VerfassungsgeschichteVerfassungsvergleichVerfassungsrechtRechtsphilosophie
UebersichtWho-is-WhoBundesgerichtBundesverfassungsgerichtVolltextsuche...

Informationen zum Dokument  BGer I 714/2001  Materielle Begründung
Druckversion | Cache | Rtf-Version

Bearbeitung, zuletzt am 16.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch)  
 
BGer I 714/2001 vom 17.09.2002
 
Eidgenössisches Versicherungsgericht
 
Tribunale federale delle assicurazioni
 
Tribunal federal d'assicuranzas
 
Sozialversicherungsabteilung
 
des Bundesgerichts
 
Prozess
 
{T 7}
 
I 714/01
 
Urteil vom 17. September 2002
 
IV. Kammer
 
Besetzung
 
Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Rüedi und Ursprung; Gerichtsschreiberin Riedi Hunold
 
Parteien
 
C.________, 1952, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Beat Wachter, Obergasse 34, 8400 Winterthur,
 
gegen
 
IV-Stelle des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich, Beschwerdegegnerin
 
Vorinstanz
 
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur
 
(Entscheid vom 28. September 2001)
 
Sachverhalt:
 
A.
 
C.________ (geboren 1952) war von 4. Juli 1977 bis 14. Dezember 1978 sowie ab 23. März 1982 bei der Firma L.________ AG, Bauunternehmung, angestellt. Nachdem sich seine krankheitsbedingten Absenzen häuften und er seit 16. Oktober 1995 aus gesundheitlichen Gründen der Arbeit fern blieb, kündigte ihm die L.________ AG per 30. April 1996. Mit Anmeldung vom 29. Januar 1996 ersuchte C.________ um Leistungen der Invalidenversicherung. Die IV-Stelle des Kantons Zürich liess berufliche Massnahmen abklären, unter anderem mittels eines stationären Aufenthalts in der Abklärungs- und Ausbildungsstätte Appisberg, und lehnte das Begehren mit Verfügung vom 7. Februar 1997 ab. Nachdem C.________ von 12. Juni 1997 bis 27. Oktober 1998 Leistungen der Arbeitslosenversicherung bezogen hatte, meldete er sich am 3. November 1998 erneut bei der Invalidenversicherung an. C.________ liess gegen den Vorbescheid vom 5. Februar 1999, mit welchem ein Anspruch auf Leistungen verneint wurde, Einwände erheben, woraufhin die IV−Stelle eine medizinische Abklärung im Spital X.________, Rheumaklinik, anordnete. Mit Verfügung vom 14. Dezember 1999 lehnte die IV−Stelle das Leistungsbegehren ab.
 
B.
 
Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 28. September 2001 ab.
 
C.
 
C.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem Antrag, der kantonale Entscheid sei aufzuheben und ihm eine Rente zuzusprechen; eventualiter sei die Sache zur Einholung ergänzender medizinischer Berichte an die Vorinstanz oder IV-Stelle zurückzuweisen.
 
Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherung verzichtet auf eine Vernehmlassung.
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
 
1.
 
Die Vorinstanz hat die Bestimmungen und Grundsätze über den Begriff der Invalidität (Art. 4 Abs. 1 IVG), insbesondere bei Fettleibigkeit (ZAK 1984 S. 345 Erw. 3), den Anspruch auf eine Invalidenrente (Art. 28 Abs. 1 IVG) und die Bemessung des Invaliditätsgrades nach der allgemeinen Methode des Einkommensvergleichs (Art. 28 Abs. 2 IVG; BGE 104 V 136 Erw. 2a und b; vgl. auch BGE 126 V 75, je mit Hinweisen) zutreffend dargelegt. Dasselbe gilt für den Beweiswert eines ärztlichen Berichts (BGE 125 V 352 Erw. 3a mit Hinweis) sowie für die Beurteilung einer Neuanmeldung bei vorgängiger Ablehnung eines Anspruchs infolge nicht rentenbegründendem Invaliditätsgrad und der dabei zu vergleichenden Sachverhalte (Art. 41 IVG, Art. 87 Abs. 3 und 4 IVV; BGE 117 V 198 Erw. 3a; AHI 2000 S. 309 Erw. 1b, 1999 S. 84 Erw. 1b, je mit Hinweisen). Darauf wird verwiesen.
 
2.
 
Es ist unbestritten, dass sich der Gesundheitszustand des Versicherten seit der Ablehnung seines Leistungsbegehrens am 7. Februar 1997 verschlechtert hat. Streitig ist jedoch, ob diese Änderung wesentlich im Sinne der Rechtsprechung zu Neuanmeldungen resp. Rentenrevisionen ist und von einer invalidenversicherungsrechtlich relevanten Arbeitsunfähigkeit auszugehen ist.
 
3.
 
Dr. med. M.________, Facharzt für Allgemeine Medizin, hält in seinem Bericht vom 25. November 1998 fest, dass er den Versicherten nicht mehr für in den Arbeitsprozess integrierbar erachte und begründet dies mit der Adipositas verbunden mit Dyspnoe, Rechtsherzinsuffizienz mit chronisch venöser Insuffizienz und Beinödemen, Psoriasis an diversen Gelenken sowie Gicht. Eine berufliche Umstellung sei versucht worden. In seinem Schreiben vom 28. Januar 2000 hält Dr. med. M.________ fest, dass die Adipositas therapieresistent sei; ein Gastric Banding sei vom Patienten mehrmals abgelehnt worden. Er habe grosse Zweifel, ob eine stationäre Behandlung den gewünschten Erfolg bringe. Die glaubwürdigen Schmerzen des Versicherten hätten trotz ange messener Therapie nicht gelindert werden können; der Patient sei praktisch gezwungen, wöchentlich einmal zu ihm in die Sprechstunde zu kommen. In Kenntnis des Gutachtens vom 24. September 1999 bekräftigt Dr. med. M.________ in seinem Schreiben vom 14. November 2001, es seien alle sinnvollen Massnahmen durchgeführt worden, insbesondere physikalische Therapie, diverse Reduktionsdiäten (u.a. auch in Italien), Ausschöpfung sämtlicher medikamentöser Möglichkeiten und intensiver Schmerzmitteleinsatz. Ein Arbeitsversuch im Rahmen der Arbeitslosenversicherung habe abgebrochen werden müssen. Soweit er vom Versicherten erfahren habe, habe sich dieser mehrmals im Arbeitsprozess zu integrieren versucht, so etwa im Gepäcktransport in Y.________. Entgegen dem Gutachten sei volle Arbeitsunfähigkeit auch in leichten Tätigkeiten gegeben. Es sei der Schmerzsymptomatik zu wenig Rechnung getragen worden. Die Adipositas sei therapeutisch nicht behandelbar; chirurgische Massnahmen lehne der Patient ab. Der Zustand habe sich seit Ende 1999 noch weiter verschlechtert.
 
Die Dres. med. R.________, Chefarzt, und G._______, Oberarzt, Rheumaklinik, Spital X.________, diagnostizieren in ihrem Gutachten vom 24. September 1999 eine Polyarthrose mit symptomatischer medialer Gonarthrose, Omararthrose, Rhizarthrose, Coxarthrose, Fuss- und Zehengelenksarthrose beidseits, multiple lokalisierte weichteilrheumatische Beschwerden mit PHS tendopathica beidseits, Periarthropathie beider Ellenbogen, Periarthropathie coxae links bei leichter Coxarthrose beidseits, Periarthropathie genue beidseits bei medialer Gonarthrose beidseits, Gichtarthropathie mit aktuell Oligosynovitis MTP Dig. III bis V rechts, lumbalbetontes Panvertebralsyndrom mit intermittierend lumbospondylogenes Syndrom links bei Wirbelsäulenfehlform und Dekonditionierung, Adipositas per magna mit Dekonditionierung, Psoriasis vulgaris und Thalassämia minor. Differentialdiagnostisch bestünden keine Anhaltspunkte für ein entzündlich systematisch rheumatisches Leiden wie eine chronische Polyarthritis oder eine Psoriasisarthropathie. Trotz bekannter Gicht und anamnestisch rezidivierenden Gichtschüben müsse radiologisch keine tophös-zystische Gelenkdestruktion verzeichnet werden. Bei einem Vergleich des Gesundheitsschadens anlässlich der Begutachtung und der letzten Konsultation im Jahr 1996 liege die damalige Gonitis nun in Form von Gichtarthropathie vor; radiologisch sei keine Progredienz zu verzeichnen. Die angegebene Verschlechterung bezüglich der Knieschmerzen sei mit der Progredienz der Gonarthrose vereinbar. Neu seien die Ellenbogenschmerzen rechts sowie die ins linke Bein ausstrahlenden Kreuzschmerzen. Insgesamt bestehe ein vergleichbarer Gesundheitsschaden bezüglich der Gichtarthropathie und eine objektivierbare Progredienz von Seiten beider Knie, des rechten Ellenbogens und der Lendenwirbelsäule. Die extreme Adipositas (über 150 kg bei 173 cm) stelle einen prognostisch ungünstigen Faktor dar. Neben der ungünstigen Wirkung trage sie vor allem zur Beschwerdeverschlechterung und Chronifizierung sowie zur Dekonditionierung bei. Eine Gewichtsreduktion sei daher nötig und werde als möglich erachtet. Hiezu sei ein stationärer Aufenthalt sinnvoll. In Übereinstimmung mit dem Abklärungsbericht Appisberg von August 1996 sei der Versicherte in der angestammten Tätigkeit als Maurer bleibend arbeitsunfähig. Für körperlich leichte, gelenk- und rückenschonende Tätigkeiten mit Möglichkeit zur Wechselbelastung unter Einhaltung ergonomischer Prinzipien und unter Ausschluss von Heben und Tragen von Lasten über 15 kg sowie ohne vermehrte oder repetitive Kraftanwendung für Hände oder Armen bestehe ab sofort eine Arbeitsfähigkeit von 50 % und nach einer Einarbeitungszeit von 3 Monaten von 100 %. Günstig seien vorwiegend auf Tischhöhe ausgeführte Arbeiten oder körperlich nicht anstrengende Kontrollfunktionen.
 
4.
 
4.1 Der Beschwerdeführer macht geltend, es sei auf die Einschätzung der Arbeitsfähigkeit durch Dr. med. M.________ abzustellen, da dieser ihn seit Jahren behandle und deshalb besonders gut kenne. Dr. med. M.________ bestätige, dass keine Besserung habe erzielt werden können, obwohl sämtliche sinnvollen Massnahmen versucht worden seien. Entgegen dem Gutachten der Rheumaklinik sei auch in einer leichten, leidensangepassten Tätigkeit von einer vollen Arbeitsunfähigkeit auszugehen. Die Gutachter hätten ihn nur einmal gesehen,und der Rheumaklinik müsse die Fachkompetenz bezüglich der Frage einer Gewichtsreduktion abgesprochen werden. Im Übrigen werde die Beurteilung durch die Gutachter durch die gescheiterten Arbeitsversuche widerlegt. Auch sei er seiner Schadenminderungspflicht nachgekommen, indem er seinen Alkoholkonsum reduziert und verschiedene Diäten unter ärztlicher Aufsicht versucht habe. Das Gutachten bezeichne denn auch eine Gewichtsreduktion lediglich als möglich, währenddem Dr. med. M.________ die Adipositas als therapieresistent beurteile.
 
4.2 Entgegen der Darlegung des Versicherten kann dem Gutachten der Rheumaklinik gefolgt werden. Einerseits war er in den vergangenen Jahren immer wieder im Spital X.________, darunter auch verschiedentlich in der Rheumaklinik, behandelt worden, sodass nicht gesagt werden kann, die Begutachtung beruhe lediglich auf einer Bestandesaufnahme. Andererseits ist das Gutachten umfassend, berücksichtigt die geltend gemachten Beschwerden und begründet in nachvollziehbarer Weise die Schlussfolgerungen der Experten; insbesondere wird die Art der zumutbaren Arbeiten ab einem bestimmten Zeitpunkt in einem bestimmten Ausmass dargelegt. Es entspricht somit den höchstrichterlichen Anforderungen. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers ist auch nicht ersichtlich, inwiefern ein Allgemeinmediziner kompetenter für die Beurteilung der Zumutbarkeit einer Gewichtsreduktion sein soll als eine Rheumaklinik, die in ihrer täglichen Arbeit immer wieder mit Patienten konfrontiert ist, welche infolge (massiven) Übergewichts an Gelenkbeschwerden leiden. Die Berichte des Dr. med. M.________ hingegen sind stets äusserst knapp verfasst, führen in der Regel keine Untersuchungsergebnisse oder Befunde auf und geben auch keine näheren Begründungen für die darin enthaltenen Einschätzungen an. Insbesondere führt Dr. med. M.________ in keinem seiner Bericht genauer aus, welche Art von Reduktionsdiäten wo durchgeführt wurde und aus welchen Gründen diese gescheitert wären. Auch scheint Dr. med. M.________ zu verkennen, dass nach der Rechtsprechung für die Beurteilung der zumutbaren Arbeitsfähigkeit nur jene Einschränkungen berücksichtigt werden können, welche weder durch geeignete Behandlung noch durch zumutbare Gewichtsabnahme auf ein Mass reduziert werden können, bei denen das Übergewicht in Verbindung mit allfälligen Folgeschäden keine voraussichtlich bleibende oder längere Zeit dauernde Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit zur Folge haben (ZAK 1984 S. 345 Erw. 3). Ebenso bestehen die geltend gemachten Arbeitsversuche lediglich aus dem im Rahmen der Arbeitslosenversicherung organisierten Arbeitseinsatz sowie dem nicht weiter belegten Versuch im Gepäcktransport in Y.________. Auch hier ist nicht genauer dokumentiert, weshalb diese erfolglos blieben. Schliesslich darf und soll das Gericht auch der Erfahrungstatsache Rechnung tragen, dass Hausärzte mitunter in Zweifelsfällen eher zu Gunsten ihrer Patienten aussagen (BGE 125 V 353 Erw. 3b/cc mit Hinweisen). Überdies datieren die Schreiben des Dr. med. M.________ vom 28. Januar 2000 und 14. November 2001 lange nach Verfügungserlass und beziehen sich somit auf einen Zeitraum, der hier nicht zu beurteilen ist.
 
4.3 Nach dem Gesagten ist nicht zu beanstanden, dass Vorinstanz und Verwaltung sich bei der Beurteilung der zumutbaren Arbeitsfähigkeit auf das Gutachten der Rheumaklinik vom 24. September 1999 gestützt haben.
 
4.4 Der Versicherte bringt gegen die Ermittlung des Invaliditätsgrades durch das kantonale Gericht, insbesondere das Validen- sowie das gestützt auf die Lohnstrukturerhebung des Bundesamtes für Statistik (LSE) ermittelte Invalideneinkommen, keine Einwände vor. Auch aus den Akten sind keinerlei Anhaltspunkte ersichtlich, wonach diese unzutreffend wären. Der vorinstanzliche Entscheid besteht demnach zu Recht.
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
 
1.
 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
 
2.
 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
 
3.
 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, der Ausgleichskasse des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.
 
Luzern, 17. September 2002
 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts
 
Die Präsidentin der IV. Kammer: Die Gerichtsschreiberin:
 
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR).