BGer C 220/2000 | |||
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BGer C 220/2000 vom 03.05.2001 | |
[AZA 7]
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C 220/00 Gb
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IV. Kammer
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Bundesrichter Borella, Rüedi und Bundesrichterin Leuzinger;
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Gerichtsschreiber Hadorn
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Urteil vom 3. Mai 2001
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in Sachen
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Staatssekretariat für Wirtschaft, Abteilung Arbeitsmarkt und Arbeitslosenversicherung, Bundesgasse 8, 3003 Bern, Beschwerdeführer,
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gegen
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H.________, Beschwerdegegner,
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und
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Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen, St. Gallen
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A.- Mit Abrechnung vom 1. Dezember 1998 gewährte die Kantonale Arbeitslosenkasse St. Gallen dem 1941 geborenen H.________ gestützt auf einen versicherten Verdienst von Fr. 4920.- Arbeitslosenentschädigungen von Fr. 2303. 95 für den Monat November 1998.
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B.- Auf Beschwerde von H.________ hin setzte das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen mit Entscheid vom 9. März 2000 den versicherten Verdienst auf Fr. 5430.- hinauf und wies die Akten zur Neuberechnung der geschuldeten Taggelder an die Arbeitslosenkasse zurück.
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C.- Das Staatssekretariat für Wirtschaft (seco) führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, der kantonale Entscheid sei aufzuheben.
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Die Arbeitslosenkasse verweist ohne eigene Stellungnahme auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde des seco, während H.________ sich nicht vernehmen lässt.
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D.- Das Eidgenössische Versicherungsgericht räumte den Parteien Gelegenheit ein, sich zur Frage zu äussern, ob die Vergütungen für die Mahlzeiten zu Recht als arbeitsbedingte Inkonvenienzen nicht in die Berechnung des versicherten Verdienstes einbezogen worden seien.
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Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
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1.- Das kantonale Versicherungsgericht hat die massgebenden gesetzlichen Bestimmungen über die Berechnung des versicherten Verdienstes (Art. 23 Abs. 1 AVIG; Art. 37 Abs. 1-3 und 3ter AVIV) sowie die dazu ergangene Rechtsprechung (BGE 125 V 42) richtig dargelegt. Darauf wird verwiesen.
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2.- Streitig und zu prüfen ist, ob und inwiefern die Ferienentschädigung in die Berechnung des versicherten Verdienstes einzubeziehen ist.
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a) Der Beschwerdegegner war vom 31. März bis 31. Oktober 1998 aushilfsweise als Wagenführer beim Postautodienst angestellt. Der Grundlohn pro Stunde betrug Fr. 29.79; inbegriffen in diesem Betrag war eine Ferienentschädigung von Fr. 2.80 pro Stunde. Die Kasse erwog, dass der Versicherte in der erwähnten Zeitspanne eine grosse Anzahl Überstunden geleistet habe, welche bei der Ermittlung des versicherten Verdienstes nicht berücksichtigt werden könne.
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Sie ging deshalb von der Normalarbeitszeit von 42 Stunden aus, subtrahierte die Ferienentschädigung vom Stundenlohn, errechnete den versicherten Verdienst nach der Formel 8,4 Arbeitsstunden pro Tag x 21,7 Arbeitstage im Monat x Fr. 26.99 und kam auf Fr. 4920.- Die Vorinstanz hingegen bezog die Ferienentschädigung in die Berechnung ein und ermittelte einen versicherten Verdienst von Fr. 5430.- (8,4 x 21,7 x Fr. 29.79). Sie erwog, rechtsprechungsgemäss müsse die Ferienentschädigung als versicherter Verdienst für jene Monate angerechnet werden, in denen tatsächlich Ferien bezogen würden. Der Beschwerdegegner habe im Juni und September 1998 mehr Freitage bezogen, als mit der seinem Ferienanspruch für diese beiden Monate entsprechenden Ferienentschädigung gedeckt waren. Er habe somit in diesen Monaten effektiv Ferien bezogen, weshalb die Ferienentschädigung zu berücksichtigen sei. Dagegen wendet das Beschwerde führende seco ein, es gehe nicht an, die maximal zulässige Anzahl Stunden im Monat (8,4 Std. x 21,7 Tage) mit dem Stundenlohn inklusive Ferienentschädigung zu multiplizieren, wenn der Versicherte beim erwähnten Arbeitgeber wegen der geleisteten Überzeit effektiv ein Pensum von durchgehend 100 % ausgeübt und somit keine Ferien bezogen habe.
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b) Entscheidende Bedeutung bei der hier umstrittenen Frage kommt dem Umstand zu, dass das OR (Art. 329d Abs. 2 in Verbindung mit Art. 361) zur Sicherung des mit den Ferien verfolgten Zweckes ein absolut zwingendes Verbot der Ferienabgeltung enthält (BGE 125 V 47 Erw. 5b, 123 V 74 Erw. 5c). Daher ist die Ferienentschädigung als versicherter Verdienst derjenigen Monate anzurechnen, in denen Ferien tatsächlich bezogen werden. Im Stundenlohn mit Ferienzuschlag entschädigte Arbeitnehmer, welche effektiv Urlaub beziehen, erleiden in der Ferienzeit wegen der Abwesenheit am Arbeitsplatz einen Lohnausfall. Nun hat die Arbeitslosenkasse als versicherten Verdienst einen Betrag von Fr. 4920.- ermittelt. Dieser Betrag ergab sich durch Multiplikation der normalen Anzahl von 42 Arbeitsstunden pro Woche mit der durchschnittlichen monatlichen Anzahl Arbeitstage (21, 7), dies nochmals multipliziert mit dem Stundenlohn ohne Ferienentschädigung von Fr. 26.99. Mit andern Worten entspricht der versicherte Verdienst von Fr. 4920.- jenem Lohn, den der Beschwerdegegner bei einem Pensum von 100 % (d.h. ohne Überstunden, die bei der Ermittlung des versicherten Verdienstes rechtsprechungsgemäss nicht berücksichtigt werden; BGE 116 V 282 f. Erw. 2c und d) in einem ohne Urlaubstage voll durchgearbeiteten Monat höchstens erzielen konnte. Da bei dieser Berechnungsweise die maximal mögliche Anzahl Arbeitstage berücksichtigt und somit kein ferienbedingter Arbeitsausfall angenommen wurde, besteht kein Raum, darauf zusätzlich eine Ferienentschädigung aufzurechnen. Solches könnte höchstens geschehen, wenn weniger als 21,7 Arbeitstage pro Monat berechnet würden. Indem die Vorinstanz trotz der höchstmöglichen Anzahl Arbeitstage noch eine Ferienentschädigung aufgerechnet hat, sprach sie dem Versicherten mehr zu, als er höchstens beanspruchen kann. Demnach ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde begründet.
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3.- a) Im Rahmen der ihm zustehenden vollen Kognition (Art. 132 OG) hat das Eidgenössischen Versicherungsgericht zusätzlich geprüft, ob Verwaltung und Vorinstanz die dem Beschwerdegegner ausgerichteten Vergütungen für Mahlzeiten zu Recht als arbeitsbedingte Inkonvenienzen nicht in die Berechnung des versicherten Verdienstes einbezogen haben.
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Das kantonale Gericht hat seine Auffassung nicht näher begründet. Als Inkonvenienzentschädigungen gelten in der Regel Nacht-, Schicht-, Sonntags-, Baustellen-, Schmutz- und Stollenzulagen (BGE 115 V 328 Erw. 2b; nicht veröffentlichtes Urteil P. vom 2. März 1998, C 288/97; Rz 141 des Kreisschreibens des Bundesamtes für Industrie, Gewerbe und Arbeit [BIGA; heute seco] über die Arbeitslosenentschädigung KS-ALE). Entschädigungen für Mahlzeiten, wie sie vorliegend zur Diskussion stehen, fallen nicht unter die aufgezählten Inkonvenienzen, weshalb der Vorinstanz zumindest in der Begründung nicht gefolgt werden kann.
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b) Ob die streitigen Entschädigungen in die Berechnung des versicherten Verdienstes einzubeziehen sind, hängt nach Art. 23 Abs. 1 AVIG davon ab, ob es sich um massgebenden Lohn im Sinne der AHV-Gesetzgebung handelt. Nach Art. 9 Abs. 2 AHVV gehören regelmässige Entschädigungen für die übliche Verpflegung am Wohnort oder am gewöhnlichen Arbeitsort zum massgebenden Lohn.
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Gemäss dem vom Postautodienst der Schweizerischen Post ausgefüllten Lohnausweis für die Steuererklärung vom 22. Januar 1999 wurden dem Versicherten die Spesen nicht als Pauschalvergütungen, sondern nach den Ansätzen gemäss Bundesverordnung ausgerichtet. Diesbezüglich bestimmt Art. 44 Abs. 1 lit. a des Beamtengesetzes vom 30. Juni 1927 (BtG; SR 172. 221.10), dass der Bundesrat den Anspruch auf Ersatz von Auslagen, darunter die Nebenbezüge des fahrenden Personals, regelt. Nach Art. 58 der Beamtenordnung (2) vom 15. März 1993 (BO 2; SR 172. 221.102) werden den Beamten bei dienstlichen Einsätzen ausserhalb des Dienst- und Wohnortes die damit verbundenen Mehrauslagen vergütet. Für Beamte, die an einem fahrenden Arbeitsplatz eingesetzt werden, regeln die jeweiligen Betriebe den Anspruch auf Vergütungen, soweit andere als die in der BO 2 vorgesehenen Ansätze angezeigt sind. Die Schweizerischen PTT-Betriebe haben denn auch Sonderbestimmungen über die Vergütungen im Bahnpostdienst, im Orts- und Regionaltransportdienst sowie auf Regielinien im Postautodienst erlassen. Demnach wird für ein Mittag- oder Nachtessen eine volle Pauschale von Fr. 20.- entrichtet, wenn der Dienst am ordentlichen Dienstort vor 11.30 bzw. 19.00 Uhr beginnt oder nach 12.30 bzw. 19.30 Uhr endigt und die Abwesenheit mindestens 3 Stunden dauert. Bei Abwesenheiten von unter 3, aber mehr als 2 Stunden wird die halbe Entschädigung ausbezahlt. Ferner ist eine Pauschale von Fr. 5.60 vorgesehen für das Frühstück, falls der Dienst am ordentlichen Dienstort vor 6.30 Uhr beginnt oder nach 6.00 Uhr endigt und die Abwesenheit mindestens 2 Stunden dauert.
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c) Der Beschwerdeführer hat gemäss Lohnabrechnung solche Entschädigungen für Mahlzeiten bezogen. Aus den Voraussetzungen, unter welchen sie zur Ausrichtung gelangen, ergibt sich, dass sie nicht als Entschädigung für die Verpflegung am Wohnort oder am üblichen Arbeitsort ausbezahlt werden, weshalb sie nicht unter Art. 9 Abs. 2 AHVV fallen.
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Es handelt sich auch nicht um Bestandteile des ordentlichen Lohns, die selbst dann gewährt würden, wenn der Arbeitnehmer keine Tätigkeit ausgeübt hat, und die nach der Rechtsprechung zum versicherten Verdienst zu rechnen wären (BGE 115 V 328 Erw. 2b; KS ALE Rz. 141). Im Ergebnis war es daher richtig, diese Entschädigungen vorliegend nicht in die Berechnung des versicherten Verdienstes einzubeziehen.
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Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
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I. In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird
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der Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons
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St. Gallen vom 9. März 2000 aufgehoben.
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II. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
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III. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen, der Kantonalen Arbeitslosenkasse St. Gallen und dem Amt für Arbeit, St. Gallen,
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zugestellt.
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Luzern, 3. Mai 2001
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Im Namen des
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Eidgenössischen Versicherungsgerichts
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Der Präsident der IV. Kammer:
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Der Gerichtsschreiber:
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