VerfassungsgeschichteVerfassungsvergleichVerfassungsrechtRechtsphilosophie
UebersichtWho-is-WhoBundesgerichtBundesverfassungsgerichtVolltextsuche...

Informationen zum Dokument  BGer C 264/2001  Materielle Begründung
Druckversion | Cache | Rtf-Version

Bearbeitung, zuletzt am 16.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch)  
 
BGer C 264/2001 vom 06.06.2002
 
[AZA 7]
 
C 264/01 Bl
 
II. Kammer
 
Präsident Schön, Bundesrichter Ursprung und Frésard; Gerichtsschreiber
 
Hadorn
 
Urteil vom 6. Juni 2002
 
in Sachen
 
1. C.________, 1953,
 
2. R.________, 1946, Beschwerdeführer, beide vertreten durch Rechtsanwältin Christine Zemp Gsponer, Schwanenplatz 4, 6004 Luzern,
 
gegen
 
Arbeitslosenkasse Ob- und Nidwalden, Landweg 3, 6052 Hergiswil, Beschwerdegegnerin,
 
und
 
Verwaltungsgericht des Kantons Nidwalden, Stans
 
Mit Verfügungen vom 8. September 2000 lehnte die Arbeitslosenkasse Ob- und Nidwalden die Ansprüche von C.________ und R.________ auf Arbeitslosenentschädigung ab
 
1. Juni 2000 ab.
 
Die von beiden Betroffenen dagegen erhobenen Beschwerden vereinigte das Verwaltungsgericht des Kantons Nidwalden zu einem einzigen Verfahren und wies sie mit Entscheid vom 30. April 2001 / 21. Mai 2001 ab.
 
C.________ und R.________ lassen Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen und beantragen, es sei ihnen vom 1. Juni 2000 bis 16. August 2000 Arbeitslosenentschädigung zuzusprechen.
 
Die Arbeitslosenkasse schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, während das Staatssekretariat für Wirtschaft (seco) auf eine Vernehmlassung verzichtet.
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
 
1.- Das kantonale Gericht hat die gesetzlichen Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung (Art. 8 ff. AVIG) und auf Kurzarbeitsentschädigung (Art. 31 ff. AVIG) sowie die Rechtsprechung zum Ausschluss von Personen in arbeitgeberähnlicher Stellung vom Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung bei missbräuchlicher Umgehung der Vorschriften über die Kurzarbeitsentschädigung (BGE 123 V 237 Erw. 7) richtig dargelegt. Darauf wird verwiesen.
 
2.- a) Verwaltung und Vorinstanz lehnten die Ausrichtung von Arbeitslosenentschädigung an die Beschwerdeführenden mit der Begründung ab, sie seien als Personen mit arbeitgeberähnlicher Stellung im Sinne der erwähnten Rechtsprechung vom Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung ausgeschlossen.
 
Wohl hätten sie angegeben, ihren Betrieb, die S.________ GmbH geschlossen zu haben. Indessen seien sie nach Betriebsschluss im Handelsregister weiterhin als Gesellschafter und Geschäftsführer mit Kollektivunterschrift zu zweien eingetragen geblieben. Ihr Verhalten stelle daher eine rechtsmissbräuchliche Umgehung der Vorschriften über die Kurzarbeitsentschädigung dar.
 
b) Hiegegen lassen die Beschwerdeführenden geltend machen, sie hätten den Mietvertrag für das Geschäftslokal gekündigt und hernach den Konkurs über ihren Betrieb herbeigeführt.
 
Dieser habe mangels Aktiven eingestellt werden müssen. Unter solchen Umständen sei das Ausscheiden aus ihrer Unternehmung definitiv gewesen. Es widerspreche jeglicher Realität, ihnen vorzuhalten, sie seien nach wie vor in der Lage, den Betrieb jederzeit zu reaktivieren und sich selbst wieder anzustellen. Die Gefahr einer Umgehung von Vorschriften über die Kurzarbeitsentschädigung bestehe nicht.
 
c) Die Rechtsprechung nach BGE 123 V 237 Erw. 7 ist nicht in dem Sinn zu verstehen, dass Arbeitnehmer in arbeitgeberähnlicher Stellung stets und schlechthin vom Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung ausgeschlossen wären (Urteil B. vom 6. Oktober 2000, C 16/00). Vielmehr ist der in der Botschaft (BBl 1980 III 591 f.) ausgedrückten Regelungsabsicht Rechnung zu tragen, dass auch solche Personen gegebenenfalls anspruchsberechtigt sein können. Eine Einschränkung der Anspruchsberechtigung kann sich durch analoge Anwendung von Art. 31 Abs. 3 lit. c AVIG - nach Wortlaut und systematischer Einreihung eine Vorschrift zur Kurzarbeitsentschädigung - ergeben, um Gesetzesumgehungen und rechtsmissbräuchliche Leistungsbezüge zu verhindern. Für die Grenzziehung stellt BGE 123 V 237 Erw. 7 insbesondere darauf ab, ob der Betrieb nur "für eine gewisse Zeit vollständig stillgelegt" (kein Anspruch) oder aber "geschlossen" wird, das Ausscheiden des betreffenden Arbeitnehmers mithin definitiv ist (Anspruch bejaht; BGE 123 V 237 unten f. Erw. 7b/bb).
 
d) Vorliegend haben die Beschwerdeführenden sich auf Ende Mai 2000 selbst gekündigt. Aus den von ihnen erstmals eingereichten Unterlagen geht hervor, dass sie den Mietvertrag über das Geschäftslokal ebenfalls auf Ende Mai 2000 aufgelöst haben. Am 2. August 2000 wurde sodann der Konkurs über ihre Firma eröffnet. Spätestens ab diesem Datum war eine jederzeitige Reaktivierung der Firma nicht mehr möglich.
 
Die Beschwerdeführenden haben somit ihren Willen belegt, definitiv aus dem Betrieb auszuscheiden und ihn endgültig zu liquidieren. Damit haben sie diejenigen Eigenschaften endgültig aufgegeben, welche sie zu arbeitgeberähnlichen Personen gemacht hatten. Dass sie gemäss Handelsregisterauszug vom 26. Juli 2000 noch in arbeitgeberähnlicher Stellung eingetragen waren, ändert nichts, erfolgte doch die Konkurseröffnung nur eine Woche nach dem Datum dieses Auszuges. Unter solchen Umständen kann eine rechtsmissbräuchliche Umgehung der Vorschriften über die Kurzarbeitsentschädigung jedenfalls ab 2. August 2000 ausgeschlossen werden, möglicherweise bereits ab einem frühern Zeitpunkt. Die Sache geht an die Arbeitslosenkasse zurück, damit sie diesen Zeitpunkt abkläre und überdies prüfe, ob auch die übrigen Voraussetzungen für die Ausrichtung von Arbeitslosenentschädigung erfüllt waren. Gegebenenfalls wird sie die entsprechenden Leistungen erbringen.
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
 
I.Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird in dem Sinne
 
gutgeheissen, dass der Entscheid des Verwaltungsgerichts
 
des Kantons Nidwalden vom 30. April 2001 /
 
21. Mai 2001 und die Verfügungen vom 8. September 2000 aufgehoben werden und die Sache an die Arbeitslosenkasse Ob- und Nidwalden zurückgewiesen wird, damit sie
 
im Sinne der Erwägungen verfahre.
 
II.Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
 
III. Die Arbeitslosenkasse Ob- und Nidwalden hat den Beschwerdeführenden für das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht eine Parteientschädigung
 
von Fr. 2500.- (einschliesslich Mehrwertsteuer)
 
zu bezahlen.
 
IV.Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Nidwalden, Abteilung Versicherungsgericht, dem Kantonalen Industrie-, Gewerbe- und Arbeitsamt
 
Nidwalden und dem Staatssekretariat für Wirtschaft
 
zugestellt.
 
Luzern, 6. Juni 2002
 
Im Namen des
 
Eidgenössischen Versicherungsgerichts
 
Der Präsident der II. Kammer:
 
Der Gerichtsschreiber:
 
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR).