BGer 5C.218/2001 | |||
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BGer 5C.218/2001 vom 29.10.2001 | |
[AZA 0/2]
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5C.218/2001/mks
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II. Z I V I L A B T E I L U N G ********************************
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29. Oktober 2001
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Es wirken mit: Bundesrichter Reeb, Präsident der II. Zivilabteilung,
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Bundesrichter Raselli, Bundesrichter Meyer und
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Gerichtsschreiber Schett.
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In Sachen
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1. R.A.________,
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2. N.A.________, Beklagte und Berufungskläger, vertreten durch Rechtsanwalt Cyrill Egli, Kirchweg 16, Postfach 136, 6048 Horw,
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gegen
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B.________, Kläger und Berufungsbeklagter, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Marc Kaeslin, Eichwaldstrasse 7, 6005 Luzern,
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betreffend
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Nachbarrecht, hat sich ergeben:
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A.- B.________ ist Eigentümer der Parzelle 1... in C.________/LU. N. und R.A.________ sind Eigentümer der benachbarten Parzelle 2.... Im Bereich der gemeinsamen Grenze fällt das Gelände von der Parzelle 1... zur Parzelle 2...
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steil ab. Zu Gunsten der Parzelle 1... und zu Lasten der Parzelle 2... besteht eine "Baumhöhebeschränkung" und eine "Pflanzungsbeschränkung für Bäume und Sträucher". Im Bereich der gemeinsamen Grenze sind zwischen den Nachbarn verschiedene Punkte umstritten: Seitens von B.________ eine Grenzmauer und eine Grünhecke auf dem Grundstück 2..., seitens des Ehepaares A.________ das Interesse an der zu Gunsten des Grundstücks 1... bestehenden Dienstbarkeit sowie ein Lorbeerstrauch und eine Birkengruppe auf dieser Parzelle.
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B.- Mit Klage beim Amtsgericht Luzern-Stadt verlangte B.________ u.a., dass die Eheleute A.________ den die Kote 470, 61 übersteigenden Teil der im Grenzbereich errichteten Mauer entfernen, eine im Grenzbereich gepflanzte Grünhecke auf einen Mindestgrenzabstand von 60 cm zurückversetzen sowie deren die Kote 470, 61 übersteigenden Teil entfernen.
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Widerklageweise verlangten die Eheleute A.________ die Löschung der Baumhöhen- und Pflanzungsbeschränkung, Wiederherstellung des ursprünglichen Geländezustandes und Einhaltung des Grenzabstandes sowie die hälftige Beteiligung des Klägers an den Kosten der Stützmauer von Fr. 56'000.--, ferner Bezahlung eines Betrages von Fr. 4'556.-- nebst Zins von 5% seit dem 19. Mai 1996 für Gartenbauarbeiten.
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Mit Urteil vom 18. Januar 2000 verurteilte das Amtsgericht Luzern-Land die Beklagten u.a. dazu, die im Grenzbereich gepflanzte Grünhecke auf die Höhe von 1 m zurückzuschneiden und sie unter der Schere zu halten, soweit sie die Höhenkote 470, 61 übersteigt (1). Der Kläger wurde dazu verurteilt, den im Grenzbereich gepflanzten Lorbeerstrauch zu entfernen (3). Weitergehende Begehren der Parteien wurden abgewiesen (4).
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C.- Mit Appellation verlangten die Beklagten, sie zu verpflichten, ihre im Grenzbereich gepflanzte Grünhecke auf eine Höhe des doppelten Grenzabstandes, jedoch nicht tiefer als 1,6 m zurückzuschneiden und in dieser Höhe unter der Schere zu halten, soweit das grenznahe Terrain die Kote 470, 61 übersteigt (1a), bzw. die auf dem grenznahen und die Kote 470, 61 unterschreitenden Terrain gepflanzte Grünhecke auf eine Höhe von 1,6 m zurückzuschneiden und in dieser Höhe unter der Schere zu halten, soweit die Hecke die Kote 470, 61 übersteigt (1b). Ferner beharrten sie auf der Löschung der Dienstbarkeit (3d) und der Beseitigung oder Auslichtung der Birkengruppe durch den Kläger (3a). Sodann verlangten sie die Feststellung ihrer Berechtigung, das klägerische Grundstück zur Pflege der grenznahen Hecke zu betreten (3e) sowie entlang der gemeinsamen Grenze eine Einfriedung vorzunehmen (3f). Schliesslich beharrten sie auf der Verurteilung des Klägers zur Bezahlung der eingeklagten Beträge (3b und c).
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Mit Anschlussappellation verlangte der Kläger die vollumfängliche Gutheissung der Klage (2), nämlich u.a. die Entfernung der im Grenzbereich gepflanzten Grünhecke bzw. Zurückschneiden des die Kote 470, 61 übersteigenden Teils derselben sowie Entfernung des die Kote 470, 61 übersteigenden Teils der im Grenzbereich errichteten Mauer.
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Mit Urteil vom 31. Mai 2001 verurteilte das Obergericht des Kantons Luzern die Beklagten u.a. dazu, innert dreier Monate nach Rechtskraft des Urteils die die Kote 470, 61 übersteigenden Teile der im Grenzbereich befindlichen Mauer (1) und der Grünhecke (2) zu entfernen bzw. die Hecke auf dieser Höhe unter der Schere zu halten. Im weiteren verurteilte es den Kläger, ebenfalls innert dreier Monate nach Rechtskraft des Urteils den im Grenzbereich gepflanzten Lorbeerstrauch zu entfernen (4), und erklärte die Beklagten berechtigt, für den Unterhalt ihrer Grünhecke das klägerische Grundstück zu betreten (5). Die übrigen Begehren der Parteien wurden abgewiesen, soweit es darauf eintrat (6).
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D.- Die Beklagten erheben gegen das obergerichtliche Urteil eidgenössische Berufung und verlangen die Aufhebung der Ziff. 1 und 2 des Urteils des Obergerichtes (1), evt.
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deren Aufhebung und Zurückweisung an die Vorinstanz (2), und beharren auf ihren abgewiesenen Widerklagenbegehren (3).
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Es wurde keine Berufungsantwort eingeholt. Die Beklagten haben gegen den angefochtenen Entscheid auch staatsrechtliche Beschwerde eingelegt, welche mit Urteil vom heutigen Tag abgewiesen wurde, soweit darauf eingetreten werden konnte (5P. 291/2001).
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
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1.- Gegen die vom Obergericht gutgeheissenen klägerischen Begehren auf Entfernung der die Kote 470, 61 übersteigenden Teile der Mauer und Hecke erheben die Beklagten die Einrede des Rechtsmissbrauchs und stützen den Vorwurf auf eine Reihe von Argumenten.
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2.- a) Die Beklagten kritisieren das klägerische Begehren auf Entfernen bzw. Herabsetzen der Mauer u.a. deshalb als rechtsmissbräuchlich, weil der Kläger sie mit seinem Verhalten veranlasst habe, beim Mauerbau die Kote zu überschreiten.
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Sie begründen dies damit, dass der Kläger eine die Kote 470, 61 übersteigende Aufschüttung vorgenommen habe und sie, die Beklagten, einen Teil des aufgeschütteten Erdreichs beseitigt und zur Sicherung eine Stützmauer erstellt hätten. In diesem Zusammenhang erwog das Obergericht, dass allfällige Aufschüttungen keine Verletzung der Dienstbarkeit rechtfertigten. Die Beklagten hätten auf eine Vergrösserung der Sitzfläche durch Abgrabung des Hangs verzichten und allfällige rechtswidrige Aufschüttungen mit andern Mitteln bekämpfen können.
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Waren die Beklagten infolge Aufschüttungen des Klägers gezwungen, den Hang in der vorgenommenen Weise zu sichern, könnte das klägerische Begehren unter dem Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchverbots Bedenken erwecken. Ob die Errichtung der Stützmauer und namentlich in der umstrittenen, die kritische Kote übersteigenden Höhe zur Hangsicherung notwendig war, ist Tatfrage. Diesbezüglich ist dem angefochtenen Urteil nichts zu entnehmen. Die Beklagten machen auch nicht etwa geltend, diesbezüglich erfolglos Feststellungen beantragt zu haben. Bei dieser Sachlage ist aber nicht zu sehen, inwiefern das klägerische Verhalten rechtsmissbräuchlich sein soll.
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b) Widersprüchliches und mithin rechtsmissbräuchliches Verhalten erblicken die Beklagten im Umstand, dass der Kläger sich mit der Abgrabung und der Stützmauer einverstanden erklärt habe, indem er den entsprechenden Plan unterzeichnet habe. Dessen Hinweis auf die einzuhaltenden Servituten könne sich, wenn gleichzeitig im Plan die Höhe der Mauer explizit ausgewiesen sei, nicht auf diese beziehen.
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Nach den Feststellungen des Obergerichtes befindet sich die Krone der umstrittenen Mauer an der NO-Ecke auf Kote 471, 01 und übersteigt damit die in der Dienstbarkeit als Bauhöhen- und Pflanzungsbeschränkung vereinbarte Höhenkote 470, 61. Nach den Feststellungen des Obergerichtes unterzeichnete der Kläger die beklagtische Planeingabe betreffend Gartengestaltung der Liegenschaft 2.... Verzichtete er damit auf die Bauhöhenbeschränkung, wäre sein Begehren auf Einhaltung der Beschränkung und damit auf teilweise Entfernung der Mauer in der Tat bedenklich.
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Das Obergericht hat einen Verzicht des Klägers - in sinngemässer normativer Vertragsauslegung - verneint, da dieser auf der Planeingabe eigens den Vorbehalt angebracht habe: "Die Servitute gem. Grundbucheintrag sind einzuhalten".
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Die Beklagten machen zwar geltend, die Höhe der Stützmauer sei im Plan "explizit" ausgewiesen worden. Doch findet sich für diese Behauptung im angefochtenen Entscheid nicht nur keine Feststellung, sondern sie erweist sich als geradezu mutwillig, hatten doch die Beklagten vor Obergericht ausdrücklich erklärt, der Plan enthalte keine Höhenangaben der Stützmauer. Inwiefern bei dieser Sachlage der Schluss des Obergerichtes, mit der Unterzeichnung der Planeingabe habe der Kläger nicht auf die Bauhöhenbeschränkung verzichtet, bundesrechtswidrig sein soll, wird von den Beklagten nicht dargetan (BGE 116 II 745 E. 3 S. 748/749). Hat aber der Kläger auf die Höhenbeschränkung nicht verzichtet, ist nicht zu sehen, inwieweit sein Rechtsbegehren rechtsmissbräuchlich sein soll. Die Rüge ist unbegründet. Nichts anderes gilt für die Grünhecke.
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c) Rechtsmissbräuchliches Verhalten wird dem Kläger insoweit vorgeworfen, als er erst am 2. Dezember 1995, Wochen nach Fertigstellung der Mauer, Einwände gegen diese erhoben habe. Abgesehen davon, dass sich im angefochtenen Urteil diesbezüglich keine Feststellungen finden, weshalb darauf nicht einzutreten ist (Art. 63 Abs. 2 OG), läge im Umstand allein, dass der Kläger erst nach Fertigstellung der Mauer reklamierte, kein rechtsmissbräuchliches Verhalten, wenn er nicht bereits während der Erstellung der Mauer Kenntnis der Überschreitung der kritischen Kote hatte oder haben musste, was von den Beklagten nicht einmal behauptet wird.
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d) Rechtsmissbräuchliches Verhalten erblicken die Beklagten auch im Umstand, dass der Kläger es unterlassen habe, eine Baueinsprache zu erheben oder vorsorgliche Massnahmen anzustreben, und erst Wochen nach Beendigung der Arbeiten die Einhaltung der Höhenbeschränkung verlangt habe.
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Auch diesbezüglich ist dem angefochtenen Urteil nichts zu entnehmen, weshalb darauf nicht einzutreten ist (Art. 63 Abs. 2 OG). Die Beklagten behaupten auch nicht, die Frage der Unterlassung der Baueinsprache vor Obergericht thematisiert zu haben. Im Übrigen setzte ein bedenkliches Verhalten des Klägers auch diesbezüglich voraus, dass dem Plan ein Überschreiten der Kote überhaupt zu entnehmen gewesen wäre, was aus dem Urteil aber gerade nicht hervorgeht (siehe E. 2b).
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3.- Da das Rückweisungsbegehren in Bezug auf das beklagtische Begehren um Aufhebung der Dienstbarkeit für den Fall verlangt wird, dass rechtsmissbräuchliches Verhalten des Klägers bei Ausübung der Dienstbarkeit bejaht wird, was aber aufgrund des Gesagten zu verneinen ist, ist dieses Begehren gegenstandslos.
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4.- Die Beklagten verlangten vom Kläger die Übernahme der Hälfte der Kosten der Stützmauer und begründeten dies damit, dass sie wegen der vom Kläger vorgenommenen Aufschüttungen im Bereich der gemeinsamen Grenze zur Erstellung der Stützmauer genötigt gewesen seien. Dazu erwog das Obergericht, dass die Beklagten, so der Kläger die bestrittenen Aufschüttungen vorgenommen habe, einen Beseitigungsanspruch (Art. 679 ZGB) oder einen Anspruch auf Ersatz der durch die Behebung der Beeinträchtigung entstandenen Kosten hätten geltend machen können. Die von den Beklagten getroffenen baulichen Massnahmen - Vergrösserung ihres Sitzplatzes durch Abtragen des Hanges und Erstellung einer massiven Stützmauer - seien über blosse und verhältnismässige Schadensbehebung hinausgegangen und könnten nicht unter dem Titel von Art. 679 ZGB geltend gemacht werden. Im Übrigen hätten die Beklagten ungenügend substantiiert, wann die letzten der behaupteten Aufschüttungen gemacht worden seien.
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Allfällige Schadenersatzansprüche, die auf Aufschüttungen vor Mitte März 1993 beruhten, dem Zeitpunkt des Eigentumserwerbs der Beklagten, müssten ohnehin von ihrem Rechtsvorgänger geltend gemacht werden.
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Die Beklagten werfen dem Obergericht vor, mit ihren Ausführungen an der Sache vorbeizugehen, da sie, als sie die Stützmauer erstellten, noch keine Kenntnis der Aufschüttungen hatten und von gewachsenem Terrain ausgegangen seien; andernfalls hätten sie die Beseitigung der Aufschüttungen verlangt, statt die Stützmauer zu bauen. Nachdem die Mauer erstellt worden sei, wäre eine Beseitigung der Aufschüttungen absurd.
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Damit kritisieren die Beklagten nicht in erster Linie die rechtlichen Erwägungen des Obergerichts, sondern halten ihm entgegen, von falschen tatsächlichen Annahmen ausgegangen zu sein. Dass die Beklagten bei Erstellung der Stützmauer von den umstrittenen Aufschüttungen keine Kenntnis gehabt hätten, lässt sich indessen dem angefochtenen Urteil nicht entnehmen. Darauf ist nicht einzutreten (Art. 63 Abs. 2 OG).
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5.- Zusammenfassend ergibt sich, dass die Berufung abzuweisen ist, soweit darauf überhaupt einzutreten ist. Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend ist die Gerichtsgebühr den Beklagten zu überbinden (Art. 156 Abs. 1 OG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht
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im Verfahren nach Art. 36a OG:
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1.- Die Berufung wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist, und das Urteil des Obergerichts des Kantons Luzern vom 31. Mai 2001 bestätigt.
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2.- Die Gerichtsgebühr von Fr. 3'000.-- wird den Beklagten auferlegt.
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3.- Dieses Urteil wird den Parteien sowie dem Obergericht des Kantons Luzern, I. Kammer, schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 29. Oktober 2001
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Im Namen der II. Zivilabteilung
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des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS
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Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
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