BGer 2A.101/2004 | |||
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BGer 2A.101/2004 vom 03.03.2004 | |
Tribunale federale
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{T 0/2}
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2A.101/2004 /leb
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Urteil vom 3. März 2004
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II. Öffentlichrechtliche Abteilung
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Besetzung
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Bundesrichter Wurzburger, Präsident,
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Bundesrichter Müller, Merkli,
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Gerichtsschreiber Hugi Yar.
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Parteien
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A.________,
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Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt
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Dr. Jean-Pierre Menge,
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gegen
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Amt für Polizeiwesen Graubünden, Asyl und Massnahmenvollzug, Karlihof 4, 7000 Chur,
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Bezirksgerichtspräsidium Plessur, Poststrasse 14, 7000 Chur.
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Gegenstand
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Ausschaffungshaft (Art. 13b ANAG),
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Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den
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Entscheid des Bezirksgerichtspräsidiums
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Plessur vom 16. Februar 2004.
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Das Bundesgericht stellt fest und zieht in Erwägung:
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1.
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Das Bezirksgerichtspräsidium Plessur prüfte und bestätigte am 16. Februar 2004 die gegen den nach eigenen Angaben aus Georgien stammenden A.________ (geb. 1976) angeordnete Ausschaffungshaft bis zum 11. Mai 2004. A.________ beantragt vor Bundesgericht, diesen Entscheid aufzuheben und ihn "sofort" aus der Ausschaffungshaft zu entlassen. Das Bezirksgericht Plessur und das Amt für Polizeiwesen Graubünden schliessen auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für Flüchtlinge hat sich nicht vernehmen lassen. A.________ hat am 24. Februar 2004 an seinen Ausführungen und Anträgen festgehalten.
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2.
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Die Eingabe erweist sich als offensichtlich unbegründet und kann im vereinfachten Verfahren nach Art. 36a OG erledigt werden:
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2.1 Der Beschwerdeführer ist im Asylverfahren rechtskräftig aus der Schweiz weggewiesen worden (Verfügung des Bundesamts für Flüchtlinge vom 21. Oktober 2003 und Nichteintretensentscheid der Schweizerischen Asylrekurskommission vom 12. Dezember 2003). Er hat wiederholt erklärt, den Behörden bewusst einen falschen Namen angegeben zu haben; ab dem 3. Februar 2004 galt er zudem an dem ihm zugewiesenen Aufenthaltsort als verschwunden. Überdies wurde er schliesslich im Zusammenhang mit verschiedenen Ladendiebstählen in den Kantonen Wallis (5. November 2003: Diebstahl von Zigaretten im Wert von Fr. 267.90 [bestritten] und 13. November 2003: Diebstahl einer Video-Kamera im Wert von Fr. 999.-- [zugestanden]) und Neuenburg (22. Januar 2004: Diebstahl mehrerer "Walkmen" und eines Rucksacks im Wert von Fr. 419.-- [zugestanden]) angehalten. Gestützt hierauf bietet der Beschwerdeführer keine Gewähr dafür, dass er sich ohne Haft zu gegebener Zeit den Behörden für den Vollzug der Wegweisung zur Verfügung halten wird; es besteht bei ihm somit Untertauchensgefahr im Sinne von Art. 13b Abs. 1 lit. c ANAG (vgl. BGE 128 II 241 E. 2.1 S. 243; 125 II 369 E. 3b/aa S. 375; 122 II 49 E. 2a S. 51). Da auch alle übrigen Haftvoraussetzungen erfüllt sind - insbesondere nicht gesagt werden kann, dass sich seine Ausreise zum Vornherein nicht in absehbarer Zeit organisieren liesse (vgl. Art. 13c Abs. 5 lit. a ANAG; BGE 125 II 217 E. 2 S. 220) oder sich die Behörden nicht mit dem nötigen Nachdruck hierum bemühen würden (vgl. Art. 13b Abs. 3 ANAG; 124 II 49 ff.) -, ist seine Ausschaffungshaft deshalb zu Recht genehmigt worden.
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2.2 Der Beschwerdeführer bestreitet dies an sich auch nicht, macht jedoch geltend, die richterliche Haftgenehmigung sei nicht innert den gesetzlich vorgeschriebenen 96 Stunden erfolgt (Art. 13c Abs. 2 ANAG). Zu Unrecht:
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2.2.1 Die Frist von Art. 13c Abs. 2 ANAG beginnt ab dem Zeitpunkt zu laufen, ab dem der Betroffene tatsächlich (ausschliesslich) ausländerrechtlich motiviert festgehalten wird, und nicht erst ab dem Moment, in dem seine Überstellung aus einem anderen Kanton an die Fremdenpolizei erfolgt oder diese die Haft formell anordnet (BGE 127 II 174 E. 2b/aa; jüngst etwa bestätigt im Urteil 2A.626/2003 vom 5. Januar 2004, E. 2.2.1; Andreas Zünd, Die Rechtsprechung des Bundesgerichts zu den Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht, in: ZBJV 132/1996 S. 75 f.; Alain Wurzburger, La jurisprudence récente du Tribunal fédéral en matière de police des étrangers, in: RDAF 1997 I S. 337; Thomas Hugi Yar, Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht, in: Uebersax/ Münch/Geiser/Arnold, Ausländerrecht, Basel/Genf/München 2002, Rz. 7.14). Der Beschwerdeführer ist am 12. Februar 2004, um 15.00 Uhr, im Rahmen einer Fahrzeugkontrolle durch die Gemeindepolizei X.________ aufgrund seiner nach dem Untertauchen erfolgten Ausschreibung im Fahndungsregister angehalten worden. In der Folge überprüfte die Kantonspolizei Wallis seine Identität und befragte ihn zu seinen Verhältnissen; dabei war noch nicht klar, ob gegen ihn allenfalls auch strafrechtlich etwas vorlag und insofern weitere Schritte erforderlich waren. Gegen 17.00 Uhr schloss sie die entsprechenden Abklärungen ab, und überwies sie die Sache an die kantonale Fremdenpolizei (vgl. das um 16.50 Uhr an den Zivilstands- und Ausländerdienst weitergeleitete Einvernahmeprotokoll und den von 17.42 Uhr datierten "Avis d'arrestation"). Ab diesem Zeitpunkt war der Freiheitsentzug nur noch ausländerrechtlich begründet und begann damit die umstrittene Frist von 96 Stunden zu laufen; bis zu diesem Moment war die Festhaltung zur Identitätsabklärung im Rahmen eines nicht auf die Ausschaffungshaft anzurechnenden Polizeiverhafts erfolgt (vgl. BGE 127 II 174 E. 2b/bb S. 176). Die Verhandlung wurde im Kanton Graubünden nach der Überstellung des Beschwerdeführers auf den 16. Februar 2004, 15.45 Uhr, angesetzt und lag damit innerhalb der bundesrechtlichen Vorgaben. Wegen einer Verzögerung bei der vorherigen Haftprüfung wurde sie dann zwar tatsächlich erst um 16.15 Uhr eröffnet; gemäss Protokoll schloss sie indessen um 17.00 Uhr, womit die Haftprüfung dennoch rechtzeitig erfolgte, auch wenn der Haftrichter fälschlicherweise und in Verkennung der zitierten bundesgerichtlichen Rechtsprechung davon ausging, die Frist für die Haftprüfung habe erst mit der Überstellung des Beschwerdeführers an die Behörden des Kantons Graubünden am 13. Februar 2004 um 18.00 Uhr zu laufen begonnen.
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2.2.2 Selbst wenn - entgegen den vorstehenden Ausführungen - davon auszugehen wäre, dass die Frist für die Haftprüfung tatsächlich um zwei Stunden überschritten wurde, stünde eine Haftentlassung im vorliegenden Fall im Übrigen nicht zur Diskussion:
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Zwar stellt der Anspruch auf rechtzeitige richterliche Prüfung der Ausschaffungshaft anlässlich einer mündlichen Verhandlung die zentrale prozessuale Garantie dar, welche den Betroffenen vor willkürlichem Entzug der Freiheit schützen soll (vgl. BGE 121 II 110 E. 2b S. 113), und ist Art. 13c Abs. 2 ANAG auch zwingender Natur (Urteil 2A.367/2003 vom 26. August 2003, E. 2.3), doch führt dennoch nicht jede Verletzung dieser Bestimmung zu einer Haftentlassung. Hierfür kommt es vielmehr jeweils darauf an, welche Bedeutung im Einzelfall der verletzten Vorschrift für die Wahrung der Interessen des Betroffenen einerseits und dem Interesse an einer reibungslosen Durchsetzung der Ausschaffung andererseits zukommt (vgl. BGE 125 II 369 E. 2e S. 373 f.; 121 II 105 E. 2c S. 109, 110 E. 2a S. 113; Urteil 2A.200/2002 vom 17. Mai 2002, E. 4.1). Dieses vermag unter Umständen selbst einen erheblichen Verfahrensfehler aufzuwiegen, wenn der Ausländer die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet (BGE 121 II 105 E. 2c S. 109; 122 II 154 E. 3a S. 158).
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Der Beschwerdeführer ist in der Schweiz bereits einmal untergetaucht; zudem wurde er bei verschiedenen Ladendiebstählen angehalten. Noch vor dem Haftrichter hat er wiederholt, hier einen falschen Familiennamen zu verwenden; sein richtiger Name spiele "keine Rolle", er verbringe sowieso drei Monate im Gefängnis. Insgesamt zeigte er sich äusserst unkooperativ; gestützt auf sein strafrechtlich relevantes Verhalten gefährdet er zudem die öffentliche Ordnung. Unter diesen Umständen überwöge das Interesse an der Aufrechterhaltung der Ausschaffungshaft jenes an einer strikten Handhabung der Verfahrensvorschriften, zumal nur eine untergeordnete Überschreitung der Frist von Art. 13c Abs. 2 ANAG zur Diskussion stünde, die zudem teilweise auf besondere Umstände zurückginge (zeitliche Verzögerung der vorgängigen Haftverhandlung, Absprache des Datums mit dem amtlichen Verteidiger usw.).
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3.
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Dem Verfahrensausgang entsprechend würde der unterliegende Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 156 Abs. 1 OG). Es rechtfertigt sich jedoch, praxisgemäss von der Erhebung einer Gerichtsgebühr abzusehen (Art. 154 und Art. 153a OG; Urteil 2A.86/2001 vom 6. März 2001, E. 3). Dem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung ist indessen nicht zu entsprechen, da die vorliegende Eingabe und der Antrag auf Haftentlassung gestützt auf die publizierte und über Internet zugängliche bundesgerichtliche Rechtsprechung zum Vornherein aussichtslos waren (vgl. Art. 152 OG). Parteientschädigungen sind nicht geschuldet (vgl. Art. 159 Abs. 2 OG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht
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im Verfahren nach Art. 36a OG:
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1.
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Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
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2.
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Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen.
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3.
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Es werden keine Kosten erhoben.
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4.
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Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Amt für Polizeiwesen Graubünden, Asyl und Massnahmenvollzug, und dem Bezirksgerichtspräsidium Plessur sowie dem Bundesamt für Flüchtlinge schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 3. März 2004
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Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
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