VerfassungsgeschichteVerfassungsvergleichVerfassungsrechtRechtsphilosophie
UebersichtWho-is-WhoBundesgerichtBundesverfassungsgerichtVolltextsuche...

Informationen zum Dokument  BGer C 69/2004  Materielle Begründung
Druckversion | Cache | Rtf-Version

Bearbeitung, zuletzt am 16.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch)  
 
BGer C 69/2004 vom 22.07.2004
 
Eidgenössisches Versicherungsgericht
 
Tribunale federale delle assicurazioni
 
Tribunal federal d'assicuranzas
 
Sozialversicherungsabteilung
 
des Bundesgerichts
 
Prozess
 
{T 7}
 
C 69/04
 
Urteil vom 22. Juli 2004
 
IV. Kammer
 
Besetzung
 
Präsident Ferrari, Bundesrichter Meyer und Ursprung; Gerichtsschreiber Lanz
 
Parteien
 
Amt für Wirtschaft und Arbeit, Kantonale Amtsstelle für Arbeitslosenversicherung, Hochstrasse 37, 4053 Basel, Beschwerdeführer,
 
gegen
 
A.________, 1962, Beschwerdegegner
 
Vorinstanz
 
Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt, Basel
 
(Entscheid vom 27. November 2003)
 
Sachverhalt:
 
A.
 
Mit Verfügung vom 31. Oktober 2002 stellte das Regionale Arbeitsvermittlungszentrum (RAV), Hochstrasse 37, Basel, den seit 26. November 2001 bei der Arbeitslosenversicherung angemeldeten A.________ wegen ungenügenden persönlichen Arbeitsbemühungen für die Dauer von 3 Tagen ab 1. November 2002 in der Anspruchsberechtigung auf Taggeld ein.
 
B.
 
Die von A.________ hiegegen erhobene Beschwerde hiess das Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt in dem Sinne gut, dass es die angefochtene Verfügung mit der Begründung, das RAV sei hiefür mangels rechtsgenüglicher Kompetenzdelegation nicht zuständig, für nichtig erklärte (Entscheid vom 27. November 2003).
 
C.
 
Das Amt für Wirtschaft und Arbeit (AWA) führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Rechtsbegehren, in Aufhebung des kantonalen Gerichtsentscheides sei die Verfügung vom 31. Oktober 2002 zu bestätigen.
 
A.________ und das Staatssekretariat für Wirtschaft haben sich zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht vernehmen lassen.
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
 
1.
 
Streitig und zu prüfen ist, ob das kantonale Gericht zu Recht auf Nichtigkeit der Verfügung vom 31. Oktober 2002 mangels Zuständigkeit des RAV erkannt hat. Dies beurteilt sich nach dem bei Erlass des besagten Verwaltungsaktes gültig gewesenen Recht. Das am 1. Januar 2003 in Kraft getretene Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000 gelangt nicht zur Anwendung (BGE 129 V 4 Erw. 1.2). Gleiches gilt für die am 1. Juli 2003 in Kraft getretene Teilrevision des AVIG vom 22. März 2002.
 
Das kantonale Gericht hat die demnach massgeblichen bundesrechtlichen Bestimmungen zutreffend dargelegt. Es betrifft dies namentlich die Zuständigkeit der kantonalen Amtsstellen, Einstellungen in der Anspruchsberechtigung wegen nicht genügenden persönlichen Bemühungen um zumutbare Arbeit zu verfügen (Art. 30 Abs. 1 lit. c und Abs. 2 erster Satz AVIG; Art. 85 Abs. 1 lit. g AVIG), sowie die den Kantonen eingeräumte Befugnis, den regionalen Arbeitsvermittlungszentren Aufgaben der kantonalen Amtsstellen und der Gemeindearbeitsämter zu übertragen (Art. 85b Abs. 1 zweiter Satz AVIG in der bis 30. Juni 2003 gültig gewesenen Fassung). Darauf wird verwiesen.
 
Richtig wiedergegeben sind auch die Erfordernisse einer rechtsgültigen Kompetenzdelegation einzelner Aufgaben der kantonalen Amtsstelle an die RAV. Dies bedingt demnach einen formellen, den Publikationsvorschriften des Kantons unterliegenden Erlass. Eine bloss auf internen Verwaltungsweisungen vorgenommene Zuständigkeitsübertragung genügt nicht, auch wenn dies dem Willen des kantonalen Gesetzgebers entspräche (vgl. BGE 129 V 487 Erw. 2.2).
 
2.
 
2.1 Der Kanton Basel-Stadt hat in seiner Gesetzgebung als kantonale Amtsstelle im Sinne von Art. 85 AVIG das "Kantonale Arbeitsamt" bezeichnet (§ 1 Abs. 1 des Gesetzes vom 27. September 1984 über die Einführung des Bundesgesetzes vom 25. Juni 1982 über die obligatorische Arbeitslosenversicherung und die Insolvenzentschädigung, EG AVIG). Dieses übt die ihm vom Bundesrecht zugewiesenen Befugnisse aus und sorgt insbesondere für eine wirksame Zusammenarbeit der für die Versicherung und für die Arbeitsvermittlung zuständigen Stellen (§ 1 Abs. 2 EG AVIG).
 
In der baselstädtischen Verwaltungsorganisation wird der gesetzliche Begriff "Kantonales Arbeitsamt" nicht verwendet. Dessen Aufgaben werden vom Kantonalen Amt für Industrie, Gewerbe und Arbeit (KIGA; seit 1. Januar 2004: Amt für Wirtschaft und Arbeit, AWA) wahrgenommen, welchem demnach gestützt auf § 1 Abs. 1 EG AVIG auch die Funktion der "kantonalen Amtsstelle" nach Art. 85 AVIG zukommt.
 
Es steht fest, dass das RAV, welches die streitige Verfügung erlassen hat, nicht dem "Kantonalen Arbeitsamt" gemäss § 1 EG AVIG und damit auch nicht der kantonalen Amtsstelle nach Art. 85 AVIG gleichzusetzen ist. Sodann fehlt es, wie die Vorinstanz zutreffend darlegt, an einer den rechtsprechungsgemässen Anforderungen genügenden (Erw. 1 hievor) kantonalrechtlichen Delegation der bundesrechtlich den kantonalen Amtsstellen übertragenen Kompetenzen an das RAV (zur Überprüfung kantonalen Verfahrensrechts durch das Eidgenössische Versicherungsgericht: BGE 126 V 149 Erw. 2b, vgl. auch BGE 129 V 487 Erw. 2.2). Entgegen der in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde vertretenen Auffassung kommen den baselstädtischen RAV, welche als Abteilung des KIGA (AWA) diesem jedenfalls nachgeordnet sind, ohne rechtsgenügliche Kompetenzdelegation keine dem Amt gestützt auf Art. 30 und Art. 85 AVIG in Verbindung mit § 1 EG AVIG zugestehenden Befugnisse zu.
 
2.2 Liegt nach dem Gesagten die erforderliche Kompetenzdelegation an das RAV nicht vor, hat eine sachlich unzuständige Behörde die Verfügung vom 31. Oktober 2002 erlassen. Praxisgemäss bildet die sachliche Unzuständigkeit einen Nichtigkeitsgrund, es sei denn, der verfügenden Behörde komme auf dem betreffenden Gebiet allgemeine Entscheidungsgewalt zu (BGE 129 V 488 Erw. 2.3 mit Hinweisen). Letzteres trifft auf die RAV, deren Befugnisse im Rahmen der eidgenössischen Arbeitslosenversicherung sich auf die ihnen von den Kantonen übertragenen Aufgaben der kantonalen Amtsstellen und Gemeindearbeitsämter beschränken (Erw. 1 hievor), nicht zu.
 
Die Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes ist jederzeit und von sämtlichen rechtsanwendenden Behörden von Amtes wegen zu beachten (BGE 129 V 488 Erw. 2.3 mit Hinweisen), weshalb der vorinstanzliche Entscheid rechtens ist.
 
3.
 
Das Verfahren hat nicht die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen, sondern prozessuale Fragen zum Gegenstand, und ist daher kostenpflichtig (Art. 134 OG e contrario). Dem AWA werden keine Gerichtskosten auferlegt (Art. 156 Abs 2 OG).
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
 
1.
 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
 
2.
 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. Der geleistete Kostenvorschuss von Fr. 500.- wird zurückerstattet.
 
3.
 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt und dem Staatssekretariat für Wirtschaft zugestellt.
 
Luzern, 22. Juli 2004
 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts
 
Der Präsident der IV. Kammer: Der Gerichtsschreiber:
 
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR).