VerfassungsgeschichteVerfassungsvergleichVerfassungsrechtRechtsphilosophie
UebersichtWho-is-WhoBundesgerichtBundesverfassungsgerichtVolltextsuche...

Informationen zum Dokument  BGer 6S.343/2003  Materielle Begründung
Druckversion | Cache | Rtf-Version

Bearbeitung, zuletzt am 16.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch)  
 
BGer 6S.343/2003 vom 16.01.2004
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
6S.343/2003 /kra
 
Urteil vom 16. Januar 2004
 
Kassationshof
 
Besetzung
 
Bundesrichter Schneider, Präsident,
 
Bundesrichter Wiprächtiger, Karlen,
 
Gerichtsschreiber Heimgartner.
 
Parteien
 
X.________,
 
Beschwerdeführer, vertreten durch Fürsprecher Peter Stein,
 
gegen
 
Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau,
 
Frey-Herosé-Strasse 12, Wielandhaus, 5001 Aarau.
 
Gegenstand
 
Versuchte Nötigung; Strafzumessung,
 
Nichtigkeitsbeschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau, 2. Strafkammer,
 
vom 16. Juni 2003.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
X.________ hielt sich am 14. Januar 2001 mit seinem Sohn und seinem Hund in der Nähe seines Hauses auf. A.________ näherte sich dieser Gruppe mit ihrem nicht angeleinten Hund. Dieser sprang zum Hund von X.________. Sie musste in der Folge ihren Hund zwei Mal rufen, bis er zu ihr zurück kam. Durch diesen Vorfall verärgert, eröffnete ihr X.________, er hole nun eine Pistole, um damit ihren Hund zu erschiessen. Als er in sein Haus eilte, wandte sie sich erschrocken ab und setzte ihren Spaziergang fort. Plötzlich kam ihr auf dem Feldweg X.________ in seinem Personenwagen mit hoher Geschwindigkeit entgegen, hielt an und stieg aus. In aggressivem Ton forderte er sie auf, ihm ihre Personalien mitzuteilen. Seine Forderung begründete er damit, dass ihr Hund seinen Sohn zu früheren Zeitpunkten bereits zwei Mal gebissen habe. Er kündigte ihr an, er werde ihren Hund erschiessen, wenn sie seiner Aufforderung nicht nachkomme. Auf die Frage, womit er dies tun wolle, nahm X.________ eine mit leerem Magazin versehene militärische Dienstpistole aus seinem Wagen, machte eine Ladebewegung und legte sie auf das Dach des Fahrzeugs. Er führte aus, diese Waffe sei gross genug, um ihren Hund zu erschiessen. Nachdem A.________ mit ihrem Natel die Polizei anvisiert hatte, stieg er in sein Auto und fuhr davon.
 
B.
 
Auf Berufung sprach das Obergericht des Kantons Aargau X.________ am 16. Juni 2003 wegen versuchter Nötigung gemäss Art. 181 in Verbindung mit Art. 22 Abs. 1 StGB, Widerhandlung gegen Art. 33 Abs. 1 lit. a des Waffengesetzes sowie gegen Art. 73 Ziff. 1 Abs. 2 des Militärstrafgesetzes schuldig und verurteilte ihn zu einer bedingt vollziehbaren Gefängnisstrafe von 10 Tagen und einer Busse von Fr. 3'000.--.
 
C.
 
X.________ führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das angefochtene Urteil sei aufzuheben und zur neuen Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
 
Das Obergericht des Kantons Aargau hat auf Gegenbemerkungen zur Beschwerde verzichtet.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
1.
 
Der Beschwerdeführer macht geltend, sein Verhalten habe den Tatbestand der Nötigung gemäss Art. 181 StGB nicht in rechtswidriger Weise erfüllt. So habe das angedrohte Erschiessen des Hundes nicht dazu geführt, dass A.________ ihre Personalien bekannt gegeben habe. Daraus gehe hervor, dass kein milderes Mittel bestanden habe, den angestrebten legitimen Zweck zu erreichen. Aus diesem Grund sei die Androhung verhältnismässig gewesen.
 
1.1 Der versuchten Nötigung macht sich namentlich schuldig, wer durch Androhung ernstlicher Nachteile jemanden versucht, zu einer Handlung zu nötigen (Art. 181 in Verbindung mit Art. 21 Abs. 1 beziehungsweise Art. 22 Abs. 1 StGB). Nach ständiger Rechtsprechung bedarf die Rechtswidrigkeit bei Art. 181 StGB einer zusätzlichen, besonderen Begründung. Eine Nötigung ist dann unrechtmässig, wenn das Mittel oder der Zweck unerlaubt ist oder wenn das Mittel zum angestrebten Zweck nicht im richtigen Verhältnis steht oder wenn die Verknüpfung zwischen einem an sich zulässigen Mittel und einem erlaubten Zweck rechtsmissbräuchlich oder sittenwidrig ist (BGE 129 IV 6 E. 3.4, 262 E. 2.1, mit weiteren Hinweisen).
 
1.2 Unbestritten ist, dass der Beschwerdeführer mit seiner Androhung A.________ dazu bringen wollte, ihm ihre Personalien bekannt zu geben. Die Tötung ihres Hundes stellt für eine Hundebesitzerin offensichtlich einen ernstlichen Nachteil dar. Vom Sachwert abgesehen, trifft die Besitzerin der Verlust ihres Hundes auch emotional. Daran vermag der vom Beschwerdeführer geltend gemachte Umstand, dass A.________ trotz dieser Drohung seiner Aufforderung nicht nachgekommen ist, nichts ändern. Nach der Rechtsprechung wird hinsichtlich der Ernstlichkeit des Nachteils grundsätzlich vorausgesetzt, dass die Androhung geeignet ist, eine verständige Person in der Lage des Betroffenen gefügig zu machen (BGE 122 IV 322 E. 1a, mit Hinweisen). Auch ein besonnener Hundehalter kann unter Umständen durch eine solche verbale Drohung - die überdies durch das Hervorholen einer Waffe unterstrichen wird - dazu gebracht werden, seine Personalien bekannt zu geben. Dass dies bei A.________ nicht der Fall war, ändert nichts am Vorliegen dieses Tatbestandsmerkmals. Es hat lediglich zur Folge, dass die Tat aufgrund des fehlenden Erfolgs nicht vollendet ist. Die Annahme der Vorinstanz, der Beschwerdeführer habe den Tatbestand der versuchten Nötigung erfüllt, erweist sich somit als zutreffend.
 
1.3 Zu prüfen bleibt, ob die (versuchte) Nötigung unrechtmässig war. Das Androhen von Handlungen, die rechtswidrig sind, stellt in der Regel ein unerlaubtes Mittel dar (Vera Delnon/Bernhard Rüdi, Basler Kommentar StGB II, Art. 181 N. 38). Die Tötung eines fremden Hundes ist als Sachbeschädigung gemäss Art. 144 (seit 1. April 2003 in Verbindung mit Art. 110 Ziff. 4bis) StGB strafbar. Das vom Beschwerdeführer gewählte Mittel war folglich widerrechtlich. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich die Prüfung der vom Beschwerdeführer angeführten Verhältnismässigkeit zwischen Mittel und Zweck. Die Beschwerde ist in diesem Punkt abzuweisen.
 
2.
 
Der Beschwerdeführer bringt weiter vor, seine Handlung sei durch Notwehr, Notstand oder einen aussergesetzlichen Rechtfertigungsgrund gerechtfertigt gewesen.
 
2.1 Notwehr(-hilfe) setzt voraus, dass der Täter beziehungsweise ein Dritter ohne Recht angegriffen oder unmittelbar mit einem Angriff bedroht wird (Art. 33 Abs. 1 StGB). Notstand liegt vor, wenn die Straftat notwendig war, um die Rechtsgüter des Täters aus einer unmittelbaren, nicht anders abwendbaren Gefahr zu retten (Art 34 Ziff. 1 Abs. 1 StGB).
 
2.2 Ein von A.________ beziehungsweise ihrem Hund drohender Angriff im Sinne von Art. 33 StGB oder eine unmittelbare Gefahr für ein Rechtsgut im Sinne von Art. 34 StGB bestand zum fraglichen Zeitpunkt nicht. Der Hund von A.________ ist nach den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz ungefährlich. Eine Situation, welche Notwehr zulässt oder einem Notstand gleichkommt, lag somit nicht vor. Das Vorliegen eines Notwehr- beziehungsweise Notstandsexzesses fällt damit ebenfalls ausser Betracht. Inwiefern die Voraussetzungen der vom Beschwerdeführer angeführten Rechtfertigungsgründe der Wahrung berechtigter Interessen und der Selbsthilfe nach Art. 52 Abs. 3 OR gegeben sein sollen, ist nicht ersichtlich und wird vom Beschwerdeführer auch nicht näher begründet. Die Beschwerde ist in diesem Punkt abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist.
 
3.
 
Ferner ist der Beschwerdeführer der Ansicht, die Vorinstanz habe zu Unrecht nicht berücksichtigt, dass er den Hund für sehr gefährlich gehalten habe.
 
3.1 Der Kassationshof ist im Verfahren der Nichtigkeitsbeschwerde an den von der kantonalen Behörde festgestellten Sachverhalt gebunden (Art. 277bis Abs. 1 BStP). Auf die Beschwerde kann somit nicht eingetreten werden, soweit darin von einem abweichenden Sachverhalt ausgegangen wird.
 
3.2 Die Vorinstanz hat festgehalten, der Beschwerdeführer habe den Hund nicht für gefährlich gehalten. Was der Beschwerdeführer wusste, betrifft eine so genannte innere Tatsache und stellt damit eine Tatfrage dar (BGE 125 IV 242 E. 3c, mit Hinweisen). Als solche kann sie nach der genannten Bestimmung im Verfahren der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde nicht zur Entscheidung gestellt werden. Soweit der Beschwerdeführer in Bezug auf die Gefährlichkeit des Hundes einen Sachverhalts- beziehungsweise Rechtsirrtum geltend macht, kann auf die Beschwerde nicht eingetreten werden.
 
4.
 
Der Beschwerdeführer bringt weiter vor, die Vorinstanz habe zu Unrecht einen vollendeten Versuch der Nötigung im Sinne von Art. 181 in Verbindung mit Art. 22 StGB angenommen. Die inkriminierte Handlung stelle lediglich einen unvollendeten Versuch im Sinne von Art. 21 StGB dar.
 
Ausser beim Rücktritt gemäss Art. 21 Abs. 2 StGB beziehungsweise der tätigen Reue nach Art. 22 Abs. 2 StGB besteht zwischen unvollendetem und vollendetem Versuch kein Unterschied hinsichtlich der Strafzumessung (BGE 127 IV 97 E. 1b). Wer wegen vollendeten Versuchs verurteilt worden ist, obwohl ein unvollendeter Versuch vorliegt, hat in Bezug auf diesen Punkt kein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung des angefochtenen Entscheids (BGE 127 IV 97 E. 1b). Auf die betreffende Rüge ist nicht einzutreten.
 
5.
 
Schliesslich macht der Beschwerdeführer geltend, die Vorinstanz habe bei der Strafzumessung Art. 64 StGB verletzt. Es seien die Strafmilderungsgründe des Handelns aus achtenswerten Beweggründen beziehungsweise in Bedrängnis nicht berücksichtigt worden. Zudem sei auch nicht strafmildernd in Betracht gezogen worden, dass er zur Tat ernstlich in Versuchung geführt worden sei.
 
5.1 Der Richter kann die Strafe mildern, wenn der Täter aus achtenswerten Beweggründen gehandelt hat (Art. 64 Abs. 2 al. 2 StGB). Die Ermittlung des Beweggrundes der Tat gehört zu den tatsächlichen Feststellungen, die der kantonale Richter für den Kassationshof verbindlich trifft (Art. 277bis Abs. 1 BStP). Ob der Beweggrund achtenswert sei, stellt demgegenüber eine Rechtsfrage dar (BGE 107 IV 29 E. 2a).
 
Die Vorinstanz hat keine Feststellungen hinsichtlich des der Tat zu Grunde liegenden Beweggrundes gemacht. Sie hat aber festgehalten, dass der Beschwerdeführer den Hund nicht als gefährlich erachtete. Das vom Beschwerdeführer angeführte Motiv, er habe mit seiner Tat seinen Sohn schützen wollen, wird damit indirekt ausgeschlossen. Andere achtenswerte Beweggründe sind im angefochtenen Urteil nicht ersichtlich. Die Beschwerde ist somit in diesem Punkt abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann.
 
5.2 Weiter kann der Richter die Strafe mildern, wenn der Täter in schwerer Bedrängnis gehandelt hat (Art. 64 Abs. 2 al. 2 StGB).
 
Zur Begründung seiner angeblichen Bedrängnis macht der Beschwerdeführer geltend, er sei in Zeitnot bezüglich der Beweissicherung geraten. Weder aus der Beschwerde noch aus den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz ist nachvollziehbar, was für Beweise zu sichern gewesen wären und inwiefern diesbezüglich eine Dringlichkeit bestanden haben soll. Auf die Beschwerde ist in diesem Punkt nicht einzutreten.
 
5.3 Der Richter kann die Strafe ferner mildern, wenn der Täter durch das Verhalten des Verletzten ernsthaft in Versuchung geführt wurde (Art. 64 Abs. 3 StGB). Dieser Milderungsgrund kann unter Umständen zur Anwendung kommen, wenn der Verletzte den Anstoss zur Straftat gegeben hat (Hans Wiprächtiger, Basler Kommentar StGB I, Art. 64 N. 20).
 
Die Verweigerung der Angabe der Personalien durch A.________ kann offensichtlich nicht als Anstoss ihrerseits aufgefasst werden, sie durch unrechtmässige Mittel zum verlangten Verhalten zu zwingen. Die betreffende Frage nach dem Mittel, mit dem er ihren Hund erschiessen wolle, stellte sie im Übrigen erst, nachdem der Beschwerdeführer bereits mit der Tat begonnen hatte. Die Beschwerde ist in diesem Punkt abzuweisen.
 
6.
 
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Nichtigkeitsbeschwerde abzuweisen ist, soweit darauf eingetreten werden kann.
 
Bei diesem Ausgang des Verfahrens hat der Beschwerdeführer die Kosten vor Bundesgericht zu tragen (Art. 278 Abs. 1 BStP).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2.
 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
3.
 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau und dem Obergericht des Kantons Aargau, 2. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 16. Januar 2004
 
Im Namen des Kassationshofes
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
 
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR).