VerfassungsgeschichteVerfassungsvergleichVerfassungsrechtRechtsphilosophie
UebersichtWho-is-WhoBundesgerichtBundesverfassungsgerichtVolltextsuche...

Informationen zum Dokument  BGer B 11/2001  Materielle Begründung
Druckversion | Cache | Rtf-Version

Bearbeitung, zuletzt am 16.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch)  
 
BGer B 11/2001 vom 04.04.2002
 
[AZA 7]
 
B 11/01 Vr
 
III. Kammer
 
Präsident Borella, Bundesrichter Meyer und Lustenberger;
 
Gerichtsschreiberin Fleischanderl
 
Urteil vom 4. April 2002
 
in Sachen
 
S.________, 1950, Beschwerdeführer, vertreten durch den Verband X.________,
 
gegen
 
Stiftung Auffangeinrichtung BVG, Zweigstelle Winterthur, 8401 Winterthur, Beschwerdegegnerin,
 
und
 
Versicherungsgericht des Kantons Aargau, Aarau
 
A.- Der 1950 geborene S.________ schloss am 6. Dezember 1995 per 1. Januar 1996 einen Arbeitsvertrag als Geschäfts-/Verkaufsleiter mit der am 25. Januar 1996 gegründeten Firma Y.________ GmbH ab, welcher er als Gesellschafter und Geschäftsführer angehörte. Auf Grund eines starken Rückenleidens war er ab 28. Februar 1996 vollständig arbeitsunfähig und bezog ab 1. Februar 1997 eine mit Verfügung der IV-Stelle des Kantons Aargau vom 24. Juli 1998 rückwirkend zugesprochene, auf einem Invaliditätsgrad von 100 % beruhende, ganze Invalidenrente. Am 14. September 1998 wurde über die Firma Y.________ GmbH der Konkurs eröffnet und am 5. Oktober 1998 mangels Aktiven eingestellt.
 
Am 10. November 1998 gelangte die Gesellschaft an die Stiftung Auffangeinrichtung BVG, Zweigstelle Winterthur, (nachfolgend: Auffangeinrichtung) und meldete S.________ als nach BVG zu versichernden Arbeitnehmer an. Mit Schreiben vom 7. Juni 1999 lehnte die Auffangeinrichtung einen Zwangsanschluss ab, da S.________ die Voraussetzungen der obligatorischen beruflichen Vorsorge namentlich in Bezug auf den jährlichen Mindestlohn nicht erfülle.
 
B.- S.________ liess Klage gegen die Auffangeinrichtung erheben und im Wesentlichen die Zusprechung von Invaliditätsleistungen aus beruflicher Vorsorge beantragen. Das Versicherungsgericht des Kantons Aargau wies die Rechtsvorkehr ab (Entscheid vom 13. Dezember 2000).
 
C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt S.________ sein vorinstanzlich gestelltes Rechtsbegehren erneuern.
 
Während die Auffangeinrichtung auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliesst, verzichtet das Bundesamt für Sozialversicherung auf eine Vernehmlassung zur Sache.
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
 
1.- Wie die Vorinstanz richtig erkannt hat, unterliegen Streitigkeiten wie die hier zu beurteilende, in welchen die Auffangeinrichtung in ihrer Funktion als Vorsorgeeinrichtung im Sinne von Art. 60 Abs. 1 BVG tätig wird und die Ausrichtung von Leistungen nach Art. 60 Abs. 2 lit. d in Verbindung mit Art. 12 BVG in Frage steht, der Gerichtsbarkeit der in Art. 73 BVG erwähnten richterlichen Behörden (vgl. SZS 1990 S. 203 Erw. 3; Meyer-Blaser, Die Rechtswege nach dem Bundesgesetz über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge [BVG], in: ZSR 106/1987 I S. 624). Das angerufene kantonale Gericht, dessen Zuständigkeit auch in örtlicher und zeitlicher Hinsicht besteht, ist daher zu Recht auf die Klage des Beschwerdeführers eingetreten.
 
2.- Streitig und zu prüfen ist, ob die Auffangeinrichtung dem Beschwerdeführer Invalidenleistungen gemäss Art. 60 Abs. 2 lit. d in Verbindung mit Art. 12 und Art. 23 ff. BVG zuzusprechen hat.
 
3.- Im angefochtenen Entscheid werden die Bestimmungen über den im Rahmen der obligatorischen beruflichen Vorsorge für Arbeitnehmer relevanten, sich im Jahre 1996 auf Fr. 23'280.- belaufenden Jahresmindestlohn (Art. 2 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 BVG in Verbindung mit Art. 5 BVV 2 und der Verordnung 95 über die Anpassung der Grenzbeträge bei der beruflichen Vorsorge vom 23. November 1994), der im Regelfall nach den Kriterien des massgebenden AHV-Lohnes zu bemessen ist (Art. 7 Abs. 2 BVG in Verbindung mit Art. 5 Abs. 2 AHVG), zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen.
 
4.- a) Nach Art. 7 Abs. 2 BVG in Verbindung mit Art. 5 Abs. 2 Satz 1 AHVG gilt jedes Entgelt für in unselbstständiger Stellung auf bestimmte oder unbestimmte Zeit geleistete Arbeit als massgebender Lohn. Was den Realisierungszeitpunkt anbelangt, ist ein Einkommen - unabhängig davon, ob eine Auszahlung erfolgt ist - in jenem Moment als erzielt anzusehen, in welchem der Rechtsanspruch darauf erworben wird (AHI 1997 S. 28 Erw. 4b/cc mit Hinweisen).
 
b) Aus dem am 6. Dezember 1995 abgeschlossenen Arbeitsvertrag erhellt, dass der Lohn, welcher (ohne Spesen, Provision und Jahresendzulage) brutto monatlich bis
 
16. Februar 1996 Fr. 4500.- und ab 17. Februar 1996 Fr. 5000.- betrug, jeweils auf den 25. des Monats auszubezahlen war. Der Beschwerdeführer, der seiner Tätigkeit zufolge seines Rückenleidens ab 28. Februar 1996 nicht mehr nachgehen konnte, erzielte aus arbeitsvertraglicher Sicht somit die Monatsgehälter für Januar und Februar 1996. Ferner hätte die Firma Y.________ GmbH das Arbeitsverhältnis auf Grund des in Art. 336c Abs. 1 lit. b OR verankerten Kündigungsschutzes sowie der im Arbeitsvertrag geregelten dreimonatigen Kündigungsfrist frühestens Ende März 1996 per Ende Juni 1996 auflösen können. Für diese Zeit wären dem Beschwerdeführer gemäss Art. 324a Abs. 1 und 2 OR noch Lohnbezüge für insgesamt drei Wochen auszurichten gewesen.
 
Von einem im Zeitpunkt des Eintritts der Arbeitsunfähigkeit festen und gerichtlich durchsetzbaren Lohnanspruch in Höhe des arbeitsvertraglich vereinbarten Jahreslohnes von mindestens Fr. 60'000.- - wie in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde vorgebracht - kann nach dem Gesagten nicht die Rede sein.
 
c) Bei der Berechnung des massgeblichen Jahresmindestlohnes stellt sich im Weiteren die Frage, ob auf die Lohnzahlungen abzustellen ist, die der Beschwerdeführer effektiv bezogen hat (und welche sich ausweislich der Lohnbescheinigung für das Jahr 1996 zuhanden der Sozialversicherungsanstalt des Kantons Aargau auf brutto lediglich Fr. 2225. 80 beliefen), oder diejenigen, auf die er nach den - hievor dargelegten - arbeitsvertraglichen Grundlagen Anspruch hatte, ohne Rücksicht darauf, ob und inwieweit er tatsächlich in den Genuss dieser Zahlungen kam.
 
Nach der in ARV 1995 S. 81 f. Erw. 2c wiedergegebenen Rechtsprechung des Eidgenössischen Versicherungsgerichts zur Ermittlung des versicherten Verdienstes im arbeitslosenversicherungsrechtlichen Bereich, welche auf Grund des in Art. 23 Abs. 1 AVIG (ebenfalls) statuierten begrifflichen Verweises auf den im Sinne der AHV-Gesetzgebung massgebenden Lohn analog auf dem Gebiete der obligatorischen beruflichen Vorsorge Anwendung findet, kann nicht unbesehen auf die arbeitsvertraglich festgelegten Löhne abgestellt werden. Dies brächte die Gefahr missbräuchlicher Absprachen mit sich, indem fiktive Löhne als vereinbart attestiert werden könnten, welche in Wirklichkeit nicht zur Auszahlung gelangt waren. Wenn das Gericht in dem in AJP 1994 S. 1460 ff. publizierten Urteil P. vom 31. Mai 1994, C 14/94, annahm, der vertraglich festgesetzte und nicht der tatsächlich bezahlte Verdienst entspreche dem normalerweise erzielten Lohn im Sinne des Art. 23 Abs. 1 AVIG, so bestand dort ein langdauerndes Arbeitsverhältnis, bei welchem der vereinbarte Lohn nie bestritten war und lediglich wegen Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers zuletzt nicht mehr zur Auszahlung kam. Alle diese Elemente fehlen vorliegend: Der Beschwerdeführer war erst seit zwei Monaten für die Firma Y.________ GmbH tätig, als er Ende Februar 1996 dauerhaft erkrankte. Ferner richtete die ehemalige, (erst) im September 1998 in Konkurs gefallene Arbeitgeberin dem Beschwerdeführer bereits für die ersten Monate des Jahres 1996 anstelle des vereinbarten Gehaltes tatsächlich gesamthaft nur Fr. 2225. 80 aus. Ob dieses Vorgehen arbeitsvertraglich statthaft war, ist nicht im Rahmen dieses Verfahrens zu beurteilen. Der Beschwerdeführer hat die Firma Y.________ GmbH denn auch vor dem Arbeitsgericht eingeklagt, was ausreichend erhellt, dass die Lohnfrage jedenfalls nicht unumstritten war. Daran vermögen die vom Beschwerdeführer vorgetragenen Gründe, weshalb er seine Klage zurückgezogen habe, nichts zu ändern. Bei solchen Verhältnissen rechtfertigt es sich nicht, den für die obligatorische Berufsvorsorge massgebenden Jahresmindestlohn auf der Basis von Lohnbezügen zu ermitteln, welche in der im Arbeitsvertrag geregelten Höhe nicht zur Auszahlung gelangten.
 
d) Bei Annahme eines - lohnpflichtigen - Arbeitsverhältnisses des Beschwerdeführers vom 1. Januar bis und mit dritter Woche März 1996 findet - wie die Vorinstanz zutreffend erkannt hat - die Ausnahmebestimmung von Art. 2 BVV 2 Anwendung, wonach bei Arbeitnehmern, die weniger als ein Jahr bei einem Arbeitgeber beschäftigt sind, der Lohn als Jahreslohn gilt, der bei ganzjähriger Beschäftigung erzielt würde. In Berücksichtigung des tatsächlich ausbezahlten Verdienstes von Fr. 2225. 80 im Jahre 1996 ist demnach von einem Jahresmindesteinkommen von Fr. 9712. 60 auszugehen (Fr. 2225. 80 : 2,75 x 12), welches den BVG-pflichtigen Mindestlohn von Fr. 23'280.- nicht erreicht. Der angefochtene Entscheid ist damit rechtens.
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
 
I.Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
 
II.Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
 
III. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.
 
Luzern, 4. April 2002
 
Im Namen des
 
Eidgenössischen Versicherungsgerichts
 
Der Präsident der III. Kammer:
 
Die Gerichtsschreiberin:
 
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR).