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Informationen zum Dokument  BGer 1P.235/2002  Materielle Begründung
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BGer 1P.235/2002 vom 09.08.2002
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
1P.235/2002 /zga
 
Urteil vom 9. August 2002
 
I. Öffentlichrechtliche Abteilung
 
Bundesgerichtsvizepräsident Aemisegger, Präsident,
 
Bundesrichter Aeschlimann, Fonjallaz,
 
Gerichtsschreiber Steinmann.
 
K.________,
 
Beschwerdeführer, vertreten durch Advokatin Christina Reinhardt, Eisengasse 5, 4051 Basel,
 
gegen
 
Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau,
 
Frey-Herosé-Strasse 12, 5001 Aarau,
 
Obergericht des Kantons Aargau, 1. Strafkammer, Obere Vorstadt 38, 5000 Aarau.
 
Strafverfahren; Beweiswürdigung
 
Staatsrechtliche Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau, 1. Strafkammer, vom 12. März 2002
 
Sachverhalt:
 
A.
 
Mit Anklageschrift vom 27. April 2001 warf die Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau K.________ vor, von Ende 1999 bis zu seiner Verhaftung am 27. September 2000 in verschiedener Weise und mehrfach gegen das Betäubungsmittelgesetz verstossen und das Waffengesetz verletzt zu haben. Sie beantragte im Wesentlichen, K.________ mit 6½ Jahren Zuchthaus zu bestrafen. - Das Bezirksgericht Lenzburg sprach K.________ am 14. Juni 2001 der qualifizierten Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz und der Widerhandlung gegen das Waffengesetz und die Waffenordnung schuldig und verurteilte ihn zu einer Zuchthausstrafe von 2¾ Jahren. Das Gericht erachtete es als erwiesen, dass K.________ zwei Mal ein halbes Kilogramm Drogenstreckungsmittel bestellt und erhalten und in der fraglichen Zeit ca. 1 Kilogramm Heroin und Kokain erworben, gelagert, portioniert, gestreckt, transportiert, vermittelt und verkauft habe.
 
Gegen dieses Urteil erhoben sowohl die Staatsanwaltschaft als auch der angeklagte K.________ Berufung. Die Staatsanwaltschaft wies darin auf verschiedene Sachverhaltselemente, welche den Tatvorwurf (in dem von ihr angenommenen Ausmass) zu begründen vermöchten, und forderte eine längere Freiheitsstrafe. Demgegenüber machte K.________ im Wesentlichen geltend, die Verurteilung beruhe ausschliesslich auf Mutmassungen, weshalb er freizusprechen sei.
 
Mit Urteil vom 12. März 2002 hat die 1. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Aargau die Berufung der Staatsanwaltschaft teilweise gutgeheissen. Es bestätigte den vorinstanzlichen Schuldspruch wegen qualifizierter Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz und setzte die Zuchthausstrafe, teilweise als Zusatzstrafe zu einem früheren Urteil und unter Anrechnung der Untersuchungshaft, neu auf 3½ Jahre fest. In teilweiser Gutheissung der Berufung von K.________ hob es die Verpflichtung, als Ersatz für unrechtmässigen Erlös der Gerichtskasse einen Betrag von Fr. 10'000.-- zu bezahlen, auf. Im Urteil werden insbesondere die Sachverhaltselemente dargelegt und gewürdigt, welche dem Schuldspruch zugrunde liegen.
 
B.
 
Gegen dieses Urteil des Obergerichts hat K.________ beim Bundesgericht am 26. April 2002 staatsrechtliche Beschwerde erhoben. Er macht zum einen eine Verletzung des rechtlichen Gehörs und des Anklagegrundsatzes geltend und rügt eine Verletzung von Art. 29 Abs. 2 BV und Art. 6 Ziff. 3 EMRK, weil weder die Anklageschrift noch die Urteile des Bezirksgerichts und des Obergerichts die ihm zur Last gelegten Tathandlungen konkret nachwiesen und rechtlich würdigten. Zum andern erachtet er die Unschuldsvermutung als verletzt, weil die Tatvorwürfe ohne Nachweise lediglich mit Verdachtselementen belegt und willkürliche Folgerungen gezogen worden seien. Der Beschwerdeführer stellt die folgenden Begehren:
 
1. Es sei der angefochtene Entscheid aufzuheben und die Angelegenheit zur Verbesserung der Anklage an die Staatsanwaltschaft zurückzuweisen. Eventualiter sei der angefochtene Entscheid aufzuheben und die Angelegenheit an das Bezirksgericht, subeventualiter an die Vorinstanz zurückzuweisen.
 
2. Es sei vorliegender staatsrechtlicher Beschwerde vorsorglich die aufschiebende Wirkung zu erteilen.
 
3. Es sei der Beschwerdeführer unverzüglich aus der Haft zu entlassen.
 
4. Unter Kosten- und Entschädigungsfolge.
 
5. Es sei dem Beschwerdeführer die unentgeltliche Rechtspflege mit der Unterzeichnenden als unentgeltlichem Rechtsbeistand zu gewähren.
 
Die Staatsanwaltschaft und das Obergericht haben auf eine Vernehmlassung verzichtet.
 
C.
 
Mit Verfügung vom 23. Mai 2002 ist das Gesuch um Gewährung der aufschiebenden Wirkung abgewiesen worden.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
1.
 
Der Beschwerdeführer wird vom angefochtenen Strafurteil persönlich betroffen und ist zur staatsrechtlichen Beschwerde legitimiert. Der Antrag um Aufhebung des Urteils des Obergerichts ist zulässig; nach der Rechtsprechung ist es mit der kassatorischen Natur der staatsrechtlichen Beschwerde auch vereinbar, über den Aufhebungsantrag hinaus die blosse Zurückweisung an die letzte kantonale Instanz zu verlangen. Da grundsätzlich allein deren Urteile angefochten werden können, ist der Antrag um Rückweisung an eine untere Instanz indessen nicht zulässig. Wie es sich mit dem Antrag auf Verbesserung der Anklageschrift verhält, kann offen bleiben; die Feststellung der Verletzung des Anklagegrundsatzes hätte nämlich zur Folge, dass das angefochtene Urteil aufgehoben werden müsste (vgl. BGE 126 I 19). Schliesslich rügt der Beschwerdeführer eine willkürliche Strafzumessung. Die Fehlerhaftigkeit der Strafzumessung ist indessen nicht mit staatsrechtlicher Beschwerde, sondern mit eidgenössischer Nichtigkeitsbeschwerde zu rügen, weshalb insofern auf die Beschwerde nicht eingetreten werden kann; aus der Beschwerdeschrift ergibt sich allerdings, dass sich die diesbezügliche Rüge mit derjenigen wegen Verletzung des Willkürverbots und der Unschuldsvermutung im Wesentlichen deckt.
 
2.
 
Als erstes rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung des Anklagegrundsatzes und macht geltend, die Anklageschrift umschreibe die ihm vorgeworfenen Handlungen ebenso wenig wie das erstinstanzliche Bezirksgericht Lenzburg. Er habe sich daher vor Obergericht nicht wirksam gegen die Anklage und die Vorwürfe, welche als reine Mutmassungen bezeichnet werden, zur Wehr setzen können.
 
Die Rüge der Verletzung des Anklagegrundsatzes bedarf ebenso wie die Geltendmachung anderer Verfassungsverletzungen nach Art. 86 Abs. 1 OG der Ausschöpfung des kantonalen Instanzenzuges (vgl. unveröffentlichtes Urteil des Bundesgerichts vom 12. Oktober 1999 i.S. D., 1P.472/1999). Soweit ersichtlich, hat der Beschwerdeführer diese Rüge weder im Plädoyer vor dem Bezirksgericht Lenzburg noch in der Berufung an das Obergericht vorgebracht (vgl. Akten des Berzirksgerichts S. 189 ff., Akten des Obergerichts. Bei dieser Sachlage kann im bundesgerichtlichen Verfahren auf diese Rüge nicht eingetreten werden.
 
Im Übrigen erwiese sich die Rüge der Verletzung des Anklagegrundsatzes als unbegründet. Das Anklageprinzip ist in § 25 der Strafprozessordnung des Kantons Aargau festgehalten; danach darf sich die gerichtliche Beurteilung nur auf jene Personen und strafbare Handlungen erstrecken, welche in der Anklage genannt werden. Der Anklagegrundsatz ergibt sich auch aus Art. 32 Abs. 2 BV und Art. 6 Ziff. 3 lit. a EMRK und bedeutet, dass jede angeklagte Person über die gegen sie erhobenen Beschuldigungen hinsichtlich des Tatvorwurfs und der rechtlichen Qualifikation unterrichtet wird. Der Grundsatz bestimmt den Gegenstand des Verfahrens und dient dem Schutze der Verteidigungsrechte des Beschuldigten (zur Publikation bestimmtes Urteil vom 6. März 2002 [1P.48/2002], BGE 126 I 19 E. 2 S. 21, 120 IV 348 E. 2 S. 353, mit Hinweisen). Im vorliegenden Fall sind dem Beschwerdeführer in der Anklageschrift verschiedene Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz vorgeworfen worden. Die Vorwürfe beruhen auf einzelnen Indizien, die in der Anklageschrift wiedergegeben sind. Der Beschwerdeführer hatte Gelegenheit, sich mit diesen Indizien näher auseinanderzusetzen, und er hat denn davon sowohl vor dem Bezirksgericht als auch vor dem Obergericht tatsächlich ausgiebig Gebrauch gemacht. Allein der Umstand aber, dass dem Beschwerdeführer kein konkretes Geschäft mit einer bestimmten Person vorgeworfen wird, verletzt den Anklagegrundsatz indessen nicht. Vielmehr ist es letztlich eine Frage der materiellen Beurteilung, ob aufgrund dieser Indizien ein Schuldspruch ergehen konnte. Dazu ist im Folgenden Stellung zu nehmen.
 
3.
 
Im Wesentlichen macht der Beschwerdeführer eine willkürliche Beweiswürdigung und in diesem Rahmen eine Missachtung des Grundsatzes in "dubio pro reo" geltend. Er rügt damit Verletzungen von Art. 9 und Art. 32 Abs. 1 BV sowie von Art. 6 Ziff. 2 EMRK.
 
3.1 Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts verfügt der Sachrichter im Bereiche der Beweiswürdigung über einen weiten Ermessensspielraum. Das Bundesgericht greift auf staatsrechtliche Beschwerde wegen willkürlicher Beweiswürdigung hin nur ein, wenn die Beweiswürdigung offensichtlich unhaltbar ist, mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht, auf einem offenkundigen Versehen beruht oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft (vgl. BE 124 I 208 E. 4a S. 211, mit Hinweisen).
 
Im Bereiche der Beweiswürdigung kommt dem aus der Unschuldsvermutung (Art. 32 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 2 EMRK) folgenden Grundsatz "in dubio pro reo" die Bedeutung zu, dass sich der Strafrichter nicht von einem für den Angeklagten ungünstigen Sachverhalt überzeugt erklären darf, wenn bei objektiver Betrachtung erhebliche und nicht zu unterdrückende Zweifel bestehen, ob sich der Sachverhalt so verwirklicht hat. Diese Beweiswürdigungsregel ist verletzt, wenn der Strafrichter an der Schuld des Angeklagten hätte zweifeln müssen. Dabei sind bloss abstrakte und theoretische Zweifel nicht massgebend, weil solche immer möglich sind und absolute Gewissheit nicht verlangt werden kann. Das Bundesgericht legt sich bei der Überprüfung von Beweiswürdigungen im Strafprozess Zurückhaltung auf. Es greift mit anderen Worten nur ein, wenn der Sachrichter den Angeklagten verurteilte, obgleich bei objektiver Würdigung des Beweisergebnisses offensichtlich erhebliche und schlechterdings nicht zu unterdrückende Zweifel an dessen Schuld fortbestehen (vgl. BGE 127 I 38 E. 2a S. 41, 124 IV 86 E. 2a S. 88, 120 Ia 31 E. 2c und 2d S. 37, mit Hinweisen).
 
3.2 Für die Beurteilung der vorliegenden Beschwerde ist vorerst festzuhalten, dass die kantonalen Gerichte dem Beschwerdeführer kein konkretes Geschäft mit Drogen vorzuhalten vermochten. Insbesondere haben sie nicht angenommen, der Beschwerdeführer habe konkreten Handel mit bestimmten Mengen von Heroin oder Kokain zu bestimmten Preisen zu bestimmten Zeitpunkten mit bestimmbaren Lieferanten bzw. bestimmbaren Abnehmern getätigt. Sie haben vielmehr aus einer Reihe von Indizien, wie sie sich aus der Untersuchung und den Einvernahmen ergaben, den Schluss gezogen, der Beschwerdeführer habe im Ausmass von rund einem Kilogramm harte Drogen erworben, gestreckt, portioniert und verkauft. Ein solches Vorgehen verstösst nicht gegen die Verfassung oder die Unschuldsvermutung; vielmehr kann es mit diesen Garantien vereinbar sein, dass ein Gericht allein gestützt auf Indizien zur Überzeugung gelangt, eine angeschuldigte Person habe in gewisser Weise gehandelt und damit gegen die Rechtsordnung verstossen. Es ist daher im Einzelnen zu prüfen, ob die vom Obergericht angeführten Indizien unter dem Gesichtswinkel des Willkürverbotes und der Unschuldsvermutung ausreichen, um den Schuldspruch zu rechtfertigen.
 
3.3 Es ist unbestritten, dass der Beschwerdeführer am 27. September 2000 von A.________ 565 Gramm Paracetamol-Koffein-Gemisch erworben hat und im Besitze von 349 Gramm Lactose war. Beide Mittel eignen sich zum Strecken von Heroin und Kokain. Weiter nahm das Obergericht aufgrund einer Telefonabhörung, der anlässlich dieses Telefongesprächs verwendeten Sprachverschleierung sowie der ersten Aussagen von A.________ an, dass der Beschwerdeführer bereits am 7. September 2000 ca. 500 Gramm Paracetamol-Koffein-Gemisch zum Preis von Fr. 800.-- erworben habe. In der staatsrechtlichen Beschwerde werden diese Annahmen ebenso wenig in Frage gestellt wie die vom Obergericht daraus gezogene Folgerung, diese für die Streckung von Heroin und Kokain geeigneten Mittel habe der Beschwerdeführer tatsächlich für das Strecken von harten Drogen verwenden und nicht als (teures und unwirksames) Rheuma- und Fiebermittel gebrauchen wollen.
 
Aufgrund der Aussagen von B.________, der Freundin des Beschwerdeführers, soll diese von den Drogengeschäften des Beschwerdeführers vage gewusst haben. Das Obergericht kam gestützt auf deren Aussagen zum Schluss, dass der Beschwerdeführer zwar nicht offen von Drogen gesprochen, indessen zu Beginn das Wort Drogen bisweilen verwendet hatte. B.________ musste ferner grössere Mengen von Minigripsäckchen (mehrere Hundert Stück) kaufen, welche sich zum Portionieren von harten Drogen eignen. Sie will ferner verschiedentlich beobachtet haben, wie der Beschwerdeführer in einer Salatschüssel pulverige Substanzen mischte und in Minigripsäckchen abfüllte. In der Wohnung sind denn auch eine entsprechende Waage und Minigripsäckchen sichergestellt worden. B.________ hat ebenfalls gesehen, wie der Beschwerdeführer mehrmals unterschiedlich grosse, in Alufolie eingepackte Pakete in die Wohnung brachte und teilweise versteckte; das Obergericht bemerkte dazu, dass Drogen häufig so verpackt würden, liess es aber offen, ob es sich bei diesen Paketen um Drogen-Pakete handelte. Des öftern chauffierte B.________ den Beschwerdeführer an verschiedene Orte, wo der Beschwerdeführer Personen traf oder eines der Pakete versteckte, wie etwa im "Bunker" bei Nidau. Die Freundin nahm gemäss ihren eigenen Angaben an, dass der Beschwerdeführer Drogen lieferte, und dieser soll sich auch in diesem Sinne tatsächlich geäussert haben. Das Obergericht hielt ferner fest, dass B.________ mehrmals grössere Geldbeträge in grössere Noten bzw. eine andere Währung wechseln musste und dass diese Geldbeträge typische Drogenstückelungen aufwiesen. Angesichts der bescheidenen finanziellen (Einkommens-)Verhältnisse des Beschwerdeführers erachtete das Obergericht diese beträchtlichen Geldbeträge als Drogengelder und verwarf die Einrede, es handle sich um Ersparnisse oder Verdienste aus dem (zugestandenen) Handel mit Marihuana. Bei dem anlässlich der Hausdurchsuchung sichergestellten Geldbetrag von Fr. 6'900.--wurden an den Banknoten Spuren von Heroin festgestellt. Schliesslich hielt das Obergericht die Sicherstellung von 5,3 Gramm Kokain in der Wohnung des Beschwerdeführers fest, welches lediglich einen Reinheitsgehalt von 2% aufwies.
 
Gegenüber all diesen Indizien macht der Beschwerdeführer geltend, dass ihm keine konkreten Geschäfte haben nachgewiesen werden können. Insbesondere könnten aus den vom Obergericht angeführten Indizien zahlreiche andere Schlüsse gezogen werden und seien andere Sachverhaltsvarianten gleichermassen denkbar. Der Umstand, dass beim Beschwerdeführer Streckmittel gefunden worden sind, könne darauf hinweisen, dass neben dem eigentlichen Drogenhandel auch eine blosse Szene für Streckmittel existiere. Die Geldbeträge könnten nicht nur aus einem Handel mit Drogen, sondern ebenso sehr aus andern Quellen stammen. Die Heroin-Kontaminierung der Banknoten stelle keinen Beweis dar, dass der Beschwerdeführer selbst mit Drogen gehandelt habe. Schliesslich sei es denkbar, dass er in Nidau andere Dinge, wie etwa Marihuana versteckt habe. - Diese Vorbringen vermögen weder eine willkürliche Beweiswürdigung noch einen Verstoss gegen die Unschuldsvermutung zu begründen. In einem Indizien-Prozess lassen sich meist andere Sachverhaltsvarianten denken. Sie könnten allein dann ausschlaggebend sein, wenn sie sich geradezu aufdrängen und andere Schlüsse geradezu als unhaltbar betrachtet werden müssten. Dies trifft indessen im vorliegenden Fall nicht zu. In Bezug auf die Vorbringen des Beschwerdeführers gilt es vorerst festzuhalten, dass ein reiner Streckmittel-Handel zwar nicht absolut ausgeschlossen werden kann. Bei Annahme einer solchen Sachverhaltsvariante lässt es sich indessen kaum erklären, weshalb der Beschwerdeführer sich anlässlich einer telefonischen Bestellung einer Sprachverschleierung bediente, was im Einzelnen er mit der grossen Anzahl von Minigripsäckchen machte und wozu er diese abfüllte. Dafür, dass die vom Obergericht erwähnten Geldbeträge aus andern Geschäften stammen könnten, fehlt jegliche plausible Erklärung; die Einkommensverhältnisse sprechen dagegen, und für einen lukrativen Marihuana-Handel sind keine Hinweise ersichtlich. Die Heroin-Spuren an den sichergestellten Banknoten weisen darauf hin, dass sich der Beschwerdeführer in entsprechenden Kreisen aufhielt. Schliesslich sind die Ausführungen zum Versteck von andern Gegenständen bei Nidau wenig glaubhaft. Diese Einwendungen des Beschwerdeführers sind gesamthaft nicht geeignet, die Beweiswürdigung des Obergerichts als willkürlich erscheinen zu lassen.
 
Ferner macht der Beschwerdeführer geltend, dass gewichtige Indizien, die gegen einen Drogenhandel sprechen, nicht gewürdigt und schlechterdings ignoriert worden seien. Dies ist indessen kaum nachvollziehbar. Allein der Umstand, dass die beim Beschwerdeführer vorgenommenen Analysen im Urin und Fingernagelschmutz negative Resultate zeitigten, vermag in keiner Weise vorsichtig angegangene Drogengeschäfte auszuschliessen; die vom Beschwerdeführer beachtete Vorsicht zeigte sich auch bei der Sprachverschleierung und den Bemerkungen gegenüber seiner Freundin. Ferner kann aus dem Reinheitsgrad der sichergestellten 5,3 Gramm Heroin von bloss 2% nichts abgeleitet werden, auch wenn sich Drogenhändler für den Eigenkonsum mit besserer Qualität und höherem Drogenanteil versorgen mögen.
 
Schliesslich zieht der Beschwerdeführer die Glaubwürdigkeit der Zeugin B.________ und die Glaubhaftigkeit ihrer Aussagen in Frage. Er geht in der Beschwerde auf die allgemeinen Aussagen des Obergerichts (Urteil E. 2b) zur Glaubwürdigkeit der Zeugin und die Beurteilung, dass diese ihre Beobachtungen frei und ohne Druck geschildert und trotz Druckversuchen an ihren Aussagen festgehalten habe, nicht ein und behauptet nicht, dass B.________ generell als unglaubwürdig zu betrachten sei. Demgegenüber kommen seinen Ausführungen zur Glaubhaftigkeit einzelner Aussagen geringeres Gewicht zu. Das Obergericht war sich, wie dem angefochtenen Entscheid zu entnehmen ist, bewusst, dass bezüglich einzelner Zeugnisse gewisse Widersprüche vorhanden sind. Es hat in nachvollziehbarer Weise ausgeführt, dass es sich bei der Aussage, die Zeugin habe jede Woche 200 Stück Minigripsäckchen kaufen müssen, um ein Missverständnis gehandelt habe; wesentlich in diesem Zusammenhang ist darüber hinaus vor allem, dass B.________ solche Säckchen in grösseren Mengen tatsächlich gekauft hatte. Gleichermassen darf hinsichtlich der Aussage, sie habe beim Beschwerdeführer nie einen so grossen Geldbetrag gesehen wie anlässlich der Sicherstellung, angenommen werden, dass sie in diesem frühen Untersuchungszeitpunkt noch nicht alle Kenntnisse preisgeben wollte. Weiter kann der Umstand, dass die Zeugnisse von B.________ zum Teil einen geringen Detaillierungsgrad aufweisen, darauf zurückgeführt werden, dass der Beschwerdeführer vorsichtig vorging und die Zeugin, die tagsüber arbeitete, nicht näher in die Geschäfte hineinzog. Gleichermassen ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Obergericht auf Aussagen über Vorgänge und Beobachtungen abstellte, über die B.________ lediglich vom Hörensagen Kenntnisse hatte. Schliesslich kann der Behauptung des Beschwerdeführers nicht gefolgt werden, das Obergericht habe ohne Grund und ohne Würdigung den einen Aussagen Beweiswert beigemessen und andern keinen Glauben geschenkt. Vielmehr hat es einzelnen Aussagen wie etwa dem Zeugnis, dass der Beschwerdeführer ein Paket hinter dem WC versteckte, zwar Glauben geschenkt, hat aber davon abgesehen, dieses als Drogen-Paket zu betrachten. Gerade dieser Umstand zeigt entgegen den Ausführungen des Beschwerdeführers, dass das Obergericht die Aussagen von B.________ mit Vorsicht würdigte.
 
Schliesslich hat das Obergericht im Einzelnen ausgeführt, welche Mengen von Drogen der Beschwerdeführer aufgrund der einzelnen Indizien umgesetzt haben soll. Hiergegen erhebt der Beschwerdeführer in der staatsrechtlichen Beschwerde keine wesentlichen, den Anforderungen von Art. 90 Abs. 1 lit. b OG genügenden Rügen.
 
3.4 In Anbetracht der vorstehend wiedergegebenen Beweiswürdigung kann entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers nicht von einer Verletzung des Willkürverbotes oder der Unschuldsvermutung gesprochen werden. Das Obergericht ist vielmehr aufgrund einer sorgfältigen Würdigung der Beweisergebnisse zum Schluss und zur Überzeugung gelangt, dass der Beschwerdeführer in beträchtlichem Ausmasse mit Drogen gehandelt habe. Bei dieser Sachlage vermag auch der Umstand, dass der Schuldvorwurf gegenüber dem Beschwerdeführer sich nicht in einem exakten Sinne beweisen liess und abstrakte und theoretische Zweifel immer möglich sind, keine Verletzung von Art. 32 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 2 EMRK zu begründen. Gesamthaft kann insbesondere nicht gesagt werden, es hätten bei objektiver Betrachtung erhebliche und nicht zu unterdrückende Zweifel daran bestanden, dass sich der Sachverhalt nicht in der Weise, wie er vom Obergericht angenommen worden ist, verwirklicht hat. Damit erweist sich die Beschwerde als unbegründet.
 
4.
 
Demnach ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Die vorliegenden Umstände rechtfertigen es, das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege gutzuheissen.
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2.
 
Das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege wird gutgeheissen. Es werden keine Kosten erhoben. Advokatin Christina Reinhardt wird als amtliche Rechtsvertreterin bezeichnet und für das bundesgerichtliche Verfahren aus der Bundesgerichtskasse mit Fr. 2'000.-- entschädigt.
 
3.
 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer sowie der Staatsanwaltschaft und dem Obergericht , 1. Strafkammer, des Kantons Aargau schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 9. August 2002
 
Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
 
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