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Informationen zum Dokument  BGer 6A.53/2001  Materielle Begründung
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BGer 6A.53/2001 vom 19.06.2001
 
[AZA 0/2]
 
6A.53/2001/sch
 
KASSATIONSHOF
 
*************************
 
19. Juni 2001
 
Es wirken mit: Bundesrichter Schubarth, Präsident des
 
Kassationshofes, Schneider, Bundesrichterin Escher und
 
Gerichtsschreiber Borner.
 
---------
 
In Sachen
 
X.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Daniel Beeler, Bahnhofstrasse 26, Arbon,
 
gegen
 
Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 1. Abteilung,
 
betreffend
 
vorsorglicher Entzug des Führerausweises; Wieder-herstellung der aufschiebenden Wirkung (Sicherungsentzug)(Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Präsidenten der 1. Abteilung des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich vom 14. Mai 2001), hat sich ergeben:
 
A.- X.________, geboren 8. Mai 1956, ist nach eigenen Angaben seit 1982, laut Feststellung des Regierungsrats des Kantons Zürich seit Dezember 1985 im Besitze des Führerausweises (act. 2, Beilage 4, S. 10 Ziff. 20a; act. 2, Beilage 3, S. 1). Gemäss Auflistung im Entscheid des Regierungsrats vom 14. März 2001 (a.a.O.
 
S. 5) wurden gegen X.________ die folgenden Administrativmassnahmen verhängt:
 
- 1976: Lenken eines Motorfahrrads in angetrunkenem
 
Zustand; 3 Monate Fahrverbot.
 
-1986: Führen eines Personenwagens in angetrunkenem
 
Zustand (FiaZ); Fr. 1'200 Busse, Führerausweisentzug
 
(FAE) von drei Monaten.
 
-1992: FiaZ (2,1 Promille) auf Autobahn und
 
Verursachen eines Verkehrsunfalls; bedingte
 
Gefängnisstrafe von 2½ Monaten und Fr. 500.-- Busse, FAE von 12 Monaten.
 
-1994: Missachten eines Signals mit Unfallfolge;
 
FAE von 2 Monaten.
 
-1996: Verursachen einer Auffahrkollision infolge
 
mangelnder Aufmerksamkeit; FAE von 1 Monat.
 
-1996: Verweigerung des Rechtsvortritts mit Unfallfolge;
 
FAE von zwei 2 Monaten (1997) und
 
Besuch eines eintägigen Verkehrsunterrichts.
 
Am 15. Dezember 1998 lenkte X.________ mit 1,7 Promille ein Motorfahrzeug und versuchte, sich der Blutprobe zu entziehen. Das Obergericht des Kantons Thurgau verurteilte ihn deswegen am 25. Oktober 1999 zweitinstanzlich zu fünf Wochen Gefängnis, die in Form der gemeinnützigen Arbeit vollzogen wurden.
 
B.- Die Direktion für Soziales und Sicherheit des Kantons Zürich (Strassenverkehrsamt, Bereich Administrativmassnahmen) entzog X.________ am 23. August 2000 den Führerausweis auf unbestimmte Zeit, mindestens jedoch für die Dauer von 18 Monaten, und ordnete an, die Wiedererteilung des Ausweises werde vom Ablauf der Mindestentzugsdauer und vom Vorliegen eines günstig lautenden verkehrspsychologischen Gutachtens abhängig gemacht. Einem Rekurs gegen diese Verfügung wurde die aufschiebende Wirkung entzogen.
 
Der Regierungsrat wies am 14. März 2001 den Rekurs von X.________ ab und beauftragte die erste Instanz, den Führerausweis des Rekurrenten unverzüglich einzuziehen.
 
Das Gesuch von X.________ um Erteilung der aufschiebenden Wirkung an das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich wies dessen Abteilungspräsident am 14. Mai 2001 ab.
 
C.- X.________ führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde und beantragt, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und die aufschiebende Wirkung des Rekurses sei wieder herzustellen; zudem sei der Verwaltungsgerichtsbeschwerde die aufschiebende Wirkung zu erteilen.
 
D.- Mit superprovisorischer Verfügung vom 30. Mai 2001 wies der Präsident des Kassationshofes das Gesuch um aufschiebende Wirkung ab (act. 5).
 
Am 14. Juni 2001 stellte X.________ ein Gesuch um Wiedererwägung.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
1.- a) Die Vorinstanz begründet die Verweigerung der aufschiebenden Wirkung im Wesentlichen damit, der Beschwerdeführer verfüge über einen stark getrübten automobilistischen Leumund (wegen FiaZ sei ihm bereits dreimal untersagt worden, ein Motorfahrzeug zu lenken, und ausserdem sei ihm der Führerausweis dreimal wegen Verkehrsregelverletzungen, die alle zu Kollisionen geführt hätten, entzogen worden). Das Obergericht des Kantons Thurgau habe ihn am 25. Oktober 1999 erneut wegen FiaZ für schuldig befunden. Der diesbezügliche Vorfall habe sich lediglich gut ein Jahr nach Ablauf des letzten Führerausweisentzugs ereignet. Sowohl in der Entzugsverfügung als auch im Beschluss des Regierungsrats sei schlüssig aufgezeigt worden, dass der Beschwerdeführer seinem bisherigen Verhalten nach keine Gewähr dafür biete, künftig als Motorfahrzeugführer die Vorschriften zu beachten und auf die Mitmenschen Rücksicht zu nehmen.
 
Damit erweise sich - im Rahmen der summarischen Würdigung der Prozessaussichten - die Anordnung eines Sicherungsentzugs als rechtmässig, weshalb das Gesuch um Erteilung der aufschiebenden Wirkung abzuweisen sei.
 
b) Der Beschwerdeführer macht insbesondere geltend, seit dem Vorkommnis vom 15. Dezember 1998 habe er allein mit dem Lieferwagen der Fensterbaufirma, wo er seiner Arbeit nachgehe, insgesamt 118'000 Kilometer zurückgelegt, ohne dass er irgendwelche Anstände gehabt hätte. Nicht einmal eine Parkbusse sei zu verzeichnen gewesen. Hinzu kämen noch etliche Kilometer mit dem Privatwagen, insbesondere die Fahrten nach Pfyn/TG, wo er seine fünfwöchige Gefängnisstrafe in gemeinnütziger Arbeit verbüsst habe. Auf diese Umstände gehe die Vorinstanz mit keinem Wort ein (Beschwerdeschrift S. 5 f.
 
Ziff. 11).
 
Die kantonalen Behörden hätten die Angelegenheit bisher keineswegs als dringlich erachtet. Denn als der Beschwerdeführer im Rekurs an den Regierungsrat einen Antrag um Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung gestellt habe, habe sich die Direktion für Soziales und Sicherheit nicht vernehmen lassen. Auch der Regierungsrat habe während der immerhin sechsmonatigen Dauer des Rekursverfahrens von sich aus in der Frage der aufschiebenden Wirkung keine Verfügung getroffen. Der Beschwerdeführer verfüge deshalb seit dem Vorfall im Dezember 1998 bis heute über den Führerausweis. Es bestünden somit keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer als Fahrzeugführer ein besonderes Risiko für die anderen Verkehrsteilnehmer sei. Er habe in den vergangenen 2 ½ Jahren das genaue Gegenteil bewiesen. Dieses Wohlverhalten und die damit einhergehende positive Entwicklung des Beschwerdeführers habe die Vorinstanz völlig ausgeblendet.
 
Wenn die Vorinstanz nach dem jahrelangen Zuwarten nun plötzlich - obwohl der Beschwerdeführer in der Zwischenzeit den Beweis des Wohlverhaltens erbracht habe - den Führerausweis vorsorglich entziehen wolle, verstosse sie gegen den Grundsatz der Verhältnismässigkeit und gegen das Gebot des Handelns nach Treu und Glauben (Beschwerdeschrift S. 4 f. Ziff. 9 und S. 6 ff. Ziff. 12 ff.).
 
2.- a) Wegen des verfahrensleitenden - provisorischen - Charakters des Entscheides über Entzug oder Wiedererteilung der aufschiebenden Wirkung ist die Beschwerdeinstanz nicht gehalten, für ihren Entscheid zeitraubende zusätzliche Abklärungen zu treffen; viel- mehr kann sie in erster Linie auf die ihr zur Verfügung stehenden Akten abstellen. Beim Entscheid hat die Beschwerdeinstanz zwischen dem behördlichen Interesse an der sofortigen Vollstreckbarkeit und dem Interesse des Beschwerdeführers an der Aufrechterhaltung des bisherigen Zustandes abzuwägen; eine erhebliche Rolle spielt dabei namentlich der Gesichtspunkt einer gewissen Kontinuität im Verfahren, d.h. eine einmal entzogene aufschiebende Wirkung sollte nicht leichthin wiederhergestellt werden.
 
Das Bundesgericht kontrolliert auf Beschwerde hin lediglich, ob die Vorinstanz ihr Ermessen überschritten oder missbraucht, d.h. wesentliche Interessen ausser Acht gelassen oder offensichtlich falsch bewertet hat (BGE 106 Ib 115 E. 2a S. 116). Es hebt einen Entscheid betreffend aufschiebende Wirkung somit selbst im Verfahren der Verwaltungsgerichtsbeschwerde und sogar in Anwendung von Art. 55 VwVG nur auf, wenn er sich im Ergebnis als willkürlich erweist.
 
Der Führerausweis wurde dem Beschwerdeführer gestützt auf Art. 16 in Verbindung mit Art. 14 Abs. 2 lit. d und 17 Abs. 1bis SVG aus charakterlichen Gründen entzogen. Es handelt sich somit um einen Sicherungsentzug.
 
Anders als bei Warnungsentzügen rechtfertigt es sich bei Sicherungsentzügen grundsätzlich, die aufschiebende Wirkung zu entziehen bzw. zu verweigern. In derartigen Fällen hat das Bundesgericht einen die aufschiebende Wirkung verweigernden bzw. deren Wiederherstellung verweigernden kantonalen Entscheid erst recht nur aufzuheben, wenn ganz besondere Umstände vorliegen. Dies ergibt sich aus Sinn und Zweck des Sicherungsentzugs; bis zum rechtskräftigen Entscheid über diese Massnahme soll der Betroffene auch ohne strikten Nachweis von Umständen, die seine Fahreignung ausschliessen, vom Verkehr ferngehalten werden dürfen (BGE 125 II 396 E. 3, 122 II 359 E. 3a betreffend vorsorglichen Führerausweisentzug gemäss Art. 35 Abs. 3 der Verordnung vom 27. Oktober 1976 über die Zulassung von Personen und Fahrzeugen zum Strassenverkehr, VZV [SR 741. 51]). Immerhin müssen Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Fahrzeugführer andere Verkehrsteilnehmer im Vergleich zu den übrigen Fahrzeugführern in erhöhtem Masse gefährden könnte, würde er während der Verfahrensdauer zum Verkehr zugelassen (BGE 106 Ib 115 E. 2b).
 
b) Angesichts der eindrücklichen Liste von Verfehlungen des Beschwerdeführers im Strassenverkehr (siehe lit. A) ist die Schlussfolgerung der Vorinstanz nachvollziehbar, im Rahmen einer summarischen Prüfung der Prozessaussichten erweise sich die Anordnung eines Sicherungsentzug als rechtmässig. Nach der soeben zitierten Rechtsprechung darf aber ein Entscheid nicht einzig auf Umstände abgestützt werden, die gegen die Gewährung der aufschiebenden Wirkung sprechen, wenn aus den bisherigen Akten gegenteilige wesentliche Interessen ersichtlich sind. Solche Interessen sind zumindest kurz anzusprechen.
 
Der Beschwerdeführer hat bereits vor Vorinstanz geltend gemacht, dass er seit dem Vorfall im Dezember 1998 mit dem Lieferwagen der Fensterbaufirma, wo er seiner Arbeit nachgehe, insgesamt 118'000 Kilometer zurückgelegt habe, ohne dass er irgendwelche Anstände gehabt hätte. Hinzu kämen noch etliche Kilometer mit dem Privatwagen, insbesondere die Fahrten nach Pfyn/TG, wo er seine fünfwöchige Gefängnisstrafe in gemeinnütziger Arbeit verbüsst habe. Gleichzeitig offerierte er sachdienliche Beweise und wies darauf hin, dass er auf Grund seines Wohlverhaltens kein besonderes Risiko (mehr) für die anderen Verkehrsteilnehmer sei (act. 2, Beilage 4, S. 5). Angesichts der grossen Fahrleistung und der relativ langen Dauer des Wohlverhaltens des Beschwerdeführers im Strassenverkehr hätte die Vorinstanz diesen Sachverhalt bei der Prüfung der aufschiebenden Wirkung nicht ausser Acht lassen dürfen.
 
Hinzu kommt, dass der Gesichtspunkt einer gewissen Kontinuität im Verfahren beim Entscheid über die Gewährung oder Verweigerung der aufschiebenden Wirkung eine erhebliche Rolle spielt. Seit dem Vorfall im Dezember 1998 und insbesondere seit der strafrechtlichen Beurteilung des Vorfalls durch das Thurgauer Obergericht im Oktober 1999 hat sich der Sachverhalt jedenfalls nicht zu Ungunsten des Beschwerdeführers verändert. Vielmehr hat sich der Beschwerdeführer in dieser Zeit offenbar korrekt verhalten. Je länger aber dieses Wohlverhalten dauert, desto mehr stellt sich die Frage nach der Dringlichkeit der angeordneten Massnahme. Auch zu diesem Punkt hat sich die Vorinstanz nicht ausgesprochen.
 
Da die Vorinstanz somit einzig auf das frühere Verhalten des Beschwerdeführers abgestellt (wobei einzelne Verfehlungen relativ weit zurückliegen) und dabei wesentliche Interessen ausser Acht gelassen hat, wäre der angefochtene Entscheid aufzuheben und die Sache an die Vorinstanz zur Neubeurteilung zurückzuweisen.
 
3.- Der angefochtene Entscheid verletzt jedoch im Ergebnis aus den folgenden Gründen kein Bundesrecht: Das Obergericht des Kantons Thurgau hat den Beschwerdeführer am 25. Oktober 1999 wegen Fahrens in angetrunkenem Zustand für schuldig befunden. Gestützt auf diesen rechtskräftig festgestellten Sachverhalt ist erwiesen, dass sich der Beschwerdeführer lediglich gut ein Jahr nach Ablauf des letzten Führerausweisentzugs eine schwere Verkehrsregelverletzung hat zu Schulden kommen lassen.
 
Selbst wenn schliesslich gegen den Beschwerdeführer kein Sicherungsentzug ausgesprochen werden sollte, muss er einen Warnungsentzug von mindestens sechs Monaten Dauer gewärtigen (Art. 17 Abs. 1 lit. c SVG). Ausserordentliche Umstände, die ein Unterschreiten dieser Mindestentzugsdauer erlauben würden, sind nicht ersichtlich. In jedem Fall hat der Beschwerdeführer mit einem Führerausweisentzug von mindestens sechs Monaten zu rechnen, weshalb es sich zumindest im jetzigen Zeitpunkt nicht rechtfertigt, im Verfahren des Sicherungsentzugs die aufschiebende Wirkung zu gewähren. Deshalb ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde abzuweisen. Die Frage der aufschiebenden Wirkung in Bezug auf den Sicherungsentzug muss gegebenenfalls nach Ablauf dieser sechs Monate erneut geprüft werden, sofern das Verfahren betreffend Sicherungsent- zug dannzumal seinen Abschluss noch nicht gefunden haben sollte.
 
4.- Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der Beschwerdeführer grundsätzlich kostenpflichtig (Art. 156 Abs. 1 OG). Nachdem er aber Anlass hatte, den vorinstanzlichen Entscheid anzufechten (E. 2), ist von einer Kostenauflage abzusehen.
 
Mit dem Entscheid in der Sache ist das Gesuch um Wiedererwägung gegenstandslos.
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.- Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird im Sinne der Erwägungen abgewiesen.
 
2.- Es werden keine Kosten erhoben und es wird keine Parteientschädigung zugesprochen.
 
3.- Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Direktion für Soziales und Sicherheit und dem Verwaltungsgericht (1. Abteilung) des Kantons Zürich sowie dem Bundesamt für Strassen schriftlich mitgeteilt.
 
_____________
 
Lausanne, 19. Juni 2001
 
Im Namen des Kassationshofes des
 
SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS
 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
 
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