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Informationen zum Dokument  BGer U 258/2001  Materielle Begründung
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BGer U 258/2001 vom 04.06.2002
 
[AZA 7]
 
U 258/01 Bl
 
IV. Kammer
 
Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Rüedi und Ferrari; Gerichtsschreiberin Riedi Hunold
 
Urteil vom 4. Juni 2002
 
in Sachen
 
Schweizerische Unfallversicherungsanstalt, Fluhmatt- strasse 1, 6004 Luzern, Beschwerdeführerin, vertreten durch Advokat Dr. Willy Fraefel, Peter Merian-Strasse 28, 4052 Basel,
 
gegen
 
S.________, 1963, Beschwerdegegnerin, vertreten durch Advokat Dominik Zehntner, Spalenberg 20, 4051 Basel,
 
und
 
Versicherungsgericht des Kantons Basel-Landschaft, Liestal
 
A.- S.________ (geboren 1963) arbeitete als Sekretärin bei der A.________ AG und war gleichzeitig in deren Verwaltungsrat. Durch ihre Arbeitgeberin war sie bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (nachfolgend: SUVA) gegen die Folgen von Unfällen versichert. Am 28. April 1993 erlitt sie als Beifahrerin im Wagen ihres Ehemannes einen schweren Autounfall. Die SUVA erbrachte die gesetzlichen Leistungen, darunter ein Taggeld auf Grund eines versicherten Lohnes von anfänglich Fr. 72'540.- (13 x Fr. 5580.-), welches infolge gemeldeter Lohnerhöhungen später heraufgesetzt wurde.
 
Mit Verfügung vom 2. Februar 1999 nahm die SUVA wegen einer erneuten Lohnerhöhung nach weiteren Abklärungen eine Neuberechnung des Taggeldanspruchs auf der Basis eines versicherten Verdienstes von Fr. 41'000.- (zuzüglich Teuerung) vor und forderte Fr. 217'770.- zurück. Nachdem S.________ hatte Einsprache einreichen lassen, reduzierte die SUVA ihre Rückforderung auf Fr. 194'132.- (Einspracheentscheid vom 26. Oktober 1999).
 
B.- Die hiegegen erhobene Beschwerde hiess das Versicherungsgericht des Kantons Basel-Landschaft mit Entscheid vom 11. Juni 2001 in dem Sinne gut, als es den versicherten Verdienst auf Fr. 66'960.- (12 x Fr. 5580.-; zuzüglich Teuerung) festsetzte und die Sache an die SUVA zurückwies, damit diese eine allfällige Überentschädigung und Rückforderung neu berechne.
 
C.- Die SUVA lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem Antrag, es seien der vorinstanzliche Entscheid aufzuheben und der Einspracheentscheid vom 26. Oktober 1999 zu bestätigen.
 
S.________ lässt auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliessen, soweit darauf einzutreten sei. Das Bundesamt für Sozialversicherung verzichtet auf eine Vernehmlassung.
 
D.- Das Eidgenössische Versicherungsgericht zog die Akten des Versicherungsgerichts des Kantons Basel-Landschaft bezüglich des Verfahrens gegen den ebenfalls am Unfall beteiligten und bei der A.________ AG arbeitenden Ehemann, M.________, bei.
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
 
1.- Der Umfang der Überprüfungsbefugnis des Eidgenössischen Versicherungsgerichts in Beschwerdesachen ergibt sich aus Art. 132 in Verbindung mit Art. 104 und 105 OG.
 
Nach Art. 104 lit. a OG kann mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde die Verletzung von Bundesrecht einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens gerügt werden. Die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig oder unvollständig ist oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen erfolgte (Art. 104 lit. b in Verbindung mit Art. 105 Abs. 2 OG).
 
Im Beschwerdeverfahren um die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen (einschliesslich deren Rückforderung) erstreckt sich dagegen die Überprüfungsbefugnis des Eidgenössischen Versicherungsgerichts auch auf die Angemessenheit der angefochtenen Verfügung; das Gericht ist dabei nicht an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden und kann über die Begehren der Parteien zu deren Gunsten oder Ungunsten hinausgehen (Art. 132 OG; erweiterte Kognition; BGE 121 V 366 Erw. 1c, 120 V 448 Erw. 2a/aa, je mit Hinweisen).
 
2.- Streitig ist die Bemessungsbasis des Anspruchs auf Taggelder.
 
3.- Der Sozialversicherungsprozess ist vom Untersuchungsgrundsatz beherrscht. Danach hat das Gericht von Amtes wegen für die richtige und vollständige Abklärung des rechtserheblichen Sachverhaltes zu sorgen. Dieser Grundsatz gilt indessen nicht uneingeschränkt; er findet sein Korrelat in den Mitwirkungspflichten der Parteien (BGE 125 V 195 Erw. 2, 122 V 158 Erw. 1a, je mit Hinweisen).
 
Der Untersuchungsgrundsatz schliesst die Beweislast im Sinne einer Beweisführungslast begriffsnotwendig aus. Im Sozialversicherungsprozess tragen mithin die Parteien in der Regel eine Beweislast nur insofern, als im Falle der Beweislosigkeit der Entscheid zu Ungunsten jener Partei ausfällt, die aus dem unbewiesen gebliebenen Sachverhalt Rechte ableiten wollte. Diese Beweisregel greift allerdings erst Platz, wenn es sich als unmöglich erweist, im Rahmen des Untersuchungsgrundsatzes auf Grund einer Beweiswürdigung einen Sachverhalt zu ermitteln, der zumindest die Wahrscheinlichkeit für sich hat, der Wirklichkeit zu entsprechen (BGE 117 V 264 Erw. 3b mit Hinweisen).
 
Die Verwaltung als verfügende Instanz und - im Beschwerdefall - das Gericht dürfen eine Tatsache nur dann als bewiesen annehmen, wenn sie von ihrem Bestehen überzeugt sind (Kummer, Grundriss des Zivilprozessrechts, 4. Aufl., Bern 1984, S. 136). Im Sozialversicherungsrecht hat das Gericht seinen Entscheid, sofern das Gesetz nicht etwas Abweichendes vorsieht, nach dem Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit zu fällen. Die blosse Möglichkeit eines bestimmten Sachverhalts genügt den Beweisanforderungen nicht. Der Richter und die Richterin haben vielmehr jener Sachverhaltsdarstellung zu folgen, die sie von allen möglichen Geschehensabläufen als die wahrscheinlichste würdigen (BGE 126 V 360 Erw. 5b, 125 V 195 Erw. 2, je mit Hinweisen).
 
4.- a) Die Vorinstanz hat die Bestimmungen über die Bemessungsgrundlage des Taggeldes der Unfallversicherung (Art. 15 UVG und Art. 22 Abs. 2 und 3 UVV in Verbindung mit Art. 5 AHVG) zutreffend wiedergegeben. Darauf wird verwiesen.
 
b) Das kantonale Gericht kam zum Schluss, für die Bemessung des Taggeldes sei von einem versicherten Verdienst von Fr. 66'960.- (12 x Fr. 5580.-) auszugehen, wie er von der Arbeitgeberin am 28. Februar 1994 der Ausgleichskasse als massgebender Lohn für 1993 gemeldet und auf dem Fragebogen für den Arbeitgeber vom 16. Juni 1993 (recte: 1994) angegeben wurde; für dessen Richtigkeit spreche auch die Vereinbarung eines Monatslohnes von Fr. 5580.- im Arbeitsvertrag und dessen Anhang 1 vom 14. November 1991. Hingegen erachtete es weder den von der Versicherten geltend gemachten 13. Monatslohn, wie er in der Unfallmeldung vom 3. Mai 1993 figuriert, noch die behaupteten Provisionen und späteren Lohnerhöhungen als ausgewiesen. Bei den von der SUVA ihren Berechnungen zugrunde gelegten Fr. 41'000.- handle es sich um das Jahreseinkommen 1992, welches zwar im Rahmen einer Rentenberechnung von Bedeutung sein möge, nicht aber um den für die Bemessung der Taggelder massgebenden zuletzt erzielten Verdienst vor Eintritt des versicherten Ereignisses.
 
Die SUVA will auch im Zeitpunkt des Unfalles (28. April 1993) auf das für das Jahr 1992 der Ausgleichskasse gemeldete Einkommen von Fr. 41'000.- abstellen. Denn eine Lohnerhöhung per 1. Januar 1993 sei ebenso wenig glaubhaft wie die geltend gemachten späteren Lohnerhöhungen und finde auch in den Akten keine Stütze.
 
c) Es besteht für das Eidgenössische Versicherungsgericht kein Grund, die vorinstanzliche Beweiswürdigung zu korrigieren. Diese basiert auf den Akten (Unfallmeldung vom 3. Mai 1993, Arbeitsvertrag samt Anhang 1 vom 14. November 1991) sowie zusätzlichen eigenen Abklärungen (Edition der Akten der Ausgleichskasse und der IV-Stelle sowie Einvernahme der Zeugen E.________ und H.________ ).
 
Was die SUVA dagegen vorbringt, vermag nichts daran zu ändern. Das kantonale Gericht hat den Sachverhalt richtig festgestellt und gewürdigt. Aus der Zeugenaussage von H.________, wonach die - vorliegend nicht mehr streitigen - Provisionen, angeblichen Privatbezüge und späteren Lohnerhöhungen nicht korrekt seien, kann nicht abgeleitet werden, dies treffe auch auf die Meldung an die Ausgleichskasse vom 28. April 1994, den Fragebogen für den Arbeitgeber vom 16. Juni 1993 (recte: 1994) und die Unfallmeldung vom 3. Mai 1993 sowie die arbeitsvertraglichen Vereinbarungen im Jahr 1991 zu. Vielmehr ist auf Grund dieser übereinstimmenden Unterlagen von einem Monatslohn von Fr. 5850.- auszugehen; ein 13. Monatslohn ist hingegen weder in der Meldung des massgebenden Lohns vom 28. April 1994 und dem Fragebogen für den Arbeitgeber vom 16. Juni 1993 (recte: 1994) noch im Arbeitsvertrag und dessen Anhang vom 14. November 1991 enthalten. Der versicherte Verdienst als Grundlage zur Bemessung des Taggeldes in der Höhe von Fr. 66'960.- ist demnach mit dem erforderlichen Beweisgrad nachgewiesen.
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
 
I.Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
 
II.Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
 
III.Die SUVA hat der Beschwerdegegnerin für das Verfahren
 
vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht eine Parteientschädigung
 
von Fr. 2500.- (einschliesslich Mehrwertsteuer)
 
zu bezahlen.
 
IV.Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht
 
des Kantons Basel-Landschaft und dem Bundesamt
 
für Sozialversicherung zugestellt. Luzern, 4. Juni 2002
 
Im Namen des
 
Eidgenössischen Versicherungsgerichts
 
Die Präsidentin Die Gerichtsder
 
IV. Kammer: schreiberin:
 
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