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Informationen zum Dokument  BGer U 79/2000  Materielle Begründung
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BGer U 79/2000 vom 28.03.2001
 
[AZA 7]
 
U 79/00 Vr
 
III. Kammer
 
Bundesrichter Schön, Spira und Bundesrichterin Widmer; Gerichtsschreiberin Keel
 
Urteil vom 28. März 2001
 
in Sachen
 
1.A._________,
 
2.B._________,
 
3.C._________,
 
Beschwerdeführer, alle drei vertreten durch ihre Mutter G._________, und diese vertreten durch Rechtsanwalt Hans Suppiger, Alpenstrasse 1, Luzern,
 
gegen
 
Schweizerische Unfallversicherungsanstalt, Luzern, Beschwerdegegnerin,
 
und
 
Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, Luzern
 
A.- Der 1969 geborene J._________ arbeitete seit 13. Januar 1995 bei der X._________ AG und war in dieser Eigenschaft bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA) gegen Unfälle versichert. Am 18. Mai 1997 wurde er mit einer im linken Handrücken steckenden Injektionsnadel tot in der von innen verriegelten Garderobe des Baugeschäftes seiner Arbeitgeberin aufgefunden. Neben ihm lagen ein Paket herkömmliche Zigaretten, ein Feuerzeug, eine Aluminiumfolie mit Spuren von präparierten Betäubungsmitteln und eine Schachtel mit Betäubungsmittelutensilien. Die Untersuchungen des Amtsstatthalteramtes Luzern ergaben, dass J._________, nachdem er sich in der Garderobe eingeschlossen hatte, Heroin präparierte und sich selber injizierte; eine Dritteinwirkung könne ausgeschlossen werden. Laut amtlicher Leichenschau starb J._________ am 17. Mai 1997 an einer Überdosis Heroin.
 
Mit Verfügung vom 10. Juni 1997 lehnte die SUVA es ab, für die Folgen des Ereignisses vom 17. Mai 1997 Versicherungsleistungen zu erbringen, dies mit der Begründung, dass J._________ keinen Unfall im Rechtssinne erlitten habe. Daran hielt sie auf Einsprache der durch ihre Mutter G._________ vertretenen Kinder des Verstorbenen, A._________, B._________ und C._________, fest (Entscheid vom 13. November 1997).
 
B.- Die von A._________, B._________ und C._________ hiegegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern mit Entscheid vom 17. Januar 2000 ab, wobei es ihrem Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege wegen Aussichtslosigkeit des Prozesses nicht stattgab.
 
C.- A._________, B._________ und C._________ lassen Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem Rechtsbegehren, der kantonale Entscheid sei aufzuheben und es seien ihnen zufolge Unfalltodes ihres Vaters die gesetzlichen Leistungen zuzuerkennen. Sowohl für das kantonale als auch für das letztinstanzliche Verfahren sei ihnen die unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren.
 
Während die SUVA auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliesst, lässt sich das Bundesamt für Sozialversicherung nicht vernehmen.
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
 
1.- Gemäss Art. 28 und Art. 30 Abs. 1 UVG haben Kinder des an den Folgen eines Unfalls verstorbenen Versicherten Anspruch auf eine Waisenrente. Als Unfall gilt die plötzliche, nicht beabsichtigte schädigende Einwirkung eines ungewöhnlichen äusseren Faktors auf den menschlichen Körper (Art. 9 Abs. 1 UVV; BGE 122 V 232 Erw. 1 mit Hinweisen, RKUV 2000 Nr. U 368 S. 99 Erw. 2b).
 
Nach der Definition des Unfalls bezieht sich das Begriffsmerkmal der Ungewöhnlichkeit nicht auf die Wirkung des äusseren Faktors, sondern nur auf diesen selber. Ohne Belang für die Prüfung der Ungewöhnlichkeit ist somit, dass der äussere Faktor allenfalls schwerwiegende, unerwartete Folgen nach sich zog. Der äussere Faktor ist ungewöhnlich, wenn er den Rahmen des im jeweiligen Lebensbereich Alltäglichen oder Üblichen überschreitet. Ob dies zutrifft, beurteilt sich im Einzelfall, wobei grundsätzlich nur die objektiven Verumständungen in Betracht fallen (BGE 122 V 233 Erw. 1, 121 V 38 Erw. 1a, je mit Hinweisen; RKUV 2000 Nr. U 368 S. 99 Erw. 2b).
 
In einem in RKUV 1990 Nr. U 107 S. 281 publizierten Urteil hat das Eidgenössische Versicherungsgericht das Spritzen von Heroin unter die Zunge nicht als einen ungewöhnlichen äusseren Faktor qualifiziert mit der Begründung, dass es sich um einen dem Versicherten bekannten und gewohnten Vorgang handle. Ebenso entschied es in einem in RKUV 2000 Nr. U 374 S. 175 veröffentlichten Fall, in welchem es um die Injektion von Opiat-Drogen (Heroin oder Morphin) bei einer erfahrenen Drogenkonsumentin ging, wobei es erkannte, dass dies selbst dann gelten würde, wenn der eingetretene Tod auf einen besonderen Reinheitsgehalt zurückzuführen wäre, weil damit der Rahmen des im Bereich der illegalen Drogenbeschaffung und des illegalen Konsums Üblichen nicht überschritten werde.
 
2.- Streitig und zu prüfen ist, ob der Vorfall vom 17. Mai 1997, bei welchem J._________ an einer Überdosis Heroin starb, als Unfall zu qualifizieren ist und die Beschwerdeführer somit Anspruch auf Waisenrenten der Unfallversicherung haben.
 
Es steht fest und ist unbestritten, dass es sich bei J._________ um einen ehemaligen erfahrenen Heroinkonsumenten handelt (Auskunft des Dr. med. E._________, Allgemeine Medizin FMH, vom 28. Oktober 1997). Mit Blick auf die hohe Rückfallgefahr überschreitet der äussere Faktor - das Spritzen von Heroin - den Rahmen des für J._________ Üblichen nicht, weshalb der Vorfall vom 17. Mai 1997 nicht als Unfall zu qualifizieren ist und die Beschwerdeführer keinen Anspruch auf Waisenrenten der Unfallversicherung haben, wie die Vorinstanz zutreffend erkannt hat.
 
Was in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde vorgebracht wird, vermag zu keinem anderen Ergebnis zu führen. Die Beschwerdeführer lassen geltend machen, es sprenge den Rahmen des im jeweiligen Lebensbereich Alltäglichen und Üblichen und sei damit ungewöhnlich, wenn bei einem Wiedereinstieg eine derart hohe Heroindosis gespritzt werde. In atypischer Weise sei sich der Verstorbene des Wiedereinsteigern im Allgemeinen bekannten (vgl. Auskunft der Dr. med. F._________ vom 3. November 1997) Umstandes, dass nach langer Abstinenz wegen der herabgesetzten Toleranzgrenze nur mit einer geringen Menge begonnen werden dürfe, nicht bewusst gewesen. Dieser Argumentation kann schon deshalb nicht gefolgt werden, weil sie verkennt, dass sich das Begriffsmerkmal der Ungewöhnlichkeit auf den äusseren Faktor - vorliegend die Injektion von Heroin - bezieht (vgl. Erw. 1) und aus der Ungewöhnlichkeit innerer Sachverhalte wie des (im Übrigen nicht bewiesenen) Unwissens des Verstorbenen nichts abgeleitet werden kann. Dass schliesslich die gespritzte Dosis so hoch war, dass sie zur schlimmstmöglichen Folge, zum Tod, führte, ist im vorliegenden Zusammenhang nicht entscheidend, weil sich nach der Definition des Unfalles das Begriffsmerkmal der Ungewöhnlichkeit nicht auf die Wirkung des äusseren Faktors, sondern nur auf diesen selber bezieht (vgl. auch RKUV 2000 Nr. U 374 S. 176 Erw. 2a; RKUV 1990 Nr. U 107 S. 281 Erw. 2a). Im Weitern liesse sich das Merkmal der Ungewöhnlichkeit selbst dann nicht bejahen, wenn die Zusammensetzung und der Reinheitsgrad der Droge nicht den Erwartungen des J._________ entsprochen hätte, weil es im Bereich der illegalen Drogenbeschaffung und des illegalen Konsums üblich ist, dass keine Gewissheit besteht über diese Eigenschaften (RKUV 2000 Nr. U 374 S. 177).
 
3.- Zu prüfen bleibt, ob die Vorinstanz das Gesuch um unentgeltliche Verbeiständung zu Recht wegen Aussichtslosigkeit der Beschwerde abgewiesen hat.
 
Gemäss Art. 108 lit. f UVG ist das Recht, sich verbeiständen zu lassen, gewährleistet. Wo die Verhältnisse es rechtfertigen, wird dem Beschwerdeführer ein unentgeltlicher Rechtsbeistand bewilligt. Nach der Rechtsprechung sind in der Regel die Voraussetzungen für die Bewilligung der unentgeltlichen Verbeiständung erfüllt, wenn der Prozess nicht aussichtslos, die Partei bedürftig und die Verbeiständung durch einen Anwalt notwendig oder doch geboten ist (BGE 125 V 202 Erw. 4a, 372 Erw. 5b, je mit Hinweisen).
 
Die Vorinstanz bezeichnete die bei ihr eingereichte Beschwerde als aussichtslos mit der Begründung, die SUVA habe im Einspracheentscheid unter Hinweis auf die Rechtsprechung überzeugend dargelegt, dass es an einem ungewöhnlichen äusseren Faktor fehle, und die Beschwerdeführer hätten deshalb erkennen können, dass die Gewinnaussichten äusserst gering seien, zumal sie in ihrer Beschwerde nichts Neues vorgebracht hätten. Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Zum einen hängen die Erfolgschancen eines Rechtsmittels selbstverständlich nicht davon ab, ob die vorgebrachten Argumente neu sind, d.h. nicht bereits im Verwaltungsverfahren vorgebracht wurden, sondern vielmehr davon, wie stichhaltig sie sind. Zum andern lässt sich die von der SUVA zitierte Rechtsprechung nur zum Teil auf den vorliegenden Sachverhalt übertragen, weil sich die Frage, ob ein äusserer Faktor ungewöhnlich ist, im Einzelfall, aufgrund der objektiven Umstände beurteilt (vgl. Erw. 1 hievor) und der vorliegende Fall insofern besonders gelagert ist, als J._________ während längerer Zeit kein Heroin mehr konsumiert hat. Bei dieser Sachlage kann das bei der Vorinstanz erhobene Rechtsmittel nicht als aussichtslos (vgl. dazu BGE 125 II 275 Erw. 4b, 124 I 306 Erw. 2c) bezeichnet werden. Die Beschwerdeführer haben somit Anspruch auf unentgeltliche Verbeiständung im vorinstanzlichen Verfahren, da die weiteren Voraussetzungen ebenfalls erfüllt sind. Das kantonale Gericht wird die Höhe der Entschädigung festsetzen.
 
4.- Das Verfahren ist aufgrund von Art. 134 OG kostenlos, soweit es um die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen geht. Soweit die unentgeltliche Prozessführung streitig ist, sind praxisgemäss (RKUV 2000 Nr. KV 119 S. 157 Erw. 4) ebenfalls keine Gerichtskosten zu erheben. Das Gesuch um Bewilligung der unentgeltlichen Prozessführung erweist sich damit als gegenstandslos.
 
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend steht den Beschwerdeführern, die bezüglich des Anspruchs auf unentgeltliche Verbeiständung im kantonalen Prozess obsiegen, im Hauptpunkt (Waisenrente) jedoch unterliegen, eine reduzierte Parteientschädigung zu (Art. 159 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 135 OG). Diese geht zu Lasten des Kantons Luzern, da der Gegenpartei im Verfahren um die Bewilligung oder Verweigerung der unentgeltlichen Rechtspflege keine Parteistellung zukommt (Art. 159 Abs. 2 OG; RKUV 1994 Nr. U 184 S. 78 Erw. 5; SVR 1994 IV Nr. 29 S. 76 Erw. 4). Insoweit erweist sich das Begehren um unentgeltliche Verbeiständung als gegenstandslos. Soweit die Beschwerdeführer unterliegen, kann dem Gesuch um Bewilligung der unentgeltlichen Verbeiständung stattgegeben werden, da der Prozess in der Hauptsache nicht als aussichtslos zu bezeichnen, die Bedürftigkeit aktenkundig und die Verbeiständung durch einen Anwalt geboten ist (Art. 152 OG; BGE 125 V 202 Erw. 4a und 372 Erw. 5b, je mit Hinweisen). Es wird indessen ausdrücklich auf Art. 152 Abs. 3 OG aufmerksam gemacht, wonach die begünstigte Partei der Gerichtskasse Ersatz zu leisten haben wird, wenn sie später dazu im Stande ist.
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
 
I.In teilweiser Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde
 
wird Dispositiv-Ziffer 2 des Entscheides des
 
Verwaltungsgerichtes des Kantons Luzern vom 17. Januar
 
2000 betreffend unentgeltliche Rechtspflege aufgehoben,
 
und das Verwaltungsgericht wird angewiesen, den
 
Beschwerdeführern die unentgeltliche Verbeiständung im
 
kantonalen Verfahren zu bewilligen. Im Übrigen wird
 
die Verwaltungsgerichtsbeschwerde abgewiesen.
 
II.Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
 
III.Der Kanton Luzern hat den Beschwerdeführern für das
 
Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht
 
eine Parteientschädigung von Fr. 500.- (einschliesslich
 
Mehrwertsteuer) zu bezahlen.
 
IV.Zufolge Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung
 
wird Rechtsanwalt Hans Suppiger, Luzern, für das Verfahren
 
vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht
 
aus der Gerichtskasse eine Entschädigung von
 
Fr. 1500.- (einschliesslich Mehrwertsteuer) ausgerichtet.
 
V.Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht
 
des Kantons Luzern, Sozialversicherungsrechtliche
 
Abteilung, dem Bundesamt für Sozialversicherung
 
und dem Kanton Luzern zugestellt.
 
Luzern, 28. März 2001
 
Im Namen des
 
Eidgenössischen Versicherungsgerichts
 
Der Präsident der III. Kammer:
 
Die Gerichtsschreiberin:
 
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