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Informationen zum Dokument  BGer 2A.702/2004  Materielle Begründung
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BGer 2A.702/2004 vom 22.12.2004
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
2A.702/2004 /kil
 
Urteil vom 22. Dezember 2004
 
II. Öffentlichrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Wurzburger, Präsident,
 
Bundesrichter Müller, Merkli,
 
Gerichtsschreiber Merz.
 
Parteien
 
X.________,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
Amt für Migration Basel-Landschaft, Parkstrasse 3, Postfach 251, 4402 Frenkendorf,
 
Kantonsgericht Basel-Landschaft, Einzelrichter für Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht, Postfach, 4410 Liestal.
 
Gegenstand
 
Ausschaffungshaft gemäss Art. 13b ANAG,
 
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts Basel-Landschaft, Einzelrichter für Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht, vom 5. November 2004.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
1.
 
Der Einzelrichter für Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht am Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung Verfassungs- und Verwaltungsrecht (im Folgenden: Haftgericht), prüfte und genehmigte am 5. November 2004 die am 2. November 2004 gegen den aus Afghanistan stammenden X.________ angeordnete Ausschaffungshaft.
 
Am 1. Dezember 2004 hat X.________ beim Bundesgericht Verwaltungsgerichtsbeschwerde eingereicht mit dem Antrag, das Urteil vom 5. November aufzuheben, ihn aus der Haft zu entlassen und festzustellen, dass die Anordnung der Ausschaffungshaft unrechtmässig sei.
 
Das Haftgericht hat auf eine Vernehmlassung verzichtet. Das Amt für Migration Basel-Landschaft schliesst auf Abweisung der Beschwerde. X.________ hat sich hierzu mit Eingabe vom 11. Dezember 2004 geäussert und an seinen Anträgen festgehalten. Mit Verfügung vom 2. Dezember 2004 forderte der Präsident der II. öffentlichrechtlichen Abteilung des Bundesgerichts das Bundesamt für Flüchtlinge auf, einen Amtsbericht zur Frage der Vollziehbarkeit von Wegweisungen nach Afghanistan im Allgemeinen und in Bezug auf X.________ zu erstatten. Dieser von der Abteilung Vollzugsunterstützung des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements erstellte Bericht vom 15. Dezember 2004 traf - auf neuerliche Fristansetzung - am 17. Dezember 2004 beim Bundesgericht ein.
 
2.
 
2.1 Die zuständige Behörde kann einen Ausländer in Ausschaffungshaft nehmen, wenn die Voraussetzungen von Art. 13b ANAG (SR 142.20) erfüllt sind. Danach ist erforderlich, dass ein erstinstanzlicher, nicht notwendigerweise auch rechtskräftiger Weg- oder Ausweisungsentscheid vorliegt (vgl. BGE 129 II 1 E. 3 S. 6 ff.; 122 II 148 E. 3 S. 152 f.; 121 II 59 E. 2 S. 61 f.), dessen Vollzug noch nicht möglich, jedoch absehbar ist (Art. 13c Abs. 5 lit. a ANAG; BGE 130 II 56 E. 4.1 S. 59 ff.; 125 II 217 E. 2 S. 220, 369 E. 3a S. 374, 377 E. 2a S. 379). Zudem muss einer der in Art. 13b Abs. 1 ANAG genannten Haftgründe bestehen (BGE 130 II 56 E. 1 S. 58; 125 II 369 E. 3a S. 374), der Vollzug der Wegweisung mit dem nötigen Nachdruck verfolgt werden (Art. 13b Abs. 3 ANAG; Beschleunigungsgebot; BGE 124 II 49 ff.) und die Haft als Ganzes verhältnismässig sein (vgl. BGE 130 II 56 E. 4.2.3 S. 62 f.; 126 II 439 E. 4 S. 440 ff.; 125 II 377 E. 4 S. 383).
 
2.2 Der Beschwerdeführer ist mit Entscheid des Bundesamtes für Flüchtlinge vom 25. Oktober 2002 weggewiesen worden. Die (unter anderem) hiergegen erhobene Beschwerde hat die Schweizerische Asylrekurskommission mit Urteil vom 6. Dezember 2002 abgewiesen. Nachdem der Beschwerdeführer Ausreiseaufforderungen nicht nachgekommen ist, selber wiederholt erklärt hat, er wolle in der Schweiz bleiben, und er im Sommer 2004 untergetaucht ist, ist der Haftgrund des Art. 13b Abs. 1 lit. c ANAG gegeben (BGE 130 II 56 E. 3.1 S. 58 f., mit Hinweisen).
 
2.3 Die Ausschaffungshaft verstösst hier aber gegen Sinn und Zweck des Gesetzes und gegen den Grundsatz der Verhältnismässigkeit:
 
Zwar sind nach dem erwähnten Amtsbericht vom 15. Dezember 2004 die freiwillige wie auch die zwangsweise Rückkehr nach Afghanistan "technisch möglich und praktisch durchführbar. Gemäss geltender Praxis, werden zwangsweise Rückführungen zurzeit jedoch nur bei Personen, die in der Schweiz straffällig geworden sind, durchgeführt. Würde X.________ freiwillig bei der afghanischen Vertretung vorsprechen und darauf hinweisen, dass er in seinen Heimatstaat zurückkehren möchte, wäre ein Ersatzreisedokument innert weniger Wochen erhältlich."
 
Wie das Bundesgericht bereits bei früherer Gelegenheit festgehalten hat, ist Sinn und Zweck der Ausschaffungshaft aber, die zwangsweise Ausschaffung sicherzustellen, und nicht in erster Linie den Ausländer durch eine Beugehaft dazu anzuhalten, "freiwillig" auszureisen (BGE 130 II 56 E.4.2.3 S. 63). Die Ausschaffungshaft soll dem Vollzug der Weg- oder Ausweisung durch die Behörden dienen, wozu neben der tatsächlichen Ausschaffung auch die Schritte zur Papierbeschaffung gehören. Die Identität und Herkunft des Beschwerdeführers sind hier allerdings nicht bestritten. Der Beschwerdeführer hat im November 2003 auf dem afghanischen Konsulat vorgesprochen. Zudem hat er im Frühjahr 2004 Identitätspapiere vorgelegt. Der Beschwerdeführer ist auch nicht straffällig geworden; der Umstand, dass er entgegen der ihm auferlegten Verpflichtung das Land nicht verlassen hat, ist insoweit unerheblich. Ausserdem geht es hier nicht darum, neben dem Vollzug der Wegweisung weitere Rechtsgüter zu schützen, zumal nicht behauptet wird, dass vom Beschwerdeführer ernsthafte Bedrohungen oder Gefährdungen ausgegangen sind (vgl. Art. 13a lit. e ANAG). Laut Amtsbericht haben die Behörden Ausländer, die nicht kriminell geworden sind, praxisgemäss bisher nicht zwangsweise nach Afghanistan zurückgeschafft; sie haben insoweit auch keine Praxisänderung in Aussicht gestellt. Im Übrigen beruht die erwähnte Praxis - wie aus Unterlagen im Dossier geschlossen werden muss - offenbar auf der Erfahrung, dass die zwangsweise Rückführung nach Afghanistan in dieser Situation nicht in Frage kommt (Unzumutbarkeit bzw. Undurchführbarkeit), woran eine Praxisänderung wohl ohnehin nichts zu ändern vermöchte. Ein Rückführungsabkommen aber ist anscheinend erst geplant und nicht in absehbarer Zeit unterschriftsreif. Bei dieser Sachlage dient die Ausschaffungshaft hier letztlich nur dazu, den Willen des Beschwerdeführers, in der Schweiz zu bleiben, zu brechen und ihn dazu zu bewegen, freiwillig auszureisen, ohne dass die Behörden ihn selber ausschaffen. Allein zu diesem Zweck aber ist die Ausschaffungshaft gegen den - abgesehen vom rechtswidrigen Verweilen in der Schweiz - nicht straffällig gewordenen Beschwerdeführer unzulässig (vgl. BGE 130 II 56 E. 4.2.4 S. 64; 127 II 168 E. 2c und 3 S. 172 ff.).
 
2.4 Damit erweist sich die Beschwerde als begründet. Der angefochtene Entscheid des Haftgerichts ist aufzuheben; der Beschwerdeführer ist unverzüglich aus der Haft zu entlassen. Soweit der Beschwerdeführer zusätzlich die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Anordnung der Ausschaffungshaft beantragt, ist auf die Beschwerde jedoch nicht einzutreten, da hierfür im vorliegenden Verfahren kein Rechtsschutzbedürfnis besteht.
 
3.
 
Es werden keine Kosten erhoben (Art. 156 Abs. 2 OG) und keine Parteientschädigungen zugesprochen (vgl. Art. 159 OG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird gutgeheissen, soweit darauf einzutreten ist, und der Entscheid des Kantonsgerichts Basel-Landschaft, Einzelrichter für Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht, vom 5. November 2004 wird aufgehoben.
 
2.
 
Der Beschwerdeführer ist ohne Verzug aus der Haft zu entlassen.
 
3.
 
Es werden keine Kosten erhoben.
 
4.
 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Amt für Migration Basel-Landschaft (vorab per Fax) und dem Kantonsgericht Basel-Landschaft, Einzelrichter für Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht, sowie dem Bundesamt für Flüchtlinge schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 22. Dezember 2004
 
Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
 
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