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Informationen zum Dokument  BGer 4P.66/2004  Materielle Begründung
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BGer 4P.66/2004 vom 11.08.2004
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
4P.66/2004 /lma
 
Urteil vom 11. August 2004
 
I. Zivilabteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichterin Klett, präsidierendes Mitglied,
 
Bundesrichterin Rottenberg Liatowitsch,
 
Bundesrichter Nyffeler,
 
Gerichtsschreiberin Schoder.
 
Parteien
 
A.C.________ und B.C.________,
 
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Josef Ulrich,
 
gegen
 
D.________ Versicherung,
 
Beschwerdegegnerin, vertreten durch Rechtsanwalt
 
Dr. Urban Bieri,
 
Obergericht des Kantons Luzern, I. Kammer als Appellationsinstanz.
 
Gegenstand
 
Art. 9 und 29 Abs. 2 BV (Willkürliche Beweiswürdigung im Zivilprozess; rechtliches Gehör),
 
Staatsrechtliche Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Luzern, I. Kammer als Appellationsinstanz, vom 27. Januar 2004.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
A.C.________ und B.C.________ (Beschwerdeführer) schlossen mit der D.________ Versicherung (Beschwerdegegnerin) am 28. August 1996 einen Mietvertrag über eine 3½-Zimmer-Wohnung an der Strasse X.________ ab. Gemäss diesem Vertrag weist die Wohnung eine Fläche von "ca. 109 m2" auf. Die Beschwerdeführer sind der Auffassung, dass die Parteien eine Nettowohnfläche von 109 m2 vereinbart hätten, und bestreiten, dass die gemietete Wohnung diesen Flächenumfang erreicht.
 
B.
 
Am 18. Mai 2001 beantragten die Beschwerdeführer beim Amtsgericht Luzern-Stadt, die Beschwerdegegnerin habe den Beschwerdeführern Mietzinsrückzahlungen von Fr. 17'700.-- zu leisten (Begehren 1), Mietzins und Nebenkosten seien rückwirkend auf den Tag der Klageeinreichung auf Fr. 1'600.-- herabzusetzen (Begehren 2), der auf die Wohnung entfallende Anteil an Nebenkosten sei auf der Grundlage der von den Beschwerdeführern beigelegten EWI-Blätter neu festzulegen (Begehren 3), und die Beschwerdegegnerin habe den Beschwerdeführern wegen zuviel geleisteten Nebenkostenzahlungen Fr. 1'613.70 zu leisten (Begehren 4). Das Amtsgericht Luzern-Stadt wies die Klage mit Urteil vom 29. April 2002 ab.
 
Die Beschwerdeführer erklärten gegen das amtsgerichtliche Urteil Appellation und beantragten, das Urteil sei aufzuheben (Begehren 1), die Beschwerdegegnerin habe den Beschwerdeführern Mietzinsrückzahlungen von Fr. 13'204.-- nebst Zins seit dem 1. Oktober 1996 zu leisten (Begehren 2), der Mietzins sei auf Fr. 1'550.-- inkl. Nebenkosten herabzusetzen (Begehren 3), der Zwangswärmebezug für die Wohnung sei rückwirkend auf den Tag der Klageeinleitung auf 1'450 HKV festzusetzen (Begehren 4), der Parameter für die Nebenkostenberechnung der Wohnung sei auf 206 m3 festzusetzen (Begehren 5), und die Beschwerdegegnerin habe den Beschwerdeführern Fr. 1'613.70 infolge zuviel bezahlten Nebenkosten zu bezahlen (Begehren 6).
 
In der Appellationsbegründung verzichteten die Beschwerdeführer auf die Verzinsung der Mietzinsrückzahlungen (Begehren 2) und änderten Begehren 5 dahingehend, dass der Parameter für die Nebenkostenabrechnung auf 212.86 m3 festzusetzen sei. Mit Urteil vom 27. Januar 2004 wies das Obergericht des Kantons Luzern die Klage ab, soweit es darauf eintrat.
 
C.
 
Die Beschwerdeführer haben gegen das Urteil des Obergerichts vom 27. Januar 2004 sowohl staatsrechtliche Beschwerde als auch Berufung erhoben. Mit staatsrechtlicher Beschwerde beantragen sie die Aufhebung des angefochtenen Urteils. Die Beschwerdegegnerin schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das Obergericht des Kantons Luzern beantragt die Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
1.
 
1.1 Nach Auffassung des Obergerichts sind die Voraussetzungen zur Geltendmachung der Mängelrechte gemäss Art. 258 OR nicht erfüllt. Das Obergericht kommt zum Schluss, die Beschwerdeführer hätten nicht nachweisen können, dass es sich bei der vertraglichen Abmachung über eine Wohnfläche von "ca. 109 m2" um die Zusicherung einer Nettowohnfläche handle. Im Übrigen hält das Obergericht dafür, die Beschwerdeführer hätten nicht rechtsgenüglich, d.h. in einer für die Beschwerdegegnerin erkennbaren Weise, auf der gehörigen Erfüllung des Mietvertrages beharrt, was vom Mieter, der eine Mietsache trotz Mängeln übernimmt, gemäss Art. 258 Abs. 2 OR für die Geltendmachung von Mängelrechten verlangt werde. Die Beschwerdeführer hätten die Mietsache somit vorbehaltlos übernommen und könnten infolgedessen die Mängelrechte des Mietrechts (Art. 258 Abs. 2 OR i.V.m. Art. 259a - Art. 259i OR) nicht geltend machen.
 
Die Beschwerdeführer werfen dem Obergericht bezüglich der Frage, ob eine Einigung über die Nettowohnfläche zustande gekommen sei, Willkür in der Beweiswürdigung und bezüglich der Frage, ob die Beschwerdeführer auf der Erfüllung des Mietvertrags rechtsgenüglich beharrt hätten, Willkür bei der Sachverhaltsermittlung sowie bei der Beweiswürdigung vor. Sodann habe das Obergericht den Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) verletzt, indem es dem Antrag der Beschwerdeführer, die Wohnung durch einen vom Gericht ernannten Experten ausmessen zu lassen, nicht entsprach.
 
1.2 Willkür (Art. 9 BV) liegt nicht schon dann vor, wenn eine andere als die vom kantonalen Gericht gewählte Lösung ebenfalls vertretbar oder gar vorzuziehen wäre. Willkürlich ist ein Entscheid vielmehr erst, wenn er offensichtlich unhaltbar ist, insbesondere mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft (BGE 129 I 8 E. 2.1 S. 9; 128 I 177 E. 2.1 S. 182, je mit Hinweisen). Geht es um Beweiswürdigung, ist überdies zu beachten, dass dem Sachgericht darin ein weiter Ermessensspielraum zukommt (BGE 120 Ia 31 E. 4b S. 40; 118 Ia 28 E. 1b S. 30). Inwiefern das kantonale Gericht sein Ermessen im dargelegten Sinne missbraucht haben soll, ist in der staatsrechtlichen Beschwerde klar und detailliert darzulegen (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG; BGE 129 I 185 E. 1.6 S. 189, mit Hinweisen).
 
1.3 Das Obergericht stützt seine Schlussfolgerung, die Beschwerdeführer hätten nicht nachweisen können, dass die Beschwerdegegnerin den Beschwerdeführern eine Nettowohnfläche von 109 m2 zugesichert habe, auf folgende Argumente: Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer könne aus den Angaben über die Nettowohnfläche in den von der Immobilienverwaltung lancierten Inseraten zur Vermietung von benachbarten Wohnungen, deren Angaben mit denjenigen einer Tabelle über die Wohnfläche der an der Strasse X.________ gelegenen Wohnungen übereinstimmen, sowie aus den Angaben dieser Tabelle, die der Angabe der Wohnfläche im vorliegenden Mietvertrag entspreche, nicht a priori abgeleitet werden, die Parteien hätten eine Nettowohnfläche von 109 m2 vereinbart. Äusserungen der Immobilienverwaltung dürften der Beschwerdegegnerin nicht ohne weiteres zugerechnet werden, zumal weder die Daten der besagten Wohnungsinserate noch der Ersteller der tabellarischen Übersicht bekannt seien. Insbesondere spreche gegen die Vereinbarung einer Nettowohnfläche, dass die Beschwerdeführer selbst zugegeben hätten, die Angabe der ungefähren Wohnfläche im Mietvertrag würde keinen Sinn machen, da die Beschwerdegegnerin die Wohnung nicht ausgemessen, sondern die angegebene Flächengrösse von 109 m2 aus besagter Tabelle unbesehen übernommen habe. Selbst wenn aber mit der Angabe im Mietvertrag eine Nettowohnfläche gemeint gewesen wäre, würde es sich nur um eine ungefähre Fläche handeln können, was sich aus dem Zusatz "ca." ergebe. Auch sei nicht klar, nach welcher Messmethode die Nettowohnfläche zu berechnen sei. Mangels Bestimmtheit der Angaben über die Fläche des Mietobjekts müsse davon ausgegangen werden, dass die Parteien keine vertragliche Abmachung über die Fläche des Mietobjekts getroffen hätten.
 
Die Beschwerdeführer bringen vor, das Obergericht verkenne, dass die erwähnten Wohnungsinserate und die tabellarische Übersicht über die Flächen der Wohnungen an der Strasse X.________ Indizien darstellen, die zusammen mit der Flächenangabe von "ca. 109 m2" im Mietvertrag den Schluss nahelegen, dass die Parteien eine Nettowohnfläche von 109 m2 vereinbart hätten. Wer die tabellarische Übersicht erstellt habe, sei nicht relevant. Die Beschwerdegegnerin selbst habe den Beschwerdeführern diese Übersicht mit Schreiben vom 6. August 1998 zukommen lassen. Auch habe die Beschwerdegegnerin niemals bestritten, dass es sich bei den in der Tabelle aufgeführten Werten um Angaben betreffend die Wohnungen an der Strasse X.________ handle.
 
Im Wesentlichen beschränken sich die Beschwerdeführer darauf, ihre Ausführungen vor Obergericht über die Bedeutung der Wohnungsinserate und der tabellarischen Übersicht über die Flächen der Wohnungen an der Strasse X.________ zu wiederholen. Der blosse Umstand, dass es die Beschwerdegegnerin gewesen sein soll, welche die Tabelle den Beschwerdeführern am 6. August 1998, also fast zwei Jahre nach Abschluss des schriftlichen Mietvertrags vom 28. August 1996, zur Verfügung stellte, und die Beschwerdegegnerin die Richtigkeit der in der Tabelle enthaltenen Angaben nicht bestritten haben soll, legt nicht zwingend den Schluss nahe, dass die Parteien eine Nettowohnfläche von 109 m2 vereinbart hätten. Die Vorbringen der Beschwerdeführer sind nicht geeignet, die Schlussfolgerung des Obergerichts, aufgrund des Zugeständnisses der Beschwerdeführer über die Sinnlosigkeit der Flächenangaben im Mietvertrag, der blossen circa-Angabe der Wohnfläche im Mietvertrag und der Unklarheiten betreffend die Messmethode der Wohnfläche müsse geschlossen werden, dass die Parteien über die Nettowohnfläche des Mietobjekts keine Vereinbarung getroffen hätten, als geradezu unhaltbar erscheinen zu lassen. Die Beschwerde ist, soweit sie den Begründungsanforderungen genügt (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG), unbegründet.
 
1.4 Nach dem Gesagten hält das angefochtene Urteil, wonach die Beschwerdeführer nicht nachweisen konnten, dass die Parteien eine Nettowohnfläche von 109 m2 vereinbart hätten, vor der Verfassung stand. Es kann deshalb offen bleiben, ob das Obergericht bezüglich der Frage, ob die Beschwerdeführer bei Antritt des Mietverhältnisses auf der gehörigen Erfüllung des Mietvertrags beharrten, den Sachverhalt willkürfrei ermittelte. Ebenso wenig muss geprüft werden, ob das Obergericht den Gehörsanspruch der Beschwerdeführer verletzte, indem es von der Anordnung einer Vermessung der Wohnung durch einen gerichtlichen Experten absah.
 
2.
 
Die Beschwerdeführer machen ferner geltend, das Obergericht habe kantonales Prozessrecht verletzt, indem es auf die Begehren betreffend die neue Festsetzung der Parameter für die Nebenkostenberechnung und des Zwangswärmebezugs nicht eingetreten sei. Dieses Vorbringen steht wiederum im Zusammenhang mit der Nettowohnfläche, worüber die Parteien gemäss dem Urteil des Obergerichts keine Einigung trafen. Mangels Erheblichkeit muss dieses Vorbringen ebenfalls nicht geprüft werden.
 
3.
 
Insgesamt erweist sich die Beschwerde als offensichtlich unbegründet, soweit auf sie eingetreten werden kann. Dem Verfahrensausgang entsprechend haben die Beschwerdeführer die Gerichtskosten zu tragen (Art. 156 Abs. 1 und 7 OG) und der Beschwerdegegnerin eine Prozessentschädigung zu entrichten (Art. 159 Abs. 1, 2 und 5 OG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2.
 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird den Beschwerdeführern unter solidarischer Haftbarkeit auferlegt.
 
3.
 
Die Beschwerdeführer haben die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche Verfahren unter solidarischer Haftbarkeit mit Fr. 2'500.-- zu entschädigen.
 
4.
 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Luzern, I. Kammer als Appellationsinstanz, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 11. August 2004
 
Im Namen der I. Zivilabteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:
 
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