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Informationen zum Dokument  BGer C 254/2003  Materielle Begründung
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BGer C 254/2003 vom 14.07.2004
 
Eidgenössisches Versicherungsgericht
 
Tribunale federale delle assicurazioni
 
Tribunal federal d'assicuranzas
 
Sozialversicherungsabteilung
 
des Bundesgerichts
 
Prozess
 
{T 7}
 
C 254/03
 
Urteil vom 14. Juli 2004
 
IV. Kammer
 
Besetzung
 
Präsident Ferrari, Bundesrichter Meyer und Ursprung; Gerichtsschreiber Traub
 
Parteien
 
Kantonale Arbeitslosenkasse St. Gallen, Davidstrasse 21, 9001 St. Gallen, Beschwerdeführerin,
 
gegen
 
K.________, 1965, Beschwerdegegner
 
Vorinstanz
 
Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen, St. Gallen
 
(Entscheid vom 1. Oktober 2003)
 
Sachverhalt:
 
A.
 
K.________, geb. 1965, arbeitete seit August 1999 als Koch in einem Restaurant in S.________. Am Nachmittag des 18. August 2002 blieb er, wie bereits vier Tage zuvor angekündigt, der Arbeit fern, weil seine Ehefrau zu diesem Zeitpunkt arbeiten musste und für das gemeinsame fünfjährige Kind keine anderweitige Betreuung aufzutreiben war. Dies veranlasste den Arbeitgeber zur fristlosen Auflösung des Beschäftigungsverhältnisses.
 
K.________ meldete sich am 5. September 2002 zum Bezug von Arbeitslosenentschädigung an. Mit Verfügung vom 13. Dezember 2002 teilte die Arbeitslosenkasse dem Versicherten mit, er werde wegen selbstverschuldeter Arbeitslosigkeit für 45 Tage in der Anspruchsberechtigung eingestellt.
 
B.
 
Das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen reduzierte auf Beschwerde des Versicherten hin die Anzahl der Einstelltage auf 31 (Entscheid vom 1. Oktober 2003).
 
C.
 
Die Kantonale Arbeitslosenkasse St. Gallen führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Rechtsbegehren, der vorinstanzliche Entscheid sei aufzuheben und die Einstellung in der Anspruchsberechtigung in dem von ihr verfügten Umfang zu bestätigen.
 
Der Versicherte und das Staatssekretariat für Wirtschaft verzichten auf Vernehmlassung.
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
 
1.
 
Das kantonale Gericht hat die Bestimmungen über die Einstellung in der Anspruchsberechtigung wegen selbstverschuldeter Arbeitslosigkeit (Art. 30 Abs. 1 lit. a AVIG), namentlich bei Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten (Art. 44 Abs. 1 lit. a AVIV; Art. 20 lit. b des Übereinkommens Nr. 168 der Internationalen Arbeitsorganisation [IAO] über Beschäftigungsförderung und den Schutz gegen Arbeitslosigkeit vom 21. Juni 1988 [SR 0.822.726.8; für die Schweiz in Kraft seit dem 17. Oktober 1991]; BGE 124 V 236 Erw. 3b und Urteil M. vom 17. Oktober 2000, C 53/00, Erw. 3b), sowie die verschuldensabhängige Dauer der Einstellung (Art. 30 Abs. 3 Satz 3 AVIG und Art. 45 Abs. 2 AVIV) zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen.
 
2.
 
Strittig ist allein die Dauer der Einstellung. Die Verwaltung verfügte 45 Tage, das kantonale Gericht entschied auf 31 Tage.
 
Unbestritten ist, dass eine Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten durch den Versicherten Ursache für die Auflösung des Beschäftigungsverhältnisses und damit für die Arbeitslosigkeit war. Dass der einschlägige Einstellungstatbestand erfüllt ist, bedarf keiner weiterer Ausführungen. Hinsichtlich des im Streit stehenden Masses der Sanktion ist festzuhalten, dass sich der Beschwerdeführer an dem Tag, an welchem er trotz Aufgebots dem Arbeitsplatz fern geblieben ist, in einer familiären Zwangslage befunden hat. Das Vorbringen des Versicherten, der Arbeitgeber sei über seine Unabkömmlichkeit frühzeitig informiert gewesen und habe gleichwohl keine Bemühungen unternommen, beim Personaleinsatz für den betreffenden Tag entsprechend zu disponieren, blieb unwidersprochen. Die arbeitsvertragliche Fürsorgepflicht des Arbeitgebers bildet eine Schranke für dessen Weisungsrecht (Art. 321d und 328 OR; Vischer, in: Schweizerisches Privatrecht [SPR], Bd. VII/1, III, Der Arbeitsvertrag, Basel 1994, S. 77 ff.). Ein vom Versicherten eingeleitetes arbeitsgerichtliches Verfahren endete denn auch mit einem Vergleich (Abschreibungsentscheid des Arbeitsgerichts St. Gallen vom 11. November 2002).
 
Schliesslich ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer nicht ohne weiteres damit rechnen musste, wegen erstmaligen unerlaubten Fernbleibens von der Arbeit fristlos entlassen zu werden; frühere entsprechende Vorkommnisse betrafen andere Sachverhalte (jeweils zurückgenommene Kündigungen wegen Nichtunterschreibens von Arbeitsrapporten). Entgegen der Auffassung der beschwerdeführenden Verwaltung betrachtete es die Vorinstanz angesichts dieser Vorgeschichte nur als nachvollziehbar, dass der Versicherte die neuerliche Kündigungsandrohung nicht ganz ernst nahm; sie ging aber keineswegs davon aus, er habe deswegen die Bedeutung der arbeitsvertraglichen Pflichten unterschätzen dürfen.
 
Der Sozialversicherungsrichter darf zwar sein Ermessen nicht ohne triftigen Grund an die Stelle desjenigen der Verwaltung setzen (BGE 123 V 152 Erw. 2). Es besteht indes ausreichend Anlass, um die vorinstanzlich angebrachte Korrektur am Sanktionsmass zu rechtfertigen.
 
Das kantonale Gericht hat das zur Arbeitslosigkeit führende Verhalten unter Abwägung aller entscheiderheblichen Einzelfallumstände in angemessener Weise am untersten Rand des Bereichs schweren Verschuldens angesiedelt.
 
3.
 
Das Verfahren ist kostenlos (Art. 134 OG).
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
 
1.
 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
 
2.
 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
 
3.
 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen, dem Amt für Arbeit, St. Gallen, und dem Staatssekretariat für Wirtschaft zugestellt.
 
Luzern, 14. Juli 2004
 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts
 
Der Präsident der IV. Kammer: Der Gerichtsschreiber:
 
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