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Informationen zum Dokument  BGer 4P.64/2004  Materielle Begründung
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BGer 4P.64/2004 vom 02.06.2004
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
4P.64/2004 /kra
 
Urteil vom 2. Juni 2004
 
I. Zivilabteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Corboz, Präsident,
 
Bundesrichterinnen Klett, Rottenberg-Liatowitsch,
 
Bundesrichter Nyffeler, Bundesrichterin Kiss,
 
Gerichtsschreiber Arroyo.
 
Parteien
 
X.________ AS,
 
Beschwerdeführerin, vertreten durch Dr. Thomas Müller und Dr. Georg Naegeli, Rechtsanwälte,
 
gegen
 
Bank Y.________,
 
Beschwerdegegnerin, vertreten durch Dr. Rudolf Tschäni und Herrn Alex Wittmann, Rechtsanwälte,
 
Schiedsgericht der Zürcher Handelskammer,
 
c/o Dr. Georg von Segesser, Obmann, Löwenstrasse 19, Postfach 6333, 8023 Zürich.
 
Gegenstand
 
Art. 85 lit. c OG; Art. 190 Abs. 2 lit. d IPRG (Internationales Schiedsgericht; Gleichbehandlung; rechtliches Gehör),
 
Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Award des Schiedsgerichts der Zürcher Handelskammer vom 12. Februar 2004.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
Die Bank Y.________ mit Sitz in Amsterdam (Klägerin und Beschwerdegegnerin) gewährte der X.________ AS mit Sitz in Istanbul (Beklagte und Beschwerdeführerin) insbesondere mit "Facility Agreement" vom 24. Mai 2000 einen Kredit zur Finanzierung eines Mobil-Telefon-Netzwerks in der Türkei. Der Kredit sollte nach dem Vertrag vom 24. Mai 2000 insgesamt USD 800 Millionen betragen und aus einer Tranche A in Höhe von USD 350 Millionen sowie einer Tranche B in Höhe von USD 450 Millionen bestehen. Die Tranche A sollte gemäss einem "Supply Contract" mit Nokia für Infrastrukturausstattungen und Dienstleistungen dieser Gesellschaft verwendet werden. Die Tranche B wurde bar bezahlt zur Finanzierung bestimmter Marketing-Aktivitäten. Gemäss Ziffer 5.2.1 des "Facility Agreement" war der Kredit in bestimmten Raten rückzahlbar. Ordentliche Rückzahlungen waren danach jeweils jährlich am 15. März und am 15. September, erstmals am 15. März 2001 fällig. Zusätzlich sollte am 31. Januar 2002 ein Betrag von USD 262'500'000.-- zurückbezahlt werden.
 
Die Beschwerdeführerin bezog in der Folge USD 238'458'226.85 aus Tranche A und USD 435'000'000.00 aus Tranche B. Da sie an den vertraglich vereinbarten Terminen keine Zins- oder Rückzahlungen leistete, leitete die Beschwerdegegnerin am 18. Juni 2001 das Schiedsverfahren gemäss Ziffer 22.2 des "Facility Agreement" vom 24. Mai 2000 vor dem Schiedsgericht der Zürcher Handelskammer ein.
 
B.
 
Mit ihren Klagebegehren verlangte die Beschwerdegegnerin gestützt auf das "Facility Agreement" die Bezahlung von insgesamt rund 707 Millionen USD nebst Zins. Die Beschwerdeführerin erhob Widerklage, mit der sie im Wesentlichen die Stundung und die Abänderung der Fälligkeiten zur Rückzahlung begehrte. In Replik, Duplik, Triplik sowie Widerklageantwort, -replik und -duplik hielten die Parteien an ihren Begehren fest. Das Schiedsgericht hörte am 19. Mai, am 23. bis 25. Juni sowie am 3. und 4. Juli 2003 etliche Zeugen an. Am 27. August 2003 verfügte das Schiedsgericht, dass die Parteien ihre Stellungnahme zum Beweisergebnis und ihre Schlussanträge bis spätestens 26. September 2003 zu unterbreiten hatten, das heisst am Termin, den die Parteien nach Abschluss der Beweisaufnahme vom 3. und 4. Juli 2003 vereinbart hatten. Am 23. September beantragte die Beschwerdeführerin eine Sistierung des Verfahrens mit der Begründung, ihre Rechtsvertreter hätten wegen einer "freezing order" sämtliche Arbeiten im Zusammenhang mit dem Schiedsverfahren einstellen müssen. Mit Verfügung vom 29. September 2003 lehnte das Schiedsgericht diesen Antrag nach Anhörung der Gegenpartei ab, ebenso das Eventualbegehren der Beschwerdeführerin auf Erstreckung der Frist bis 26. November 2003. In derselben Verfügung lud das Schiedsgericht die Parteien ein, ihre Schlussanträge nicht später als bis zum 6. Oktober 2003 einzureichen, unter der Androhung, dass die Nichteinhaltung der Frist als Verzicht auf die Schlussanträge gelte. Ein neuerdings gestelltes Begehren der Beschwerdeführerin um Suspendierung des Verfahrens vom 3. Oktober 2003 wies das Schiedsgericht wiederum ab und erstreckte die Frist für die Schlussanträge letztmals bis 31. Oktober 2003 wiederum unter der Androhung, dass die Nichteinhaltung der Frist als Verzicht gelte. Die Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin teilten dem Schiedsgericht am 3. Oktober 2003 mit, dass sie die Beschwerdeführerin nicht mehr vertreten würden. Die Beschwerdeführerin liess sich in der Folge innert gesetzter Frist nicht vernehmen. Die Beschwerdegegnerin reichte ihre Schlussanträge am 31. Oktober 2003 ein.
 
Mit Urteil vom 12. Februar 2004 hiess das Schiedsgericht die Klage im Wesentlichen gut und verurteilte die Beschwerdeführerin, der Beschwerdegegnerin USD 238'458'226.85, USD 435'000'000.00, USD 10'902'387.78 und USD 22'924'444.00 je nebst Zins zu bezahlen. Die Widerklage wies das Schiedsgericht ab.
 
C.
 
Mit staatsrechtlicher Beschwerde stellt die Beschwerdeführerin das Rechtsbegehren, es sei das Schiedsurteil vom 12. Februar 2004 des Schiedsgerichts der Zürcher Handelskammer vollumfänglich aufzuheben und das Verfahren mit der Auflage an das Schiedsgericht zurückzuweisen, der Beschwerdegegnerin (sic!) Frist zur Einreichung einer Schlusseingabe anzusetzen. Ausserdem stellt sie Verfahrensanträge. Zur Begründung ihres Hauptantrags beruft sich die Beschwerdeführerin auf Art. 190 Abs. 2 lit. d IPRG und rügt, die Abweisung ihres Sistierungsantrags verletze den Grundsatz der Gleichbehandlung der Parteien und den Anspruch der Beschwerdegegnerin (sic!) auf rechtliches Gehör.
 
D.
 
In ihrer Stellungnahme zum Verfahrensantrag der Beschwerdeführerin betreffend Gewährung der aufschiebenden Wirkung stellte die Beschwerdegegnerin den Eventualantrag, es sei die Beschwerdeführerin zu verpflichten, Sicherheit für die Gerichtskosten sowie eine allfällige Parteientschädigung zu leisten. Der Beschwerdeführerin wurde mit Verfügung vom 8. April 2004 Gelegenheit gegeben, innerhalb der Frist zur Leistung des Kostenvorschusses bis 27. April 2004, zum Sicherstellungsbegehren der Beschwerdegegnerin Stellung zu nehmen. Der Beschwerdegegnerin wurde die Vernehmlassungsfrist abgenommen.
 
Die Beschwerdeführerin beantragt, es sei der Eventualantrag der Beschwerdegegnerin betreffend Sicherheitsleistung für die Gerichtskosten und eine allfällige Parteientschädigung als gegenstandslos abzuschreiben, eventualiter abzuweisen. Sie bemerkt, die Beschwerdeantwort vom 16. April 2004 stelle den Ablauf der Ereignisse in der Türkei, die jeweiligen Kenntnisse der Beschwerdeführerin und ihrer Rechtsvertreter sowie den Ablauf des Schiedsverfahrens teilweise grob verzerrt dar. Sie weist nochmals darauf hin, dass sie grosse Honorarausstände hatte und kein Kostenvorschuss mehr vorhanden war, weshalb schliesslich ihre Rechtsvertreter gezwungen worden seien, gegen die eigene Mandantin rechtliche Schritte einzuleiten. Sie überlässt es dem Gericht, zu entscheiden, ob ausnahmsweise ein zweiter Schriftenwechsel zu diesen Fragen angezeigt sei.
 
Die Beschwerdegegnerin schliesst auf Abweisung der Beschwerde, soweit darauf eingetreten werde. Das Schiedsgericht verzichtete auf eine Vernehmlassung.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
1.
 
In ihren Verfahrensanträgen hat die Beschwerdeführerin um Erteilung der aufschiebenden Wirkung ersucht, den Beizug sämtlicher Akten und eines Aktenverzeichnisses des Schiedsgerichts verlangt und ausserdem die Übersetzung der nicht in einer Amtssprache verfassten Prozessakten ins Deutsche offeriert. Die Beschwerdegegnerin hat auf Abweisung des Gesuchs um aufschiebende Wirkung angetragen und eventualiter ein Sicherstellungsbegehren gestellt, zu dem sich die Beschwerdeführerin hat vernehmen lassen.
 
1.1 Die Beschwerdegegnerin hat am 16. April 2004 eine Vernehmlassung eingereicht, obwohl ihr die Frist zur Stellungnahme bis nach dem Entscheid über das Sicherstellungsbegehren abgenommen worden war. Mit der Einreichung der Vernehmlassung ist ihr Begehren gegenstandslos geworden (BGE 118 II 87 E. 2 S. 88). Es ist entsprechend abzuschreiben.
 
1.2 Über den Antrag der Beschwerdeführerin auf Gewährung der aufschiebenden Wirkung ist bis heute nicht entschieden worden. Das Begehren wird mit dem Entscheid in der Sache ohne weiteres gegenstandslos.
 
1.3 Da die von der Beschwerdeführerin erhobenen Rügen gestützt auf die Darstellung im angefochtenen Urteil sowie die von den Parteien eingereichten Akten beurteilt werden können, bedarf es weder eines weiteren Schriftenwechsels noch des Beizugs oder der Übersetzung weiterer Akten des Schiedsgerichts.
 
2.
 
Nach Art. 85 lit. c OG ist die staatsrechtliche Beschwerde zulässig gegen Urteile von Schiedsgerichten nach Art. 190 ff. IPRG.
 
2.1 Keine der Parteien des vorliegenden Verfahrens hat ihren Sitz in der Schweiz. Die Parteien haben die Bestimmungen des 12. Kapitels des IPRG nicht schriftlich ausgeschlossen. Daher gelangen diese Bestimmungen zur Anwendung (Art. 176 Abs. 1 und 2 IPRG). Die Bestimmung in Ziffer 22.2 des "Facility Agreements", dass das Schiedsgericht endgültig entscheide, ist nicht als Ausschluss der Rechtsmittel im Sinne von Art. 190 IPRG zu verstehen (BGE 116 II 721 E. 3 und 5).
 
2.2 Zulässig sind allein die in Art. 190 Abs. 2 IPRG abschliessend aufgezählten Rügen (BGE 127 III 279 E. 1a). Da die Verfahrensregeln der staatsrechtlichen Beschwerde anwendbar sind (Art. 191 Abs. 1 IPRG), hat die Beschwerdeführerin die Rügen zu benennen, die sie erheben will, und diese den Anforderungen von Art. 90 Abs. 1 lit. b OG entsprechend zu begründen (BGE 128 III 50 E. 1c). Das Bundesgericht beschränkt sich auf die Prüfung gehörig erhobener und begründeter Rügen.
 
3.
 
Die Beschwerdeführerin wirft dem Schiedsgericht vor, es habe mit der Ablehnung ihres Sistierungsbegehrens den Grundsatz der Gleichbehandlung der Parteien verletzt sowie das rechtliche Gehör verweigert und damit den Anfechtungsgrund von Art. 190 Abs. 2 lit. d IPRG gesetzt.
 
3.1 Gemäss Art. 182 Abs. 1 und 2 IPRG können die Parteien und allenfalls das Schiedsgericht die schiedsgerichtliche Verfahrensordnung selbst bestimmen. Als verfahrensrechtliche Minimalgarantien der Parteidisposition entzogen sind jedoch nach Art. 182 Abs. 3 IPRG die Gleichbehandlung der Parteien sowie ihr Anspruch auf rechtliches Gehör in einem kontradiktorischen Verfahren. Art. 190 Abs. 2 lit. d IPRG lässt die Anfechtung allein wegen der zwingenden Verfahrensregeln gemäss Art. 182 Abs. 3 IPRG zu. Danach muss das Schiedsgericht insbesondere den Anspruch der Parteien auf rechtliches Gehör wahren. Dieser entspricht - mit Ausnahme des Anspruchs auf Begründung (BGE 128 III 234 E. 4b) - dem in Art. 29 Abs. 2 BV gewährleisteten Verfassungsrecht (119 II 386 E. 1b S. 388 f.). Die Rechtsprechung leitet daraus insbesondere das Recht der Parteien ab, sich über alle für das Urteil wesentlichen Tatsachen zu äussern, ihren Rechtsstandpunkt zu vertreten, ihre entscheidwesentlichen Sachvorbringen mit tauglichen sowie rechtzeitig und formrichtig offerierten Mitteln zu beweisen, sich an den Verhandlungen zu beteiligen und in die Akten Einsicht zu nehmen (BGE 127 III 576 E. 2c mit Verweisen). Der Anspruch auf Gleichbehandlung stimmt inhaltlich weitgehend mit dem Anspruch auf rechtliches Gehör überein (BGE 116 II 639 E. 4c; vgl. auch Schneider, Basler Kommentar, N 64 zu Art. 182 IPRG; Lalive/Poudret/Reymond, Le droit de l'arbitrage interne et international en Suisse, Lausanne 1989, N 6 ff. zu Art. 182 IPRG; Heini, Zürcher Kommentar, N 31 zu Art. 190 IPRG). Der Grundsatz der Gleichbehandlung der Parteien verlangt vom Schiedsgericht zudem insbesondere, die Parteien grundsätzlich in allen Verfahrensfragen gleich zu behandeln (Vischer, Zürcher Kommentar, N 25 zu Art. 182 IPRG; Dutoit, Commentaire de la loi fédérale du 18 décembre 1987, 3. Aufl. 2001, N 6 zu Art. 182 IPRG). Das Schiedsgericht hat im angefochtenen Entscheid dargestellt und die Beschwerdeführerin bestreitet nicht, dass beiden Parteien dieselbe Frist für die Schlussanträge gesetzt wurde und die Parteien insofern gleich behandelt worden sind. Die Beschwerdeführerin stellt zu Recht auch nicht in Abrede, dass die Gleichbehandlung gewährleistet ist, wenn beide Parteien die gleiche Möglichkeit erhalten, sich zu äussern und dass grundsätzlich keine Verweigerung des rechtlichen Gehörs und keine ungleiche Behandlung vorliegt, wenn eine der Parteien von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch macht. Sie ist jedoch der Ansicht, sie habe wegen der Beschlagnahmung ihrer Mittel tatsächlich die offene Frist für die Einreichung der Schlusseingabe nicht wahren können; das Schiedsgericht hätte ihrer besonderen Situation Rechnung tragen und das Schiedsverfahren sistieren müssen, bis ihr die erforderlichen Mittel zur Einreichung der Schlusseingabe von den türkischen Behörden freigegeben worden wären.
 
3.2 Die Sistierung des Verfahrens rechtfertigt sich nur in besonderen Fällen aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Bestimmung oder eines zwingenden Grundes (Poudret/Besson, Droit comparé de l'arbitrage international, Bruxelles 2002, S. 535). Ein zwingender Grund mag etwa vorliegen, wenn Ereignisse eintreten, welche die rechtliche Existenz oder die Handlungsfähigkeit einer Partei berühren oder wenn entscheiderhebliche, ausserhalb der Zuständigkeit des Schiedsgerichts liegende Elemente geklärt werden müssen (BGE 119 II 386 E. 1b S. 389 f.; vgl. auch BGE 127 III 279 E. 2a/b). Im Übrigen kann zwar das Schiedsgericht in Abwägung der Parteiinteressen nach seinem Ermessen die Sistierung anordnen, es hat jedoch im Zweifel dem Beschleunigungsgebot den Vorrang einzuräumen, da die Sistierung des Verfahrens einer Rechtsverweigerung oder -verzögerung gleichkommen kann (BGE 120 III 143 E. 1b S. 144). Soweit die Sistierung von der Abwägung der Parteiinteressen abhängt und vom Schiedsgericht nach Ermessen gewährt oder verweigert wird, sind die elementaren Grundsätze der Wahrung der Gleichbehandlung der Parteien und der Gewährung des rechtlichen Gehörs im Sinne von Art. 190 Abs. 2 lit. d bzw. Art. 182 Abs. 3 IPRG grundsätzlich nicht verletzt (BGE 119 II 386 E. 1b 389 f. mit Hinweisen; vgl. auch Poudret/Besson, a.a.O., S. 529; Dutoit, a.a.O., N 12 zu Art. 182 IPRG). Denn abgesehen von der Berücksichtigung zwingender Gründe bildet der Entscheid über die Sistierung Teil der weitgehend von Ermessen geprägten Verfahrensleitung. In derartige Ermessensentscheide greift das Bundesgericht grundsätzlich nicht ein (vgl. BGE 120 Ib 156 E. 2c S. 160). Dies muss erst recht für die Beschwerde gegen internationale Schiedsentscheide gelten, die allein gegen die Verletzung elementarer Verfahrensrechte zur Verfügung steht.
 
3.2.1 Das Schiedsgericht hatte die Frist für die Schlusseingaben der Parteien mit Verfügung vom 27. August 2003 auf den 26. September 2003 angesetzt, wobei in der Begründung auf eine entsprechende Vereinbarung zwischen dem Schiedsgericht und den Parteivertretern anlässlich einer Telefonkonferenz vom 22. August 2003 verwiesen wird. Im angefochtenen Schiedsentscheid wird sodann erwähnt, dass dieses Datum für die Schlusseingabe bereits im Anschluss an die Zeugeneinvernahmen vom 3./4. Juli 2003 mit den Parteien vereinbart worden war. In der Schlusseingabe ("Post Hearing Briefs and Closing Arguments") konnten die Parteien das Beweisergebnis würdigen und sämtliche rechtserheblichen Argumente vorbringen ("to analyze the testimonies and to wrap up the legal arguments as relevant to their case", Ziff. 6 der Verfügung Nr. 32 vom 29. September 2003). Die Beschwerdeführerin hätte nach ihrer Darstellung im Anschluss an das Beweisverfahren nochmals sämtliche tatsächlichen und rechtlichen Argumente (vgl. dazu BGE 130 III 35 E. 5 S. 39) zusammentragen wollen, die für ihren Standpunkt sprachen und aus denen sich ergebe, dass infolge des Kollapses der türkischen Wirtschaft, des Zusammenbruchs des internationalen Marktes für Telecom-Equity und der Verlängerung der türkischen Erdbebensteuer ihre Verpflichtungen gegenüber der Beschwerdegegnerin gemäss dem Grundsatz der clausula rebus sic stantibus nicht fällig geworden seien. An dieser Stellungnahme sei sie durch die Beschlagnahme ihres Vermögens in der Türkei am 1., 14. und 26. August 2003 gehindert worden.
 
3.2.2 Das Schiedsgericht wies das Gesuch der Beschwerdeführerin um Sistierung mit Verfügung Nr. 32 vom 29. September 2003 ab. Es zog dabei in Betracht, dass sich das Schiedsverfahren in einem sehr fortgeschrittenen Stadium befand, dass das Hauptverfahren beendet war und die Parteien mit weiteren Beweismitteln nicht mehr zugelassen waren. Ausserdem berücksichtigte das Schiedsgericht, dass die Parteien nach einem mehrfachen Schriftenwechsel und weiteren Eingaben sowie einem ausgedehnten Beweisverfahren einen nicht erstreckbaren Termin für ihre Schlusseingaben vereinbart hatten, denen zudem eine beschränkte Tragweite zukam. Die - kurz vor Ablauf der Frist vorgebrachte - Behauptung der Beschwerdeführerin, dass ihr durch die Massnahmen der türkischen Behörden nicht nur die Finanzierung, sondern auch die Instruktion ihrer Rechtsvertreter verunmöglicht worden sei, hielt das Schiedsgericht zudem für nicht erwiesen. Mit Verfügung Nr. 34 vom 17. Oktober 2003 bestätigte das Schiedsgericht auf Wiedererwägungsgesuch der Beschwerdeführerin diesen Entscheid. Es hielt dafür, die Angestellten und Organe der Beschwerdeführerin wären trotz der Beschlagnahme des Vermögens in der Lage gewesen, ihre Rechtsvertreter zu instruieren. Das Gericht schloss sodann nicht aus, dass die Beschwerdeführerin eine Schlusseingabe auch ohne Rechtsbeistand hätte verfassen können und berücksichtigte insbesondere, dass die Frist nahezu abgelaufen war, als das Sistierungsbegehren gestellt wurde und in diesem Zeitpunkt mindestens ein Entwurf der Schlusseingabe hätte vorliegen müssen. Schliesslich erachtete es das Schiedsgericht als unsicher, wann die zuständigen Behörden über eine allfällige Freigabe des Vermögens der Beschwerdeführerin entscheiden würden.
 
3.3 Ein zwingender Grund, der die Sistierung des Schiedsverfahrens gebot, lag aufgrund der Darstellung der Sachlage durch die Beschwerdeführerin nicht vor. Insbesondere ist ein zwingender Grund von vornherein nicht darin zu sehen, dass eine Partei während hängiger Frist für eine weitere Rechtsschrift an der Finanzierung ihrer Rechtsvertretung gehindert wird, zumal es der Partei obliegt, die Kosten ihrer Vertretung für das weitere Verfahren rechtzeitig sicherzustellen. Aber auch dass die weitere Instruktion der Vertreter oder eine allenfalls denkbare eigene Intervention im Schiedsverfahren für eine Partei durch äussere Umstände erschwert bzw. verunmöglicht wird, bildet keinen zwingenden Grund, der eine Sistierung stets gebieten würde. Die Beschwerdeführerin behauptet denn auch nicht und begründet jedenfalls nicht (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG), inwiefern objektiv ein zwingender Grund vorlag, der zur Sistierung des Schiedsverfahrens hätte führen müssen. Sie beanstandet vielmehr im Wesentlichen, dass das Schiedsgericht die zur Beurteilung ihres Gesuches erforderliche Interessenabwägung in schlechterdings nicht nachvollziehbarer Weise vorgenommen und insbesondere ihre Zwangslage verkannt habe. Damit überschätzt die Beschwerdeführerin indessen die Kognition des Bundesgerichts im vorliegenden Verfahren. Denn soweit zwingende Gründe eine Sistierung nicht gebieten, ist unerheblich ob das Schiedsgericht bei der Abwägung der Interessen allenfalls unerhebliche Gesichtspunkte in Betracht gezogen oder erhebliche unberücksichtigt gelassen hat; erst recht kann keine Verletzung elementarer Verfahrensrechte vorliegen, wenn für die Interessenabwägung in Betracht fallende Gesichtspunkte angeblich falsch gewichtet worden sind. Die Rügen der Beschwerdeführerin beschränken sich auf eine Kritik an der Interessenabwägung und der Ermessensausübung durch das Schiedsgericht, womit sie im vorliegenden Verfahren nicht zu hören ist.
 
4.
 
Die staatsrechtliche Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Der Beschwerdeführerin ist bei diesem Verfahrensausgang die Gerichtsgebühr zu auferlegen (Art. 156 Abs. 1 OG). Sie hat darüber hinaus der anwaltlich vertretenen Beschwerdegegnerin die Parteikosten für das bundesgerichtliche Verfahren zu ersetzen (Art. 159 Abs. 1 OG). Bei der Bemessung von Gebühr und Entschädigung ist dem ausserordentlich hohen Streitwert Rechnung zu tragen.
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Das Sicherstellungsbegehren der Beschwerdegegnerin wird als gegenstandslos abgeschrieben.
 
2.
 
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
3.
 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 100'000.-- wird der Beschwerdeführerin auferlegt.
 
4.
 
Die Beschwerdeführerin hat die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 150'000.-- zu entschädigen.
 
5.
 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Schiedsgericht der Zürcher Handelskammer schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 2. Juni 2004
 
Im Namen der I. Zivilabteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
 
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