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Informationen zum Dokument  BGer 1P.242/2002  Materielle Begründung
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BGer 1P.242/2002 vom 12.08.2002
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
1P.242/2002/sch
 
Urteil vom 12. August 2002
 
I. Öffentlichrechtliche Abteilung
 
Bundesgerichtsvizepräsident Aemisegger, Präsident,
 
Bundesrichter Nay, Féraud,
 
Gerichtsschreiber Pfisterer.
 
A.________,
 
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Alex Frei, Bahnhofstrasse 32a, 8360 Eschlikon TG,
 
gegen
 
B.________,
 
Beschwerdegegner, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Patrick Stach, Dufourstrasse 121, Postfach 1944, 9001 St. Gallen,
 
Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen, Kantonales Untersuchungsamt,
 
Spisergasse 15, 9001 St. Gallen,
 
Kantonsgericht St. Gallen, Strafkammer,
 
Klosterhof 1, 9001 St. Gallen.
 
Art. 9 und 32 Abs. 1 BV, Art. 6 Ziff. 2 EMRK (Strafverfahren),
 
(Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts St. Gallen, Strafkammer, vom 26. Februar 2002).
 
Sachverhalt:
 
A.
 
A.________ kaufte am 13. Juni 1996 das Motorboot "Regal 195 XL Cuddy" für Fr. 18'500.--. Die Quittung vom 13. Juni 1996 für den Kauf des Motorbootes wurde auf die X.________ AG ausgestellt, deren damaliger Verwaltungsratspräsident B.________ war. Eine Quittung vom 14. Juni 1996 für die Einschreibegebühr, die Miete des Bootsplatzes und die Kurtaxe per 1996 lautete auf Rechnung von B.________. Das Geld für den Kauf des Bootes sowie für die Einschreibegebühr, die Bootsplatzmiete und die Kurtaxe stammte vom Privatkonto des B.________. Das Boot sollte vor allem für geschäftliche Ausflüge von A.________, B.________ oder der X.________ AG verwendet werden. Am 10. Februar 1999 verkaufte A.________ das Boot für Fr. 7'000.--, ohne das Einverständnis von B.________ eingeholt zu haben.
 
B.________ forderte A.________ am 10. August 1999 auf, ihm entweder innert 10 Tagen sein Boot zurückzugeben oder innert der gleichen Frist Fr. 12'000.-- auf sein Konto zu überweisen. B.________ drohte A.________ an, sollte er weder dem einen noch dem anderen nachkommen, werde er, B.________, die Polizei einschalten. Da A.________ dieser Aufforderung nicht nachkam, erstattete B.________ am 16. November 1999 Strafanzeige.
 
B.
 
Der Einzelrichter des Bezirksgerichts Rorschach sprach A.________ am 26. Juni/4. Juli 2001 der Veruntreuung schuldig. Die Zivilforderung von B.________ wurde auf den Zivilweg verwiesen.
 
A.________ erhob gegen diesen Entscheid am 24. August 2001 Berufung an das Kantonsgericht St. Gallen. Er stellte das Begehren, der Entscheid des Einzelrichters des Bezirksgerichts Rorschach sei - abgesehen vom Zivilpunkt - aufzuheben, und er sei von Schuld und Strafe freizusprechen.
 
Das Kantonsgericht St. Gallen wies die Berufung am 26. Februar 2002 ab.
 
C.
 
A.________ führt mit Eingabe vom 29. April 2002 staatsrechtliche Beschwerde ans Bundesgericht. Er beantragt die Aufhebung des Entscheides des Kantonsgerichts St. Gallen vom 26. Februar 2002 und die Rückweisung der Sache an die Vorinstanz zu neuem Entscheid. Ferner stellt er das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege.
 
B.________ spricht sich für die Abweisung der Beschwerde aus. Die Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen, Kantonales Untersuchungsamt, sowie das Kantonsgericht St. Gallen verzichten auf Vernehmlassung.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
1.
 
Gegen den angefochtenen, kantonal letztinstanzlichen Entscheid ist die staatsrechtliche Beschwerde gegeben (Art. 86 Abs. 1 OG und Art. 222 ff. des Strafprozessgesetzes des Kantons St. Gallen vom 1. Juli 1999). Da auch die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt sind, ist auf die Beschwerde - unter Vorbehalt der nachfolgenden Ausführungen - einzutreten.
 
2.
 
Der Beschwerdeführer erhebt mehrmals den Vorwurf der willkürlichen Beweiswürdigung und der Verletzung der Unschuldsvermutung.
 
2.1 Nach Art. 90 Ziff. 1 lit. b OG hat die Beschwerde die wesentlichen Tatsachen und eine kurz gefasste Darlegung darüber zu enthalten, welche verfassungsmässigen Rechte bzw. welche Rechtssätze verletzt sind und inwiefern der angefochtene Entscheid nicht nur unkorrekt, sondern qualifiziert falsch ist. Das Bundesgericht prüft nur klar und detailliert erhobene Rügen. Auf ungenügend begründete Rügen und rein appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid tritt es nicht ein. Es genügt namentlich nicht, wenn der Beschwerdeführer behauptet, der Entscheid des Kantonsgerichts sei willkürlich. Er hat vielmehr detailliert zu zeigen, inwiefern der Entscheid offensichtlich unhaltbar ist, mit der tatsächlichen Situation in krassem und offensichtlichem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft. Der Beschwerdeführer hat für jede einzelne Sachverhaltsfeststellung aufzuzeigen, wie nach seiner Ansicht nach die Beweise korrekt zu würdigen gewesen wären und inwiefern das Kantonsgericht Art. 9 BV verletzt haben soll (BGE 127 I 38 E. 3c, 126 I 235 E. 2a, 126 III 524 E. 1c, 534 E. 1b, mit Hinweisen).
 
2.2 Diesen Anforderungen vermag die Beschwerde in weiten Teilen nicht zu genügen. Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung der aus der Unschuldsvermutung fliessenden Beweislastregel ohne darzulegen, inwiefern das Gericht diese Regel verletzt haben soll. Seine Ausführungen beziehen sich vielmehr auf die aus der Unschuldsvermutung abgeleitete Beweiswürdigungsregel und gehen damit an der Sache vorbei (vgl. dazu BGE 127 I 38 E. 2a S. 41 mit Hinweisen). Andererseits habe das Kantonsgericht willkürlich festgestellt, der Beschwerdegegner habe dem Beschwerdeführer im Schreiben vom 10. August 1999 keine Wahlobligation eingeräumt. Der Beschwerdeführer legt auch hier - soweit es überhaupt um eine Tat- und nicht eine Rechtsfrage geht - nicht dar, inwiefern die Beweiswürdigung willkürlich sein sollte. Gleich verhält es sich mit den Ausführungen betreffend den Verkaufspreis des Schiffes. Auf diese Vorbringen kann demnach nicht eingetreten werden. Ob die übrigen weitschweifig vorgebrachten Rügen den Anforderungen von Art. 90 Ziff. 1 lit. b OG zu genügen vermögen, kann offen bleiben, da die Beschwerde ohnehin als offensichtlich unbegründet abzuweisen ist.
 
3.
 
Das Kantonsgericht soll in Verletzung des Grundsatzes "in dubio pro reo" (Art. 9 BV, Art. 32 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 2 EMRK) davon ausgegangen sein, der Beschwerdegegner sei am Boot eigentumsberechtigt gewesen.
 
3.1 Im Bereich der Beweiswürdigung verfügt der Sachrichter über einen weiten Ermessensspielraum. Das Bundesgericht kann die Beweiswürdigung nur unter dem Gesichtswinkel des Willkürverbots prüfen. Willkür im Sinne von Art. 9 BV bzw. der bisherigen Praxis zu Art. 4 aBV liegt vor, wenn die Beweiswürdigung offensichtlich unhaltbar ist, mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht, auf einem offenkundigen Versehen beruht oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft. Dabei genügt es nicht, wenn der angefochtene Entscheid sich nur in der Begründung als unhaltbar erweist; eine Aufhebung rechtfertigt sich erst, wenn er auch im Ergebnis verfassungswidrig ist. Das Bundesgericht kann im Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde wegen Verletzung des Grundsatzes "in dubio pro reo" als Beweiswürdigungsregel nur eingreifen, wenn der Sachrichter den Angeklagten verurteilte, obgleich bei objektiver Würdigung des ganzen Beweisergebnisses offensichtlich erhebliche und schlechterdings nicht zu unterdrückende Zweifel an der Schuld des Angeklagten fortbestanden (BGE 127 I 38 E. 2a S. 41 mit Hinweisen).
 
3.2 Strittig ist, ob der Beschwerdegegner am verkauften Boot als Eigentümer beteiligt war.
 
3.2.1 Das Kantonsgericht erwog, aufgrund der Aussage vom 8. Juni 2000, wonach das Boot "uns beiden" gehöre, das heisse dem Beschwerdeführer und dem Beschwerdegegner, sei es dem Beschwerdeführer klar gewesen, dass der Beschwerdegegner am Boot eigentumsberechtigt gewesen sei. Es gehe ganz offensichtlich fehl und sei erst nachträglich vorgebracht worden, dass der Beschwerdeführer einem Gesellschafterwechsel innerhalb einer einfachen Gesellschaft von der X.________ AG hin zum Beschwerdegegner nie zugestimmt hätte. Aus der Tatsache, dass das Boot weder in der Buchhaltung der X.________ AG noch in der Steuererklärung des Beschwerdegegners erschienen sei, könne nicht geschlossen werden, der Beschwerdegegner sei nicht Eigentümer gewesen. Entscheidend sei die Mittelherkunft: Der Beschwerdegegner habe das Geld für den Kauf des Schiffes von seinem privaten Konto bezogen. Dem Beschwerdeführer sei sodann am 14. Juni 1996 der Empfang von Fr. 5'405.-- auf Rechnung des Beschwerdegegners bestätigt worden. Die Quittung für das Motorboot habe der Beschwerdeführer von sich aus auf die X.________ AG und jene für den Bootsplatz auf den Beschwerdegegner ausstellen lassen, ohne das der Beschwerdegegner dabei gewesen sei. Falls der Beschwerdeführer davon ausgegangen wäre, lediglich mit der X.________ AG eine einfache Gesellschaft zu bilden, hätte er den Verkauf des Bootes nicht mehr mit dem aus der X.________ AG ausgeschiedenen Beschwerdegegner, sondern mit dem neuen Verwaltungsratspräsidenten und Geschäftsführer besprochen. Demjenigen, welcher den wesentlichen finanziellen Beitrag zur Erfüllung eines Gesellschaftszwecks beisteuere, komme erfahrungsgemäss Gesellschafterstellung zu. Der Beschwerdeführer habe den Beschwerdegegner insgesamt als Gesellschafter behandelt.
 
3.2.2 Die Kritik des Beschwerdeführers am angefochtenen Entscheid vermag nicht aufzuzeigen, weshalb diese Erwägungen willkürlich sein sollten. Wohl hält der Beschwerdeführer dafür, der Beschwerdegegner sei als Verwaltungsrat der X.________ AG seine Ansprechsperson gewesen, die Kaufpreisquittung habe auf die X.________ AG gelautet, in der Steuererklärung des Beschwerdegegners sei kein Motorboot erschienen und die Schiffsversicherung sei ebenfalls auf die X.________ AG ausgestellt worden. Dies vermag allenfalls das Eigentum der X.________ AG zu belegen, lässt aber keine Aussage über die Eigentümerstellung des Beschwerdegegners zu. Vielmehr gab der Beschwerdeführer selber zu Protokoll, er habe mit dem Beschwerdegegner zusammen das Boot gehabt. Mit dem Kantonsgericht ist insbesondere zu berücksichtigen, dass der Beschwerdegegner den Kaufpreis aus seinem Privatvermögen aufbrachte, dass eine Quittung vom 14. Juni 1996 bescheinigt, der Beschwerdeführer habe für Rechnung des Beschwerdegegners den Bootsplatz gemietet sowie dass die Einschreibegebühr für den Bootsplatz ebenfalls vom Beschwerdegegner beglichen wurde. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers ist aktenmässig festgehalten, ab wann der Beschwerdegegner nicht mehr Verwaltungsrat der X.________ AG war. So führte das Bezirksgericht Rorschach aus, der Beschwerdegegner sei im September 1997 aus der X.________ AG ausgeschieden; der Beschwerdeführer besprach den Verkauf des Bootes im Februar 1999 trotzdem mit dem Beschwerdegegner. Aufgrund der eingereichten Rechnungen ist auch ersichtlich, dass der Beschwerdegegner sowohl vor als namentlich auch nach dem Verkauf der X.________ AG einen Teil der Kosten des Unterhalts trug. Schliesslich liess der Beschwerdeführer zu Beginn des Verfahrens ausführen, er und der Beschwerdegegner hätten am 13. Juni 1996 gemeinsam ein Boot gekauft; dieses habe in ihrem Gesamteigentum gestanden. Die X.________ AG wird in der Einsprache vom 27. Februar 2000 gegen den Strafbescheid vom 8. /12. Februar 2000 überhaupt nicht erwähnt, nicht einmal beiläufig.
 
3.2.3 Unter den dargelegten Umständen ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Kantonsgericht bei objektiver Würdigung des ganzen Beweisergebnisses zum Schluss kam, der Beschwerdegegner sei am verkauften Motorboot eigentumsberechtigt gewesen.
 
4.
 
Zusammenfassend ist die staatsrechtliche Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist.
 
Sie ist als von vornherein aussichtslos im Sinne von Art. 152 OG zu erachten, so dass das vom Beschwerdeführer gestellte Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege abzuweisen ist.
 
Bei diesem Ausgang des Verfahrens trägt der Beschwerdeführer die Gerichtskosten (Art. 156 Abs. 1 OG). Er hat dem Beschwerdegegner zudem eine angemessene Parteientschädigung auszurichten (Art. 159 Abs. 1 OG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht
 
im Verfahren nach Art. 36a OG:
 
1.
 
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2.
 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.
 
3.
 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
4.
 
Der Beschwerdeführer hat den Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 1'500.-- zu entschädigen.
 
5.
 
Dieses Urteil wird den Parteien, der Staatsanwaltschaft, Kantonales Untersuchungsamt, und dem Kantonsgericht St. Gallen, Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 12. August 2002
 
Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
 
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