BGer 2A.223/2002 | |||
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BGer 2A.223/2002 vom 04.09.2002 | |
Tribunale federale
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{T 0/2}
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2A.223/2002 /bmt
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Urteil vom 4. September 2002
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II. Öffentlichrechtliche Abteilung
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Bundesrichter Wurzburger, Präsident,
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Bundesrichter Hungerbühler, Bundesrichter Müller,
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Gerichtsschreiber Fux.
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X.________ & Co., Damen- und Herrenkonfektion,
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Beschwerdeführerin, vertreten durch B&P Consultants AG, Waisenhausplatz 14, Postfach, 3000 Bern 7,
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gegen
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Eidgenössische Steuerverwaltung, Hauptabteilung Mehrwertsteuer, Schwarztorstrasse 50, 3003 Bern,
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Eidgenössische Steuerrekurskommission, avenue Tissot 8, 1006 Lausanne.
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Mehrwertsteuer (MWST); 1. Quartal 1995 - 4. Quartal 1996 ; Lagerentsteuerung, Nachbelastungen,
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Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid der Eidgenössischen Steuerrekurskommission vom 27. März 2002.
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Sachverhalt:
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A.
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Die Kollektivgesellschaft X.________ & Co. mit Sitz in Y.________ bezweckt den Handel mit Herren- und Damenkonfektion sowie verwandten Produkten. Sie war ursprünglich im Register der Warenumsatzsteuerpflichtigen als Steuerpflichtige eingetragen. Daneben existiert eine weitere Gesellschaft, die X.________-Kleidung AG, die ebenfalls den Handel mit Herren- und Damenkonfektion bezweckt. Aufgrund einer Auskunft der Eidgenössischen Steuerverwaltung vom 16. September 1982 wurden die X.________-Betriebe per 1. Januar 1983 umstrukturiert. Dabei wurden die beiden die Warenumsatzsteuerpflicht auslösenden Bereiche, nämlich die Änderung von Konfektionsteilen und der Verkauf von antikem Schmuck, der X.________-Kleidung AG übertragen, während das Detailhandelsgeschäft mit Konfektionskleidern bei der X.________ & Co. verblieb. Aufgrund dieser Änderungen wurde die X.________-Kleidung AG mit Wirkung ab 1. Januar 1983 als Grossistin in das Register der Warenumsatzsteuerpflichtigen eingetragen, während die X.________ & Co. per 31. Dezember 1983 aus diesem Register gestrichen wurde.
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B.
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Die Eidgenössische Steuerverwaltung führte im April 1997 bei der X.________ & Co. und bei der X.________-Kleidung AG eine Kontrolle im Sinne von Art. 35 des Bundesratsbeschlusses vom 29. Juli 1941 über die Warenumsatzsteuer (WUStB) bzw. Art. 50 der Verordnung vom 22. Juni 1994 über die Mehrwertsteuer (MWSTV) für die Steuerperioden 1. Quartal 1992 bis 4. Quartal 1994 sowie 1. Quartal 1995 bis 4. Quartal 1996 durch. Dabei gelangte sie zur Auffassung, dass die Voraussetzungen, unter denen seinerzeit die Löschung der X.________ & Co. und die Eintragung der X.________-Kleidung AG im Register der Warenumsatzsteuerpflichtigen vorgenommen wurden, nicht mehr gegeben seien. Sie verfügte daher mit Entscheid vom 2. September 1998 die Wiedereintragung der X.________ & Co. in das Register der Warenumsatzsteuerpflichtigen rückwirkend auf den 1. Januar 1992 und verpflichtete die Firma, für die Steuerperioden 1. Quartal 1992 bis 4. Quartal 1994 Fr. 43'087.-- Warenumsatzsteuer zu bezahlen. Dieser Entscheid wurde vom Bundesgericht mit Urteil vom 4. September 2002 bestätigt (Verfahren 2A.222/2002).
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C.
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Anlässlich derselben Kontrolle stornierte die Eidgenössische Steuerverwaltung die von der X.________ & Co. anlässlich des Systemwechsels von der Warenumsatzsteuer zur Mehrwertsteuer geltend gemachte Lagerentsteuerung, indem sie die Anrechnung von Fr. 304'621.90 an Warenumsatzsteuer für die Lagervorräte per 1. Januar 1995 gestützt auf Art. 85 Abs. 1 MWSTV rückgängig machte. Zusätzlich stellte sie fest, dass die X.________ & Co. für die Steuerperioden 1. Quartal 1995 bis 4. Quartal 1996 gewisse verbuchte Entgelte nicht deklariert und die private Nutzung des Geschäftsfahrzeugs durch die Kollektivgesellschafter nicht als Lieferung versteuert habe. Ferner sah sie sich dazu veranlasst, die Bemessungsgrundlage für Leistungen und Lieferungen (insbesondere von Bekleidung) an das Personal bzw. an die Kollektivgesellschafter zu erhöhen. Wegen formell ungenügender Belege und wegen der Verbuchung von Treibstoffaufwendungen für die im Betrieb nicht mitarbeitenden Ehefrauen der Kollektivgesellschafter nahm sie überdies eine Korrektur der Vorsteuerabzüge vor. Mit Ergänzungsabrechnung Nr. 19467 vom 2. Mai 1997 forderte sie gesamthaft Fr. 331'286.-- Mehrwertsteuer nach. Am 2. September 1998 erliess die Eidgenössische Steuerverwaltung eine entsprechende Verfügung, die sie im Einspracheverfahren bestätigte.
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Die Beschwerde der X.________ & Co. gegen den Einspracheentscheid wurde von der Eidgenössischen Steuerrekurskommission mit Entscheid vom 27. März 2002 abgewiesen.
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D.
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Die X.________ & Co. hat am 7. Mai 2002 Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht erhoben. Sie beantragt, den Entscheid der Eidgenössischen Steuerrekurskommission vom 27. März 2002 aufzuheben.
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Die Eidgenössische Steuerverwaltung beantragt, die Beschwerde abzuweisen. Die Eidgenössische Steuerrekurskommission hat auf Vernehmlassung verzichtet.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
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1.
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Gegen Entscheide der Eidgenössischen Steuerrekurskommission in Mehrwertsteuersachen ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht gemäss Art. 97 ff. OG sowie Art. 54 Abs. 1 MWSTV zulässig. Die Beschwerdeführerin ist als Steuerpflichtige zu deren Erhebung legitimiert. Auf die im Übrigen form- und fristgerecht erhobene Beschwerde ist daher einzutreten.
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2.
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Art. 85 MWSTV sieht vor, dass die Warenumsatzsteuer, die bei Beginn der Mehrwertsteuerpflicht auf den Vorräten von Handelswaren und auf Werkstoffen lastet, von der Mehrwertsteuer abgezogen werden kann. Voraussetzung dafür ist, (a) dass es sich um Wiederverkaufswaren oder um Werkstoffe für die gewerbsmässige Herstellung von Waren oder Bauwerken handelt, (b) dass der Steuerpflichtige über diese Waren bei Beginn der Steuerpflicht die Verfügungsmacht hatte, und (c) dass er für diese Waren nicht als Grossist die Steueranrechnung nach Art. 23 WUStB beansprucht hat.
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Im vorliegenden Fall war die Beschwerdeführerin, wie das Bundesgericht mit Urteil vom 4. September 2002 (im Verfahren 2A.222/2002) entschieden hat, warenumsatzsteuerpflichtig und deshalb von der Eidgenössischen Steuerverwaltung zu Recht rückwirkend als Grossistin in das Register der Steuerpflichtigen eingetragen worden. Die Voraussetzungen für die Geltendmachung der Lagerentsteuerung sind daher nicht erfüllt, zumal die Eidgenössische Steuerverwaltung die von der Beschwerdeführerin den steuerpflichtigen Lieferanten entrichteten Warenumsatzsteuern in der betreffenden Ergänzungsabrechnung berücksichtigt hat.
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3.
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3.1 Die Vorinstanz hat festgestellt, dass die Beschwerdeführerin die Kollektivgesellschafter im fraglichen Zeitraum mit Kleidern belieferte und dem bei ihr angestellten Personal die Kleidung im Vergleich zu den von der Kundschaft verlangten Preisen unter Gewährung von erheblichen Rabatten abgab. Sie gelangte zum Ergebnis, dass es sich bei den Angestellten der Beschwerdeführerin um nahestehende Personen handle, mit denen ein echter Leistungsaustausch abgewickelt worden sei, weshalb die Differenz zwischen dem ermässigten Preis und dem von Dritten verlangten Preis zu versteuern sei.
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3.2 Nach Art. 26 Abs. 1 MWSTV wird die Steuer vom Entgelt berechnet. Zum Entgelt gehört gemäss Art. 26 Abs. 2 MWSTV alles, was der Empfänger oder an seiner Stelle ein Dritter als Gegenleistung für die Lieferung oder Dienstleistung aufwendet (Satz 1); im Fall einer Lieferung oder Dienstleistung an eine nahestehende Person gilt als Entgelt der Wert, der unter unabhängigen Dritten vereinbart würde (Satz 3).
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Die Vorinstanz ist davon ausgegangen, dass zu den nahestehenden Personen neben den Verwandten des Unternehmensinhabers bzw. -teilhabers auch die Angestellten zu zählen sind. Das wird in der Beschwerde zu Recht nicht bestritten. Die Beschwerdeführerin macht jedoch geltend, es handle sich hier um geschäftsmässig begründete Aufwendungen. Sie sei aus Gründen der von ihr ausgeübten Geschäftstätigkeit darauf angewiesen, dass ihre Mitarbeiter in entsprechender Kleidung ihre Arbeit verrichteten, zumal die von ihnen getragenen Kleider auch die Kunden zum Erwerb gerade dieser Kleidungsstücke animieren sollen. Indessen handelt es sich bei den von der Beschwerdeführerin verbilligt an das Personal abgegebenen Kleidern nicht um Uniformen oder Dienstkleidungen, die ausschliesslich zu betrieblichen Zwecken verwendet werden können. Vielmehr können diese Kleider auch privat getragen werden. Unter diesen Umständen ist es aber nicht zu beanstanden, wenn die Differenz zwischen dem ermässigten Preis und dem von Dritten verlangten Preis der Mehrwertsteuer unterworfen wurde, auch wenn es für die Beschwerdeführerin von Vorteil sein mag, wenn ihr Personal ansprechend gekleidet ist. Der von der Beschwerdeführerin vorgenommene Vergleich mit den Raumanzügen der NASA bzw. den Uniformen von Angestellten der Fluggesellschaften oder solchen im Bereich des öffentlichen Verkehrs geht an der Sache vorbei.
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4.
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Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und ist abzuweisen. Die Höhe der Steuerforderung ist im Übrigen nicht mehr streitig.
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Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend sind die Kosten der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 153, 153a und 156 Abs. 1 OG). Es ist keine Parteientschädigung zuzusprechen (Art. 159 Abs. 2 OG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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1.
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Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
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2.
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Die Gerichtsgebühr von Fr. 6'000.-- wird der Beschwerdeführerin auferlegt.
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3.
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Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, der Eidgenössischen Steuerverwaltung, Hauptabteilung Mehrwertsteuer und der Eidgenössischen Steuerrekurskommission schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 4. September 2002
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Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
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