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Informationen zum Dokument  BGer I 614/2004  Materielle Begründung
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BGer I 614/2004 vom 29.12.2004
 
Eidgenössisches Versicherungsgericht
 
Tribunale federale delle assicurazioni
 
Tribunal federal d'assicuranzas
 
Sozialversicherungsabteilung
 
des Bundesgerichts
 
Prozess
 
{T 7}
 
I 614/04
 
Urteil vom 29. Dezember 2004
 
IV. Kammer
 
Besetzung
 
Präsident Ferrari, Bundesrichter Meyer und Ursprung; Gerichtsschreiberin Polla
 
Parteien
 
P.________, Beschwerdeführerin, vertreten durch die Beratungsstelle für Ausländer, Weinbergstrasse 147, 8006 Zürich,
 
gegen
 
IV-Stelle des Kantons Aargau, Kyburgerstrasse 15, 5001 Aarau, Beschwerdegegnerin
 
Vorinstanz
 
Versicherungsgericht des Kantons Aargau, Aarau
 
(Entscheid vom 25. August 2004)
 
Sachverhalt:
 
A.
 
Die 1972 geborene und als Service-Angestellte tätig gewesene P.________ meldete sich am 29. Januar 1999 aufgrund einer 1985 erstmals diagnostizierten Lymphogranulomatose (Morbus Hodgkin) zum Bezug von Rentenleistungen bei der Invalidenversicherung an. Nach Abklärungen in beruflicher und medizinischer Hinsicht sprach die IV-Stelle des Kantons Aargau P.________ mit Verfügung vom 3. Juni 2002 ab 1. Januar 1999 eine halbe Invalidenrente (nebst Zusatzrente für den Ehegatten) zu. Mit Schreiben vom 2. April 2003 meldete Dr. med. W.________, Innere Medizin FMH, dass die Versicherte unter Schwindelerscheinungen, Kopf- und Rückenschmerzen sowie Konzentrationsschwierigkeiten leide, sodass die Belastung als Service-Angestellte auch im Rahmen einer 50%igen Tätigkeit zu hoch sei, weshalb er bestätige, dass eine höhere als die bisherige 50%ige Einschränkung in der Erwerbstätigkeit bestehe. Nach weiteren medizinischen und beruflichen Abklärungen eröffnete die IV-Stelle der Versicherten, es sei ihr weiterhin zumutbar, eine Tätigkeit im Gastgewerbe (oder eine andere leidensangepasste Tätigkeit) aufzunehmen und damit ein 50%iges Einkommen zu erzielen. Daher habe sie weiterhin Anspruch auf eine halbe Invalidenrente (Verfügung vom 12. November 2003), woran sie auf Einsprache hin festhielt (Entscheid vom 10. Februar 2004).
 
B.
 
Die dagegen erhobene Beschwerde, mit welcher P.________ die Zusprechung einer ganzen Rente, eventualiter die Rückweisung zu weiteren medizinischen Abklärungen und neuem Entscheid an die IV-Stelle beantragen liess, wies das Versicherungsgericht des Kantons Aargau mit Entscheid vom 25. August 2004 ab.
 
C.
 
P.________ lässt in Erneuerung der vorinstanzlich gestellten Rechtsbegehren Verwaltungsgerichtsbeschwerde erheben.
 
Die IV-Stelle und das Bundesamt für Sozialversicherung verzichten auf eine Vernehmlassung.
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
 
1.
 
1.1 Das kantonale Gericht hat die gesetzlichen Bestimmungen und Grundsätze über den Begriff der Invalidität (Art. 8 Abs. 1 ATSG in Verbindung mit Art. 4 Abs. 1 IVG) und die Revision der Invalidenrente (Art. 17 Abs. 1 ATSG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 IVG) zutreffend dargelegt. Gleiches gilt bezüglich der Rechtsprechung zur Aufgabe des Arztes und der Ärztin bei der Bemessung des Invaliditätsgrades (BGE 125 V 261 Erw. 4, 115 V 134 Erw. 2) und zum Beweiswert ärztlicher Berichte (BGE 125 V 352 Erw. 3a). Zu ergänzen ist, dass gemäss Art. 28 Abs. 1 IVG (in der seit 1. Januar 2004 geltenden Fassung) der Versicherte einen Rentenanspruch hat, wenn er mindestens zu 40 % invalid ist und dass er Anspruch auf eine ganze Rente hat, wenn er mindestens zu 70 %, auf eine Dreiviertelsrente, wenn er mindestens zu 60 %, auf eine halbe Rente, wenn er mindestens zu 50 %, oder auf eine Viertelsrente, wenn er mindestens zu 40 % invalid ist.
 
1.2 Zu präzisieren ist ferner, dass das am 1. Januar 2003 in Kraft getretene ATSG hinsichtlich der invalidenversicherungsrechtlichen Rentenrevision keine substanziellen Änderungen gegenüber der bis zum 31. Dezember 2002 gültig gewesenen Normenlage brachte (BGE 130 V 343). Die zur altrechtlichen Regelung gemäss Art. 41 IVG (aufgehoben durch Anhang Ziff. 8 des ATSG [SR 830.1]) ergangene Judikatur (z.B. BGE 125 V 369 Erw. 2 mit Hinweis) bleibt deshalb grundsätzlich anwendbar. Bei dieser Rechtslage kann, da materiellrechtlich ohne Belang, offen bleiben, ob die Revision einer Invalidenrente, über welche die Verwaltung nach dem 1. Januar 2003 zu befinden hat, mit der Vorinstanz, dem ATSG untersteht, oder aber Art. 82 Abs. 1 ATSG, wonach materielle Bestimmungen dieses Gesetzes auf die bei seinem In-Kraft-Treten laufenden Leistungen (und festgesetzten Forderungen) nicht zur Anwendung gelangen, dem Wortlaut entsprechend, dahingehend auszulegen ist, dass am 1. Januar 2003 laufende Dauerleistungen nicht nach Art. 17 ATSG, sondern nach den altrechtlichen Grundsätzen zu revidieren sind. Ferner handelt es sich bei den in Art. 3-13 ATSG enthaltenen Legaldefinitionen in aller Regel um eine formellgesetzliche Fassung der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu den entsprechenden Begriffen vor In-Kraft-Treten des ATSG und ergibt sich inhaltlich damit, namentlich in Bezug auf die Bestimmungen zur Arbeitsunfähigkeit (Art. 6), Erwerbsunfähigkeit (Art. 7) und Invalidität (Art. 8), keine Änderung. Die dazu entwickelte Rechtsprechung kann folglich übernommen und weitergeführt werden (BGE 130 V 345 ff. Erw. 3.1, 3.2 und 3.3). Hieran haben ebenso wenig die am 1. Januar 2004 in Kraft getretenen Modifizierungen etwas geändert. Auch Art. 16 ATSG bewirkt, wie in Erw. 3.4 des erwähnten Urteils dargelegt wird, keine Modifizierung der bisherigen Judikatur zur Invaliditätsbemessung bei erwerbstätigen Versicherten, welche weiterhin nach der allgemeinen Methode des Einkommensvergleichs vorzunehmen ist (zu altArt. 28 Abs. 2 IVG: BGE 128 V 30 Erw. 1, 104 V 136 f. Erw. 2a und b).
 
2.
 
Streitig und zu prüfen ist, ob im massgeblichen Zeitraum zwischen der erstmaligen Rentenzusprechung (Verfügung vom 3. Juni 2002) und dem den Anspruch auf eine halbe Rente bestätigenden Einspracheentscheid vom 10. Februar 2004 eine Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen, namentlich eine wesentliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes eingetreten ist, die eine revisionsweise Heraufsetzung der Rente rechtfertigt, und ob der Sachverhalt zur Beantwortung dieser Frage genügend abgeklärt worden ist.
 
2.1 Die ursprüngliche Rentenverfügung beruhte in medizinischer Hinsicht im Wesentlichen auf einem Bericht des Dr. med. W.________ vom 26. April 1999 und den ergänzenden Angaben vom 15. November 1999, welcher die Diagnose einer Morbus Hodgkin-Erkrankung, noduläre Sklerose, aktuell in vierter Remission, stellte. Er schätzte die Versicherten im bisherigen Beruf als Serviceangestellte - bei stationärem Gesundheitszustand - seit anfangs 1998 im Umfang von 50 % arbeitsfähig. Bezüglich der geistigen und körperlichen Beeinträchtigungen stünden die mangelnde körperliche Belastbarkeit, die rasche Erschöpfung bei körperlicher Anstrengung sowie eine eingeschränkte Konzentrationsfähigkeit im Vordergrund, wobei die Versicherte vor dem dritten Rückfall und dessen intensiver Therapie voll arbeitsfähig gewesen sei. Präzisierend führte er am 15. November 1999 aus, das Leistungsdefizit, welches oftmals nach langdauernder und wiederholter Chemotherapie beobachtet werde, sei als definitiv zu betrachten, sodass mit keiner Steigerung der 50%igen Arbeitsfähigkeit gerechnet werden könne. Sofern die Remission anhalte, sei aber ebenso wenig mit einer erneuten Einschränkung der Arbeitsfähigkeit oder unmittelbar drohenden Arbeitsunfähigkeit zu rechnen. Dementsprechend war die Beschwerdeführerin bis 30. März 2003 auch in einer kleinen Gaststätte im Service im Umfang von 50 % tätig, welche Arbeit an die gesundheitlichen Bedürfnisse angepasst schien.
 
2.2 In der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird vorgebracht, die attestierte 50%ige Arbeitsfähigkeit trage dem verschlechterten Gesundheitszustand nicht Rechnung, sodass auch der Hausarzt eine Heraufsetzung der Rente unterstütze. Dementgegen lässt sich eine solche Veränderung der gesundheitlichen Verhältnisse gerade nicht gestützt auf den Bericht des Dr. med. W.________ vom 22. April 2003 erkennen, welcher die Versicherte als Onkologe betreut, wie die Vorinstanz einlässlich und schlüssig dargelegt hat. Dieser bejaht zwar eine Rentenerhöhung, da ein Arbeitsversuch fehlgeschlagen habe und er auch weitere Wiedereingliederungsversuche als wenig sinnvoll erachte. Zum einen vermischt er damit die durch ihn zu schätzende Arbeitsfähigkeit mit der Aufgabe der Verwaltung, die ärztliche Stellungnahme in zumutbaren Verweisungstätigkeiten erwerblich umzusetzen (BGE 125 V 261 Erw. 4, 115 V 134 Erw. 2, 114 V 314 Erw. 3c, 105 V 158 Erw. 1); vor allem aber stellt er selber keine Verschlechterung des Gesundheitszustandes fest. Die medizinisch begründete Arbeitsunfähigkeit schätzt er wie schon in seinem der ursprünglichen Verfügung zu Grunde gelegten Bericht vom 26. April 1999 auf 50 %, wobei er insbesondere auf lit. e des Beiblatts zum Arztbericht (vom 15. November 1999) verweist, wonach er der Versicherten für ihre angestammte Tätigkeit im Gastgewerbe wie auch für jegliche andere leidensangepasste Arbeit eine 50%ige Leistungsfähigkeit attestiert. Wie das kantonale Gericht zu Recht betonte, hat der Arzt hierbei die rasche körperliche Ermüdbarkeit und die verminderte Konzentrationsfähigkeit bereits berücksichtigt, welche, wie auch die mangelnde Belastbarkeit, als Spätfolgen der multiplen Behandlungen gelten. Neue objektivierte Befunde liegen nicht vor. Daran ändert auch der letztinstanzlich nachgereichte Bericht des Dr. med. C.________, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, vom 22. September 2004 nichts, welcher nicht den hier massgebenden Zeitraum beschlägt (vgl. Erw. 2), sondern nur zur Arbeitsfähigkeit im Berichtszeitpunkt Stellung nimmt; die Versicherte steht zudem erst seit 21. Mai 2004 in psychiatrischer Behandlung. Ob und wann sich in psychischer Hinsicht die Verhältnisse zwischen 2002 und Februar 2004 verändert haben, kann die derzeit behandelnde Fachperson demnach lediglich aufgrund anamnestischer Angaben beurteilen, die aber nach Lage der Akten keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine erhebliche psychische Fehlentwicklung darstellen, so dass von der Einholung weiterer Berichte abzusehen ist. Hinsichtlich der somatischen Befunde gibt es keinen Anhaltspunkt für eine tatsächliche Veränderung des Zustandes. Die Differenzen in den Stellungnahmen des Dr. med. W.________ beruhen lediglich auf einer anderen Beurteilung des gleichen Sachverhaltes, was keinen Revisionstatbestand darstellt (BGE 112 V 37 unten mit Hinweisen). Die Voraussetzungen für eine revisionsweise Erhöhung der Invalidenrente sind demzufolge nicht gegeben. Sollte sich der Gesundheitszustand oder dessen erwerblichen Auswirkungen seit dem massgebenden Einsprachezeitpunkt erheblich verschlechtert haben - es bestehen Anzeichen einer Erweiterung des Beschwerdebildes um eine psychische Komponente -, bleibt es der Beschwerdeführerin unbenommen, um erneute Revision der verfügten Invalidenrente zu ersuchen.
 
3.
 
3.1 In erwerblicher Hinsicht ging die Verwaltung bei der Invaliditätsbemessung korrekterweise nach der allgemeinen Methode des Einkommensvergleichs vor (Art. 16 ATSG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 IVG, BGE 128 V 30 Erw. 1, 104 V 136 Erw. 2a und b). Nach der Rechtsprechung kann das Eidgenössische Versicherungsgericht das für die Bestimmung des Invaliditätsgrades nach Art. 28 Abs. 2 IVG massgebende Einkommen ohne Gesundheitsschaden (Valideneinkommen) in einem Revisionsverfahren frei überprüfen, wenn die Aktenlage oder die Parteivorbringen dazu Anlass geben (AHI 2002 S. 164 und 166 Erw. 2a mit Hinweis). Praxisgemäss ist bei der Bestimmung des Valideneinkommens grundsätzlich darauf abzustellen, was der Versicherte aufgrund seiner beruflichen Fähigkeiten und persönlichen Umstände (im massgebenden Zeitpunkt nach dem Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit) als Gesunder tatsächlich verdienen würde (ZAK 1992 S. 92 Erw. 4a; vgl. auch Urteile R. vom 9. September 2003 [M 2/02] Erw. 3.4, P. vom 22. August 2003 [I 316/02] Erw. 3.2, M. vom 7. Juli 2003 [I 627/02] Erw. 2.1.1, S. vom 28. April 2003 [I 297/02] Erw. 3.2.3, W. vom 9. Mai 2001 [I 575/00] Erw. 3a). Dies gilt auch für die Bestimmung des Valideneinkommens im Rentenrevisionsprozess. Auch hier bleibt in der Regel der zuletzt erzielte, der Teuerung sowie der realen Einkommensentwicklung angepasste Verdienst (RKUV 2000 Nr. U 400 S. 381 Erw.2a, 1993 Nr. U 168 S. 100 f. Erw. 3b; vgl. auch ZAK 1990 S. 519 Erw. 3c) als Bezugsgrösse bestehen, ausser es finden sich genügend konkrete Anhaltspunkte für eine berufliche Weiterentwicklung.
 
3.2 Die Versicherte war seit ihrem Aufenthalt in der Schweiz immer als Serviceangestellte tätig. Anhand der Akten ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beschwerdeführerin ohne Ausbruch der Krankheit in ihrem 14. Lebensjahr eine andere berufliche Entwicklung durchgemacht hätte, was im Übrigen auch nicht geltend gemacht wird. Bezüglich der Bestimmung des Valideneinkommens rechtfertigt es sich, den konkreten Lebensumständen entsprechend, vom Verdienst von jährlich Fr. 43'200.- (Fr. 3'600.- x 12) auszugehen, welchen die Versicherte im Jahr 2003 beim Café X.________ ohne Gesundheitsschaden verdient hätte (Fragebogen des Arbeitgebers vom 9. April 2003). Da diese Arbeit gemäss den Angaben des Dr. med. W.________ vom 22. April 2003 der verminderten Belastbarkeit der Versicherten überdies Rechnung trug, entspricht der im Rahmen ihrer 50%igen Stelle erzielte Lohn dem Invalideneinkommen, womit der von der Vorinstanz ermittelte Invaliditätsgrad von 50 %, zu bestätigen ist.
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
 
1.
 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
 
2.
 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
 
3.
 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau, der Ausgleichskasse GastroSuisse und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.
 
Luzern, 29. Dezember 2004
 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts
 
Der Präsident der IV. Kammer: Die Gerichtsschreiberin:
 
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