BGer 1P.549/2001 | |||
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BGer 1P.549/2001 vom 11.01.2002 | |
{T 0/2}
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1P.549/2001/bmt
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Urteil vom 11. Januar 2002
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I. Öffentlichrechtliche Abteilung
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Bundesgerichtsvizepräsident Aemisegger, Präsident,
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Bundesrichter Reeb, Féraud,
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Gerichtsschreiber Forster.
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L.________, Beschwerdeführer,
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handelnd durch den gesetzlichen Vertreter (Vater) T.________, dieser vertreten durch Rechtsanwalt Hans Suppiger, Alpenstrasse 1, 6004 Luzern,
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gegen
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H.________, privater Beschwerdegegner, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Beat Frischkopf, Bahnhofstrasse 24, 6210 Sursee,
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Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern, Zentralstrasse 28, 6002 Luzern,
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Amtsgericht Sursee, I. Abteilung, Rathausplatz 9, 6210 Sursee,
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Obergericht des Kantons Luzern, II. Kammer, Postfach, 6002 Luzern.
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Art. 29 Abs. 2 BV, Art. 12 UNO-Kinderrechtskonvention (Strafverfahren; rechtliches Gehör)
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(Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Luzern, II. Kammer, vom 11. Juni 2001)
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Sachverhalt:
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A.
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Am 20. Mai 2000 erstattete T.________ als gesetzlicher Vertreter seines damals knapp siebenjährigen Sohnes L.________ Strafanzeige gegen H.________ wegen Tätlichkeiten, angeblich begangen am 16. Mai 2000. Am 7. Juli 2000 reichte T.________ gegen H.________ Strafklage wegen einfacher Körperverletzung zum Nachteil L.________s ein.
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B.
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Nach durchgeführter Strafuntersuchung stellte das Amtsstatthalteramt Sursee das Verfahren mit Verfügung vom 7. Dezember 2000 ein. Auf Einsprache (Weiterzugserklärung) L.________s hin sprach das Amtsgericht Sursee (I. Abteilung) H.________ am 6. März 2001 vom Vorwurf der Tätlichkeiten bzw. einfachen Körperverletzung frei.
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C.
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Eine von L.________ gegen das Urteil des Amtsgerichtes Sursee erhobene Kassationsbeschwerde wies das Obergericht (II. Kammer) des Kantons Luzern mit Entscheid vom 11. Juni 2001 ab. Dagegen gelangte L.________ mit staatsrechtlicher Beschwerde vom 24. August 2001 an das Bundesgericht. Er rügt eine Verletzung von Art. 29 Abs. 2 BV und Art. 12 der UNO-Kinderrechtskonvention, und er beantragt u.a. die Aufhebung des angefochtenen Entscheides.
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D.
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Der private Beschwerdegegner und das Obergericht des Kantons Luzern beantragen mit Stellungnahmen vom 17. bzw. 21. September 2001 je die Abweisung der Beschwerde, soweit darauf eingetreten werden kann. Das Amtsgericht Sursee liess sich am 4. September 2001 ebenfalls im abschlägigen Sinne vernehmen, während von der Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern keine Stellungnahme einging.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
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1.
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Der Beschwerdeführer macht geltend, er sei als Geschädigter und Strafkläger von den kantonalen Instanzen (entgegen entsprechenden Anträgen) nicht persönlich zur Sache einvernommen worden. Darin liege ein Verstoss gegen Art. 29 Abs. 2 BV (rechtliches Gehör) und gegen Art. 12 der UNO-Kinderrechtskonvention.
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1.1 Art. 8 Abs. 1 lit. c OHG räumt Opfern im Sinne des eidgenössischen Opferhilfegesetzes eine auf materiellrechtliche Fragen erweiterte Legitimation zur staatsrechtlichen Beschwerde ein. Insbesondere können Opfer im Falle von Freisprüchen und Verfahrenseinstellungen die Beweiswürdigung der kantonalen Instanzen als willkürlich anfechten (BGE 120 Ia 157 E. 2c S. 161 f.). Als Opfer ist gemäss Art. 2 Abs. 1 OHG jede Person anzusehen, welche durch eine Straftat in ihrer körperlichen, sexuellen oder psychischen Integrität unmittelbar beeinträchtigt wurde. Mutmassliche Geschädigte ohne Opferstellung können mit staatsrechtlicher Beschwerde nur die Verletzung jener formellen Parteirechte geltend machen, die ihnen nach dem kantonalen Verfahrensrecht oder unmittelbar aufgrund der Bundesverfassung (oder völkerrechtlicher Bestimmungen) zustehen. Dazu gehört namentlich der von Art. 29 Abs. 2 BV gewährleistete Anspruch auf rechtliches Gehör (BGE 120 Ia 157 E. 2a/bb S. 160, 220 E. 2a S. 222, 227 E. 1 S. 229 f.).
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Die vom Beschwerdeführer erhobene Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs bzw. des Anspruches auf persönliche Befragung ist nach dem Gesagten zulässig. Es kann offen bleiben, ob ihm darüber hinaus eine Opferstellung im Sinne von Art. 2 Abs. 1 OHG zukäme.
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1.2 Von hier nicht zutreffenden Ausnahmen abgesehen, ist die staatsrechtliche Beschwerde rein kassatorischer Natur (BGE 125 I 104 E. 1b S. 107; 125 II 86 E. 5a S. 96, je mit Hinweisen). Soweit der Beschwerdeführer nicht nur die Aufhebung des angefochtenen Entscheides verlangt, sondern darüber hinaus beantragt, die kantonalen Behörden seien anzuweisen, besondere Beweis-vorkehren zu treffen (persönliche Anhörung des Beschwerdeführers), kann daher auf die Beschwerde nicht eingetreten werden.
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2.
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Der Inhalt des rechtlichen Gehörs bestimmt sich zunächst nach kantonalem Recht und sodann gestützt auf Art. 29 Abs. 2 BV (vgl. BGE 126 I 97 E. 2 S. 102 f.; 119 Ia 136 E. 2c S. 138 f., je mit Hinweisen). Der Beschwerdeführer beruft sich in diesem Zusammenhang nicht auf kantonales Verfahrensrecht, sondern direkt auf die in Art. 29 Abs. 2 BV (bzw. in Art. 12 UNO-Kinderrechtskonvention) enthaltenen Minimalgarantien.
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2.1 Gemäss der Rechtsprechung des Bundesgerichtes dient das Gehörsrecht der Sachaufklärung. Es gewährt dem Betroffenen ein Mitwirkungsrecht, das ihm namentlich den Anspruch gibt, sich vor Erlass eines in seine Rechtsstellung eingreifenden Entscheids zu äussern, erhebliche Beweise beizubringen, Einsicht in die Akten zu nehmen, mit erheblichen Beweisanträgen gehört zu werden, und an der Erhebung wesentlicher Beweise entweder mitzuwirken oder sich zumindest zum Beweisergebnis zu äussern, wenn dieses geeignet ist, den Entscheid zu beeinflussen (BGE 126 I 7 E. 2b S. 10 f., 97 E. 2 S. 102 f.; 118 Ia 17 E. 1c S. 19, je mit Hinweisen).
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2.2 Nach ständiger Praxis kann jedoch das Beweisverfahren geschlossen werden, wenn die gestellten Beweisanträge eine nicht erhebliche Tatsache betreffen oder offensichtlich untauglich sind, oder wenn der Richter, ohne dabei geradezu in Willkür zu verfallen, annehmen darf, die verlangten zusätzlichen Beweisvorkehren würden am relevanten Beweisergebnis voraussichtlich nichts mehr ändern (sogenannte "antizipierte" oder "vorweggenommene" Beweiswürdigung, vgl. BGE 125 I 127 E. 6c/cc S. 135; 124 I 208 E. 4a S. 211; 121 I 306 E. 1b S. 308 f.; 119 Ib 492 E. 5b/bb S. 505 f., je mit Hinweisen).
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Willkür liegt vor, wenn der angefochtene kantonale Entscheid offensichtlich unhaltbar ist, mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stos sender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft (BGE 127 I 38 E. 2a S. 41; 125 II 10 E. 3a S. 15, 129 E. 5b S. 134; 124 I 208 E. 4a S. 211; 124 IV 86 E. 2a S. 88, je mit Hinweisen).
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3.
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Am 26. März 1997 ist für die Schweiz das UNO-Übereinkommen über die Rechte des Kindes vom 20. November 1989 (SR 0.107) in Kraft getreten. Art. 12 der UNO-Kinderrechtskonvention lautet wie folgt:
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1 Die Vertragsstaaten sichern dem Kind, das fähig ist, sich eine eigene Meinung zu bilden, das Recht zu, diese Meinung in allen das Kind berührenden Angelegenheiten frei zu äussern, und berücksichtigen die Meinung des Kindes angemessen und entsprechend seinem Alter und seiner Reife.
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2 Zu diesem Zweck wird dem Kind insbesondere Gelegenheit gegeben, in allen das Kind berührenden Gerichts- oder Verwaltungsverfahren entweder unmittelbar oder durch einen Vertreter oder eine andere geeignete Stelle im Einklang mit den innerstaatlichen Verfahrensvorschriften gehört zu werden.
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3.1 Gemäss luzernischem Strafprozessrecht ist der Privatkläger "in der Regel" einzuvernehmen (§ 90 Abs. 1 StPO/LU). Als Zeugen dürfen Kinder unter 15Jahren nur befragt werden, wenn "ihre Aussage unerlässlich ist und ihnen nicht selber zum Schaden gereicht" (§ 90 Abs. 1 StPO/LU). Genügt eine Einvernahme als Auskunftsperson, so ist von der Zeugeneinvernahme abzusehen (§ 90 Abs.2 i.V.m. § 91 Abs. 3 StPO/LU).
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Kinder üben ihre Rechte im Rahmen ihrer Urteilsfähigkeit aus (Art. 11 Abs. 2 BV).
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3.2 Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtes handelt es sich bei Art. 12 UNO-Kinderrechtskonvention um eine direkt anwendbare Staatsvertragsbestimmung, deren Verletzung mit staatsrechtlicher Beschwerde angefochten werden kann (BGE 126 II 377 E. 5d S. 391 f.; 125 I 257 E. 3c/bb S. 262; 124 III 90 E. 3a S. 91 f., je mit Hinweisen). In einem zivilrechtlichen Verfahren betreffend Gewährung des kindesrechtlichen Besuchsrechtes erwog das Bundesgericht, dass eine persönliche Anhörung des Kindes nicht zwingend vorgesehen sei. Eine unmittelbare Befragung sei nur geboten, wenn das Kind fähig ist, sich eine eigene Meinung zu bilden. Ist diese Fähigkeit aufgrund der Entwicklung des Kindes noch nicht gegeben, sehe die Konvention eine Vertretung des Kindes oder die Einbeziehung anderer geeigneter Fachpersonen vor (BGE 124 III 90 E. 3b S. 93). Das neue Scheidungsrecht (in Kraft seit 1. Januar 2000) verlangt eine persönliche Anhörung der betroffenen Kinder "in geeigneter Weise durch das Gericht oder durch eine beauftragte Drittperson", soweit nicht "ihr Alter oder andere wichtige Gründe dagegen sprechen" (Art. 144 Abs. 2 ZGB). Analoges gilt bereits im Massnahmeverfahren nach Art. 137 ZGB (BGE 126 III 497 E. 4b S. 498 f.).
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3.3 In der kinderpsychologischen Doktrin wird die Auffassung vertreten, dass es erst ab einem Alter von ca. 11 Jahren (Beherrschung der sog. "formallogischen Operationen") möglich sei, mit Kindern ein Gespräch über Fragen der Kindeszuteilung, Besuchsregelung und Kindesschutzmassnahmen zu führen. Kinder im Vor- und Grundschulalter verfügten demgegenüber noch nicht über die erforderliche emotionale und kognitive Reife, was eine ergänzende richterliche Befragung in begründeten Fällen jedoch nicht ausschliesse. Falls dabei entscheiderhebliche Gesichtspunkte zutage treten, sei bei Kindern im Alter zwischen fünf und elf Jahren eine vertiefte Abklärung durch eine Fachperson unerlässlich (vgl. Wilhelm Felder/Heinrich Nufer, Richtlinien bei der Anhörung des Kindes aus kinderpsychologischer/kinderpsychiatrischer Sicht gemäss Art. 12 der UNO-Konvention über die Rechte des Kindes, SJZ 95 [1999] 318 f.; s. auch Heinrich Nufer, Die Kommunikationssituation bei der Anhörung von Kindern, SJZ 95 [1999] 317).
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3.4 Im ausländerrechtlichen Verwaltungsverfahren kann die Anhörung des Kindes "je nach der zu behandelnden Problematik und den Umständen des Einzelfalles auch schriftlich oder über einen Vertreter" erfolgen. Das Kind ist in angemessener Weise anzuhören, was jedoch nicht in jedem Fall zwingend eine persönliche Befragung voraussetzt (BGE 124 II 361 E. 3c S. 368; vgl. auch Bea Verschraegen, Die Kinderrechtekonvention, Wien 1996, S. 84 f.). Die Zielsetzungen der UNO-Kinderrechtskonvention und von Art. 11 BV sind im Übrigen identisch (BGE 126 II 377 E. 5d S. 391; vgl. auch Giovanni Biaggini, Wie sind Kinderrechte in der Schweiz geschützt? Tragweite, Umsetzung und Durchsetzung des Übereinkommens in der Schweiz. Bedeutung des "Kinderschutzartikels" [Art. 11] der neuen Bundesverfassung, in: Rechte des Kindes, Basel 2001, S. 25 ff.).
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3.5 Diese Rechtsprechung ist grundsätzlich auch auf den Strafprozess übertragbar. Zum einen kann sich die Notwendigkeit einer persönlichen Anhörung zur Wahrung der Persönlichkeitsrechte des Kindes aufdrängen. Zum anderen ist im einzelnen Fall zu prüfen, ob sich eine förmliche Befragung im Strafprozess unter dem Gesichtspunkt der Beweiserheblichkeit sowie der Schutzbedürftigkeit kindlicher Opfer und Zeugen sachlich rechtfertigen lässt.
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Kinder und Jugendliche üben ihre Parteirechte im Rahmen ihrer Urteilsfähigkeit aus (Art. 11 Abs. 2 BV). Kindern ist in der Regel Gelegenheit zur eigenen unmittelbaren Meinungsäusserung zu geben, wenn sie gesundheits- und entwicklungsbedingt in der Lage sind, eine persönliche Meinung zu bilden und diese sachadäquat auszudrücken. Bei förmlichen Beweisaussagen im Rahmen von Justizverfahren ist insbesondere dem Alter, dem Erinnerungsvermögen und der Kommunikationsfähigkeit des Kindes Rechnung zu tragen, aber auch der Komplexität von streitigen Sachverhalten oder den verfahrensrechtlichen Anforderungen an verwertbare Beweisaussagen. Zu berücksichtigen ist dabei auch, ob das Kind im Rahmen der anwendbaren kantonalen Prozessvorschriften durch seinen gesetzlichen Vertreter oder (etwa im Fall von Interessenkonflikten) durch eine andere geeignete Fachperson ausreichend verbeiständet ist.
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3.6 Die Verlässlichkeit von Beweisaussagen, insbesondere das Erinnerungsvermögen von Gewährspersonen, ist naturgemäss beschränkt und daher vom Richter mit Zurückhaltung zu beurteilen. Das gilt namentlich für Aussagen von Kindern im Vor- und Grundschulschulalter (zu sog. Wahrnehmungs-, Erinnerungs- und Wiedergabefehlern vgl. Friedrich Arntzen, Psychologie der Zeugenaussage. System der Glaubwürdigkeitsmerkmale, 3. Aufl., München 1993, S. 65, 77; Stephan Barton, Fragwürdigkeiten des Zeugenprozesses, in: Stephan Barton [Hrsg.], Redlich aber falsch, Baden-Baden 1995, S. 23 ff.; Rolf Bender/Armin Nack, Tatsachenfeststellung vor Gericht, Bd. 2: Vernehmungslehre, 2. Aufl., München 1995, S. 6 ff.; Volker Dittmann, Zur Glaubhaftigkeit von Zeugenaussagen, Plädoyer 1997 Nr. 2, S. 28 ff.; Ulrich Eisenberg, Persönliche Beweismittel in der StPO, München 1993, S. 371 ff.; Wilhelm Felder, Die Anhörung des Kindes aus kinderpsychologischer Sicht, in: Vom alten zum neuen Scheidungsrecht, Bern 1999, S. 211 ff.; Thomas Fischer, Glaubwürdigkeitsbeurteilung und Beweiswürdigung, Neue Zeitschrift für Strafrecht 14 [1994] 1 ff.; Mario Gmür, Das psychiatrische Glaubwürdigkeitsgutachten, Kriminalstatistik 54 [2000] 128 ff.; Luise Greuel/Thomas Fabian/Michael Stadler [Hrsg.], Psychologie der Zeugenaussage, Weinheim 1997; Markus Hug, Glaubhaftigkeitsgutachten bei Sexualdelikten gegenüber Kindern, ZStrR 118 [2000] 19 ff., 23 f.; Arnulf Möller, Grenzen und Möglichkeiten von Glaubwürdigkeitsbegutachtungen im Strafprozess, SJZ 96 [2000] 249 ff.; Richard Rebmann, Die Prüfung der Glaubwürdigkeit des Zeugen im schweizerischen Strafprozess, Diss. BS 1981; Udo Undeutsch, Redlich aber falsch. Zur psychologischen Problematik des Beweiswertes von Zeugenaussagen, AJP 2000, S. 1354 ff.; Susanne Vogel, Die Auskunftsperson im Zürcher Strafprozessrecht, Diss. ZH 1999, S. 128 ff.; Thomas Zweidler, Die Würdigung von Aussagen, oder Susanna im Bade, und die Lehren daraus, ZBJV 132 [1996] 105 ff.).
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Dabei ist zu berücksichtigen, dass Kinder in besonderem Masse dem Einfluss ihrer engsten Bezugspersonen und von anderen beteiligten Erwachsenen ausgesetzt sind. Bei Kindern im Vor- und Grundschulalter besteht nach den Erkenntnissen der forensischen Psychologie eine erhöhte Gefahr, dass sie "ihre Angaben unbewusst ihrer eigenen Erinnerung zuwider verändern, um den von ihnen angenommenen Erwartungen eines Erwachsenen, der sie befragt, zu entsprechen oder um sich an dessen vermuteter grösserer Kompetenz auszurichten". Oft werde ein Kind, seine Angaben, die es unbewusst der Erwartungshaltung Erwachsener angepasst hat (sog. "fremdsuggestive Einflüsse"), subjektiv für wahr halten (BGHStr, Urteil vom 30. Juli 1999, NJW 52 [1999] 2746 ff., 2747 f.; vgl. auch BGE 124 III 90 E. 3c S. 93 in fine).
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3.7 Hinzu kommt, dass Kinder aufgrund ihres Entwicklungsstandes (hinsichtlich Selbstbewusstsein, Sozialkompetenz, Argumentationsfähigkeit, Informiertheit, Sensibilität, soziale Unabhängigkeit usw.) als besonders schutzbedürftige Verfahrensbeteiligte im Strafprozess anzusehen sind. Von ihrer förmlichen Befragung ist - nach Massgabe der konkreten Umstände - auch unter diesem Gesichtspunkt eher zurückhaltend Gebrauch zu machen.
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Gerade mutmassliche Opfer sind durch das Vorgefallene in der Regel bereits stark emotional belastet (sog. "posttraumatische Belastungsstörungen"). Befragungen und Vernehmungen durch dem Kind nicht vertraute Amts- und Fachpersonen können nach den Erkenntnissen der forensischen Kinderpsychiatrie zusätzliche schwere Belastungen darstellen und sogar zu erneuten Traumatisierungen (sog. "Sekundärviktimisierungen") der Betroffenen führen. Dies gilt besonders dann, wenn kindliche Opfer über erlebte Straftaten auszusagen haben und dadurch erneut mit schmerzhaften Erinnerungen an erlittene Verletzungen und Übergriffe konfrontiert werden, oder wenn gar eine Gegenüberstellung mit der mutmasslichen Täterschaft erfolgt (vgl. Bericht vom 23. August 1999 der Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates zur OHG-Revision [verbesserter Schutz von Kindern] sowie Stellungnahme des Bundesrates vom 20. März 2000 [BBl 2000, S. 3744 ff./3766 ff.]; Hans-Jörg Bart, Kinder als Zeugen im Strafverfahren. Insbesondere als Opfer sexuellen Missbrauchs, Österreichische Juristen-Zeitung 53 [1998] 818 ff.; Andreas Brunner, Viktimisierung von kindlichen Opfern durch Strafverfahren? in: Jugend und Strafrecht, Chur 1998, S. 59 ff.; Monika Frommel, Das Dilemma zwischen Beschuldigtenrechten und Opferschutz, in: Jugend und Strafrecht, Chur 1998, 307 ff.; Adrian Jent, Sexualdelikte gegenüber Kindern im Verhältnis zu Strafprozessordnung und Opferhilfe, Publikationen der Basellandschaftlichen Richtervereinigung 1995, S. 21 f.; Heinrich Kintzi, Stellung des Kindes im Strafverfahren, Deutsche Richterzeitung 74 [1996] 184 ff.; Klaus Laubenthal, Schutz sexuell missbrauchter Kinder durch Einsatz von Videotechnologie im Strafverfahren, Juristenzeitung 51 [1996] 335 ff.; Katja Lerch, Strafprozessuale Probleme im Bereich des Kindesschutzes, in: Strafrecht als Herausforderung, Zürich 1999, S. 435 ff.; Patrizia Pesenti, Schutz des minderjährigen Opfers im Strafprozess, in: Jugend und Strafrecht, Chur 1998, S. 281 ff.).
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3.8 Am 23. März 2001 hat die Bundesversammlung denn auch eine Änderung des eidgenössischen Opferhilfegesetzes beschlossen (Verbesserung des Schutzes von Kindern als Opfer, vgl. BBl 2001, S. 1341 ff.). Art. 10c der OHG-Vorlage bestimmt, dass Opfer unter 18 Jahren während des ganzen Verfahrens in der Regel nicht mehr als zweimal einvernommen werden dürfen. Die erste Einvernahme hat so rasch als möglich zu erfolgen. Eine Gegenüberstellung mit dem Beschuldigten ist lediglich unter eingeschränkten Voraussetzungen zulässig (Art. 5 Abs. 5, Art. 10b OHG-Vorlage).
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4.
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Im hier zu beurteilenden Fall käme einer allfälligen Beweisaussage des Kindes keine entscheiderhebliche Wirkung zu. Selbst wenn das Kind die Aussagen seines Vaters sinngemäss bestätigen könnte, erschiene die Auffassung der kantonalen Instanzen, dass dies am Beweisergebnis nichts Wesentliches ändern würde, nicht geradezu unhaltbar.
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4.1 Zunächst liegt der streitige Vorfall bereits 1 1/2 Jahre zurück. Dass sich ein achtjähriges Kind an derart lange zurückliegenden Ereignisse noch mit ausreichender Genauigkeit erinnern könnte, muss als fraglich bezeichnet werden. Ausserdem liegt die Gefahr der Beeinflussung durch Bezugspersonen auf der Hand. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtes kann die Meinungsbildung eines Kindes im Vorschulalter sogar durch "die unausgesprochene Erwartungshaltung" seines sozialen Umfeldes beeinflusst werden (vgl. BGE 124 III 90 E. 3c S. 93 in fine; BGHStr, NJW 52 [1999] 2747 f.). Dem gesetzlichen Vertreter (Vater) des Kindes geht es denn laut Beschwerdeschrift auch in erster Linie um den Nachweis, dass das Kind die Sachverhaltsdarstellung des Vaters bestätige und damit glaubhafter erscheinen lasse. Sodann ist zu berücksichtigen, dass das Kind im Zeitpunkt des streitigen Vorfalls erst 6 1/2 Jahre alt und damit noch im Vorschulalter war (vgl. BGE 124 III 90 E. 3c S. 93 f.).
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4.2 Im Weiteren erscheint die Darstellung des Vaters (ungeachtet der möglichen Aussage seines Kindes) bereits aufgrund der übrigen Beweisergebnisse als nicht sehr glaubwürdig. Die kantonalen Instanzen weisen darauf hin, dass der Vater einerseits zu Protokoll gegeben habe, das Kind sei nach dem streitigen Vorfall vom 16. Mai 2000 (ca. 21.00 Uhr) "voller Blut" gewesen, und eine "Blutspur" habe "vom Spielplatz bis zum Veloraum und von dort bis zur Hausnummer 9" geführt. Anderseits habe der Vater das Kind erst zwei Tage später (am 18. Mai 2000) ärztlich untersuchen lassen. Der Arzt habe ausser geringen Blutresten in der Nase des Kindes keine Verletzungen feststellen können. In der Strafklage vom 7. Juli 2000 habe der Vater ausserdem vorbringen lassen, sein Sohn sei "klarerweise" nicht am Erdbeerdiebstahl beteiligt gewesen, der zur (angeblichen) "brutalen" Auseinandersetzung mit dem privaten Beschwerdegegner Anlass gegeben habe. Bei der untersuchungsrichterlichen Befragung vom 18. Oktober 2000 habe der Vater hingegen eingeräumt, dass sein Sohn Erdbeeren vom Feld des privaten Beschwerdegegners weggenommen habe. Widersprüchliche Angaben habe der Vater auch zum Ort der behaupteten tätlichen Auseinandersetzung gemacht.
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Angesichts der vorliegenden Akten ist in diesen Erwägungen keine Willkür ersichtlich.
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4.3 Schliesslich ist auch noch darauf hinzuweisen, dass es sich im vorliegenden Fall nicht um eine schwerwiegende Strafsache handelt. Laut Beschwerdeschrift habe der private Beschwerdegegner das Kind am 16. Mai 2000 (im Rahmen von Retorsionsmassnahmen gegen mutmassliche "Erdbeerdiebe") mehrmals auf den Kopf geschlagen. Gemäss Arztzeugnis vom 18. Mai 2000 seien in den Nasenöffnungen des Kindes "geringe Reste von Blutkrusten" festzustellen gewesen. Ausserdem habe es unter Schlafschwierigkeiten bzw. Angstträumen gelitten.
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4.4 Im hier zu beurteilenden Fall läge eine persönliche Befragung des Kindes weder in dessen wohlverstandenem Interesse, noch drängt sie sich im Interesse der Strafverfolgung bzw. der Wahrnehmung schutzwürdiger Parteirechte auf. Der heute acht Jahre alte Beschwerdeführer wurde als Privatkläger im Strafverfahren durch zwei erwachsene Personen wirksam vertreten, nämlich durch seinen Vater und dessen Anwalt. Der Strafrichter durfte in willkürfreier antizipierter Beweiswürdigung davon ausgehen, dass eine Befragung des Kindes am ermittelten Beweisergebnis nichts Entscheidendes mehr zu ändern vermöchte. Eine Verletzung des anwendbaren kantonalen Verfahrensrechtes wird vom Beschwerdeführer nicht geltend gemacht. Bei dieser Sachlage hält der Verzicht auf weitere Beweisvorkehren bzw. auf persönliche Anhörung des Beschwerdeführers sowohl vor Art. 29 Abs. 2 BV als auch vor Art. 12 der UNO-Kinderrechtskonvention stand.
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5.
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Zusammenfassend ergibt sich, dass die Beschwerde als unbegründet abzuweisen ist, soweit auf sie eingetreten werden kann.
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Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend, sind die Gerichtskosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 OG). Ausserdem ist dem anwaltlich vertretenen privaten Beschwerdegegner eine angemessene Parteientschädigung zuzusprechen (Art. 159 OG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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1.
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Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit auf sie eingetreten werden kann.
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2.
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Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.
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3.
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Der Beschwerdeführer hat dem privaten Beschwerdegegner eine Parteientschädigung von Fr. 1'000.-- zu entrichten.
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4.
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Dieses Urteil wird den Parteien, dem Amtsgericht Sursee, I. Abteilung, sowie der Staatsanwaltschaft und dem Obergericht des Kantons Luzern, II. Kammer, schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 11. Januar 2002
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Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: Der Gerichtsschreiber
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