VerfassungsgeschichteVerfassungsvergleichVerfassungsrechtRechtsphilosophie
UebersichtWho-is-WhoBundesgerichtBundesverfassungsgerichtVolltextsuche...

Informationen zum Dokument  BGer C 151/2002  Materielle Begründung
Druckversion | Cache | Rtf-Version

Bearbeitung, zuletzt am 16.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch)  
 
BGer C 151/2002 vom 13.12.2002
 
Eidgenössisches Versicherungsgericht
 
Tribunale federale delle assicurazioni
 
Tribunal federal d'assicuranzas
 
Sozialversicherungsabteilung
 
des Bundesgerichts
 
Prozess
 
{T 7}
 
C 151/02
 
Urteil vom 13. Dezember 2002
 
II. Kammer
 
Besetzung
 
Präsident Schön, Bundesrichter Ursprung und Frésard; Gerichtsschreiberin Bollinger
 
Parteien
 
Amt für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Solothurn, Untere Sternengasse 2, 4500 Solothurn, Beschwerdeführer,
 
gegen
 
H.________, Beschwerdegegner
 
Vorinstanz
 
Versicherungsgericht des Kantons Solothurn, Solothurn
 
(Entscheid vom 22. Mai 2002)
 
Sachverhalt:
 
A.
 
Das Regionale Arbeitsvermittlungszentrum (RAV) forderte am 4. Dezember 2001 den 1974 geborenen H.________ auf, sich um eine Stelle als kaufmännischer Angestellter bei der Firma C.________ zu bewerben. Dieser Aufforderung kam H.________ nicht nach und teilte dem RAV am 19. Dezember 2001 mit, gemäss Stellenbeschrieb werde eine verkaufsorientierte Person gesucht, er verfüge aber über keine Verkaufserfahrung. Mit Verfügung vom 30. Januar 2002 stellte ihn das Amt für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Solothurn wegen Nichtbefolgen von Weisungen des RAV für 31 Tage in der Anspruchsberechtigung ein.
 
B.
 
Hiegegen erhob H.________ Beschwerde mit der Begründung, bei der ihm zugewiesenen Stelle habe es sich um eine Arbeit als Laufbursche gehandelt; das RAV habe keine Rücksicht auf seine berufliche Ausbildung und Erfahrung genommen. Überdies wäre er für die Stelle überqualifiziert gewesen und deshalb ohnehin nicht in Frage gekommen. Mit Entscheid vom 22. Mai 2002 hiess das Versicherungsgericht des Kantons Solothurn die Beschwerde insoweit gut, als es die Verfügung vom 30. Januar 2002 aufhob und die Sache wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs an die Verwaltung zurückwies.
 
C.
 
Das Amt für Wirtschaft und Arbeit führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde und beantragt die Aufhebung des angefochtenen Entscheids sowie die Bestätigung der Verfügung vom 30. Januar 2002.
 
Mit Vernehmlassung vom 1. Juli 2002 teilt das kantonale Gericht mit, aufgrund der Aktenlage im Entscheidzeitpunkt habe von einer Gehörsverletzung ausgegangen werden müssen. Das Staatssekretariat für Wirtschaft und H.________ lassen sich nicht vernehmen.
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
 
1.
 
Gemäss Art. 29 Abs. 2 BV haben die Parteien Anspruch auf rechtliches Gehör. Das rechtliche Gehör dient einerseits der Sachaufklärung, andererseits stellt es ein persönlichkeitsbezogenes Mitwirkungsrecht beim Erlass eines Entscheids dar, welcher in die Rechtsstellung einer Person eingreift. Dazu gehört insbesondere deren Recht, sich vor Erlass des in ihre Rechtsstellung eingreifenden Entscheids zur Sache zu äussern, erhebliche Beweise beizubringen, Einsicht in die Akten zu nehmen, mit erheblichen Beweisanträgen gehört zu werden und an der Erhebung wesentlicher Beweise entweder mitzuwirken oder sich zumindest zum Beweisergebnis zu äussern, wenn dieses geeignet ist, den Entscheid zu beeinflussen (BGE 127 I 56 Erw. 2b, 127 III 578 Erw. 2c, 126 V 130 Erw. 2a; zu Art. 4 Abs. 1 aBV ergangene, weiterhin geltende Rechtsprechung: BGE 126 I 16 Erw. 2a/aa, 124 V 181 Erw. 1a, 375 Erw. 3b, je mit Hinweisen).
 
Der Anspruch auf rechtliches Gehör erstreckt sich auch auf das Verwaltungsverfahren der Arbeitslosenversicherung und verlangt insbesondere, dass sich eine versicherte Person zur in Aussicht genommenen Sanktion der Einstellung in der Anspruchsberechtigung äussern und gegebenenfalls zusätzliche entlastende Gründe vorbringen kann, wobei dies für alle Einstellungstatbestände gilt (BGE 126 V 133 Erw. 3b und 3c).
 
2.
 
Im angefochtenen Entscheid wird eine Verletzung des rechtlichen Gehörs darin gesehen, dass dem Versicherten keine Gelegenheit zur Rechtfertigung der unterlassenen Stellenbewerbung bei der Firma C.________ geboten worden sei. Daran ändere nichts, dass dieser das Rückmeldungsformular betreffend das Bewerbungsergebnis am 19. Dezember 2001 ausgefüllt und der Beschwerdeführerin zurückgesandt habe, da darin keine Rechtfertigung der Stellenablehnung zu erblicken sei.
 
Hätte die Verwaltung eine Einstellungsverfügung erlassen, ohne dem Versicherten vorgängig Gelegenheit zur Stellungnahme zu gewähren, läge darin in der Tat eine Gehörsverletzung. Aufgrund des im Verwaltungsgerichtsbeschwerdeverfahren eingereichten Schreibens des Amtes für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Solothurn vom 18. Dezember 2001 steht nun aber fest, dass dem Versicherten, entgegen den Erwägungen im angefochtenen Entscheid, am 18. Dezember 2001 Gelegenheit zur Stellungnahme geboten worden ist. In ihrer Vernehmlassung vom 1. Juli 2002 räumt die Vorinstanz denn auch selbst sinngemäss ein, nach aktueller Aktenlage könne keine Verletzung des rechtlichen Gehörs angenommen werden. Das kantonale Gericht hat daher zu Unrecht die Verfügung des Amts für Wirtschaft und Arbeit vom 30. Januar 2002 wegen einer nicht heilbaren Verletzung des rechtlichen Gehörs aufgehoben und die Sache ohne materielle Beurteilung an die Verwaltung zurückgewiesen.
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
 
1.
 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird in dem Sinne gutgeheissen, dass der Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Solothurn vom 22. Mai 2002 aufgehoben und die Sache an die Vorinstanz zurückgewiesen wird, damit sie über die Beschwerde gegen die Verfügung des Amts für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Solothurn vom 30. Januar 2002 materiell entscheide.
 
2.
 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
 
3.
 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Solothurn und dem Staatssekretariat für Wirtschaft zugestellt.
 
Luzern, 13. Dezember 2002
 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts
 
Der Präsident der II. Kammer: Die Gerichtsschreiberin:
 
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR).