegten Gegenstände bei einem solchen Fall als zulässig zu erachten wäre.
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Für den Normalfall ist daran festzuhalten, dass eine sinngemässe Anwendung von Art. 98 SchKG erst dann in Betracht fällt, wenn ein Verfahrensstand erreicht ist, der sich bei der Betreibung mit demjenigen der Pfändung vergleichen lässt. Von der Anerkennung des Zahlungsbefehls abgesehen, darf die Pfändung erst vollzogen werden, nachdem der Rechtsvorschlag beseitigt worden ist, mit andern Worten nach einer (wenn auch im Falle der provisorischen Pfändung nicht abschliessenden) Prüfung des Bestandes der der Betreibung zugrunde liegenden Forderung durch den Richter. Das Gleiche hat im Falle der Aufnahme eines Retentionsverzeichnisses bezüglich der Prosequierungsbetreibung zu gelten. Auch hier kommt Art. 98 SchKG mithin erst nach Beseitigung eines allfälligen Rechtsvorschlags zum Tragen.
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c) Der vom beschwerdeführenden Betreibungsamt angestellte Vergleich mit dem Arrest geht fehl: Wohl ist die Aufnahme eines Retentionsverzeichnisses in gewisser Hinsicht dem Arrestvollzug ähnlich. Indessen beruht dieser auf einem Arrestbefehl, der im Anschluss an eine wenn auch bloss summarische Prüfung des Bestandes der geltend gemachten Forderung durch den Richter, d.h. einer vom Betreibungsbeamten unabhängigen Instanz, erlassen wird (Art. 272 Abs. 1 Ziff. 1 und Art. 274 Abs. 1 SchKG). Hinzu kommt, dass der vom Arrest Betroffene beim Arrestrichter sofort Einsprache erheben kann (Art. 278 SchKG). Im Gegensatz zum Fall der Aufnahme eines Retentionsverzeichnisses sieht das Gesetz (Art. 275 SchKG) schliesslich ausdrücklich vor, dass beim Arrestvollzug neben anderen Bestimmungen des Pfändungsrechts auch Art. 98 SchKG sinngemäss anwendbar ist.
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4.- Mit dem Auswechseln der Türschlösser hat das Betreibungsamt bewirkt, dass von der Retentionsschuldnerin ermächtigte Personen am freien Zugang zu den retinierten Gegenständen gehindert wurden. Im Ergebnis kommt seine Vorkehr einer amtlichen Verwahrung gleich. Da die Massnahme schon vor Einleitung der Betreibung zur Prosequierung des Retentionsverfahrens angeordnet wurde, war sie nach dem Gesagten unzulässig, und es geht deshalb nicht an, die mit ihr verbundenen Auslagen der Retentionsschuldnerin zu überbürden.
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Die Beschwerde ist daher unbegründet.
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Lausanne, 22. Januar 2001
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