BGer 5C.135/2002 | |||
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BGer 5C.135/2002 vom 02.07.2002 | |
Tribunale federale
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{T 0/2}
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5C.135/2002 /bnm
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Urteil vom 2. Juli 2002
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II. Zivilabteilung
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Bundesrichter Bianchi, Präsident,
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Bundesrichterin Escher, Bundesrichter Meyer,
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Gerichtsschreiber Schneeberger.
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A.________ (Ehefrau),
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Beklagte und Berufungsklägerin, vertreten durch Fürsprech Dr. Peter Boner, Wengistrasse 42, 4500 Solothurn,
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gegen
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B.________ (Ehemann),
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Kläger und Berufungsbeklagten, vertreten durch Fürsprech Dr. Max Flückiger, Bielstrasse 12, Postfach 447, 4502 Solothurn.
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Abänderung des Ehescheidungsurteils,
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Berufung gegen das Urteil des Obergerichts (Zivilkammer) des Kantons Solothurn vom 2./25. April 2002.
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Sachverhalt:
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A.
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Am 10. November 1994 schlossen A.________ (Ehefrau) und B.________ (Ehemann) im Rahmen des Scheidungsverfahrens eine gerichtlich genehmigte Konvention ab, nach welcher der Ehemann verpflichtet war, der Ehefrau eine auf aArt. 151 Abs. 1 ZGB gestützte und indexierte Monatsrente von Fr. 840.-- und von Fr. 900.-- bei Wegfall der Kinderunterhaltspflicht zu bezahlen.
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B.
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Ende Mai 2000 erhob B.________ gegen A.________ Abänderungsklage, mit dem Antrag, die Rentenpflicht sei wegen eines stabilen Konkubinats der Beklagten aufzuheben. Das Amtsgericht Solothurn-Lebern wies die Klage mit Urteil vom 29. März 2001 ab. Es kam zum Schluss, der Kläger habe nicht beweisen können, dass das Konkubinat im Zeitpunkt der Einreichung der Abänderungsklage noch gelebt worden sei.
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Auf Appellation des Klägers hiess das Obergericht des Kantons Solothurn mit Urteil vom 2./25. April 2002 die Klage gut und hob die Rentenpflicht des Klägers mit Wirkung ab dem 1. Juni 2000 auf.
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C.
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Die Beklagte beantragt dem Bundesgericht mit Berufung, das Urteil des Obergerichts sei aufzuheben. Sie verlangt sinngemäss, die Klage sei abzuweisen; eventuell seien die Unterhaltsbeiträge nach richterlichem Ermessen neu festzusetzen. Zudem ersucht sie um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege.
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Eine Berufungsantwort ist nicht eingeholt worden. Das Obergericht hat auf Gegenbemerkungen verzichtet und schliesst unter Hinweis auf die Urteilsbegründung und die Akten auf Abweisung der Berufung.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
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1.
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Gemäss Art. 7a Abs. 3 SchlTZGB erfolgt die Abänderung eines vor dem 1. Januar 2000 gefällten Scheidungsurteils nach den Vorschriften des alten Rechts, mithin nach aArt. 153 ZGB. Dem Eintreten auf die Berufung steht bei einer strittigen Rente von Fr. 840.--, beziehungsweise Fr. 900.-- nichts entgegen (Art. 36 Abs. 4 und 5 sowie Art. 46 OG; BGE 95 II 68 E. 2d S. 75; 69 II 148 E. 1 f. S. 149).
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2.
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Das Obergericht stellt in tatsächlicher Hinsicht fest, die Beziehung der Beklagten und ihrem neuen Lebenspartner sei anfänglich für eine gewisse Zeit intim gewesen; geraume Zeit später hätten die Partner getrennte Schlafzimmer bezogen. Ihre Beziehung sei trotzdem eine eheähnliche Gemeinschaft geblieben. So habe die Beklagte im Haus ihres Partners ein Pferd eingestellt und dieses zusammen mit denen ihres Partners versorgt. Weiter habe sie dessen Haushalt besorgt und dessen Sohn bis zu seinem Tod gepflegt; auch die Mutter des Partners habe sie während geraumer Zeit gepflegt. Das Ausbleiben des Intimverkehrs habe an der inneren Verbundenheit und der Bereitschaft der Partner nichts geändert, sich gegenseitig zu helfen und zu unterstützen. Dafür spreche nicht nur, dass die Beklagte in der Todesanzeige des Sohnes des Lebenspartners erwähnt worden sei, sondern auch, dass die befragten Kinder der Parteien und der (zweite) Sohn des Partners bestätigt hätten, dass eine Zweck- und Wohngemeinschaft mit bloss einer einzigen, bis Ende Februar 2002 gemeinsam benutzten Küche bestanden habe. Die Beklagte habe die Wohngelegenheit für sich und ihre Kinder nicht entschädigt, und ihr Partner habe meistens die Lebensmittel für den gemeinsamen Haushalt eingekauft. Der Partner habe die Beklagte verschiedentlich auch finanziell unterstützt. In dieser Hinsicht hätten beide voneinander profitiert. An die Stelle einer Liebesbeziehung sei eine Schicksalsgemeinschaft getreten. Die Beklagte habe nicht beweisen können, dass sie nicht in einem stabilen Konkubinat gelebt habe (E. 5 f. S. 6 bis 8). Dass die Beklagte kurz vor der obergerichtlichen Verhandlung per 1. März 2002 aus dem gemeinsamen Haushalt mit ihrem Partner ausgezogen sei und in X.________ eine Wohnung bezogen haben wolle, vermöge am Ergebnis nichts zu ändern. Massgebend sei nämlich der Zeitpunkt der Klageeinleitung Ende Mai 2000. In jener Zeit habe ein qualifiziertes Konkubinat bestanden. Die Zeugenaussagen und Belege, welche den Auszug aus der gemeinsamen Wohnung und den Umfang der Erwerbstätigkeit in Bettlach nachweisen sollen, seien widersprüchlich; für die behauptete Miete liege kein Mietvertrag vor. Das Verhalten der Beklagten verdiene keinen Rechtsschutz, sei doch das Motiv für die Trennung einige Tage vor der obergerichtlichen Hauptverhandlung bloss der drohende Rentenverlust gewesen (E. 8 S. 9 f.). Da nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung auf das qualifizierte Konkubinat aArt. 153 Abs.1 ZGB über den Untergang der Rente im Fall der Wiederverheiratung analog angewendet werde, sei vorliegend der Rentenanspruch der Beklagten erloschen; diese halte rechtsmissbräuchlich daran fest (E. 3 und 7 S. 5 und 9 des angefochtenen Urteils). Die Beklagte erblickt in dieser Urteilsbegründung eine mehrfache Verletzung von Bundesrecht.
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2.1 Gemäss aArt. 153 Abs. 1 ZGB hört die Pflicht zur Entrichtung einer durch Urteil oder Vereinbarung festgesetzten Unterhaltsrente auf, wenn der berechtigte Ehegatte sich wieder verheiratet. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ist eine Scheidungsrente in analoger Anwendung dieser Bestimmung auch aufzuheben, wenn der Rentenberechtigte in einem gefestigten Konkubinat lebt, aus dem er ähnliche Vorteile zieht, wie sie ihm eine Ehe bieten würde, so dass anzunehmen ist, der neue Partner leiste ihm Beistand und Unterstützung, wie es Art. 159 Abs. 3 ZGB von einem Ehegatten verlangt. Das Bundesgericht hat daher eine Tatsachenvermutung in dem Sinne aufgestellt, dass bei einem Konkubinat, das im Zeitpunkt der Einleitung der Abändungsklage bereits fünf Jahre gedauert hat, grundsätzlich von einer Schicksalsgemeinschaft auszugehen ist, die mit einer Ehe verglichen werden darf. Der Abänderungskläger muss nur die entsprechende Dauer des Konkubinats nachweisen. Hingegen hat die unterhaltsberechtigte Beklagte zu beweisen, dass die Konkubinatspartner einander nicht ähnlich wie Ehegatten Beistand und Unterstützung geleistet haben oder dass trotz des qualifizierten Konkubinats besondere und ernsthafte Gründe bestehen, die Scheidungsrente weiterhin zu beanspruchen (BGE 124 III 52 E. 2a/aa S. 54; 118 II 235 E. 3a S. 237 f.; 116 II 394 E. 2a S. 395; 114 II 295 E. 1c S. 298 f.).
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2.2 Im vorliegenden Fall steht verbindlich fest (Art. 63 Abs. 2 OG), dass die Konkubinatspartner am 1. April 1995 zusammengezogen sind und dass der Kläger seine Abänderungsklage Ende Mai 2000 eingereicht hat. Demnach hat das Obergericht ohne Verletzung von Bundesrecht der Beklagten die Beweislast dafür auferlegt, dass kein qualifiziertes Konkubinat besteht und dass sie noch immer Anspruch auf Unterhaltsbeiträge hat.
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2.3 Die Beklagte schildert und würdigt die Vorfälle in verschiedener Hinsicht anders als das Obergericht. Sie betont ferner ihre finanziellen Vorteile beim Einzug in das Haus ihres Partners und macht weiter im Ergebnis geltend, sie habe nur im finanziellen Interesse ihrer Rumpffamilie gehandelt und den Wiedereinstieg in das Erwerbsleben erst gesucht, als die Pflegearbeit für den Sohn und die Mutter des Lebenspartners weggefallen war. Schliesslich will sie den Umstand anders gewürdigt wissen, dass sie schon im Haus ihres Partners von diesem getrennt gelebt habe.
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Mit all dem bleibt sie erfolglos: Das Bundesgericht ist im Berufungsverfahren, von hier nicht geltend gemachten Ausnahmen abgesehen, an die Tatsachenfeststellungen und die Beweiswürdigung durch die Vorinstanz gebunden (Art. 55 Abs. 1 lit. d, Art. 63 Abs. 2 und Art. 64 OG). Die Beklagte ist deshalb mit der geschilderten Kritik am Sachverhalt und an der obergerichtlichen Beweiswürdigung nicht zu hören (BGE 125 III 78 E. 3a S. 79; 122 III 219 E. 3c S. 223 unten).
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2.4 Die Beklagte macht geltend, sie habe schon früher und aus anderen Gründen von ihrem Partner wegziehen wollen und die Vorinstanz würdige die Gründe für ihren Umzug nach X.________, das Fehlen eines Arbeitsvertrages für die kürzlich aufgenommene Nebenbeschäftigung, deren zeitlichen Umfang und die Bemessung des Lohnes falsch. Damit dringt sie ebenfalls nicht durch: Zum einen übt sie wiederum unzulässige Kritik an der Beweiswürdigung der Vorinstanz. Zum anderen bringt sie nichts gegen die Rechtsmeinung des Obergerichts vor (Art. 55 Abs. 1 lit. c OG; BGE 116 II 745 E. 3 S. 749), die Bemühungen der Beklagten, sich von ihrem Partner zu trennen und wieder in das Erwerbsleben einzusteigen, hätten bloss darauf abgezielt (Art. 2 Abs. 2 ZGB), den drohenden Rentenverlust zu vermeiden, und seien zu spät, nämlich nach Einleitung des Abänderungsverfahrens erfolgt.
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2.5 In rechtlicher Hinsicht stellt die Beklagte das Bestehen eines qualifizierten Konkubinats damit in Abrede, die sexuelle Beziehung zwischen ihr und dem Lebenspartner sei längst erloschen.
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Das Bundesgericht hat zwar für eine analoge Anwendung von aArt. 153 Abs. 1 ZGB in seiner Rechtsprechung stets eine eheähnliche Beziehung verlangt, was das Begründen einer Wohn-, Tisch- und Bettgemeinschaft voraussetzt (BGE 124 III 52 E. 2a/bb S. 54 f.; 118 II 235 E. 3b S. 238; 116 II 394 E. 2c S. 396; 114 II 295 E. 1b S. 298; 109 II 188 E. 1 S. 190). Es hat in seinen Entscheiden aber einem Konkubinat nie bloss deswegen die erforderliche Qualität aberkannt, weil die gegenseitige sexuelle Anziehung nachgelassen hat. Es hat vielmehr betont, es müssten die konkreten Umstände des Einzelfalles berücksichtigt und sämtliche massgeblichen Faktoren gewürdigt werden (BGE 118 II 235 E. 3b a.E. S. 238; 116 II 394 E. 2c S. 396 unten).
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Nach den vom Obergericht dargelegten und gewürdigten Vorfällen steht für das Bundesgericht verbindlich fest (Art. 63 Abs. 2 OG; BGE 124 III 52 E. 2a/bb S. 54 f.), dass sich die Partner vorliegend gegenseitig nicht weniger intensiv beigestanden sind, als dies Ehegatten gemeinhin tun. Auch wenn keine Bettgemeinschaft mehr besteht, reichen die anderen gewürdigten Umstände aus, um von einem qualifizierten Konkubinat auszugehen. Denn es ist weder rechtsgenüglich gerügt (Art. 55 Abs. 1 lit. c OG) noch ersichtlich, inwiefern die festgestellten Umstände eine andere Betrachtung erlauben, ist doch notorisch, dass auch in einer Ehe die sexuelle Anziehung abnehmen kann und dennoch eine Schicksalsgemeinschaft im Sinne von Art. 159 ZGB angenommen werden muss. Die Beklagte vermag offensichtlich nichts darzutun, was geeignet wäre, die gegen ihren Standpunkt sprechende Vermutung umzustossen. Die Berufung ist unbegründet.
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3.
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Die Beklagte hat über weite Strecken Tatsachenfeststellungen in Frage gestellt. Auch war angesichts der ihr obliegenden Beweislast erkennbar, dass ihre so begründete Berufung von vornherein aussichtslos war. Demnach kann ihr ungeachtet der Bedürftigkeit die unentgeltliche Rechtspflege nicht gewährt werden (Art. 152 Abs. 1 OG). Sie hat als unterliegende Partei die Gerichtsgebühr zu tragen (Art. 156 Abs. 1 OG), schuldet aber mangels Einholung einer Berufungsantwort keine Parteientschädigung, weil dem Kläger keine Kosten verursacht worden sind (Art. 159 Abs. 2 OG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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1.
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Die Berufung wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten werden kann, und das Urteil des Obergerichts (Zivilkammer) des Kantons Solothurn vom 2./25. April 2002 wird bestätigt.
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2.
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Das Gesuch der Beklagten um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege wird abgewiesen.
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3.
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Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird der Beklagten auferlegt.
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4.
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Dieses Urteil wird den Parteien sowie dem Obergericht des Kantons Solothurn, (Zivilkammer) schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 2. Juli 2002
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Im Namen der II. Zivilabteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
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