BGer 2P.27/2002 | |||
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BGer 2P.27/2002 vom 08.08.2002 | |
Tribunale federale
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{T 0/2}
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2P.27/2002 /bie
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Urteil vom 8. August 2002
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II. Öffentlichrechtliche Abteilung
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Bundesrichter Wurzburger, Präsident,
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Bundesrichter Betschart, Hungerbühler, Müller, Merkli,
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Gerichtsschreiber Häberli.
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A.________, Beschwerdeführer,
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gegen
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Anwaltskammer des Kantons St. Gallen,
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Klosterhof 1, 9001 St. Gallen,
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Kantonsgericht St. Gallen, III. Zivilkammer,
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Klosterhof 1, 9001 St. Gallen.
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Art. 6 und Art. 7 EMRK (Disziplinaraufsicht über Rechtsanwälte),
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Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts St. Gallen vom 10. Dezember 2001.
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Sachverhalt:
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A.
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Am 31. Juli 1998 erstattete Rechtsanwalt Dr. A.________ im Namen seiner Klientschaft Strafanzeige gegen Rechtsanwalt E.________ wegen Verletzung des Geschäfts- und des Berufsgeheimnisses. Nachdem das zuständige Bezirksamt mit Verfügung vom 12. Oktober 1998 nicht auf die Anzeige eingetreten war, beschwerten sich die Anzeiger erfolglos bei der Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen. Anschliessend gelangten sie an die Anklagekammer des Kantons St. Gallen, wobei der Rechtsvertreter der Anzeiger Rechtsanwalt E.________ in der Beschwerdeschrift vom 19. November 1998 unter anderem als "käuflichen Verräter" bezeichnete.
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Die Anklagekammer teilte Rechtsanwalt A.________ die Abweisung seiner Beschwerde am 28. Juni 1999 im Dispositiv mit; gleichzeitig stellte sie ihm die baldige Zustellung des begründeten Entscheids in Aussicht. Am 16. Juli 1999 teilte Rechtsanwalt A.________ der Anklagekammer mit, er werde sich von Anfang August bis zum 20. September 1999 im Ausland aufhalten, weshalb er um Eröffnung des Entscheids nach seiner Rückkehr ersuche. Dieses Schreiben traf bei der Anklagekammer am 19. Juli ein, welche den begründeten Entscheid tags darauf versandte. Am 21. Juli verweigerte Rechtsanwalt A.________ dessen Annahme mit dem schriftlichen Vermerk "nach dem 15. September 1999 zustellen". Auch bei zwei weiteren Zustellungsversuchen am 26. Juli 1999 und am 28. Juli 1999 weigerte er sich, den Entscheid entgegenzunehmen. Am 10. August 1999 verreiste er nach Kanada. Nach seiner Rückkehr ersuchte er die Anklagekammer am 29. September bzw. am 8. Oktober 1999 um Zustellung des Entscheids und Eröffnung einer Beschwerdefrist von 20 Tagen. Nachdem die Anklagekammer am 12. November 1999 nicht auf dieses Gesuch eingetreten war, erhoben die Anzeiger erfolglos staatsrechtliche Beschwerde beim Bundesgericht (Entscheid vom 2. Februar 2000).
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B.
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A.________ führte für seine Klientschaft überdies einen Zivilprozess gegen E.________, welcher in diesem Verfahren durch Rechtsanwalt Dr. T.________ vertreten wurde. Letzterer reichte am 23. November 1999 bei der Anwaltskammer des Kantons St. Gallen Anzeige gegen A.________ ein wegen Verletzung der Berufsregeln gemäss Art. 19 ff. des St. Galler Anwaltsgesetzes vom 11. November 1993 (AnwG). Er war von Rechtsanwalt A.________ in verschiedenen Rechtsschriften unter anderem als "aufgeblasener Wichtigtuer" bezeichnet worden, der im besten Fall bei grober Fahrlässigkeit ein "dummer Schwätzer" und im schlechtesten Fall bei Vorsatz ein "hinterhältiger Verleumder" sei. In seiner Stellungnahme zuhanden der Anwaltskammer, der zuständigen Aufsichtsbehörde, nannte A.________ Rechtsanwalt T.________ zudem einen "frechen, hemmungslosen und moralisch defekten Lügner" bzw. einen "leichtfertigen und dummen Schwätzer". Die Anwaltskammer verfügte daraufhin am 5. Juli 2000 eine Disziplinarmassnahme gegen A.________: Ihm wurde die Bezahlung einer "Geldleistung" in der Höhe von Fr. 5'000.-- auferlegt, weil er sich wiederholt "krass ehrverletzend" über E.________ und T.________ geäussert, durch die mehrfache Verweigerung der Annahme des Entscheids der Anklagekammer den Geschäftsgang des Gerichts in unzumutbarer Weise erschwert sowie die Interessen seiner Klienten gefährdet und überdies wissentlich falsche Angaben über seine Auslandsabwesenheit gemacht habe.
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C.
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Hiergegen beschwerte sich A.________ erfolglos beim Kantonsgericht St. Gallen. Dieses führte in seinem Entscheid vom 10. Dezember 2001 aus, von einem Rechtsanwalt werde erwartet, dass er Gegenparteien und deren Vertretern sachlich begegne und sich um Selbstbeherrschung bemühe. Auch wenn er energisch auftrete und sich scharf ausdrücke, habe er aber auf persönliche Beleidigungen, Verunglimpfungen und beschimpfende Äusserungen mit rein provokativem Charakter zu verzichten. Weiter habe ein Rechtsanwalt ordnungsgemäss zugestellte behördliche Sendungen entgegenzunehmen und bei längerer Abwesenheit für geeignete Vertretung zu sorgen. Diesen Verpflichtungen sei Rechtsanwalt A.________ nicht nachgekommen. Zudem habe er die Interessen seiner Mandantschaft gefährdet, indem er die Frist zur Anfechtung des Entscheids der Anklagekammer durch sein Verhalten verpasst habe. Schliesslich habe er gegenüber der Anklagekammer vorsätzlich falsche Angaben gemacht, sei er doch nur vom 10. August bis zum 14. September 1999 landesabwesend gewesen, obschon er erklärt habe, von Anfang August bis zum 20. September im Ausland zu weilen. In Anbetracht der Schwere dieser Verfehlungen sei eine Geldleistung von Fr. 5'000.-- angemessen.
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D.
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Am 24. Januar 2002 hat A.________ beim Bundesgericht staatsrechtliche Beschwerde eingereicht mit dem Antrag, den angefochtenen Entscheid aufzuheben, die Sache an das Kantonsgericht St. Gallen zurückzuweisen und dieses anzuweisen, eine Strafuntersuchung durchzuführen. Er rügt eine Verletzung von Art. 6 und Art. 7 EMRK sowie von Art. 30 BV.
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Das Kantonsgericht und die Anwaltskammer St. Gallen haben auf Stellungnahme verzichtet.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
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1.
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1.1 Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Endentscheid, der sich auf kantonales Recht stützt und gegen den im Bund nur die staatsrechtliche Beschwerde offen steht (Art. 86 Abs. 1 und Art. 87 in Verbindung mit Art. 84 Abs. 2 OG).
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1.2 Die staatsrechtliche Beschwerde muss die wesentlichen Tatsachen und eine kurz gefasste Darlegung darüber enthalten, welche verfassungsmässigen Rechte bzw. welche Rechtssätze inwiefern durch den angefochtenen Entscheid verletzt worden sind (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG). Das Bundesgericht untersucht nicht von Amtes wegen, ob ein kantonaler Hoheitsakt verfassungsmässig ist, sondern prüft nur rechtsgenügend vorgebrachte, klar erhobene und, soweit möglich, belegte Rügen (BGE 110 Ia 1 E. 2 S. 3 f.; 119 Ia 197 E. 1d S. 201, mit Hinweisen). Wird eine Verletzung des Willkürverbots (Art. 9 BV) geltend gemacht, genügt es nicht, wenn der Beschwerdeführer bloss den angefochtenen Entscheid kritisiert, wie er dies in einem appellatorischen Verfahren tun könnte, bei dem die Rechtsmittelinstanz die Rechtsanwendung frei überprüfen kann. Er muss deutlich dartun, welche Vorschriften oder allgemein anerkannten Rechtsgrundsätze die kantonalen Behörden in einer gegen Art. 9 BV verstossenden Weise verletzt haben sollen (BGE 117 Ia 10 E. 4b S. 12, mit Hinweis). Soweit die ausufernde Beschwerdeschrift diesen Anforderungen nicht genügt und sich in appellatorischer Kritik erschöpft, ist auf sie nicht einzugehen.
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1.3 Die staatsrechtliche Beschwerde ist, von hier nicht in Betracht fallenden Ausnahmen abgesehen, rein kassatorischer Natur (BGE 127 II 1 E. 2c S. 5, mit Hinweisen; grundlegend BGE 124 I 327 E. 4 S. 332 ff.). Soweit vorliegend mehr als die Aufhebung des angefochtenen Entscheids verlangt wird, ist daher auf die Eingabe des Beschwerdeführers nicht einzutreten.
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2.
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In verfahrensrechtlicher Hinsicht rügt der Beschwerdeführer, die Anwaltskammer und das Kantonsgericht hätten (unter mehreren Gesichtspunkten) Art. 6 EMRK verletzt. Er ist sich bewusst, dass diese Konventionsbestimmung nur auf zivil- und strafrechtliche Verfahren Anwendung findet (vgl. BGE 127 I 44 E. 2a S. 45, mit Hinweisen). Er ist indessen der Auffassung, beim ihn betreffenden Disziplinarverfahren handle es sich um eine strafrechtliche Anklage im Sinne der Konvention.
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2.1 Nach Art. 6 Ziff. 1 EMRK hat jedermann Anspruch darauf, dass ein unabhängiges und unparteiisches Gericht über die Stichhaltigkeit einer gegen ihn erhobenen "strafrechtlichen Anklage" befindet. Was als solche zu gelten hat, beurteilt sich nach folgenden drei Kriterien: Zunächst wird geprüft, ob die (angeblich) verletzte Regelung landesintern dem Strafrecht zugeordnet wird. Handelt es sich nach der entsprechenden rechtstechnischen Qualifikation nicht um ein Strafverfahren, so ist - angesichts der autonomen Definition der strafrechtlichen Anklage im Sinne von Art. 6 EMRK - die "wahre Natur" des Tatbestands unter Berücksichtigung von Art und Ziel der Sanktion zu ermitteln. Erscheint das Verfahren auch unter diesem Gesichtspunkt nicht als strafrechtlich, so bleibt aufgrund der Schwere der Sanktion zu beurteilen, ob diese eine Strafe darstellt (vgl. BGE 125 I 104 E. 2a S. 107 f.; 121 I 379 E. 3a S. 380; Mark Villiger, Handbuch der Europäischen Menschenrechtskonvention, 2. Auflage, Zürich 1999, S. 251 f.; Jochen Frowein/Wolfgang Peukert, EMRK-Kommentar, 2. Auflage, Kehl am Rhein 1996, Rz. 36 zu Art. 6; Christoph Grabenwarter, Verfahrensgarantien in der Verwaltungsgerichtsbarkeit, Wien 1997, S. 91 ff.).
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2.2 Zu Recht macht der Beschwerdeführer nicht geltend, die ihm vorgeworfene Verletzung der Berufspflichten stelle gestützt auf die landesrechtliche Zuordnung oder aufgrund ihrer wahren Natur eine strafrechtliche Anklage im Sinne von Art. 6 EMRK dar: Die Disziplinaraufsicht gemäss St. Galler Anwaltsgesetz hat nicht pönalen, sondern administrativen Charakter. Sie dient nicht dazu, begangenes (strafrechtlich relevantes) Unrecht zu vergelten, sondern soll das rechtsuchende Publikum bzw. die Rechtspflege schützen und die anwaltliche Standeswürde wahren (vgl. BGE 125 I 417 E. 2a S. 419; Felix Wolffers, Der Rechtsanwalt in der Schweiz, Zürich 1986, S. 173 ff.; Martin Sterchi, Kommentar zum bernischen Fürsprechergesetz, Bern 1992, S. 93). Die Anwaltskammer, welcher die Beurteilung des angeblichen Fehlverhaltens des Beschwerdeführers oblag, ist denn auch keine Strafverfolgungsbehörde, sondern ein berufsständisch zusammengesetztes Aufsichtsgremium (Art. 4 AnwG). Die ausdrückliche Bezeichnung der Sanktion gemäss Art. 35 Abs. 1 lit. b AnwG als "Geldleistung" und nicht als "Busse" bringt ihrerseits zum Ausdruck, dass es sich dabei nach der Konzeption des Anwaltsgesetzes um eine Disziplinarmassnahme handelt (so auch das Marginale von Art. 35), nicht um eine Strafe. Des Weiteren richten sich die zu sanktionierenden Regeln nicht an die Allgemeinheit, sondern ausschliesslich an die Rechtsanwälte als Personengruppe, welche zum Staat in einem besonderen Rechtsverhältnis steht. Beim dem Beschwerdeführer vorgeworfenen Verhalten (Beleidigung von Standeskollegen, Erschwerung des gerichtlichen Geschäftsgangs, Gefährdung der Interessen seiner Klientschaft) handelt es sich denn auch um typische Disziplinarvergehen (ähnlich: Entscheid der EKMR vom 9. Oktober 1991 i.S. X. gegen Österreich, in: ÖJZ 47/1992 S. 162 f., auch zitiert in: Ruth Herzog, Art. 6 EMRK und kantonale Verwaltungsrechtspflege, Diss. Bern 1995, S. 65).
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2.3 Der Beschwerdeführer begründet seine Auffassung, gemäss welcher eine strafrechtliche Anklage im Sinne von Art. 6 EMRK vorliegt, mit der Höhe der Geldleistung, zu deren Bezahlung er verpflichtet worden ist. Dabei weist er allerdings selbst darauf hin, dass vorliegend eine Umwandlung der streitigen Geldleistung in Haft nicht möglich ist. Mithin steht - auch wenn es sich bei einer Summe von Fr. 5'000.-- nicht mehr um einen unbedeutenden Betrag handelt - keine derart schwere Sanktion in Frage, dass Art. 6 EMRK schon allein wegen deren Gewicht zur Anwendung gelangen müsste: Die Praxis hat bisher einzig Disziplinarbussen, welche bei Uneinbringlichkeit in eine Ersatzfreiheitsstrafe umgewandelt werden können, als strafrechtlich behandelt (zur Bedeutung der Ersatzfreiheitsstrafe für die Qualifikation der Sanktion vgl. Grabenwarter, a.a.O., S. 98 ff.). Einfache disziplinarrechtliche Bussen gelten seit jeher nicht als Strafen im Sinne der Konvention (BGE 126 I 228 E. 2a/aa S. 230; 125 I 417 E. 2b S. 420; Herzog, a.a.O., S. 304 f.), dies im Unterschied zum disziplinarrechtlichen Freiheitsentzug, welcher - je nach Dauer und Art der Vollstreckung - zur Anwendung von Art. 6 EMRK führen kann (vgl. Entscheid des EGMR vom 8. Juni 1976 i.S. Engel gegen Niederlande, Serie A, Bd. 22, in: EuGRZ 1976 S. 232 Ziff. 82; vgl. auch BGE 121 I 379 E. 3c/aa S. 381, mit Hinweisen). Vorliegend kann offen bleiben, ob allenfalls eine empfindliche Busse dennoch allein wegen ihrer Höhe die strafrechtliche Natur der Widerhandlung zu begründen vermöchte (vgl. hiezu: Herzog, a.a.O., S. 116). Die streitige Geldleistung erreicht so oder anders nicht die erforderliche Schwere: Die Strassburger Organe haben verschiedentlich bezüglich vergleichbarer oder höherer Disziplinarbussen die Anwendbarkeit von Art. 6 EMRK verneint. Weder eine Busse von DM 4'000.-- für einen Lehrer, welcher zu einem verbotenen Streik aufgerufen und sich an diesem beteiligt hatte (Entscheid der EKMR vom 5. Juli 1984 i.S. S. gegen Bundesrepublik Deutschland, in: DR 39 S. 237 ff.; vgl. auch Herzog, a.a.O., S. 65 f.) noch eine solche von DM 6'000.-- bzw. DM 12'000.-- (bei einer Strafdrohung von DM 20'000.--) wegen Verstössen gegen die Standesordnung der Apotheker (Entscheid der EKMR vom 5. Juli 1985 i.S. M. gegen Bundesrepublik Deutschland, in: DR 43 S. 5 ff.; vgl. auch Herzog, a.a.O., S. 67; Grabenwarter, a.a.O., S. 97) wurden als strafrechtlich betrachtet. Selbst im Falle einer disziplinarischen Kürzung des Gehalts um einen Viertel für die Dauer von drei Jahren ging die Kommission nicht von einer strafrechtlichen Sanktion aus (Entscheid der EKMR vom 14. April 1989 i.S. X. gegen Österreich, in: ÖJZ 45/1990 S. 126 f.; vgl. auch Herzog, a.a.O., S. 66). Soweit sich der Beschwerdeführer auf BGE 126 I 228 beruft, verkennt er, dass der diesem zugrunde liegende Sachverhalt nicht mit seinem Fall vergleichbar ist: Im zitierten Entscheid hat das Bundesgericht Art. 6 EMRK nicht etwa deswegen zur Anwendung gebracht, weil es der verhängten Disziplinarbusse von (lediglich) Fr. 1'000.-- strafrechtlichen Charakter attestiert hätte, sondern vielmehr darum, weil es - nachdem der betroffene Rechtsanwalt gleichzeitig für drei Monate im Beruf eingestellt worden war - die zivilrechtliche Natur der Streitigkeit bejahte. Dass es sich beim gegen ihn geführten Disziplinarverfahren, in welchem einzig eine Busse verhängt worden ist, um eine Zivilrechtsstreitigkeit im Sinne von Art. 6 EMRK handle und diese Bestimmung deswegen Anwendung finde, macht der Beschwerdeführer zu Recht nicht geltend: Disziplinarrechtsstreitigkeiten sind nur dann zivilrechtlicher Natur, wenn das Recht des Betroffenen, seinen Beruf auszuüben, eingeschränkt wird (vgl. BGE 125 I 417 E. 2b S. 420 mit Hinweisen), was hier nicht der Fall ist.
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2.4 Nach dem Gesagten stellt die streitige Disziplinarmassnahme keine Strafe im Sinne der Konvention dar; auf die Beschwerde ist nicht weiter einzugehen, soweit eine Verletzung von Art. 6 EMRK geltend gemacht wird. Nicht einzutreten ist sodann auf die Rüge, das Kantonsgericht habe Art. 30 BV verletzt: Der Beschwerdeführer nimmt in seiner Begründung mit keinem Wort auf diese Verfassungsbestimmung Bezug, weshalb die staatsrechtliche Beschwerde insoweit den Begründungsanforderungen von Art. 90 Abs. 1 lit. b OG nicht genügt (vgl. E. 1.2). Gleiches gilt, soweit der Beschwerdeführer am Rande noch eine Verletzung des Rechtsgleichheitsgebots rügt.
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3.
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3.1 Im Kanton St. Gallen sind die Berufsregeln für Rechtsanwälte im Anwaltsgesetz umschrieben. Dieses verpflichtet den Rechtsanwalt insbesondere, sich in der Berufsausübung vertrauenswürdig zu erweisen, sowohl gegenüber Rechtsuchenden als auch gegenüber Behörden und anderen Beteiligten, und die Interessen des Auftraggebers nach Recht und Billigkeit zu wahren (Art. 19 und Art. 24 Abs. 1 AnwG). Der Beschwerdeführer bestreitet weitgehend, gegen diese Pflichten verstossen zu haben; er gesteht einzig zu, mit seiner Kritik an Rechtsanwalt T.________ zu weit gegangen zu sein, ist aber der Auffassung, dieses Fehlverhalten rechtfertige nur einen Verweis.
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3.2 Der Beschwerdeführer rügt auch in diesem Zusammenhang fast ausschliesslich die Verletzung von Art. 6 EMRK sowie von Art. 7 EMRK. Letztere Bestimmung untersagt, jemanden wegen Handlungen oder Unterlassungen zu verurteilen, die zur Zeit ihrer Begehung nicht strafbar waren. Der Grundsatz "keine Strafe ohne Gesetz" findet demnach nur auf strafrechtliche Handlungen Anwendung, die zu einer Strafe führen, wobei diese Begriffe unabhängig von ihrer landesrechtlichen Bedeutung auszulegen sind. Der Geltungsbereich von Art. 7 EMRK entspricht somit grundsätzlich jenem der "strafrechtlichen Anklage" im Sinne von Art. 6 EMRK (vgl. Villiger, a.a.O., S. 338), weshalb Art. 7 EMRK, gleich wie Art. 6 EMRK, auf das vorliegend zu beurteilende Disziplinarverfahren keine Anwendung findet. Auf die entsprechenden Vorbringen des Beschwerdeführers ist nicht weiter einzugehen.
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3.3 Nicht einzutreten ist auf die staatsrechtliche Beschwerde schliesslich auch, soweit der Beschwerdeführer bestreitet, gegen die Berufsregeln verstossen zu haben. Er legt nicht dar, inwieweit der anderslautende Entscheid des Kantonsgerichts anderes Verfassungs- bzw. Konventionsrecht als Art. 6 und Art. 7 EMRK verletzen soll (vgl. E. 1.2). Der Hinweis auf die Meinungsäusserungsfreiheit, den der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang am Rande anbringt, ändert daran nichts.
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4.
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Die betreffenden, mangelhaft begründeten Einwendungen wären im Übrigen ohnehin unbegründet.
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4.1 Eine persönliche Befragung des Beschwerdeführers durch das Kantonsgericht drängte sich nicht zwingend auf, auch nicht unter dem Blickwinkel von Art. 29 BV: Das dem Beschwerdeführer zur Last gelegte Verhalten (insbesondere die verwendeten Ausdrücke und die Verhinderung der Zustellung des Entscheids der Anklagekammer) stand aufgrund der Akten fest und der Beschwerdeführer hatte ausreichend Gelegenheit, die Umstände des Falles aus seiner Sicht darzulegen sowie seine subjektiven Beweggründe zuhanden des Kantonsgerichts schriftlich zu schildern. Bei einem Rechtsanwalt darf eine ausreichende Gewandtheit im schriftlichen Ausdruck vorausgesetzt werden, so dass ein Parteiverhör weder als Beweismittel noch zur Wahrung des rechtlichen Gehörs erforderlich war. Im Übrigen ist nicht nachvollziehbar, was sich der Beschwerdeführer von einer Befragung zu seinem Vorleben erhoffte. Einer öffentlichen Verhandlung, wie sie der Beschwerdeführer verlangt, könnte zudem auch das Anwaltsgeheimnis entgegenstehen.
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4.2 Die Äusserungen des Beschwerdeführers überschreiten offensichtlich die Schranken des anwaltsrechtlich Erlaubten, und zwar unabhängig davon, ob und wieweit die erhobenen Anschuldigungen sachlich zutreffend und berechtigt sind. Die kantonalen Instanzen durften ohne weiteres davon ausgehen, die Verwendung beleidigender Ausdrücke dieser Art sei eines Anwalts unwürdig und mithin standeswidrig. Dieser Schlussfolgerung steht die Meinungsäusserungsfreiheit nicht entgegen, soweit derartige Beleidigungen überhaupt in den Schutzbereich dieses Grundrechts fallen.
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4.3 Der Beschwerdeführer wendet ferner ein, die beanstandeten Äusserungen seien teilweise in einem Strafverfahren, d.h. im Verhältnis zwischen ihm als Parteianwalt und dem Angeschuldigten gefallen und an die Strafverfolgungsbehörde gerichtet gewesen. Das Anwaltsgesetz finde deshalb keine Anwendung und die Anwaltskammer sei insoweit nicht zuständig. Es sei nicht deren Sache, die "privaten Ehreninteressen" des betreffenden Anwalts zu schützen, weshalb der angefochtene Entscheid Art. 7 EMRK verletzte. Diese Argumentation überzeugt nicht: Der Beschwerdeführer handelte beim Abfassen der Beschwerde vom 19. November 1998 nicht in eigenem Namen, sondern als Rechtsvertreter der angeblich geschädigten Gesellschaften. Schon deshalb war er den besonderen Verhaltensregeln für Rechtsanwälte unterworfen. Wieweit etwas anderes gelten könnte, wenn er in eigenem Namen tätig gewesen wäre, braucht nicht geprüft zu werden. Dass der Inhalt der Eingabe nur einem beschränkten Kreis von Personen zur Kenntnis gelangte, was bei schriftlichen Äusserungen von Anwälten regelmässig der Fall ist, vermag die disziplinarrechtliche Verantwortlichkeit des Beschwerdeführers für die erwähnten Äusserungen ebenfalls nicht in Frage zu stellen. Schliesslich wird der Beschwerdeführer auch nicht dadurch entlastet, dass die Anklagekammer, in deren Verfahren die Äusserungen gemacht worden sind, hierfür nicht bereits selbst eine Ordnungsbusse ausgefällt hat. Zu bemerken ist, dass die gravierendsten Beleidigungen nicht gegenüber Rechtsanwalt E.________ erfolgten, gegen den das Strafverfahren geführt wurde, sondern dessen Rechtsvertreter betrafen und im Zivilverfahren fielen. Die Standeswidrigkeit dieser Äusserungen anerkennt der Beschwerdeführer zumindest teilweise. Dabei vermag der Einwand, er sei durch das Verhalten von Rechtsanwalt T.________ (der sich einfach mit prozessualen Mitteln dem Ansinnen des Beschwerdeführers entgegenstellte) zu bestimmten Äusserungen provoziert worden, die massiv ungehörigen Bezeichnungen nicht zu rechtfertigen. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang auch, dass das für den Zivilprozess zuständige Bezirksgericht die entsprechenden Eingaben nicht beanstandet hat.
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4.4 Unbegründet und geradezu mutwillig erscheinen die Einwendungen des Beschwerdeführers, was sein Verhalten bei der Zustellung des Entscheids der Anklagekammer betrifft: Auch wenn der Beschwerdeführer nicht die Zustellung überhaupt verhindert haben sollte, sondern zuerst den Erhalt des Entscheids quittierte und diesen dann unverzüglich - offenbar als Protesthandlung - an die betreffende Behörde zurückgehen liess, störte er damit den Gang des Verfahrens in einer mit den Verhaltenspflichten eines Anwalts unvereinbaren Weise. Ein solches Vorgehen ist zudem, wie das Kantonsgericht ohne Willkür annehmen durfte, auch geeignet, die Interessen der Klientschaft zu gefährden. Die Erklärung des Beschwerdeführers spricht für sich: Er sei nach Empfang der Sendung befugt gewesen, über die "Urteilsurkunde frei zu verfügen", und habe gestützt auf diese Kompetenz - ausserhalb des abgeschlossenen Verfahrens vor der Anklagekammer und ohne, dass dieser Anordnung prozessuale Bedeutung zukäme - den Urteilsumschlag mitsamt dem Urteil an die absendende Behörde zurückgeschickt.
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4.5 Schliesslich konnte das Kantonsgericht ohne Willkür auch annehmen, der Beschwerdeführer habe unwahre Angaben über die Dauer seiner Abwesenheit gemacht. Dessen Erklärungsversuch, er habe eine Vorbereitungsphase von 10 Tagen und eine vorhersehbare Beeinträchtigung nach seiner Rückkehr durch den Jetlag (5 Tage) eingerechnet, ist unbehelflich.
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4.6 Auch die Höhe der Busse, welche dem Beschwerdeführer auferlegt wurde, erscheint angesichts des vorgesehenen Sanktionsrahmens und der mehrfachen, teils massiven Verstösse gegen das Standesrecht, nicht offensichtlich übersetzt. Es ist der Behörde, welche für die Durchsetzung der Standesregeln zuständig ist, nicht verwehrt, Disziplinarbussen so anzusetzen, dass sie nicht nur symbolischen Charakter haben, sondern auch wirtschaftlich eine gewisse Wirkung entfalten.
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5.
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Nach dem Gesagten erweist sich die staatsrechtliche Beschwerde als unbegründet, soweit darauf einzutreten ist.
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Entsprechend dem Ausgang des Verfahrens werden die bundesgerichtlichen Kosten dem Beschwerdeführer auferlegt (Art. 156 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 153 und Art. 153a OG). Parteientschädigung ist keine auszurichten.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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1.
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Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
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2.
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Die Gerichtsgebühr von Fr. 4'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.
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3.
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Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Anwaltskammer des Kantons St. Gallen und dem Kantonsgericht St. Gallen, III. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 8. August 2002
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Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
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