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Informationen zum Dokument  BGer P 14/1999  Materielle Begründung
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BGer P 14/1999 vom 28.02.2001
 
«AZA 7»
 
P 14/99 Vr
 
II. Kammer
 
Präsident Lustenberger, Bundesrichter Meyer und Ferrari; Gerichtsschreiber Attinger
 
Urteil vom 28. Februar 2001
 
in Sachen
 
O._________, 1930, Beschwerdeführerin, vertreten durch ihren Beirat M._________,
 
gegen
 
Amt für AHV und IV des Kantons Thurgau, EL-Stelle, St. Gallerstrasse 13, Frauenfeld, Beschwerdegegner,
 
und
 
AHV/IV-Rekurskommission des Kantons Thurgau, Weinfelden
 
A.- Mit Verfügung vom 11. September 1997 lehnte das Amt für AHV und IV des Kantons Thurgau den Anspruch von O._________ auf Ergänzungsleistungen zur Altersrente ab, weil die Einnahmen (Fr. 146'165.10) die Ausgaben (Fr. 80'242.-) um Fr. 65'923.10 überstiegen.
 
B.- Die Versicherte erhob hiegegen Beschwerde an die AHV/IV-Rekurskommission des Kantons Thurgau. Die Beschwerde veranlasste das Amt, zusätzliche Abklärungen vorzunehmen. Die Aktenergänzungen führten das Amt zum Schluss, es lägen zwar bloss anrechenbare Einnahmen von Fr. 111'110.- bei leicht verminderten Ausgaben von Fr. 78'387.- vor, was aber immer noch einen Überschuss von Fr. 32'723.- ergebe. Dementsprechend liess sich das Amt mit dem Antrag auf Abweisung der Beschwerde vernehmen.
 
Unter der Annahme anrechenbarer Einnahmen in Höhe von Fr. 115'872.- und zu berücksichtigenden Ausgaben von Fr. 78'387.-, somit eines Überschusses von Fr. 37'485.-, wies die Rekurskommission die Beschwerde mit Entscheid vom 9. Februar 1999 ab.
 
C.- O._________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen und - unter Hinweis auf das steuerlich anerkannte Fehlen von Einkommen und Vermögen - sinngemäss beantragen, es seien ihr Ergänzungsleistungen zuzusprechen. Sie reicht u.a. eine Kopie des Veranlagungsprotokolles 1995/96 des Gemeindesteueramtes (Veranlagungsbehörde) X.________ ein, welches für "1993/94 + Gegenwart" je ein steuerbares Einkommen und Vermögen von 0 ausweist.
 
Während das Amt auf Abweisung der Beschwerde schliesst, hat sich das Bundesamt für Sozialversicherung nicht vernehmen lassen.
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
 
1.- Im Hinblick auf die vorinstanzlich bestätigte Verfügung vom 11. September 1997, welche einen Anspruch auf Ergänzungsleistungen mit Wirkung ab 1. Januar 1997 ablehnt, ist in diesem Verfahren die Ergänzungsleistungsberechtigung der Beschwerdeführerin für das Jahr 1997 zu prüfen, dies unter Ausschluss der folgenden Jahre ab 1998. Denn eine (gegebenenfalls gerichtlich bestätigte) Verfügung über Ergänzungsleistungen gilt grundsätzlich, von hier nicht zutreffenden Ausnahmen abgesehen, für ein Kalenderjahr, wie sich aus der gesetzessystematischen Umschreibung der jährlichen Ergänzungsleistung (Art. 5 Abs. 1 ELG in der hier intertemporalrechtlich anwendbaren bis 31. Dezember 1997 gültig gewesenen Fassung; im gleichen Sinne auch Art. 3a Abs. 1 ELG in der Fassung gemäss Bundesgesetz vom 20. Juni 1997, in Kraft seit 1. Januar 1998) und den Verordnungsbestimmungen über die Festlegung der jährlichen Ergänzungsleistungen (Art. 20 ff. ELV) ergibt.
 
2.- In materiellrechtlicher Hinsicht hat die Rekurskommission die Gesetzes- und Verordnungsbestimmungen sowie die dazu geltende Rechtspraxis betreffend die zu berücksichtigenden Ausgaben sowie die anrechenbaren Einkünfte und Vermögenswerte, hier insbesondere bezüglich der Bewertung von selbst- und fremdgenutzten Liegenschaften (Art. 17 Abs. 1 und Abs. 4 ELV), zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen.
 
3.- Ob ein Anspruch auf Ergänzungsleistung besteht, ergibt sich aus der Differenz zwischen den anerkannten Ausgaben - wozu auch der in der massgeblichen Einkommensgrenze verkörperte Existenzbedarf zählt - und den anrechenbaren Einnahmen (Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 5 Abs. 1 ELG in der bis 31. Dezember 1997 gültig gewesenen Fassung; BGE 118 V 29 Erw. 3a). Zu berücksichtigen sind hiebei ausgaben- und einnahmenseitig, unter Vorbehalt der im Anspruchsjahr laufenden IV- oder AHV-Renten, das während des vorausgegangenen Kalenderjahres erzielte Einkommen sowie das am 1. Januar des Bezugsjahres vorhandene Vermögen. Dabei sind die kantonalen Durchführungsstellen befugt, bei Versicherten, deren anrechenbares Einkommen und Vermögen im Sinne des ELG auf Grund einer Steuerveranlagung ermittelt werden kann, als Berechnungsperiode die der letzten Steuerveranlagung zu Grunde liegende Berechnungsperiode zu wählen, falls inzwischen keine Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse eingetreten ist (Art. 23 Abs. 1-3 ELV in der bis 31. Dezember 1997 gültig gewesenen Fassung).
 
4.- Was die Ausgaben anbelangt, welche nach den - für die Gerichte verbindlichen - gesetzlichen Regelungen berücksichtigt werden können, ergibt sich auf Grund der Akten folgendes Bild:
 
a) Beiträge an die obligatorische Krankenpflegeversicherung in der Höhe der massgeblichen kantonalen Richtprämie: Fr. 1848.-.
 
b) Unter dem Titel Hypothekarzinsen und Gebäudeunterhaltskosten sind der Beschwerdeführerin, abweichend von der Auffassung von Rekurskommission und Durchführungsstelle, nicht nur Fr. 48'249.- (Fr. 36'965.- + Fr. 11'284.-) zuzubilligen; sondern es ist ihr hier der nach dem Gesetz höchstmögliche Abzug bis zur Höhe des Bruttoertrages der Liegenschaften (Art. 3 Abs. 4 lit. c ELG in der bis 31. Dezember 1997 gültig gewesenen Fassung), somit Fr. 56'418.-, zu gewähren. Denn aus der in den Akten liegenden Steuererklärung 1997/98 geht hervor, dass die Beschwerdeführerin auf den Grundpfandschulden 1995 Zinsen von Fr. 86'172.- und 1996 Zinsen von Fr. 66'192.- bezahlte.
 
c) Unter dem Titel des Abzuges für Miete und Nebenkosten ist der Beschwerdeführerin, welche ihr Einfamilienhaus in A._________ selber bewohnt, mit Verwaltung und Vorinstanz der höchstmögliche Abzug von Fr. 11'200.- zu gewähren.
 
d) Schliesslich ist die gesetzliche Einkommensgrenze, d.h. der Lebensbedarf, welchen das ELG der Beschwerdeführerin 1997 als Nichtheimbewohnerin garantierte, in Anschlag zu bringen. Er beläuft sich auf Fr. 17'090.-.
 
e) Die Beschwerdeführerin vermag sich somit über Ausgaben (Erw. 4a-d) von Fr. 86'556.- auszuweisen. Weitere Abzüge fallen nicht in Betracht.
 
5.- Was die Einnahmen anbelangt, sind der Beschwerdeführerin für das Jahr 1997 zuzurechnen:
 
a) Einen Bruchteil des Vermögens, im Falle der Beschwerdeführerin als Altersrentnerin einen Zehntel, welchen das ELG dem Einkommen zuschlägt (Vermögensverzehr). Unter diesem Titel hat sich die Beschwerdeführerin am Stichtag (1. Januar 1997) anrechnen zu lassen:
 
- Sparguthaben und Wertschriften von Fr. 64'815.- gemäss
 
eigenhändig unterzeichneter Steuererklärung.
 
- Liegenschaftenbesitz von Fr. 790'101.-. Die Rekurskom-
 
mission hat im Einzelnen zutreffend dargetan, dass das
 
im Eigentum der Beschwerdeführerin stehende, von ihr
 
in A._________ selbst bewohnte Einfamilienhaus (mit-
 
samt Garagen) zum Steuerwert (Fr. 611'000.-) und das
 
in Y._________ befindliche leer stehende Bürogebäude
 
zum Verkehrswert (Fr. 179'101.-, einschliesslich Gar-
 
ten), d.h. zu dem um 25 % erhöhten Steuerwert, einzu-
 
setzen ist.
 
- Fr. 15'000.- für das Wohnmobil gemäss eigenhändig un-
 
terzeichneter Steuererklärung.
 
- Hingegen ist der Beschwerdeführerin, in Abweichung von
 
Rekurskommission und dem vom Amt erst lite pendente
 
eingenommenen Standpunkt, kein weiteres Vermögen anzu-
 
rechnen, insbesondere nicht der aus dem Verkauf der
 
Liegenschaft in Y._________ erzielte Nettoerlös von
 
Fr. 99'650.-. Die Darstellung der Beschwerdeführerin,
 
dass dieser Betrag zur Schuldentilgung verwendet
 
wurde, ist in Anbetracht des Schreibens der Bank
 
Z._________ vom 4. Dezember 1996 über die Verteilung
 
des Kaufpreises, im Weiteren der am 15. Dezember 1996
 
betreibungsamtlich bescheinigten Steuerschulden und
 
der Aufstellung der Beschwerdeführerin über die im
 
Dezember 1996 durch die Bank ausgeführten Zahlungen
 
von total Fr. 198'410.- glaubhaft. Diese Aufstellung
 
stimmt in den wesentlichen Punkten mit den Akten übe-
 
rein, z.B. was die im Schreiben der Bank Z._________
 
vom 4. Dezember 1996 erwähnte Reduktion der "Hypothek
 
A._________" um Fr. 65'000.- oder die Begleichung der
 
in den Akten liegenden Anwaltsrechnungen betrifft.
 
Es ergibt sich somit am 1. Januar 1997 ein anrechenbares Vermögen von Fr. 869'916.-, abzüglich die steuerlich ausgewiesenen Schulden von Fr. 663'278.- (= Fr. 206'638.-), was, nach Abzug des gesetzlichen Freibetrages von Fr. 25'000.- (Fr. 181'638.-), zu einem anrechenbaren Vermögensverzehr von Fr. 18'163.- (1/10) führt.
 
b) Anzurechnen ist weiter mit Verwaltung und Vorinstanz das Renteneinkommen von Fr. 22'920.- (AHV-Rente).
 
c) Der steuerlich deklarierte Liegenschaftsertrag für 1996 von Fr. 56'418.- ist ebenfalls als anrechenbares Einkommen zu berücksichtigen.
 
d) Die Zinsen auf dem Sparguthaben und den Wertschriften schlagen mit Fr. 1125.- zu Buche.
 
e) Die zu berücksichtigenden Positionen (Erw. 5a-d) führen somit zu Einnahmen von insgesamt Fr. 98'626.-. Sie übersteigen demnach die Ausgaben von Fr. 86'556.-, was zur Abweisung des Anspruchs auf Ergänzungsleistungen für 1997 führt.
 
6.- Den Vorbringen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, soweit nicht unbehelflich, ist entgegenzuhalten, dass steuer- und ergänzungsleistungsrechtlicher Einkommens- und Vermögensstatus nicht miteinander übereinstimmen: Im Falle der Beschwerdeführerin wirkt sich erstens aus, dass die ergänzungsleistungsrechtliche Abzugsfähigkeit von Hypothekarzinsen und Gebäudeunterhaltskosten - im Gegensatz zum Steuerrecht mit seiner unbeschränkten Abzugsfähigkeit - nur, wie dargetan (Erw. 4b), bis zum Bruttoliegenschaftenertrag reicht. Zweitens sind Liegenschaften, soweit nicht selber bewohnt, ergänzungsleistungsrechtlich nicht zum Steuer- sondern zum - höheren - Verkehrswert einzusetzen, was sich hier ebenfalls für die Beschwerdeführerin nachteilig auswirkt (Erw. 5a zweiter Absatz in fine). Drittens ist zu berücksichtigen, dass die AHV-Renten (wie im Übrigen auch die Leistungen aus beruflicher Vorsorge, von deren Anrechnung hier abgesehen wurde, da ohnehin ein Einnahmenüberschuss besteht; Erw. 5e) bei der Ermittlung der Ergänzungsleistungen voll, im Steuerrecht jedoch nur teilweise unter vorgängigem Abzug von Freibeträgen, in Rechnung gestellt werden, wie aus dem Veranlagungsprotokoll 1995/96 ersichtlich ist.
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
 
I. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
 
II. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
 
III. Dieses Urteil wird den Parteien, der AHV/IV-Rekurs-
 
kommission des Kantons Thurgau und dem Bundesamt für
 
Sozialversicherung zugestellt.
 
Luzern, 28. Februar 2001
 
Im Namen des
 
Eidgenössischen Versicherungsgerichts
 
Der Präsident der II. Kammer:
 
Der Gerichtsschreiber:
 
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