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Informationen zum Dokument  BGer 4C.114/2001  Materielle Begründung
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BGer 4C.114/2001 vom 28.06.2001
 
[AZA 0/2]
 
4C.114/2001/rnd
 
I. ZIVILABTEILUNG
 
*******************************
 
28. Juni 2001
 
Es wirken mit: Bundesrichterin und Bundesrichter Walter,
 
Präsident, Klett, Ersatzrichter Geiser und Gerichtsschreiberin
 
Zähner.
 
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In Sachen
 
X.________ AG, Beklagte und Berufungsklägerin, vertreten durch Rechtsanwältin Diana Honegger Droll, Masanserstrasse 35, Postfach 57, 7006 Chur,
 
gegen
 
A.________, Klägerin und Berufungsbeklagte, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Urs Glaus, Unterstrasse 15, 9000 St. Gallen,
 
betreffend
 
Arbeitsvertrag; Lohnzahlung; Konkurrenzverbot, hat sich ergeben:
 
A.- A.________ ist Ärztin für chinesische Medizin. Am 16. August 1998 trat sie eine entsprechende Stelle bei der X.________ AG an. Es wurde ein Bruttomonatslohn von Fr. 4'200.-- vereinbart. A.________ unterzeichnete am 27. Dezember 1998 ein Konkurrenzverbot, welches ihr von der X.________ AG vorgelegt wurde. Am 25. Juni 1999 kündigte die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis auf den 31. Juli 1999.
 
Gleichzeitig wurde die Arbeitnehmerin freigestellt. Die X.________ AG verpflichtete sich, den Lohn bis Mitte August 1999 zu bezahlen.
 
B.- Am 23. Dezember 1999 klagte A.________ vor Bezirksgericht Sargans auf Lohnnachzahlung von netto Fr. 19'931. 25 sowie Fr. 2'000.-- Genugtuung. Die X.________ AG (Beklagte) erhob gestützt auf eine behauptete Verletzung des Konkurrenzverbotes durch die Klägerin eine Widerklage über Fr. 20'000.--. Das Bezirksgericht Sargans schützte mit Urteil vom 11. Juli 2000 die Lohnforderung der Klägerin und wies die Genugtuungsforderung sowie die Widerklage ab. Dieses Urteil bestätigte das Kantonsgericht St. Gallen am 17. Februar 2001 auf kantonalrechtliche Berufung der Beklagten hin.
 
C.- Die Beklagte gelangt mit Berufung und staatsrechtlicher Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts an das Bundesgericht. Mit Urteil vom heutigen Tag ist das Bundesgericht auf die staatsrechtliche Beschwerde nicht eingetreten.
 
In der Berufung beantragt die Beklagte, die Klage abzuweisen, soweit diese Fr. 7'164. 60 übersteigt. Die Klägerin verlangt die Abweisung der Berufung, soweit darauf einzutreten sei.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
1.- Die Beklagte macht in der Berufung ausschliesslich geltend, die Vorinstanz hätte die Klage nur in einem weit geringeren Umfang gutheissen dürfen, weil die Klägerin eine von der Beklagten zur Verrechnung gestellte Forderung anerkannt habe. Das Kantonsgericht habe die Erklärung der Klägerin rechtlich falsch gewürdigt. Unangefochten blieb demgegenüber das kantonsgerichtliche Urteil insoweit als es die Zahlungen an die Leiterin des chinesischen Expertenteams nicht als Erfüllung der beklagtischen Lohnzahlungspflicht anerkannt hatte.
 
Mit der Berufung kann einzig die Verletzung von Bundesrecht unter Einschluss der durch den Bund abgeschlossenen völkerrechtlichen Verträge gerügt werden (Art. 43 Abs. 1 OG). Demgegenüber kann das Bundesgericht im Berufungsverfahren grundsätzlich nicht prüfen, ob das kantonale Recht richtig angewendet worden ist (Art. 55 Abs. 1 lit. c OG).
 
Vorliegend geht es um die Auslegung und die Rechtswirkungen der klägerischen Stellungnahme in der Replik vor erster Instanz.
 
Damit stellt sich die Frage, ob diese Willenserklärung vom Bundesprivatrecht oder als blosse Prozesserklärung ausschliesslich vom kantonalen Prozessrecht beherrscht wird.
 
Ist Letzteres der Fall, kann auf die Berufung nicht eingetreten werden.
 
2.- Prozesshandlungen der Parteien sind Rechtshandlungen, deren Hauptwirkungen auf dem Gebiet des Prozessrechts liegen (Guldener, Schweizerisches Zivilprozessrecht, Zürich 1979, S. 258). Sie werden grundsätzlich vom kantonalen Recht beherrscht. Entsprechend richtet sich auch ihre Auslegung nach diesem (BGE 116 II 196 E. 3a; Messmer/Imboden, Die eidgenössischen Rechtsmittel in Zivilsachen, Zürich 1992, S. 123; Poudret, Commentaire de la loi fédérale d'organisation judiciaire, N 1.3.2.7. zu Art. 43 OG), soweit es nicht um einen Prozessgrundsatz des Bundesrechts geht (BGE 105 II 149 E. 1, Grundsatz der abgeurteilten Sache). Werden privatrechtliche Erklärungen im Rahmen eines Prozesses abgegeben, so richtet sich deren Wirksamkeit dennoch nach privatrechtlichen Grundsätzen (Guldener, a.a.O., S. 259; Kummer, Grundriss des Zivilprozessrechts, 1984, S. 93).
 
a) Prozesserklärungen sind mit rechtsgeschäftlichen Erklärungen des Privatrechts häufig eng verwandt. So kann die gleiche Erklärung entweder eine privatrechtliche Schuldanerkennung oder eine Klageanerkennung im Sinne einer sich nach dem kantonalen Prozessrecht bestimmenden Prozesshandlung sein.
 
Vorliegend macht die Beklagte geltend, es liege eine Teilanerkennung vor. Die kantonalen Instanzen hätten daher den Prozessgrundsatz verletzt, dass keiner Partei mehr zugesprochen werden dürfe, als sie verlange. Ob das Gericht mehr zusprechen kann, als die Partei verlangt hat und ob eine Reduktion des Klagebegehrens während des Prozesses zulässig ist, richtet sich nach dem kantonalen Recht (Poudret, a.a.O., N 1.4.2.11 zu Art. 43 OG). Das Bundesgericht kann die damit zusammenhängenden Rechtsfragen somit im Berufungsverfahren nicht überprüfen.
 
b) Der von der Beklagten ihrer Berufung zugrunde gelegten Erklärung kommt keine zivilrechtliche Bedeutung zu.
 
Nach Ansicht der Beklagten hat die Klägerin die Verrechnungseinrede anerkannt. Verrechnung tritt von Gesetzes wegen durch die rechtsgeschäftliche Willenserklärung der verrechnenden Partei ein. Die Willenserklärung ist zwar empfangsbedürftig, sie bedarf aber keiner Annahme. Es handelt sich bei der Verrechnung um ein einseitiges Rechtsgeschäft. Der Anerkennung im Prozess kommt deshalb nur prozessuale Wirkung zu.
 
Im Übrigen können die Ausführungen der Beklagten in der Klageantwort kaum als Verrechnungserklärung angesehen werden. Zur Verrechnung kann nur eine eigene Forderung gestellt werden, nicht aber Zahlungen, die man selber vorgenommen hat. Werden einer eingeklagten Forderung Zahlungen entgegengehalten, welche die Beklagte der klagenden Partei gemacht hat, so handelt es sich nicht um eine Verrechnungseinrede sondern um die Einwendung der teilweisen Tilgung der eingeklagten Schuld. Die klagende Partei kann diesen Einwand im Prozess anerkennen. Diese Erklärung erweist sich sodann als teilweisen Abstand bzw. Teilrückzug der Klage. Die Wirkungen einer derartigen Erklärung richtet sich jedoch ausschliesslich nach dem anwendbaren kantonalen Prozessrecht.
 
c) Die Beklagte bringt somit lediglich vor, eine prozessuale Erklärung der Klägerin sei falsch ausgelegt worden.
 
Die Auslegung prozessualer Erklärungen richtet sich nach dem kantonalen Prozessrecht und kann demnach im Berufungsverfahren nicht überprüft werden (BGE 116 II 196 E. 3a). Auf die Berufung kann somit nicht eingetreten werden.
 
3.- In arbeitsrechtlichen Streitigkeiten werden keine Gerichtskosten erhoben, wenn der Streitwert - wie im vorliegenden Fall - unter Fr. 30'000.-- liegt (Art. 343 OR). Dem Verfahrensausgang entsprechend hat die Beklagte der Klägerin jedoch eine Parteientschädigung zu entrichten (Art. 159 OG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.- Auf die Berufung wird nicht eingetreten.
 
2.- Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
 
3.- Die Beklagte hat die Klägerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'500.-- zu entschädigen.
 
4.- Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht St. Gallen (III. Zivilkammer) schriftlich mitgeteilt.
 
______________
 
Lausanne, 28. Juni 2001
 
Im Namen der I. Zivilabteilung
 
des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS
 
Der Präsident:
 
Die Gerichtsschreiberin:
 
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