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Informationen zum Dokument  BGer 1P.59/2004  Materielle Begründung
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BGer 1P.59/2004 vom 17.08.2004
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
1P.59/2004 /grl
 
Urteil vom 17. August 2004
 
I. Öffentlichrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesgerichtspräsident Aemisegger, Präsident,
 
Bundesgerichtsvizepräsident Nay,
 
Bundesrichter Aeschlimann, Féraud und Fonjallaz,
 
Gerichtsschreiberin Gerber.
 
Parteien
 
A.________, p.A. Rechtsanwälte Ernst und Schnyder,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
Politische Gemeinde Wängi, 9545 Wängi,
 
handelnd durch den Gemeinderat Wängi,
 
Steinlerstrasse 2, Postfach 69, 9545 Wängi,
 
Departement für Inneres und Volkswirtschaft
 
des Kantons Thurgau, Verwaltungsgebäude,
 
8510 Frauenfeld Kant. Verwaltung,
 
Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau,
 
Frauenfelderstrasse 16, 8570 Weinfelden.
 
Gegenstand
 
Art. 85 a OG; Stimmrechtsbeschwerde; Finanzkompetenz,
 
Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Entscheid
 
des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau vom
 
26. November 2003.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
Die Gemeindeversammlung der Politischen Gemeinde Wängi bewilligte an der Budgetgemeinde vom 24. Februar 2003 u.a. einen Investitionskredit von Fr. 200'000.-- für einen Anbau zum bestehenden Werkgebäude. Die Räumlichkeiten sollen der Kantonspolizei Thurgau für die Einrichtung eines neuen Polizeipostens vermietet werden. Die Kantonspolizei wünschte gegenüber dem Projekt, das der Gemeindeversammlung unterbreitetet worden war, Änderungen, die Mehrkosten von Fr. 91'300.-- nach sich zogen. Der Gemeinderat bewilligte am 24. Juni 2003 einen entsprechenden zusätzlichen Kredit.
 
B.
 
A.________ gelangte mit Stimmrechtsrekurs an das Departement für Inneres und Volkswirtschaft des Kantons Thurgau. Er beantragte, der Gemeinderatsbeschluss vom 24. Juni 2003 und allenfalls auch der Gemeindeversammlungsbeschluss vom 24. Februar 2003 seien aufzuheben. Der Gemeinderat sei anzuweisen, der Gemeindeversammlung ein endgültiges Projekt mitsamt einer Kostenzusammenstellung zu unterbreiten. Vorsorglich sei bis zur rechtskräftigen Erledigung des Verfahrens ein Baustopp anzuordnen.
 
Am 8. September 2003 wies das Departement den Stimmrechtsrekurs ab und ermächtigte die Gemeinde im Sinne einer vorsorglichen Massnahme, den Kredit von total Fr. 291'300.-- bereits mit Eröffnung des Rekursentscheids für die Finanzierung des bewilligten Projekts "Kantonspolizeiposten Wängi" zu verwenden.
 
C.
 
Dagegen erhob A.________ Stimmrechtsbeschwerde an das Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau. Er beantragte, es sei die Beschwerde gutzuheissen und die vorsorgliche Massnahme des Departements aufzuheben. Ferner verlangte er einen Baustopp, soweit dies zur Hemmung des Vollzugs erforderlich sei. Mit Verfügung vom 20. Oktober 2003 wies der Präsident des Verwaltungsgerichts das Gesuch um Aufhebung der vorsorglichen Massnahme ab. Das Verwaltungsgericht wies am 26. November 2003 die Stimmrechtsbeschwerde ab.
 
D.
 
A.________ erhebt gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stimmrechtsbeschwerde beim Bundesgericht. Er beantragt, es sei die Widerrechtlichkeit des Entscheids des Verwaltungsgerichts und der Entscheide der Vorinstanzen festzustellen.
 
E.
 
Der Gemeinderat von Wängi beantragt, auf die Beschwerde sei nicht einzutreten, eventuell sei sie vollumfänglich abzuweisen. Das Verwaltungsgericht schliesst auf Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei. Das Departement für Inneres und Volkswirtschaft stellt einen Abweisungsantrag.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
1.
 
1.1 Nach Art. 85 lit. a OG beurteilt das Bundesgericht Beschwerden betreffend die politische Stimmberechtigung der Bürger und betreffend kantonale Wahlen und Abstimmungen. Als kantonal gelten auch Wahlen und Abstimmungen in Gemeinden. Besteht in einem Kanton das Institut des obligatorischen oder fakultativen Finanzreferendums, so kann Anfechtungsgegenstand der Stimmrechtsbeschwerde jeder Ausgabenbeschluss des Gemeinwesens oder ein darüber ergangener Rechtsmittelentscheid sein, unabhängig davon, ob er von der Exekutive oder vom Parlament gefasst worden ist (BGE 118 Ia 184 E. 1a S. 187; 113 Ia 388 E. 1b S. 389). Gleich verhält es sich bei kommunalen Ausgabenbeschlüssen, wenn das kantonale bzw. kommunale Recht der Gemeindeversammlung, d.h. der Gesamtheit der stimmberechtigten Einwohner, Finanzkompetenzen einräumt.
 
Vor Verwaltungsgericht machte der Beschwerdeführer geltend, der Gemeinderat habe eine Ausgabe beschlossen, obwohl nach der Gemeindeordnung die Gemeindeversammlung dafür zuständig gewesen wäre. Das Verwaltungsgericht verwarf diesen Einwand und wies das kantonale Rechtsmittel ab. Hiergegen steht nach dem Gesagten die Stimmrechtsbeschwerde an das Bundesgericht offen. Der Beschwerdeführer ist als stimmberechtigter Einwohner der Gemeinde Wängi zur Beschwerde legitimiert (BGE 118 Ia 184 E. 1b S. 188).
 
1.2 Die staatsrechtliche Beschwerde ist grundsätzlich kassatorischer Natur, d.h. es kann mit ihr in der Regel nur die Aufhebung des angefochtenen Entscheids verlangt werden. Eine Ausnahme ist nur gerechtfertigt, wenn der verfassungsmässige Zustand nicht bereits mit der Aufhebung des angefochtenen Entscheids herzustellen ist (BGE 129 I 129 E. 1.2.1 S. 131 f. mit Hinweisen). Dies gilt auch für die Stimmrechtsbeschwerde (BGE 129 I 185 E. 1.5 S. 189 mit Hinweis).
 
Im vorliegenden Fall ist nicht ersichtlich, welches besondere Interesse der Beschwerdeführer an einer Feststellung der Widerrechtlichkeit des angefochtenen Entscheides hat. Falls die vorliegende Beschwerde sich als begründet erweist, hebt das Bundesgericht den Entscheid des Verwaltungsgerichts auf. Dieses hat dann unter Berücksichtigung der Erwägungen des Bundesgerichts neu zu entscheiden. Dies genügt zur Herstellung des verfassungsmässigen Zustands.
 
Die beantragte Feststellung der Widerrechtlichkeit erweist sich damit als unzulässig. Aufgrund der Beschwerdebegründung kann jedoch dem Feststellungsantrag die Bedeutung zugemessen werden, der Beschwerdeführer verlange implizit auch die Aufhebung des verwaltungsgerichtlichen Urteils. Insoweit steht die mangelhafte Antragstellung einem Eintreten auf die erhobenen Stimmrechtsrügen nicht entgegen.
 
1.3 War die Prüfungsbefugnis der letzten kantonalen Instanz nicht eingeschränkter als diejenige des Bundesgerichts im Verfahren der Staatsrechtspflege, so hat sich die Beschwerde ausschliesslich gegen den letztinstanzlichen Entscheid zu richten (grundlegend BGE 111 Ia 353 E. 1b S. 354). Dies gilt grundsätzlich auch für Stimmrechtsbeschwerden, allerdings mit der Besonderheit, dass neben der Aufhebung des letztinstanzlichen kantonalen Entscheids zusätzlich die Aufhebung der umstrittenen Wahl oder Volksabstimmung verlangt werden kann (Entscheid 1P.517/1994 vom 22. November 1994 E. 1d mit Hinweisen, publ. in ZBl 96/1995 S. 570 und Pra 1996 Nr. 32 S. 85).
 
Im vorliegenden Verfahren ist die Prüfungsbefugnis des Verwaltungsgerichts nicht enger als die des Bundesgerichts. Soweit das Feststellungsbegehren des Beschwerdeführers den Beschluss des Gemeinderates vom 24. Juni 2003 und den Rekursentscheid des Departements für Inneres und Volkswirtschaft vom 8. September 2003 betrifft, kann offen bleiben, ob darin auch ein Aufhebungsantrag enthalten ist, weil auf einen solchen ohnehin nicht eingetreten werden könnte.
 
1.4 Nachdem ein Fristenstillstand gemäss Art. 34 Abs. 1 lit. c OG zu beachten ist, gilt - entgegen der Vermutung des Gemeinderates Wängi - die Beschwerdefrist als eingehalten. Die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen sind erfüllt und geben zu keinen Bemerkungen Anlass. Unter den erwähnten Vorbehalten ist auf die Stimmrechtsbeschwerde einzutreten.
 
2.
 
Bei Stimmrechtsbeschwerden prüft das Bundesgericht nicht nur die Auslegung von Bundesrecht und kantonalem Verfassungsrecht frei, sondern auch diejenige anderer kantonaler Vorschriften, welche den Inhalt des Stimm- und Wahlrechts normieren oder mit diesem in engem Zusammenhang stehen. Die Anwendung anderer Vorschriften und die Feststellung des Sachverhalts prüft das Bundesgericht nur unter dem Blickwinkel des Willkürverbots (BGE 123 I 152 E. 2b S. 155; 175 E. 2d/aa S. 178 mit Hinweisen). In ausgesprochenen Zweifelsfällen schliesst es sich der vom obersten kantonalen Organ vertretenen Auffassung an; als solche gelten das Parlament und das Volk (BGE 123 I 175 E. 2d/aa S. 178).
 
3.
 
Der Investitionskredit der Gemeindeversammlung von Fr. 200'000.-- und derjenige des Gemeinderates von Fr. 91'300.-- betreffen das selbe Projekt und sind für einen einmaligen Zweck bestimmt. Der Kreditbeschluss der Gemeindeversammlung ist der Hauptkredit. Die vom Gemeinderat bewilligte Ausgabe ist ein Zuschuss zum Hauptkredit; es handelt sich um einen Nachkredit (Zusatz- oder Nachtragskredit).
 
Vorliegend ist die Zuständigkeit für den Nachkredit streitig. Nach den Ausführungen des Beschwerdeführers ist dieser von derjenigen Instanz zu bewilligen, die bereits den Hauptkredit bewilligt hat, im vorliegenden Fall also die Gemeindeversammlung. Dagegen gehen die Gemeinde und die kantonalen Instanzen davon aus, dass der Gemeinderat im Rahmen seiner Finanzkompetenz gemäss § 29 der Gemeindeordnung der Politischen Gemeinde Wängi (GO) für den Nachkredit zuständig gewesen sei.
 
3.1 Die Gemeinde wie auch alle kantonalen Instanzen qualifizieren den Investitionskredit als Ausgabe und nicht als Vermögensanlage. Das Verwaltungsgericht führte dazu aus, der Bau des Polizeipostens sei nicht in erster Linie erfolgt, um damit Mieteinnahmen zu erzielen; vielmehr diene er der Polizei und damit, zumindest indirekt, auch der Erfüllung von Gemeindeaufgaben.
 
Diese Auffassung ist nicht zu beanstanden: Aus den Akten geht hervor, dass mit dem Bau des Polizeipostens die weitere Präsenz der Kantonspolizei in Wängi gesichert werden sollte. Im Vordergrund standen damit nicht rein finanzielle, sondern öffentliche Sachinteressen (vgl. Entscheid 1P.50/1989 vom 12. Juni 1989 E. 3c, publ. in ZBl 91/1990 S. 121; Adrian Hungerbühler, Das Finanzreferendum nach der aargauischen Kantonsverfassung vom 25. Juni 1980, ZBl 86/1985 S. 334 oben).
 
3.2 Das Bundesgericht hat in seiner Rechtsprechung zum Finanzreferendum Kriterien für die Beurteilung der Frage ausgearbeitet, wann eine beabsichtigte Ausgabe als "neue Ausgabe" dem Referendum zu unterstellen ist. Allerdings sind die Kantone an die vom Bundesgericht entwickelte Begriffsbestimmung grundsätzlich nicht gebunden: Von ihr darf dort abgewichen werden, wo sich nach Auslegung des kantonalen Rechts oder aufgrund einer feststehenden und unangefochtenen Rechtsauffassung und Praxis der zuständigen kantonalen Organe eine andere Betrachtungsweise aufdrängt; dies deshalb, weil das Finanzreferendum ein Institut des kantonalen Rechts ist und das Bundesgericht lediglich über die Einhaltung der dem Bürger kantonalrechtlich eingeräumten Mitwirkungsrechte zu wachen hat (BGE 125 I 87 E. 3b S. 91 mit Hinweisen).
 
Allerdings obliegt dem Bundesgericht die Kontrolle darüber, dass das Finanzreferendum, soweit es im kantonalen Recht vorgesehen ist, sinnvoll, d.h. unter Berücksichtigung seiner staatspolitischen Funktion gehandhabt und nicht seiner Substanz entleert wird (BGE 125 I 87 E. 3b S. 91 mit Hinweisen). Gewisse, vom Bundesgericht aus der Wahl- und Abstimmungsfreiheit abgeleitete Grundsätze sind deshalb als bundesrechtliche Mindestanforderung zu betrachten, von denen die Kantone nicht abweichen dürfen (Entscheid 1P.123/2002 vom 25. Juni 2003 E. 3.2; Walter Kälin/Peter Saladin, Rechtsfragen der Ausgabenbewilligung im Kanton Bern, Gutachten vom 22. Dezember 1986, S. 111 ff.).
 
4.
 
Im Folgenden ist zunächst zu prüfen, ob und inwieweit den Stimmberechtigten nach kantonalem Recht ein Mitspracherecht bei der Verwendung der öffentlichen Finanzen zukommt.
 
4.1 Nach § 59 Abs. 1 der Verfassung des Kantons Thurgau vom 16. März 1987 (KV/TG) bestimmen die politischen Gemeinden ihre Organisation im Rahmen von Verfassung und Gesetz frei. Gemäss Abs. 2 dieser Verfassungsbestimmung unterliegt die Gemeindeordnung der Volksabstimmung und bedarf der Genehmigung durch den Regierungsrat.
 
4.2 § 3 des thurgauischen Gesetzes über die Gemeinden vom 5. Mai 1999 (GemG) legt fest, welche Geschäfte den Stimmberechtigten zustehen. Wie es schon die Verfassung vorschreibt, fällt der Erlass oder die Änderung der Gemeindeordnung in die Zuständigkeit der Stimmberechtigten. Im Finanzbereich obliegt ihnen die Genehmigung des Voranschlages sowie die Festsetzung des Steuerfusses und die Genehmigung der Jahresrechnung (§ 3 Abs. 1 Ziff. 8 und 9 GemG). Die Gemeindeordnung bestimmt die weiteren Zuständigkeiten der Stimmberechtigten (§ 4 GemG).
 
4.3 Die Gemeindeordnung der Politischen Gemeinde Wängi vom 29. Mai 2002 (GO) führt in § 22 die Befugnisse der Gemeindeversammlung auf. Sie ist nach Ziff. 5 zuständig für die Bewilligung von Krediten, welche die Kompetenz des Gemeinderates übersteigen. Nach § 29 GO verfügt der Gemeinderat "ausserhalb des Voranschlages" über folgende Finanzbefugnisse:
 
1. Für einmalige unvorhergesehene Ausgaben für die gleiche Angelegenheit steht ein Kredit von Fr. 100'000.--, für jährlich wiederkehrende Ausgaben ein solcher von Fr. 10'000.-- zur Verfügung.
 
2. An- und Verkauf von Grundstücken, Liegenschaften und Unternehmungen bis zu einem Kaufpreis von Fr. 200'000.-- und Abschluss von Dienstbarkeits- und Grundlastenverträgen. Rechtsgeschäfte im Rahmen des Landkreditkontos sind hier ausgenommen."
 
Für Nachkredite kennt die Gemeindeordnung von Wängi keine speziellen Regeln.
 
4.4 Das Thurgauer Gesetz über den Finanzhaushalt des Staates vom 7. Dezember 1994 bestimmt in § 10, wie hinsichtlich der Finanzkompetenzen des Grossen Rates bei Kreditüberschreitungen vorzugehen ist: Wenn die vom Voranschlag bewilligten Kredite nicht ausreichen, hat der Regierungsrat vom Grossen Rat im Laufe des Jahres rechtzeitig Nachtragskredite zu verlangen (Abs. 1). Sodann kann der Regierungsrat für neue dringende Aufgaben, die nicht bis zum nächsten Voranschlag zurückgestellt werden können und welche seine Kompetenz übersteigen, jederzeit besondere Kreditvorlagen an den Grossen Rat richten (Abs. 2). Sind die Ausgaben derart dringlich, dass sie dem Grossen Rat nicht mehr rechtzeitig zur Krediterteilung vorgelegt werden können, ist der Regierungsrat ermächtigt, sie schon vorher zu beschliessen; er hat indessen vom Grossen Rat bei dessen nächster Sitzung Entlastung zu verlangen (Abs. 3). Diese Regelung gilt allerdings nur für den kantonalen Finanzhaushalt und nicht für die Gemeinden.
 
4.5 Indessen stellt die Verordnung des Regierungsrates über das Rechnungswesen der Gemeinden vom 16. Mai 2000 ähnliche Vorschriften auf, welche die Gemeinden zu beachten haben: Nach § 7b Abs. 1 dürfen die vom zuständigen Organ bewilligten Kredite nicht überschritten werden. Wenn die bewilligten Kredite nicht ausreichen, hat die Exekutive beim zuständigen Organ im Laufe des Jahres rechtzeitig Nachtragskredite zu beantragen (Abs. 2). Für neue dringende Aufgaben, die nicht bis zum nächsten Voranschlag zurückgestellt werden können und welche die Kompetenz der Exekutive übersteigen, kann diese jederzeit besondere Kreditvorlagen an das zuständige Organ richten (Abs. 3). Sind die Ausgaben derart dringlich, dass sie dem zuständigen Organ nicht mehr rechtzeitig zur Kreditbewilligung vorgelegt werden können, ist die Exekutive ermächtigt, sie schon vorher zu beschliessen; sie hat aber beim zuständigen Organ bei dessen nächster Zusammenkunft um Entlastung zu ersuchen (Abs. 4).
 
Diese Bestimmung wurde allerdings erst am 9. Dezember 2003 erlassen und am 1. Januar 2004 in Kraft gesetzt, d.h. nach dem streitigen Gemeinderatsbeschluss vom 24. Juni 2003 und dem angefochtenen Verwaltungsgerichtsentscheid vom 26. November 2003. Sie findet deshalb auf den vorliegenden Fall keine Anwendung.
 
4.6 Der Gemeinderat Wängi erblickt im umstrittenen Nachkredit eine einmalige unvorhergesehene Ausgabe, zu deren Bewilligung er gemäss § 29 Abs. 1 GO zuständig sei. Er legt die kommunale Regelung der Finanzkompetenzen in dem Sinn aus, dass Nachkredite gemäss ihrer eigenen Höhe zu behandeln sind, d.h. unabhängig vom Verfahren, in dem der Hauptkredit bewilligt wurde. Die kantonalen Instanzen teilen diese Auslegung, stellen allerdings in ihren Entscheiden auch darauf ab, dass die Gemeindeversammlung die Mehrkosten von Fr. 91'399.-- durch ihre Kreditbewilligung vom 24. Februar 2003 mitbewilligt habe (so der Entscheid des Departements, E. 3c S. 9) bzw. die zusätzlichen Ausgaben bewilligt hätte, wäre ihr das Gesamtvolumen schon damals bekannt gewesen (Verwaltungsgerichtsentscheid, E. 2d).
 
Wie das Verwaltungsgericht festgehalten hat, besteht keine feststehende kantonale Praxis zu dieser Frage. Nachdem - zumindest zum Zeitpunkt des angefochtenen Entscheids - auch keine klare kantonale bzw. kommunale Regelung bestand, sind ergänzend die vom Bundesgericht entwickelten Grundsätze heranzuziehen.
 
5.
 
Das Bundesgericht stellt zur Abgrenzung von referendumspflichtigen gegenüber nicht referendumspflichtigen Ausgaben auf die Begriffe der "neuen" und "gebundenen" Ausgaben ab:
 
5.1 Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts gelten Ausgaben dann als gebunden, wenn sie durch einen Rechtssatz prinzipiell und dem Umfange nach vorgeschrieben oder zur Erfüllung der gesetzlich geordneten Verwaltungsaufgaben unbedingt erforderlich sind. Gebunden ist eine Ausgabe ferner, wenn anzunehmen ist, die Stimmberechtigten hätten mit einem vorausgehenden Grunderlass auch die aus ihm folgenden Aufwendungen gebilligt, falls ein entsprechendes Bedürfnis voraussehbar war oder falls es gleichgültig ist, welche Sachmittel zur Erfüllung der vom Gemeinwesen mit dem Grunderlass übernommenen Aufgaben gewählt werden (BGE 125 I 87 E. 3b S. 90 f. mit Hinweisen).
 
5.2 Haben die Stimmberechtigten mit ihrer Kreditbewilligung die Verwirklichung eines ihnen unterbreiteten Projekts befürwortet, so sind durch dieses Einverständnis grundsätzlich auch die gegenüber dem ursprünglichen Kostenvoranschlag sich ergebenden Mehrkosten gedeckt, weshalb der Nachkredit nicht mehr dem Referendum unterstellt werden muss (BGE 99 Ia 716 E. 2 S. 720 f.). Eine gebundene Ausgabe und damit ein Nachkredit im umschriebenen Sinne liegt beispielsweise vor, wenn sich die Mehrausgaben aus Modifikationen am Projekt ergeben, die sich im Verlaufe der Bauarbeiten als notwendig oder unter dem Gesichtspunkt einer bestmöglichen Ausführung des vorgesehen Werkes jedenfalls als wünschenswert erweisen, oder wenn unvorhersehbare oder auch nur unvorhergesehene Schwierigkeiten die vermehrten Aufwendungen erfordern.
 
Allerdings dürfen die Mehraufwendungen nicht die Folge einer wesentlichen Änderung des Projektes, wie z.B. einer Erweiterung oder erheblichen Ergänzung sein. Wird das Werk infolge wesentlicher Änderungen den Rahmen des dem Kreditbeschluss zugrunde liegenden Projektes sprengen, so kann die Zustimmung des Volkes zu den betreffenden Mehrkosten nicht mehr als gegeben erachtet werden, und deren Bindung durch den Kreditbeschluss ist nicht mehr gegeben (BGE 99 Ia 716 E. 2 S. 721; Kälin/Saladin, a.a.O., S. 169 ff.; Rolf Andreas Tinner, Finanzkontrolle in den Zürcher Gemeinden, Diss. Zürich 1983, S. 115 ff.; Peter Saile, Das Recht der Ausgabenbewilligung der zürcherischen Gemeinden, St. Gallen 1991, S. 174 ff.). Gleich verhält es sich, wenn der Hauptkredit bewusst zu tief gehalten wurde, um die Vorlage durchzubringen.
 
5.3 Diese aus dem Stimmrecht abgeleiteten bundesrechtlichen Grundsätze beziehen sich auf referendumspflichtige Ausgabenbewilligungen. Vorliegend geht es um die Abgrenzung der Zuständigkeiten zwischen der (Budget)Gemeindeversammlung und dem Gemeinderat.
 
5.3.1 In den Thurgauer Gemeinden äussern die Stimmberechtigten ihren Willen in der Gemeindeversammlung, soweit nicht die Urnenabstimmung oder Urnenwahl vorgeschrieben ist (§ 2 Abs. 2 GemG). Die Garantie der politischen Rechte schützt deshalb das Recht, an Abstimmungen zu partizipieren, die in den Zuständigkeitsbereich der Gemeindeversammlung fallen. Die Rüge, der Gemeinderat habe anstelle der zuständigen Gemeindeversammlung eine Ausgabe beschlossen, greift deshalb in gleicher Weise in das verfassungsrechtlich geschützte Stimmrecht ein, wie wenn in Missachtung der Zuständigkeitsordnung ein Ausgabenbeschluss dem Referendum entzogen wird.
 
5.3.2 Allerdings wurden die Ausgaben für den Polizeiposten nicht in einem besonderen Ausgabenbeschluss bewilligt, sondern im Rahmen des Budgets, unter Ziff. 113 "Polizei". Dieser Posten wurde wie folgt erläutert:
 
"Die Kantonspolizei hat mitgeteilt, dass sie die Aufhebung von Einzelpolizeiposten vorsehe. Der Gemeinderat ist sehr an der Beibehaltung eines Polizeipostens in Wängi interessiert und plant daher die Schaffung entsprechender Räumlichkeiten für den Ausbau eines Polizeipostens. Die Räumlichkeiten werden vom Kanton Thurgau gemietet, sodass die Investitionen refinanziert werden können."
 
Es wurden somit keine Angaben zum konkreten Projekt (Grösse, Lage, Ausstattung des Polizeipostens) gemacht. Ob das Projekt an der Gemeindeversammlung vorgestellt wurde, ist nicht bekannt (angefochtener Entscheid E. 2c). Das Verwaltungsgericht ging deshalb davon aus, dass im vorliegenden Fall nicht das Projekt, sondern die Ausgabe im Sinne der steuerlichen Belastung der Gemeindeeinwohner im Vordergrund gestanden habe.
 
In der Regel werden neue Ausgaben (von Bagatellbeträgen abgesehen) nicht über den Voranschlag, sondern durch separate Ausgabenbeschlüsse bewilligt (Armin Jans, Die Zuweisung der Budgetkompetenzen in Bund, Kantonen und Gemeinden, ZBl 85/1984 S. 479). Insofern ist das Budget, soweit es sich auf Ausgaben bezieht, die schon aufgrund von Gesetzen oder vorausgegangenen Ausgabenbeschlüssen zu tätigen sind, lediglich eine übersichtliche Darstellung der Einnahmen und Ausgaben, die für die massgebende Periode zu erwarten sind; seine Bewilligung durch die Gemeindeversammlung hat daher im Wesentlichen nur Kontrollfunktion.
 
Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung kann das Budget aber auch andere Elemente enthalten. Wird eine neue Ausgabe ohne besondere Vorlage gleichzeitig mit dem Budget beschlossen, so liegt ein echter Ausgabenbeschluss vor, für welchen die für das Finanzreferendum geltenden Vorschriften zu beachten sind (Urteil P.1079/1979 vom 30. November 1979 E. 4a, publ. in ZBl 82/1981 S. 92; BGE 99 Ia 188 E. 2b S. 193; 95 I 531 E. 3 S. 535 f.; 77 I 112 E. 2 S. 114).
 
Da jeweils eine Ausgabe für einen bestimmten Zweck beschlossen wird, wird mit der Bewilligung der Ausgabe auch über das Projekt entschieden, für welche die Ausgabe bestimmt ist. Das demokratische Mitwirkungsrecht der Stimmberechtigten bezieht sich nicht nur auf den finanzpolitischen Entscheid, sondern ermöglicht auch die Mitbestimmung über die Art und Weise des die Ausgaben verursachenden Projekts (Entscheid 1P.50/1989 vom 12. Juli 1989 E. 3c, publ. in ZBl 91/1990 S. 121). Auch der Budgetbeschluss der Gemeindeversammlung vom 24. Februar 2003 erfüllte diese Doppelfunktion, soweit damit die neue Ausgabe für den Polizeiposten bewilligt wurde. Ob die Gemeindeversammlung hinsichtlich des Projekts über genügend Informationen verfügte, ist - mangels entsprechender Rüge - nicht zu prüfen.
 
5.4 Gemäss den Angaben des Gemeinderates sind die Mehrkosten auf folgende Änderungswünsche der Kantonspolizei zurückzuführen: Die ursprüngliche Nutzfläche sei von 70 m2 auf 100 m2 erhöht worden (zusätzliches Büro, Materialraum, Schleusen- und Warteraum u.a.); um eine bessere Präsentation des Postens zu gewährleisten, habe der Anbau gegen Norden verschoben werden müssen, was dazu geführt habe, dass die Baute nicht mehr vollständig auf dem Schutzraum liege und deshalb eine Teilfundierung notwendig geworden sei. Sodann hätten Wünsche der kantonalen Liegenschaftsverwaltung betreffend EDV-Vernetzung zu Mehrkosten geführt.
 
Schon die Erhöhung der Nutzfläche um rund 45 % bedeutet eine wesentliche Projektänderung im Sinn der erwähnten bundesgerichtlichen Kriterien. Die Mehrkosten sind somit in erheblichem Umfang Folge einer Projektänderung, weshalb es sich um neue und nicht um gebundene Ausgaben handelt ("unechter" Nachtragskredit).
 
5.5 Derartige Mehrkosten fallen nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung in die Kompetenz des für die Gesamtausgabe zuständigen Organs, hier also der Gemeindeversammlung (BGE 99 Ia 716 E. 2 S. 721; Kälin/Saladin, a.a.O., S. 172). Dies gilt jedenfalls dann, wenn das kantonale bzw. kommunale Recht die Mitsprache der Stimmberechtigten auch bei "unechten" Nachkrediten nicht klarerweise ausschliesst. Da dies hier nicht der Fall ist (vgl. oben, E. 4), kann offen bleiben, ob eine derartige Regelung mit der Wahl- und Abstimmungsfreiheit (Art. 34 BV) vereinbar wäre (verneinend Saile, a.a.O., S. 179; Tinner, a.a.O., S. 115, weil damit den vollziehenden Organen ein Freipass zur Überschreitung der von der Aktivbürgerschaft gesetzten Kreditlimiten gegeben würde; bejahend Hans-Rudolf Arta, Die Zuständigkeitsordnung nach dem st. gallischen Gemeindegesetz in der politischen Gemeinde mit Bürgerversammlung, Diss. St. Gallen 1990, S. 138 Fn. 143).
 
5.6 Der Gemeinderat hätte deshalb den Nachkredit der Gemeindeversammlung unterbreiten müssen. Der die umstrittene Kreditbewilligung schützende Rechtsmittelentscheid verletzt den Beschwerdeführer in seinem Stimmrecht, was zur Gutheissung der Beschwerde führt.
 
6.
 
Nach dem Gesagten erweist sich die Stimmrechtsbeschwerde als begründet, soweit darauf einzutreten ist. Der angefochtene Entscheid des Verwaltungsgerichts ist daher aufzuheben. Es sind keine Gerichtskosten zu erheben. Da der Beschwerdeführer nicht anwaltlich vertreten ist, ist auch keine Parteientschädigung zuzusprechen.
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Stimmrechtsbeschwerde wird, soweit darauf einzutreten ist, gutgeheissen und der Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau vom 26. November 2003 aufgehoben.
 
2.
 
Es werden keine Kosten erhoben und keine Parteientschädigungen zugesprochen.
 
3.
 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Politischen Gemeinde Wängi, dem Departement für Inneres und Volkswirtschaft des Kantons Thurgau und dem Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 17. August 2004
 
Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:
 
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