BGer 5P.40/2001 | |||
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BGer 5P.40/2001 vom 12.03.2001 | |
[AZA 0/2]
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5P.40/2001/GYW/bnm
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II. Z I V I L A B T E I L U N G ********************************
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12. März 2001
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Es wirken mit: Bundesrichter Reeb, Präsident der II. Zivilabteilung,
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Bundesrichter Raselli, Bundesrichter Meyer und
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Gerichtsschreiber Gysel.
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In Sachen
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Z.________, Beschwerdeführerin, vertreten durch Fürsprech Dr. Urs Tschaggelar, Schützengasse 15, 2540 Grenchen,
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gegen
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Y.________, Beschwerdegegner, vertreten durch Fürsprecherin Barbara Steiner, Schmiedengasse 33, 5012 Schönenwerd, Obergericht (Zivilkammer) des Kantons Solothurn,
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betreffend
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Art. 8, 9 und 29 BV
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(Nichteintreten auf eine Appellation),
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wird festgestellt und in Erwägung gezogen:
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1.- a) Das Amtsgericht Bucheggberg-Wasseramt sprach am 24. Januar 2000 die Scheidung der Ehe von Y.________ und Z.________ aus und wies das Unterhaltsbegehren der Ehefrau ab. Z.________ appellierte an das Obergericht des Kantons Solothurn. Am 5. Juni 2000 wurde sie aufgefordert, bis am 3. Juli 2000 die noch ausstehenden erstinstanzlichen Gerichtskosten von Fr. 1'225.-- sowie einen vorläufigen Kostenvorschuss von Fr. 1'500.-- zu bezahlen, ansonsten auf die Appellation nicht eingetreten werde. Ihr Anwalt ersuchte am 3. Juli 2000 um Erstreckung der Frist bis zum 4. September 2000. Diesem Begehren wurde entsprochen, ebenso einem weiteren Gesuch vom 4. September 2000 um nochmalige Fristerstreckung bis zum 25. September 2000.
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Am 25. September 2000 ersuchte der Anwalt von Z.________ ein drittes Mal um Erstreckung der Frist (bis zum 16. Oktober 2000). Das Gesuch wurde am 27. September 2000 von der Präsidentin der Zivilkammer abgewiesen.
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b) Am 9. Oktober 2000 - innert der Notfrist (§ 81 Abs. 3 der Solothurner Zivilprozessordnung; ZPO/SO) - ersuchte Z.________ das Obergericht um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und Rechtsverbeiständung, da sie nicht in der Lage sei, für die Kosten des Appellationsverfahrens aufzukommen.
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Die Präsidentin der Zivilkammer verfügte am 20. November 2000, dass auf dieses Gesuch nicht eingetreten werde. Zur Begründung führte sie aus, es könnten innert der Notfrist nur diejenigen Prozesshandlungen vorgenommen werden, die Gegenstand des abgewiesenen Fristerstreckungsgesuchs gebildet hätten.
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In der gleichen Verfügung stellte sie fest, dass der Kostenvorschuss nicht bezahlt worden sei.
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c) Am 5. Januar 2001 beschloss das Obergericht (Zivilkammer) des Kantons Solothurn, dass auf die gegen das Scheidungsurteil eingereichte Appellation nicht eingetreten werde, weil Z.________ trotz Androhung des Nichteintretens im Unterlassungsfall den Kostenvorschuss nicht bezahlt habe.
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d) Z.________ führt staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung der Art. 8, 9 und 29 BV und beantragt die Aufhebung des obergerichtlichen Entscheids vom 5. Januar 2001 und die Gutheissung des im kantonalen Verfahrens gestellten Armenrechtsgesuchs vom 9. Oktober 2000. Ferner stellt sie die Begehren, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen und ihr auch für das bundesgerichtliche Verfahren die unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren.
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Der Beschwerdegegner und das Obergericht haben Abweisung des Gesuchs um aufschiebende Wirkung beantragt. Durch Präsidialverfügung vom 16. Februar 2001 ist dem Gesuch entsprochen worden.
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Zur Sache selbst sind keine Vernehmlassungen eingeholt worden.
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2.- Die staatsrechtliche Beschwerde ist - von hier nicht gegebenen Ausnahmen abgesehen - rein kassatorischer Natur (BGE 125 I 104 E. 1b S. 107 mit Hinweisen). Soweit die Beschwerdeführerin verlangt, das im kantonalen Verfahren eingereichte Armenrechtsgesuch sei gutzuheissen, ist auf die Beschwerde daher nicht einzutreten.
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3.- Die Beschwerdeführerin bezeichnet den Nichteintretensentscheid des Obergerichts vom 5. Januar 2001 als überspitzt formalistisch, habe sie doch nach der Präsidialverfügung vom 20. November 2000 davon ausgehen dürfen, dass ihr nochmals eine Nachfrist zur Bezahlung des Kostenvorschusses angesetzt werde. Gesuche um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung könnten gemäss § 108 ZPO/SO jederzeit, mithin auch während einer Notfrist, eingereicht werden. In den Erwägungen des angefochtenen Entscheids werde indessen auf das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung vom 9. Oktober 2000 nicht eingegangen. Die Präsidialverfügung vom 20. November 2000 habe hinsichtlich des Nichteintretens auf das Armenrechtsgesuch keine Rechtsmittelbelehrung enthalten, so dass kein Anlass bestanden habe, schon vor dem Entscheid der Zivilkammer des Obergerichts über die Säumnisfolgen ein Rechtsmittel zu ergreifen.
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An anderer Stelle beanstandet die Beschwerdeführerin die Aufteilung in die Präsidialverfügung vom 20. November 2000 und in den Beschluss der obergerichtlichen Zivilkammer vom 5. Januar 2001 und macht geltend, sie hätte gegen jene Beschwerde geführt, hätte sie annehmen müssen, dass ohne weiteres ein Nichteintretensentscheid folgen werde.
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4.- a) Entscheide über die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege sind Zwischenentscheide. Werden solche selbständig eröffnet und betreffen sie nicht Fragen der Zuständigkeit oder des Ausstandes, sind sie mit staatsrechtlicher Beschwerde selbständig anfechtbar, wenn sie einen nicht wiedergutzumachenden Nachteil bewirken (Art. 87 Abs. 2 OG). Letzteres ist bei der Verweigerung der unentgeltlichen Rechtspflege in der Regel der Fall. Wurde von der staatsrechtlichen Beschwerde wie vorliegend kein Gebrauch gemacht, sind Zwischenentscheide der genannten Art durch Beschwerde gegen den Endentscheid anfechtbar (Art. 87 Abs. 3 OG). Insoweit ist auch der Entscheid, mit dem am 20. November 2000 Nichteintreten auf das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung verfügt wurde, anfechtbar.
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b) Dass sich der formelle Beschwerdeantrag nur gegen den Entscheid vom 5. Januar 2001, und nicht auch gegen die Verfügung vom 20. November 2000, richtet, schliesst an sich nicht aus, auch den Zwischenentscheid zu prüfen. Voraussetzung wäre jedoch, dass sich aus der Beschwerdebegründung auch bezüglich dieses Entscheids ein klarer Anfechtungswille ergibt und im Sinne von Art. 90 Abs. 1 lit. b OG substantiierte Rügen erhoben werden. Namentlich an Letzterem fehlt es indessen: Gewisse Ausführungen können zwar durchaus als gegen die Zwischenverfügung gerichtet verstanden werden. So wirft die Beschwerdeführerin der Zivilkammer vor, den Standpunkt der Instruktionsrichterin, wonach ein Gesuch während der Notfrist nicht mehr eingereicht werden könne, nicht in Wiedererwägung gezogen zu haben, obschon er weder aus der Zivilprozessordnung hervorgehe noch gefestigter Praxis entspreche. Mit diesem Vorbringen ist aber Verfassungswidrigkeit des Zwischenentscheids nicht ansatzweise dargetan. Soweit die Präsidialverfügung sinngemäss als mitangefochten zu gelten hat, scheitert die staatsrechtliche Beschwerde demnach an der fehlenden Sustantiierung. Insofern ist auf die Beschwerde daher nicht einzutreten.
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5.- a) Wird der beim Einreichen eines Rechtsmittels verlangte Vorschuss innert Frist nicht geleistet, ist die Streitsache abzuschreiben, sofern diese Folge ausdrücklich angedroht worden ist (§ 94 Abs. 3 ZPO/SO). Die Beschwerdeführerin macht nicht geltend, dass diese Bestimmung als solche gegen das Verbot des überspitzten Formalismus verstosse.
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Unbestritten ist, dass die Rechtsfolge (das Gesetz spricht von Abschreiben, die Kammerpräsidentin hatte Nichteintreten angedroht und verfügte auch entsprechend, was auf das Gleiche hinausläuft) angedroht worden war und der Kostenvorschuss nicht bezahlt wurde. Inwiefern bei dieser Sachlage Nichteintreten überspitzt formalistisch sein soll, ist nicht nachvollziehbar und wird auch nicht dargetan (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG).
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b) Eine andere Frage ist, ob das Obergericht den Nichteintretensentscheid hätte fällen dürfen, ohne sich zuvor mit dem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung zu befassen, wie in der Beschwerde sinngemäss gerügt wird.
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Die Beschwerdeführerin macht auch geltend, solche Gesuche könnten jederzeit, bis zum Schluss des Verfahrens, gestellt werden, und diese Möglichkeit sei ihr mit dem Entscheid vom 5. Januar 2001 genommen worden. Sie scheint zweierlei zu übersehen:
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aa) Gesuche um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung sind zwar grundsätzlich nicht fristgebunden und können insoweit jederzeit angebracht werden (§ 108 ZPO/SO). Ist allerdings die im Sinne der §§ 106 Abs. 1 und 110 Abs. 1 ZPO/SO bedürftige Partei vorschusspflichtig, wie dies bei der Beschwerdeführerin der Fall war, und will sie die für den Unterlassungsfall angedrohte Folge abwenden, muss sie das Gesuch zwangsläufig innert der für die Leistung des Kostenvorschusses gesetzten Frist stellen. Unterlässt sie dies, greifen ohne weiteres die angedrohten Folgen Platz.
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bb) Die Präsidentin der Zivilkammer hat am 20. November 2000 über das Gesuch der Beschwerdeführerin vom 9. Oktober 2000 mit Nichteintreten entschieden. Es bestand daher für das Obergericht keine Veranlassung, sich mit der Frage der unentgeltlichen Rechtspflege und Verbeiständung (nochmals) zu befassen. Damit erweist sich aber auch die Rüge der Verletzung von Art. 29 Abs. 3 BV von vornherein als unbegründet.
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Die Beschwerdeführerin vermag auch keine Bestimmungen zu nennen, nach denen ihr zusätzlich eine Nachfrist hätte angesetzt werden oder das Obergericht den Entscheid der Präsidentin vom 20. November 2000 hätte in Wiedererwägung ziehen müssen, ganz abgesehen davon, dass sie, nachdem sie mit dem Zwischenentscheid vom 20. November 2000 (auch) aufgefordert worden war, zur Höhe und Verteilung der Kosten Stellung zu nehmen, nochmals eine Fristerstreckung verlangt hat, ohne sich indessen zum Nichteintretensentscheid vom 20. November 2000 zu äussern.
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Inwiefern der angefochtene Nichteintretensentscheid des Obergerichts gegen Treu und Glauben und das Willkürverbot verstossen sollte, ist nicht nachvollziehbar.
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6.- Zusammenfassend ergibt sich, dass die staatsrechtliche Beschwerde abzuweisen ist, soweit darauf eintzutreten ist. Nach dem Ausgang des Verfahrens ist die Gerichtsgebühr der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 OG). Da deren Rechtsbegehren von vornherein als aussichtslos erschien, ist das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung für das bundesgerichtliche Verfahren abzuweisen (Art. 152 Abs. 1 OG). Für seine Aufwendungen im Zusammenhang mit der Vernehmlassung zum Begehren um aufschiebende Wirkung ist dem Beschwerdegegner eine angemessene Entschädigung zuzusprechen.
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Demnach erkennt das Bundesgericht
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im Verfahren nach Art. 36a OG:
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1.- Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
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2.- Das Gesuch der Beschwerdeführerin um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege wird abgewiesen.
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3.- Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'500.-- wird der Beschwerdeführerin auferlegt.
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4.- Die Beschwerdeführerin wird verpflichtet, den Beschwerdegegner für seine Umtriebe im bundesgerichtlichen Verfahren mit Fr. 500.-- zu entschädigen.
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5.- Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht (Zivilkammer) des Kantons Solothurn schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 12. März 2001
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Im Namen der II. Zivilabteilung des
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SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS
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Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
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