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Informationen zum Dokument  BGer 2P.269/2004  Materielle Begründung
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BGer 2P.269/2004 vom 13.01.2005
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
2P.269/2004 /leb
 
Urteil vom 13. Januar 2005
 
II. Öffentlichrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Merkli, Präsident,
 
Bundesrichter Betschart, Müller,
 
Gerichtsschreiberin Diarra.
 
Parteien
 
A.________,
 
Beschwerdeführerin, vertreten durch
 
Rechtsanwältin Dr. Monika Brenner,
 
gegen
 
Schulgemeinde X.________,
 
Erziehungsrat des Kantons St. Gallen, Davidstrasse 1, 9001 St. Gallen,
 
Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen, Spisergasse 41, 9001 St. Gallen.
 
Gegenstand
 
Art. 29 Abs. 2 und 3 BV (auswärtiger Schulbesuch von B.________),
 
Staatsrechtliche Beschwerde gegen die Verfügung
 
des Verwaltungsgerichts des Kantons St. Gallen vom
 
21. September 2004.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
B.________ besuchte im Schuljahr 2003/04 die erste Sekundarschulklasse in X.________. Mit Verfügung vom 19. Februar 2004 lehnte der Schulrat X.________ das Gesuch von A.________, ihrem Sohn B.________ den auswärtigen Schulbesuch in Y.________ zu bewilligen, ab. Den dagegen mit Eingaben vom 27. Februar und 3. März 2004 beim Bezirksschulrat Y.________ eingereichten Rekurs wies der dafür zuständige Erziehungsrat des Kantons St. Gallen mit Präsidialentscheid vom 19. August 2004 ab. Vorgängig waren A.________ für dieses Verfahren die unentgeltliche Rechtspflege (Beschwerdeentscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 22. März 2004) und die Verbeiständung (Verfügung des Justiz- und Polizeidepartements vom 28. Juni 2004) gewährt worden.
 
B.
 
Gegen den Rekursentscheid erhob A.________ mit Eingabe vom 2. September 2004 Beschwerde beim Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen. Für dieses Verfahren ersuchte sie erneut um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und Verbeiständung. Mit Verfügung vom 21. September 2004 wies das Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen unter anderem dieses Gesuch ab und setzte A.________ Frist zur Zahlung eines Kostenvorschusses.
 
C.
 
Mit staatsrechtlicher Beschwerde vom 22. Oktober 2004 beantragt A.________ die Aufhebung der Verfügung des Verwaltungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 21. September 2004 in Bezug auf die unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung. Zudem ersucht sie um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren.
 
D.
 
Das Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen beantragt, die staatsrechtliche Beschwerde abzuweisen, soweit darauf eingetreten werde. Das Erziehungsdepartement des Kantons St. Gallen und die Schulgemeinde X.________ liessen sich nicht vernehmen.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
1.
 
Bei der angefochtenen Verfügung des Präsidenten des Verwaltungsgerichts des Kantons St. Gallen handelt es sich um einen kantonal letztinstanzlichen Zwischenentscheid (Art. 86 Abs. 1 OG). Durch die Verweigerung der unentgeltlichen Rechtspflege und Verbeiständung droht der Beschwerdeführerin ein nicht wiedergutzumachender Nachteil im Sinne von Art. 87 Abs. 2 OG (BGE 126 I 207 E. 2a S. 210 mit Hinweisen). Da auch die übrigen formellen Voraussetzungen erfüllt sind, ist auf die staatsrechtliche Beschwerde einzutreten.
 
2.
 
2.1 Vorab macht die Beschwerdeführerin geltend, der Präsident des Verwaltungsgerichts habe den Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) verletzt, indem er sich auf die Beurteilung des Erziehungsrats gestützt habe, ohne der Beschwerdeführerin die eventualiter anbegehrte Nachfrist zur weiteren Begründung des Gesuchs um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung anzusetzen.
 
2.2 Dies trifft nicht zu. Es besteht kein verfassungsrechtlicher Anspruch darauf, dass die Behörde, falls sie zu Ungunsten des Beschwerdeführers zu entscheiden gedenkt, diesem eine Nachfrist zur weiteren Begründung seiner Begehren ansetzt. Ein solches Äusserungsrecht kann um so weniger angenommen werden, als die Beschwerdeführerin zu erkennen gegeben hatte, dass sie ihre Beschwerde auf den nämlichen Sachverhalt und die gleichen Einwände stützte wie im erstinstanzlichen Beschwerdeverfahren. Im Übrigen beruft sich die Beschwerdeführerin auch auf keine kantonale Verfahrensbestimmung, die einen Anspruch auf eine Nachfrist einräumen würde und willkürlich angewendet worden wäre.
 
3.
 
Weiter rügt die Beschwerdeführerin, es sei nicht nachvollziehbar und "im höchsten Grade willkürlich", wenn das Verwaltungsgericht die unentgeltliche Prozessführung für das erstinstanzliche Beschwerdeverfahren gewährt, für das anschliessende Beschwerdeverfahren bei ihm selber aber verweigert habe.
 
3.1 Der Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird in erster Linie durch das kantonale Prozessrecht geregelt. Unabhängig davon besteht ein solcher Anspruch unmittelbar aufgrund von Art. 29 Abs. 3 BV. Vorliegend geht der Anspruch nach dem kantonalen Recht nicht über den bundesrechtlichen Anspruch hinaus. Ob der durch die Bundesverfassung garantierte Anspruch verletzt wurde, untersucht das Bundesgericht in rechtlicher Hinsicht frei; soweit es um tatsächliche Feststellungen der kantonalen Instanz geht, ist seine Prüfungsbefugnis auf Willkür beschränkt (BGE 129 I 129 E. 2.1 S. 133 mit Hinweisen).
 
Gemäss Art. 29 Abs. 3 BV hat die bedürftige Partei in einem für sie nicht aussichtslosen Verfahren Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege; soweit es zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist, hat sie ausserdem Anspruch auf einen unentgeltlichen Rechtsbeistand.
 
3.2 Das Verwaltungsgericht hat die Aussichtslosigkeit der Beschwerde aufgrund der Rechtsprechung des Bundesgerichts zu diesem Begriff geprüft (BGE 129 I 129 E. 2.2.1S. 135 f. mit Hinweis). Diesbezüglich kann auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Entscheid verwiesen werden (vgl. Art. 36a Abs. 3 OG).
 
Für die Beurteilung der Aussichtslosigkeit der bei ihm eingereichten Beschwerde betreffend den auswärtigen Schulbesuch konnte das Verwaltungsgericht von einem eingehend begründeten Entscheid des Erziehungsrates ausgehen. Als es die Gewinnaussichten bzw. Verlustgefahren des Beschwerdeverfahrens vor dem Erziehungsrat abzuschätzen hatte, war dies noch nicht der Fall. Zudem hatte der Erziehungsrat volle Kognition (Rechts- und Ermessenskontrolle), wogegen dem Verwaltungsgericht ausschliesslich eine Rechtskontrolle obliegt. Zu berücksichtigen ist ferner, dass das Verwaltungsgericht bei der Würdigung von Fragen um die Begründetheit eines Schulwechsels den Fachbehörden einen gewissen Beurteilungs-und Ermessenspielraum einräumen darf. Der Verwaltungsgerichtspräsident konnte die Aussichtslosigkeit des bei ihm hängigen Beschwerdeverfahrens daher neu und anders beurteilen.
 
Er hat die Ausführungen des Erziehungsrates als schlüssig befunden, weshalb er die Beschwerde - auch angesichts der beschränkten Kognition des Verwaltungsgerichts und der bekannten, unveränderten Argumentation der Beschwerdeführerin - als aussichtslos erachtete. Weshalb dies verfassungswidrig sein sollte, wird von der Beschwerdeführerin nur ansatzweise ausgeführt und jedenfalls nicht überzeugend dargetan. Schliesslich ist nicht ersichtlich, weshalb es widersprüchlich sein sollte, einerseits auf die beschränkte Kognition des Verwaltungsgerichts und andererseits auf fehlende Sachverhaltsrügen der Beschwerdeführerin hinzuweisen. Auch bei beschränkter Kognition wäre die Argumentation des Präsidenten des Erziehungsrates wohl als weniger überzeugend erschienen, wenn die Beschwerdeführerin mit guten Gründen eine unrichtige Sachverhaltsfeststellung oder einen rechtserheblich veränderten Sachverhalt hätte geltend machen können. Die unrichtige oder unvollständige Ermittlung des Sachverhalts stellt ebenfalls einen Beschwerdegrund dar und unterliegt daher der Prüfung des Verwaltungsgerichts (Art. 61 Abs. 2 des st. gallischen Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege vom 16. Mai 1965).
 
3.3 Zusammenfassend ergibt sich, dass der Verwaltungsgerichtspräsident weder den verfassungsrechtlichen Anspruch auf unentgeltliche Prozessführung verletzt, noch gegen das Willkürverbot verstossen hat.
 
4.
 
4.1 Die staatsrechtliche Beschwerde erweist sich somit als offensichtlich unbegründet und ist im vereinfachten Verfahren nach Art. 36a OG abzuweisen.
 
4.2 Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird die Beschwerdeführerin grundsätzlich kostenpflichtig (Art 156 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 153 OG). Ihrem Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren kann wegen Aussichtslosigkeit der Rechtsbegehren nicht entsprochen werden. Der finanziellen Lage der Beschwerdeführerin ist bei der Bemessung der Gerichtsgebühr jedoch Rechnung zu tragen (Art. 153a OG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht
 
im Verfahren nach Art. 36a OG:
 
1.
 
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen.
 
2.
 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.
 
3. Die Gerichtsgebühr von Fr. 200.-- wird der Beschwerdeführerin auferlegt.
 
4.
 
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, der Schulgemeinde X.________, dem Erziehungsrat des und dem Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 13. Januar 2005
 
Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:
 
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