VerfassungsgeschichteVerfassungsvergleichVerfassungsrechtRechtsphilosophie
UebersichtWho-is-WhoBundesgerichtBundesverfassungsgerichtVolltextsuche...

Informationen zum Dokument  BGer 4C.238/2003  Materielle Begründung
Druckversion | Cache | Rtf-Version

Bearbeitung, zuletzt am 16.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch)  
 
BGer 4C.238/2003 vom 02.06.2004
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
4C.238/2003 /lma
 
Urteil vom 2. Juni 2004
 
I. Zivilabteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Corboz, Präsident,
 
Bundesrichterinnen Klett, Kiss,
 
Gerichtsschreiber Arroyo.
 
Parteien
 
A.________,
 
Klägerin und Berufungsklägerin, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Peter Heinrich.
 
gegen
 
B.________,
 
Beklagter und Berufungsbeklagter, vertreten durch Rechtsanwalt Ruedi Bollag.
 
Gegenstand
 
Herkunftsangabe; unlauterer Wettbewerb,
 
Berufung gegen das Urteil des Handelsgerichts des Kantons Zürich vom 18. Juni 2003.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
Am 10. April 2001 reichte das A.________ (Klägerin) beim Handelsgericht des Kantons Zürich Klage ein gegen die C.________ GmbH, die D.________ AG, die E.________ AG (Beklagte 1-3) sowie B.________ (Beklagter 4). Die Klägerin ist eine Vereinigung zur Wahrung der Interessen von Produzenten und Vertreibern des Champagners. Sie wirft den Beklagten vor, sie hätten in grossem Stil preisgünstigen Schaumwein (Blanc de Blancs) eingekauft, die Flaschen mit Champagner-Etiketten (Cuvée Prestige Champagne Le Duc Brut) versehen und vertrieben. Die Beklagten 1-3 sind vor oder während des Verfahrens im Handelsregister gelöscht worden. Der Beklagte 4 beherrschte nach Darstellung der Klägerin die Beklagten 1-3. Die Klägerin stellte im vorinstanzlichen Verfahren folgende Rechtsbegehren:
 
1. Es sei den Beklagten unter Androhung der Bestrafung des Beklagten 4 und der Organe der Beklagten 1-3 mit Haft oder Busse gemäss Art. 292 StGB im Widerhandlungsfall zu untersagen, Wein, der nicht aus der Champagne stammt und nicht berechtigt ist, die Bezeichnung "Champagne" zu tragen, besonders französischen Schaumwein "Blanc de Blancs", unter der Bezeichnung "Champagne" zu bewerben, anzubieten, zu verkaufen, auszuliefern oder anderweitig in Verkehr zu setzen, besonders solchen Schaumwein mit einer Etikette "Champagne le duc" zu versehen.
 
2. Es seien bei den Beklagten alle Flaschen "Champagne le Duc" zu beschlagnahmen, zu verwerten und der Erlös zur Sicherung der Forderung der Klägerin auf Schadenersatz und Prozessentschädigung zu verwenden.
 
3. Die Beklagten seien unter solidarischer Haftung zu verpflichten, der Klägerin Fr. 75'300.00 zuzüglich 5 % Zins seit dem 20. März 2001 zu zahlen.
 
4. Das Urteil sei je einmal in der Grösse einer viertel Seite im "Tages-Anzeiger" und "le temps" sowie in der Grösse einer halben Seite und zweier Sprachen in der "Schweizerischen Weinzeitung" auf Kosten der Beklagten zu veröffentlichen"
 
B.
 
Mit Urteil vom 18. Juni 2003 schrieb das Handelsgericht des Kantons Zürich das Verfahren gegen die Beklagten 1 bis 3 als gegenstandslos ab und wies die Klage gegen den Beklagten 4 ab. Das Gericht ging davon aus, dass wer gewöhnlichen Schaumwein als Champagner bezeichne, dem Getränk damit eine falsche Herkunftsbezeichnung gebe und eine falsche Angabe über die Ware mache; und wer diese Machenschaften in grossem Stile betreibe, bringe dadurch unumstösslich zum Ausdruck, dass er die Ware auch in Verkehr bringen wolle; um eine solchermassen drohende Verletzung zu verbieten, ständen der Klägerin gemäss Art. 55 lit. a MSchG Unterlassungsansprüche zu; sollte das Verhalten des Beklagten 4 als seinerzeitiges Organ der Beklagten 1-3 bewiesen werden, wäre angesichts seiner Bestreitung ohne weiteres von einer Wiederholungsgefahr auszugehen und hätte eine Unterlassungsanordnung zu ergehen. Das Gericht hielt jedoch die behauptete Rechtsverletzung für nicht bewiesen.
 
Das Kassationsgericht des Kantons Zürich wies mit Beschluss vom 26. Januar 2004 die von der Klägerin gegen dieses Urteil erhobene Beschwerde ab, soweit es darauf eintrat.
 
C.
 
Mit eidgenössischer Berufung stellt die Klägerin folgende Anträge:
 
1. Das Urteil des Handelsgerichts des Kantons Zürich vom 18. Juni 2003 (HG010127) sei bezüglich der Absätze 1, 3 und 4 des Dispositivs aufzuheben und das Rechtsbegehren 1 gutzuheissen.
 
1. Es sei dem Beklagten 4 unter Androhung der Bestrafung mit Haft oder Busse gemäss Art. 292 StGB im Widerhandlungsfalle zu untersagen, Wein, der nicht aus der Champagne stammt und nicht berechtigt ist, die Bezeichnung "Champagne" zu tragen, besonders französischen Schaumwein "Blanc de Blancs" unter der Bezeichnung "Champagne" zu bewerben, anzubieten, zu verkaufen, auszuliefern oder anderweitig in Verkehr zu setzen, besonders solchen Schaumwein mit einer Etikette "Champagne le Duc" zu versehen.
 
2. Eventuell sei die Sache zur neuen Entscheidung über das Rechtsbegehren 1 und die Kostenfolgen an die Vorinstanz zurückzuweisen."
 
Der Beklagte beantragt, die Berufung sei abzuweisen.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
1.
 
Die Klägerin hält im Berufungsverfahren nur noch das Unterlassungsbegehren gegen den Beklagten 4 aufrecht. Es rechtfertigt sich daher, die in der Rechtsschrift der Klägerin noch als Beklagte erwähnten C.________ GmbH und E.________ AG im Rubrum des vorliegenden Urteils nicht mehr aufzuführen.
 
2.
 
Das Bundesgericht hat seiner Entscheidung im Berufungsverfahren die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz zugrunde zu legen, es sei denn, sie beruhten auf einem offensichtlichen Versehen, seien unter Verletzung bundesrechtlicher Beweisvorschriften zustande gekommen oder bedürften der Ergänzung, weil das kantonale Gericht in fehlerhafter Rechtsanwendung einen gesetzlichen Tatbestand nicht oder nicht hinreichend klärte, obgleich ihm entscheidwesentliche Behauptungen und Beweisanträge rechtzeitig und in der vorgeschriebenen Form unterbreitet worden sind (Art. 63 und 64 OG; BGE 127 III 248 E. 2c). Blosse Kritik an der Beweiswürdigung des kantonalen Gerichts kann mit der Berufung nicht vorgebracht werden (BGE 127 III 73 E. 6a).
 
2.1 Die Klägerin rügt, die Vorinstanz habe die bundesrechtliche Beweisvorschrift von Art. 8 ZGB verletzt, indem sie das Beweisthema für ihr Unterlassungsbegehren zu eng gefasst und ihr rechtsirrtümlich den Beweis dafür auferlegt habe, dass 25'000 Flaschen verkauft und umetikettiert worden seien; sie hält dafür, im Blick auf ein Unterlassungsbegehren hätte ihr richtigerweise der Beweis dafür auferlegt werden sollen, dass einzelne oder alle ursprünglich eingeklagten Personen gewöhnlichen Schaumwein mit Etiketten "Champagne le Duc" in Verkehr gebracht hatten. Die Klägerin rügt, das Handelsgericht habe die bundesrechtlichen Anforderungen an die Behauptungs- bzw. Substanziierungslast verletzt mit der Annahme, im Blick auf das Unterlassungsbegehren sei die Behauptung nicht genügend spezifiziert, dass die Beklagten einfachen Schaumwein als "Champagne" in Verkehr gebracht hätten. Ausserdem beanstandet sie, das Handelsgericht habe zu hohe Anforderungen an den Beweis gestellt.
 
2.2 Ein Unterlassungsbegehren setzt generell und somit auch im Bereich des Schutzes von Herkunftsbezeichnungen ein hinreichendes Rechtsschutzinteresse voraus. Ein solches Interesse besteht, wenn die widerrechtliche Handlung unmittelbar droht, d.h. wenn das Verhalten des Beklagten die künftige Rechtsverletzung ernsthaft befürchten lässt (BGE 116 II 357 E. 2a mit Hinweisen). Das Rechtsschutzinteresse hat somit zur Voraussetzung, dass der Beklagte entweder die Verletzungen bereits begangen hat und Wiederholungen nicht auszuschliessen sind oder dass konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass er sie erstmals begehen wird (BGE 104 II 124 E. 6 S. 134 mit Hinweisen; vgl. auch BGE 124 III 72 E. 2a; 125 III 185 E. 4b S. 191). Ob die Klägerin ein rechtlich geschütztes Interesse am verlangten Verbot hat, ist als Frage des Bundesprivatrechts im Berufungsverfahren zu überprüfen (BGE 116 II 196 E. 1a); doch ist das Bundesgericht an die tatsächlichen Feststellungen des kantonalen Sachrichters hinsichtlich des Wissens und Willens des möglichen Verletzers gebunden (Art. 63 Abs. 2 OG). Eine Wiederholungsgefahr darf in der Regel angenommen werden, wenn der Beklagte die Widerrechtlichkeit des beanstandeten Verhaltens bestreitet. Denn in einem solchen Fall ist zu vermuten, dass er es im Vertrauen auf dessen Rechtmässigkeit weiterführen wird (BGE 102 II 122 E. 1; David, Der Rechtsschutz im Immaterialgüterrecht, in: von Büren/David [Hrsg.], Schweizerisches Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht, Bd. I/2, 2. Aufl. 1998, S. 77 f.). Als Prozessvoraussetzung muss das Rechtsschutzinteresse an der Unterlassungsklage im Zeitpunkt der Urteilsfällung noch vorhanden sein (BGE 109 II 338 E. 3).
 
2.3 Die Klägerin warf nach den Erwägungen im angefochtenen Urteil in ihrer Klageschrift allen Beklagten vor, sie hätten in grossem Stil preisgünstigen, gewöhnlichen Schaumwein "blanc de blancs de France" eingekauft und danach die Flaschen mit Etiketten "Champagne le Duc" versehen. Die Klägerin bestätigt in ihrer Berufungsschrift, diese Behauptungen aufgestellt zu haben. Sie hat damit ihr Unterlassungsbegehren auf eine bereits begangene Rechtsverletzung gestützt, deren Wiederholung nach ihren Vorbringen nicht auszuschliessen sei. Die Klägerin behauptet nicht, sie habe im vorinstanzlichen Verfahren andere konkrete Indizien für eine bevorstehende Verletzung genannt. Soweit sie darlegt, für ein Unterlassungsbegehren seien bereits erfolgte Handlungen gar nicht erforderlich, fallen ihre Rügen ins Leere. Das Handelsgericht ging davon aus, es wäre bei erbrachtem Beweis der klägerischen Sachvorbringen eine Rechtsverletzung zu bejahen, auch wenn unklar sei, was mit der Ware anschliessend geschah; denn wer Machenschaften in grossem Stil betreibe, bringe damit unumstösslich zum Ausdruck, dass er die Ware in Verkehr bringen wolle. Die Vorinstanz hat damit aufgrund der Sachvorbringen der Klägerin das Beweisthema zutreffend formuliert. Sie hat aus der vom Beklagten bestrittenen Begehung dieser Rechtsverletzungen - unter der Voraussetzung ihres Beweises - auf eine Wiederholungsgefahr geschlossen. Die behauptungs- und beweispflichtige Klägerin bringt dagegen vor, es müsse für den Unterlassungsanspruch genügen, dass die Beklagten auch nur eine einzige Flasche gewöhnlichen Schaumwein mit der Bezeichnung "Champagne" in Verkehr gebracht hätten. Damit übergeht sie, dass die Rechtsverletzung mit Wissen und Willen des Verletzers begangen worden und aufgrund seines Verhaltens die Gefahr der Wiederholung erkennbar sein muss. Die Klägerin legt nicht dar, dass sie dafür - abgesehen von der Behauptung der Rechtsverletzungen im grossen Stil - im kantonalen Verfahren prozesskonform Behauptungen aufgestellt und entsprechende Beweise offeriert hätte. Ihre Ausführungen beschränken sich auf eine unzulässige Kritik an der Beweiswürdigung der Vorinstanz.
 
2.4 Die Vorinstanz hat der Klägerin auch zutreffend den vollen Beweis für die behauptete bereits erfolgte Rechtsverletzung auferlegt. Denn es ist nicht erkennbar, inwiefern der Beweis für tatsächlich in der Vergangenheit begangene Handlungen der Beklagten nicht zur vollen Überzeugung des Gerichts erbracht werden könnte. Dass das Vorliegen einer Verletzungsgefahr notwendigerweise nur eine Vermutung darstellt, wie die Klägerin unter Verweis auf BGE 97 II 97 E. 5b S. 108 bemerkt, trifft für die Gefahr künftiger Wiederholung, nicht jedoch für behauptete bereits begangene Rechtsverletzungen zu. Auch in diesem Zusammenhang übt die Klägerin im Übrigen mit ihren Vorbringen unter Hinweis auf die von ihr eingereichten Beweismittel Kritik an der Beweiswürdigung der Vorinstanz, der sie ihre eigenen Schlüsse entgegenstellt. Dafür steht das Rechtsmittel der Berufung nicht zur Verfügung.
 
3.
 
Die Berufung erweist sich als unbegründet, soweit darauf eingetreten werden kann. Die Gerichtsgebühr ist bei diesem Verfahrensausgang der Klägerin zu auferlegen (Art. 156 Abs. 1 OG). Die Klägerin hat dem anwaltlich vertretenen Beklagten überdies die Parteikosten für das bundesgerichtliche Verfahren zu ersetzen (Art. 159 Abs. 1 OG). Gebühr und Entschädigung werden praxisgemäss nach dem Streitwert bemessen und danach von Amtes wegen festgesetzt. Dem vom Beklagten behaupteten ausserordentlichen Aufwand ist dabei keine Rechnung zu tragen. Denn es ist nicht erkennbar, dass die durch diesen Aufwand verursachten Kosten auch notwendig waren (vgl. Art. 159 Abs. 2 OG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Berufung wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2.
 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 6'000.-- wird der Klägerin auferlegt.
 
3.
 
Die Klägerin hat den Beklagten für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 7'000.-- zu entschädigen.
 
4.
 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Handelsgericht des Kantons Zürich schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 2. Juni 2004
 
Im Namen der I. Zivilabteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
 
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR).