BGer 1S.9/2004 | |||
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BGer 1S.9/2004 vom 23.09.2004 | |
Tribunale federale
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{T 0/2}
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1S.9/2004 /sta
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Urteil vom 23. September 2004
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I. Öffentlichrechtliche Abteilung
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Besetzung
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Bundesgerichtspräsident Aemisegger, Präsident,
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Bundesgerichtsvizepräsident Nay, Bundesrichter Féraud,
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Gerichtsschreiber Forster.
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Parteien
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X.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Fürsprecher Ulrich Seiler,
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gegen
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Schweizerische Bundesanwaltschaft,
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Taubenstrasse 16, 3003 Bern,
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Haftgericht III Bern-Mittelland, Haftrichter 8,
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Amthaus, Hodlerstrasse 7, 3011 Bern,
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Bundesstrafgericht, Präsident der Beschwerdekammer, Postfach 2720, 6501 Bellinzona,
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Gegenstand
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Bundesstrafprozess; Haftentlassung, verfahrensleitende Verfügung betreffend aufschiebende Wirkung,
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Beschwerde gegen die Verfügung des Bundesstrafgerichts, Präsident der Beschwerdekammer, vom 3. September 2004.
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Sachverhalt:
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A.
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Die Schweizerische Bundesanwaltschaft führt eine Strafuntersuchung gegen X.________ wegen krimineller Organisation und qualifizierter Geldwäscherei. Gestützt auf den Haftbefehl der Bundesanwaltschaft vom 25. August 2004 wurde der Angeschuldigte am 31. August 2004 verhaftet und in Untersuchungshaft versetzt. Am 1. September 2004 stellte die Bundesanwaltschaft (gestützt auf Art. 47 Abs. 2 BStP) den Antrag auf Haftbestätigung. Mit Entscheid vom 3. September 2004 wies das Haftgericht III Bern-Mittelland (Haftrichter 8) den Antrag um Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft ab. Der kantonale Haftrichter verfügte die Haftentlassung von X.________ sowie eine Schriftensperre und eine Haftkaution von Fr. 10'000.-- als Ersatzmassnahmen anstelle der Untersuchungshaft. Gegen diesen Entscheid erhob die Bundesanwaltschaft am 3. September 2004 Beschwerde beim Bundesstrafgericht; gleichzeitig stellte sie ein Gesuch um aufschiebende Wirkung der Beschwerde (vorsorgliche Haftbelassung des Angeschuldigten bis zum Entscheid der Beschwerdekammer). Zwischenzeitlich war der Angeschuldigte am 3. September 2004 für einige Stunden aus der Haft entlassen und nach Bewilligung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde wieder verhaftet worden. Ein zweiter Haftbefehl der Bundesanwaltschaft vom 3. September 2004 wurde angesichts der erteilten aufschiebenden Wirkung hinfällig und deshalb wieder zurückgezogen.
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B.
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Mit verfahrensleitender Verfügung vom 3. September 2004 erteilte der Präsident der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichtes der Beschwerde die aufschiebende Wirkung und ordnete die Weiterdauer der Untersuchungshaft bis zum Entscheid der Beschwerdekammer an. Zur Begründung erwog der Kammerpräsident, zwischen dem Dispositiv des haftrichterlichen Entscheides vom 3. September 2004 und dessen Begründung bestehe ein "offensichtlicher Widerspruch".
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C.
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Gegen den verfahrensleitenden Entscheid des Kammerpräsidenten vom 3. September 2004 gelangte X.________ mit Beschwerde vom 4. September 2004 an das Bundesgericht. Er ergänzte seine Beschwerde mit zwei Eingaben vom 5. September 2004 und beantragt neben seiner unverzüglichen Haftentlassung die Aufhebung des angefochtenen Zwischenentscheides. Der Präsident der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichtes und die Bundesanwaltschaft beantragen mit Stellungnahmen vom 8. bzw. 10. September 2004 je (sinngemäss bzw. ausdrücklich) das Nichteintreten auf die Beschwerde, eventualiter deren Abweisung. Das Haftgericht III Bern-Mittelland hat in zwei Schreiben vom 7. und 8. September 2004 ausdrücklich auf Vernehmlassung verzichtet. Der Beschwerdeführer replizierte am 16. September 2004 (Postaufgabe) mit einer auf 12. September 2004 datierten Eingabe. Eine korrigierte bzw. ergänzte Version der Replik ging am 22. September 2004 beim Bundesgericht ein.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
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1.
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Es fragt sich, ob in der vorliegenden Streitsache der Beschwerdeweg ans Bundesgericht offen steht. Das Bundesgericht prüft diese Frage von Amtes wegen und mit freier Kognition (BGE 130 II 302 E. 3 S. 303 f., 306 E. 1.1 S. 308, je mit Hinweisen).
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Davon abgesehen verkennt der Beschwerdeführer, dass der angefochtene Entscheid des Kammerpräsidenten lediglich die Frage der aufschiebenden Wirkung im Beschwerdeverfahren vor Bundesstrafgericht (Fortdauer der Haft bis zum Vorliegen des Beschwerdeentscheides) zum Gegenstand hat. Soweit sich der Beschwerdeführer zu Fragen äussert, die gar nicht Gegenstand des angefochtenen Entscheides bilden (namentlich Beschwerdelegitimation der Bundesanwaltschaft und haftrichterliche Zuständigkeiten, Formgültigkeit der Beschwerde, Fristwahrung, materielle Haftgründe bzw. Rechtmässigkeit der Haft, Voraussetzungen für Ersatzmassnahmen usw.), ist auf die Beschwerde nicht einzutreten.
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Weiter ist zu prüfen, ob gegen verfahrensleitende Zwischenverfügungen überhaupt die Beschwerde an das Bundesgericht gegeben ist.
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2.
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Art. 33 des Bundesgesetzes über das Bundesstrafgericht (SGG, SR 173.71) ist seit 1. April 2004 in Kraft. Das Bundesstrafgericht übernimmt die Fälle, die bei Inkrafttreten des SGG vor der Anklagekammer des Bundesgerichtes hängig waren (Art. 33 Abs. 1 SGG). Hängige Fälle werden nach neuem Recht weitergeführt (Art. 33 Abs. 2 SGG). Bis zum Inkrafttreten der hängigen Totalrevision der Bundesrechtspflege (voraussichtlich im Jahr 2007) kann gegen die Entscheide der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichtes über Zwangsmassnahmen innert 30 Tagen seit der Eröffnung wegen Verletzung von Bundesrecht beim Bundesgericht Beschwerde geführt werden. Das Verfahren richtet sich sinngemäss nach den Art. 214-216, 218 und 219 BStP (Art. 33 Abs. 3 lit. a SGG; vgl. BGE 130 II 306 E. 1.2 S. 308 f.; zur Publikation bestimmtes Urteil des Bundesgerichtes 1A.139/2004, E. 2.1).
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2.1 Mit Beschwerde an das Bundesgericht anfechtbar sind Entscheide der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichtes über strafprozessuale Zwangsmassnahmen (Art. 33 Abs. 3 lit. a SGG). Dazu gehören auch Entscheide der Beschwerdekammer über die Anordnung oder Weiterdauer von Haft (vgl. BGE 130 II 306 E. 1.2.2 S. 308 f.; zur Publikation bestimmtes Urteil des Bundesgerichtes 1A.139/2004, E. 2.2). Der angefochtene Entscheid enthält eine verfahrensleitende Verfügung des Präsidenten der Beschwerdekammer über das Gesuch um eine aufschiebende Massnahme im Beschwerdeverfahren. Diesbezüglich gelten im vorliegenden Fall die Verfahrensvorschriften des BStP (Art. 30 SGG). Die Beschwerde hemmt den Vollzug des erstinstanzlichen Haftrichterentscheides, wenn die Beschwerdekammer oder ihr Präsident es anordnet (Art. 218 BStP). Die angefochtene Zwischenverfügung betreffend aufschiebende Wirkung bezweckt die Aufrechterhaltung des bestehenden Zustandes bzw. die einstweilige Sicherstellung bedrohter rechtlicher Interessen bis zum Entscheid der Beschwerdekammer über die Weiterdauer der Untersuchungshaft.
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Die angefochtene Präsidialverfügung wurde weder von der Beschwerdekammer erlassen, noch wird darin ein materieller Entscheid der Beschwerdekammer über die Weiterdauer oder Aufhebung der Haft vorweggenommen. Ihr gesetzlicher Zweck ist die Aufrechterhaltung des bestehenden Zustandes bis zum Entscheid der Beschwerdekammer über die hängige Beschwerde. Das Gesetz sieht gegen selbstständig eröffnete verfahrensleitende Zwischenverfügungen des Präsidenten der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichtes kein separates Rechtsmittel an das Bundesgericht vor (vgl. BGE 1S.5/2004 vom 7. September 2004, E. 1.2). Die angefochtene Verfügung enthält keinen Entscheid der Beschwerdekammer über eine Zwangsmassnahme im Sinne von Art. 33 Abs. 3 lit. a SGG. Sie ist somit grundsätzlich nicht mit Beschwerde an das Bundesgericht anfechtbar (vgl. auch BBl 2001 S. 4363 f.).
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2.2 Im Bundesgerichtsurteil 1S.5/2004 vom 7. September 2004 (E. 1.2.3) wurde die Frage aufgeworfen, aber offen gelassen, ob eine Beschwerde an das Bundesgericht - ausnahmsweise - zulässig sein könnte, wenn der Präsident der Beschwerdekammer eine Zwangsmassnahme (vorsorglich) aufheben oder eine solche neu anordnen würde. Die Frage braucht auch im vorliegenden Fall nicht entschieden zu werden, da sich die Beschwerde nicht gegen eine neue Anordnung von Untersuchungshaft durch den Präsidenten der Beschwerdekammer richtet. Der Beschwerdeführer befindet sich (gestützt auf den Haftbefehl der Bundesanwaltschaft vom 25. August 2004) bereits seit 31. August 2004 in Untersuchungshaft im Regionalgefängnis Bern. Mit Verfügung vom 3. September 2004 wies das Haftgericht III Bern-Mittelland (Haftrichter 8) den Antrag der Bundesanwaltschaft vom 1. September 2004 auf Weiterdauer der Haft ab. Dagegen erhob die Bundesanwaltschaft am 3. September 2004 Beschwerde beim Bundesstrafgericht. Gleichzeitig stellte die Bundesanwaltschaft ein Gesuch um aufschiebende Wirkung (vorsorgliche Haftbelassung des Angeschuldigten bis zum Entscheid der Beschwerdekammer). In der angefochtenen Präsidialverfügung wird lediglich das Weiterbestehen der Untersuchungshaft (im Sinne einer vorsorglichen verfahrensleitenden Verfügung) bestätigt und zwar provisorisch, bis zum Haftentscheid der dafür zuständigen Beschwerdekammer. Wie dargelegt, ist der Haftentscheid der Beschwerdekammer mit Beschwerde an das Bundesgericht anfechtbar, nicht aber der blosse Zwischenentscheid des Kammerpräsidenten betreffend provisorische Weiterdauer der Untersuchungshaft. Der erstinstanzliche Haftrichterentscheid ist nicht rechtskräftig, so dass der Haftbefehl der Bundesanwaltschaft vom 25. August 2004 bis zum Entscheid der Beschwerdekammer weiterhin Gültigkeit hat (Art. 218 BStP). Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der Beschwerdeführer zwischenzeitlich (nach eigener Darstellung am 3. September 2004, 16.00 Uhr) aus der Haft entlassen und einige Stunden später (am 3. September 2004 spätabends), nach Eingang der angefochtenen Verfügung betreffend aufschiebende Wirkung, wieder verhaftet worden war. Dass der Gesetzgeber die Beschwerde gegen Zwischenentscheide grundsätzlich ausschliessen wollte, ergibt sich im Übrigen auch indirekt aus der gesetzlichen Beschwerdefrist von 30 Tagen. Diese erschiene für eine Anfechtung von vorsorglichen prozessualen Massnahmen nicht praktikabel bzw. deutlich zu lang (vgl. z.B. Art. 106 Abs. 1 OG).
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3.
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Nach dem Gesagten ist auf die Beschwerde nicht einzutreten.
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Art. 219 Abs. 3 BStP wurde durch Ziff. I/4 des Bundesgesetzes vom 19. Dezember 2003 über das Entlastungsprogramm 2003 (mit Wirkung seit 1. April 2004) aufgehoben (AS 2004, 1633, 1647; BBl 2003, 5615). Somit richtet sich die Frage der Kostenfolgen im Verfahren vor Bundesgericht nach den allgemeinen Vorschriften des OG (vgl. Art. 245 BStP; BGE 130 II 306 E. 4 S. 313; zur Publikation bestimmtes Urteil des Bundesgerichtes 1A.139/2004, E. 5). Beim vorliegenden Verfahrensausgang sind die Gerichtskosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 OG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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1.
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Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.
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2.
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Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.
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3.
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Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Schweizerischen Bundesanwaltschaft, dem Haftgericht III Bern-Mittelland, Haftrichter 8, und dem Bundesstrafgericht, Präsident der Beschwerdekammer, schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 23. September 2004
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Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
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