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Informationen zum Dokument  BGer I 65/2004  Materielle Begründung
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BGer I 65/2004 vom 31.01.2005
 
Eidgenössisches Versicherungsgericht
 
Tribunale federale delle assicurazioni
 
Tribunal federal d'assicuranzas
 
Sozialversicherungsabteilung
 
des Bundesgerichts
 
Prozess
 
{T 7}
 
I 65/04
 
Urteil vom 31. Januar 2005
 
III. Kammer
 
Besetzung
 
Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Lustenberger und Kernen; Gerichtsschreiber Schmutz
 
Parteien
 
G.________, 1959, Beschwerdeführerin, vertreten durch Fürsprecher Conradin Bluntschli, Schanzenstrasse 1, 3008 Bern,
 
gegen
 
IV-Stelle Bern, Chutzenstrasse 10, 3007 Bern, Beschwerdegegnerin
 
Vorinstanz
 
Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Bern
 
(Entscheid vom 17. Dezember 2003)
 
Sachverhalt:
 
A.
 
Die 1959 geborene G.________ begann nach dem Besuch der Primar- und Sekundarschule Ausbildungen zur Kindergärtnerin und zur Physiotherapeutin, welche sie beide wieder abbrach. Danach arbeitete sie temporär in verschiedenen Anstellungen. Von 1992 bis 1996 war sie als Schwesternhilfe und als Praktikantin in der Betagtenbetreuung tätig und sie erwarb den Fähigkeitsausweis als Betagtenbetreuerin VBA. Diese Arbeit verrichtete sie, bis sie die letzte, im Mai 1995 angetretene Stelle unter Hinweis auf gesundheitliche Gründe (starke Bein-, Rücken-, Nackenschmerzen, Schlaflosigkeit) auf Ende Juni 1996 kündigte. Am 31. Mai 1996 meldete sie sich bei der Invalidenversicherung zum Bezug von Leistungen an und beantragte Berufsberatung und Umschulung auf eine neue Tätigkeit. Ab dem 6. August 1996 bezog sie Leistungen der Arbeitslosenversicherung.
 
Nach den Berichten der behandelnden Ärzte war unbestritten, dass der Versicherten die physisch und psychisch fordernde Arbeit als Betagtenpflegerin in einem Heim nicht mehr zumutbar war. Ab dem 13. Oktober 1997 absolvierte G.________ im Kindergarten der Schule X.________ ein Vorpraktikum, worauf sie am 21. Januar 1998 gegenüber der Berufsberaterin der IV-Stelle den Wunsch äusserte, im Rahmen einer Umschulung zur Kindergärtnerin das Kindergarten-Seminar X.________ zu besuchen. Da die gesundheitlichen Einschränkungen unklar waren, gab die IV-Stelle im Hinblick auf die gewünschte Umschulung bei Frau Dr. med. L.________, Spezialärztin FMH für Neurochirurgie, und Dr. med. H.________, Spezialarzt FMH für Psychiatrie und Psychotherapie, ein Gutachten in Auftrag. Die Ärztin bezeichnete der Versicherten eine körperlich leichte Tätigkeit als Verkäuferin oder wie gewünscht als Kindergärtnerin ohne zeitliche oder leistungsmässige Einbusse als voll zumutbar (Gutachten vom 4. Februar 1998). Der Psychiater schloss sich dieser Einschätzung aus der Sicht seines Fachgebietes an. Er schätzte die Versicherte für alle in Frage kommenden Arbeiten wie Betagtenbetreuerin, Kindergärtnerin oder andere angepasste Tätigkeiten als weitgehend arbeitsfähig ein. Ein psychisches Leiden (Persönlichkeitsstörung, rezidivierende depressive Störung, damals leichte Episode) sei nur noch mässig ausgeprägt, weshalb in erster Linie der somatische Befund massgebend sei (Gutachten vom 18. Februar 1998). Gestützt auf diese Einschätzungen und auf Berichte der IV-Berufsberatung verfügte die IV-Stelle am 2. Juli 1998 im Rahmen einer beruflichen Massnahme die Übernahme der Kosten einer dreijährigen Umschulung am Kindergarten-Seminar X.________ und am 9. Juli 1998 die Ausrichtung von Taggeld.
 
G.________ schloss die Ausbildung im August 2001 erfolgreich ab. Mit Schreiben vom 4. Februar 2002 stellte sie der IV-Stelle die Anstellungsvereinbarung vom 7. August 2001 mit dem Heilpädagogischen Heim W.________ zu, wo sie seit dem 12. August 2001 als Sozialpädagogin mit einem Beschäftigungsgrad von 60 % arbeitete. Sie erklärte, es sei ihr aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich, zu mehr als 60 % zu arbeiten. Deshalb beantrage sie in Absprache mit dem Hausarzt "eine 40-prozentige IV". Mit Vorbescheid vom 8. April 2002 und Verfügung vom 7. Februar 2003, bestätigt mit Einspracheentscheid vom 23. April 2003, lehnte die IV-Stelle den Anspruch auf Ausrichtung einer Invalidenrente ab. Zur Begründung wurde namentlich ausgeführt, der Beruf der Kindergärtnerin sei nach den Gutachten der Dres. med. L.________ und H.________ vom Februar 1998 der Behinderung der Versicherten optimal angepasst. Es sei ihr möglich und zumutbar, in diesem Beruf ein (laut Verfügung) bis maximal 80-prozentiges resp. (gemäss Einspracheentscheid) ein volles Arbeitspensum zu bewältigen und so ein rentenausschliessendes Einkommen zu erzielen.
 
B.
 
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern mit Entscheid vom 17. Dezember 2003 ab.
 
C.
 
G.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem Antrag, der kantonale Entscheid sei aufzuheben und es sei ihr eine Viertelsrente der Invalidenversicherung zuzusprechen. Eventualiter sei die Sache zur Durchführung weiterer Abklärungen und zum Erlass einer neuen Verfügung an die IV-Stelle zurückzuweisen. Ferner ersucht sie um die Bewilligung der unentgeltlichen Verbeiständung.
 
Die IV-Stelle beantragt die Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherung verzichtet auf eine Vernehmlassung.
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
 
1.
 
Bei der Prüfung eines allfälligen schon vor dem In-Kraft-Treten des ATSG auf den 1. Januar 2003 entstandenen Anspruchs auf eine Rente der Invalidenversicherung sind die allgemeinen intertemporalrechtlichen Regeln heranzuziehen, gemäss welchen - auch bei einer Änderung der gesetzlichen Grundlagen - grundsätzlich diejenigen Rechtssätze massgebend sind, die bei Verwirklichung des zu Rechtsfolgen führenden Sachverhalts galten. Demzufolge ist, wie die Vorinstanz richtig erwogen hat, der Rentenanspruch für die Zeit bis 31. Dezember 2002 auf Grund der bisherigen und ab diesem Zeitpunkt nach den neuen Normen zu prüfen (BGE 130 V 445 Erw. 1 mit Hinweisen).
 
2.
 
Das kantonale Gericht hat die Bestimmungen und Grundsätze über den Begriff der Invalidität (Art. 8 Abs. 1 ATSG in Verbindung mit Art. 4 Abs. 1 IVG; Art. 4 Abs. 1 aIVG), den Umfang des Rentenanspruchs (Art. 28 Abs. 1 und 1bis IVG in der hier anwendbaren, bis Ende 2003 gültig gewesenen Fassung), die Bemessung des Invaliditätsgrades bei erwerbstätigen Versicherten (Einkommensvergleichsmethode [Art. 16 ATSG in Verbindung mit Art. 28 Abs. 2; Art. 28 Abs. 2 aIVG; BGE 104 V 136 Erw. 2a und b]) sowie die Rechtsprechung zur Aufgabe des Arztes im Rahmen der Invaliditätsbemessung (BGE 125 V 261 Erw. 4, 115 V 134 Erw. 2, 105 V 158 Erw. 1) und zum Beweiswert ärztlicher Berichte (BGE 125 V 352 f. Erw. 3 mit Hinweisen) richtig dargelegt. Darauf wird verwiesen. Zutreffend ist auch, dass vorliegend die mit der 4. IV-Revision auf den 1. Januar 2004 in Kraft getretenen Bestimmungen nicht anwendbar sind.
 
3.
 
Streitig und zu prüfen ist der Anspruch auf eine Invalidenrente. Umstritten sind der für die Invaliditätsbemessung massgebende Grad der Arbeitsfähigkeit (vgl. Erw. 4 hienach) und die dabei zu berücksichtigenden Einkommen (vgl. Erw. 5 und 6 hienach).
 
4.
 
4.1 In medizinischer Hinsicht gelangte die IV-Stelle gestützt auf die Gutachten der Neurologin Frau Dr. med. L.________ und des Psychiaters Dr. med. H.________ vom Februar 1998 zum Ergebnis, der Beruf der Kindergärtnerin sei der Behinderung der Beschwerdeführerin optimal angepasst; es sei ihr möglich und zumutbar, darin ein maximal 80−prozentiges (Verfügung) bzw. ein volles Arbeitspensum (Einspracheentscheid) zu bewältigen.
 
Bereits im vorinstanzlichen Verfahren brachte die Beschwerdeführerin vor, die beiden Gutachten seien schon mehr als fünf Jahre alt und es lägen in der Zwischenzeit erhebliche neue ärztliche Befunde vor, die neben einer Verschlechterung des Allgemeinzustandes, der sich auf einem tieferen Niveau stabilisiert habe, eine Chronifizierung der Beschwerden schlüssig belegten. Verschiedene Ärzte würden bestätigen, dass sie längerfristig in ihrer Anstellung als Sozialpädagogin im Heilpädagogischen Schulheim höchstens ein Pensum von 60 % ausfüllen könne, als Kindergärtnerin aber maximal ein solches von 40 %. Laut dem von ihr eingelegten Bericht des behandelnden Arztes Dr. med. I.________, Facharzt FMH für Allgemeine Medizin, vom 21. Oktober 2003 traten im April 2003 neue und starke Schmerzen und verschiedene Missempfindungen auf, die auf Nervenwurzelreizungen zurückzuführen seien und entsprechende spezialärztliche Abklärungen notwendig gemacht hätten. Während die Missempfindungen persistierten, hätten sich die Schmerzen unter intensiver Therapie zurückgebildet, könnten aber durch übermässige körperliche Belastung wieder ausgelöst werden. Aktuell stünden neben dem seit 1996 beschriebenen Zervikobrachialsyndrom Schmerzen an der rechten Schulter und Spannungskopfschmerzen im Vordergrund. Die Versicherte könne die Arbeitsbelastung im Rahmen des 60-Prozent-Pensums nur mit begleitenden therapeutischen Massnahmen (Heilgymnastik, Massage) und unter Einsatz von Schmerzmitteln bewältigen.
 
Die Vorinstanz stellte vorab fest, den Ausführungen der Beschwerdeführerin sei insofern zuzustimmen, als die interdisziplinäre Begutachtung aus dem Jahre 1998 nicht unbesehen übernommen werden könne. Sie erachtete jedoch weitere medizinische Abklärungen und eine Aktualisierung der Angaben zum Gesundheitszustand nicht für erforderlich, weil auf Grund neuer Berichte des behandelnden Arztes Dr. med. I.________ (vom 29. Juli 2002 und 14. April 2003) und des Chiropraktors Dr. S.________, bei, (vom 26. Februar 2003) belegt sei, dass die Versicherte in ihrer gegenwärtigen Tätigkeit als Sozialpädagogin zu 60 % arbeitsfähig sei.
 
Die Beschwerdeführerin teilt grundsätzlich die Position der Vorinstanz, dass sie als Sozialpädagogin zu 60 % arbeitsfähig sei, hält aber daran fest, dass sie als Kindergärtnerin weder zu 100 % noch zu 60 % arbeiten könne.
 
4.2 Der Beschwerdeführerin wie auch der Vorinstanz ist darin beizupflichten, dass sich der im Zeitpunkt des Einspracheentscheides vom 23. April 2003 für die umstrittene Frage einer Berentung massgebende Gesundheitszustand alleine gestützt auf die Gutachten der Dres. med. L.________ und H.________ vom Februar 1998 nicht mit der notwendigen Wahrscheinlichkeit eruieren lässt.
 
4.3 Ebenso ist aber auf Grund aktueller medizinischer Berichte erstellt, dass es der Beschwerdeführerin im genannten Zeitpunkt aus medizinischer Sicht zumutbar war, in der unmittelbar nach Abschluss des Kindergarten-Seminars angetretenen Stelle als Sozialpädagogin in einem 60-Prozent-Pensum erwerbstätig zu sein. Medizinisch hinreichend geklärt ist zudem auch der Grad der Arbeitsfähigkeit in der im Rahmen der beruflichen Eingliederungsmassnahme erlernten Tätigkeit einer Kindergärtnerin, hat doch der behandelnde Arzt Dr. med. I.________ in seinem Zwischenbericht an die Invalidenversicherung vom 14. April 2003 auf Grund einer Untersuchung vom 24. März 2003 angegeben, hier bestehe ab dem 13. August 2001 bis auf weiteres eine Arbeitsunfähigkeit von 40 %.
 
5.
 
5.1 Bei erwerbstätigen Versicherten ist der Invaliditätsgrad auf Grund eines Einkommensvergleichs zu bestimmen (vgl. Erw. 2 hievor). Dazu wird das Erwerbseinkommen, das die versicherte Person nach Eintritt der Invalidität und nach Durchführung der medizinischen Behandlung und allfälliger Eingliederungsmassnahmen durch eine ihr zumutbare Tätigkeit bei ausgeglichener Arbeitsmarktlage erzielen könnte, in Beziehung gesetzt zum Erwerbseinkommen, das sie erzielen könnte, wenn sie nicht invalid geworden wäre (Art. 16 ATSG in Verbindung mit Art. 28 Abs. 2; Art. 28 Abs. 2 aIVG). Der Einkommensvergleich hat in der Regel in der Weise zu erfolgen, dass die beiden hypothetischen Erwerbseinkommen ziffernmässig möglichst genau ermittelt und einander gegenüber gestellt werden, worauf sich aus der Einkommensdifferenz der Invaliditätsgrad bestimmen lässt. Insoweit die fraglichen Erwerbseinkommen ziffernmässig nicht genau ermittelt werden können, sind sie nach Massgabe der im Einzelfall bekannten Umstände zu schätzen und die so gewonnenen Annäherungswerte miteinander zu vergleichen. Lassen sich die beiden hypothetischen Erwerbseinkommen nicht zuverlässig ermitteln oder schätzen, so ist ein Betätigungsvergleich anzustellen und der Invaliditätsgrad nach Massgabe der erwerblichen Auswirkungen der verminderten Leistungsfähigkeit in der konkreten erwerblichen Situation zu bestimmen (ausserordentliches Bemessungsverfahren; BGE 128 V 30 Erw. 1, 104 V 136 Erw. 2; AHI 1998 S. 120 Erw. 1a und S. 252 Erw. 2b).
 
5.2 Wie das Eidgenössische Versicherungsgericht im Urteil W. vom 18. Dezember 2002, I 609+610/00, Erw. 5.3.2, dargelegt hat, ist bei der Ermittlung des Valideneinkommens, das heisst des Einkommens, welches die versicherte Person ohne Gesundheitsschaden erzielen würde, entscheidend, was die betroffene Person im massgebenden Zeitpunkt nach dem Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit als Gesunde verdienen würde. Die Einkommensermittlung hat so konkret wie möglich zu erfolgen, weshalb in der Regel vom letzten Lohn, den die versicherte Person vor Eintritt des Gesundheitsschadens erzielt hat, auszugehen ist (RKUV 1993 Nr. U 168 S. 100 Erw. 3b; Urteile D. vom 30. Oktober 2002, I 517/02, Erw. 1.2, und M. vom 23. Juli 2002, I 650/01, Erw. 2b). Hat diese nach der gesundheitsbedingten Aufgabe ihres erlernten Berufs eine andere Tätigkeit ausgeübt, ist je nach den Umständen auf das im ursprünglich erlernten Beruf oder auf das in der anderen Tätigkeit erzielte Einkommen abzustellen: So hat das Eidgenössische Versicherungsgericht in ZAK 1963 S. 388 den gelernten, aber aus gesundheitlichen Gründen nie ausgeübten Beruf und nicht eine nur kurzfristig ausgeübte einträglichere Tätigkeit, für die der Versicherte auf die Dauer als ungeeignet erschien, für massgebend erachtet; demgegenüber ist es in einem nicht veröffentlichten Urteil A. vom 19. Oktober 1988, M 20/87, bei einem Versicherten, der, ursprünglich Servicemonteur, invaliditätsbedingt eine neue, besser bezahlte Tätigkeit als Aussendienstmitarbeiter aufnahm, die er zunächst ohne Einschränkungen verrichten, nach rund zwei Jahren aber aus gesundheitlichen Gründen nur noch in reduziertem Umfang ausüben konnte, vom Einkommen als voll leistungsfähiger Aussendienstmitarbeiter und nicht vom Lohn im früheren Beruf als Servicemonteur ausgegangen. Ist eine Person, die trotz ihrer Behinderung eine Berufslehre abgeschlossen hat, im gelernten Beruf nicht voll leistungsfähig, ist - unter Vorbehalt der allfälligen Massgeblichkeit einer später ausgeübten besser bezahlten Tätigkeit - gemäss nicht veröffentlichtem Urteil E. vom 23. März 1998, I 134/96, auf das Einkommen abzustellen, welches die betroffene Person im gelernten Beruf erzielen würde, wenn sie nicht behindert wäre.
 
5.3 Verwaltung und Vorinstanz haben im Einkommensvergleich für das Valideneinkommen auf den Verdienst einer Kindergärtnerin abgestellt. Die IV-Stelle hat ihn auf Fr. 58'301.- festgelegt, wobei sie den Betrag nicht näher begründete (Einspracheentscheid vom 23. April 2003). Die Vorinstanz überprüfte diesen Wert anhand kantonaler Besoldungsrichtlinien und gemäss den Gehaltsklassentabellen 2002 und 2003 für Lehrkräfte im Kanton Bern. Nach den vorinstanzlichen Erwägungen soll es sich bei einem Verdienst in der erwähnten Höhe um den Lohn einer Person mit nicht anerkannter Ausbildung, langer Berufserfahrung, jedoch mehrheitlich nicht als Lehrkraft, handeln.
 
5.4 Bei der Arbeit einer Kindergärtnerin handelt es sich nicht um den angestammten Beruf der Beschwerdeführerin. Sie begann nach dem Besuch der Primar- und Sekundarschule Ausbildungen zur Kindergärtnerin und zur Physiotherapeutin, welche sie beide wieder abbrach. Danach arbeitete sie temporär in verschiedenen Anstellungen, war dann als Schwesternhilfe und als Praktikantin in der Betagtenbetreuung tätig und erwarb schliesslich den Fähigkeitsausweis als Betagtenbetreuerin VBA. Diese Arbeit verrichtete sie, bis sie die letzte Stelle aus gesundheitlichen Gründen auf Ende Juni 1996 aufgab. Weil sie invaliditätsbedingt den Anforderungen des erlernten Berufs nicht mehr zu genügen vermochte, wurde sie auf die Tätigkeit als Kindergärtnerin umgeschult. Diese hat sie nach Abschluss der Ausbildung am Rudolf Steiner Kindergarten-Seminar jedoch nie ausgeübt, wofür auch gesundheitliche Gründe ausschlaggebend waren. Bei den bekannten Umständen ist nicht davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin sich auf eigene Kosten und unter Inkaufnahme einer länger dauernden erheblichen Einkommeneinbusse zusätzlich noch zur Kindergärtnerin hätte ausbilden lassen, wenn die gesundheitlichen Probleme im Beruf als Betagtenbetreuerin nicht aufgetreten wären. Vielmehr ist daraus zu folgern, dass solches unterblieben wäre. Da die Einkommensermittlung so konkret wie möglich zu erfolgen hat, weshalb in der Regel vom letzten Lohn, den die versicherte Person vor Eintritt des Gesundheitsschadens erzielt hat, auszugehen ist (vgl. Erw. 5.2 hievor), ist im Falle der Beschwerdeführerin im Einkommensvergleich bei der Bestimmung des Valideneinkommens auf das Einkommen abzustellen, das sie im erlernten Beruf als Betagtenbetreuerin mit Fähigkeitsausweis VBA erzielen könnte, wenn sie nicht behindert wäre.
 
6.
 
Wie das kantonale Gericht zutreffend erwogen hat, schöpft die Beschwerdeführerin in ihrer jetzigen Tätigkeit im Heilpädagogischen Heim W.________ mit ihrem 60-Prozent-Pensum (= 30 Stunden pro Woche bei betriebsüblicher 50-Stunden-Woche im Vollpensum) die ihr verbliebene Arbeitsfähigkeit in zumutbarer Weise voll aus. Das Einkommen aus der Arbeitsleistung erscheint als angemessen und kann nicht als Soziallohn bezeichnet werden. Die nach der Rechtsprechung (vgl. BGE 129 V 475 Erw. 4.2.1, 117 V 18 mit Hinweisen) erforderlichen Voraussetzungen dafür, das im Heilpädagogischen Schulheim erzielte Einkommen bei der Invaliditätsbemessung als Invalideneinkommen zu berücksichtigen, sind damit erfüllt.
 
7.
 
Damit ist zum Schluss zu kommen, dass im Falle der Beschwerdeführerin im Rahmen der Invaliditätsbemessung das Valideneinkommen aus einer Vollzeitbeschäftigung als Betagtenbetreuerin mit Fähigkeitsausweis VBA zu vergleichen ist mit dem in der teilzeitlichen Erwerbstätigkeit als Sozialpädagogin erzielten Invalideneinkommen. Dazu ist die Sache an die IV-Stelle zurückzuweisen, die nach Veranlassung der noch erforderlichen Abklärungen erneut über den Leistungsanspruch befinden wird.
 
8.
 
Im vorliegenden Verfahren geht es um die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen, weshalb von der Auferlegung von Gerichtskosten abzusehen ist (Art. 134 OG). Dem Prozessausgang entsprechend ist der Beschwerdeführerin eine Parteientschädigung zuzusprechen (Art. 135 in Verbindung mit Art. 159 OG). Das Gesuch um unentgeltliche Verbeiständung ist damit gegenstandslos.
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
 
1.
 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird in dem Sinne gutgeheissen, dass der Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 17. Dezember 2003 und der Einspracheentscheid der IV-Stelle Bern vom 23. April 2003 aufgehoben werden und die Sache an die IVStelle Bern zurückgewiesen wird, damit sie im Sinne der Erwägungen über den Rentenanspruch neu verfüge.
 
2.
 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
 
3.
 
Die IV-Stelle Bern hat der Beschwerdeführerin eine Parteientschädigung von Fr. 2'500.- (einschliesslich Mehrwertsteuer) zu bezahlen.
 
4.
 
Das Verwaltungsgericht des Kantons Bern wird über eine Parteientschädigung für das kantonale Verfahren entsprechend dem Ausgang des letztinstanzlichen Verfahrens zu befinden haben.
 
5.
 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, der AHV-Zweigstelle der Stadt Bern und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.
 
Luzern, 31. Januar 2005
 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts
 
Die Präsidentin der III. Kammer: Der Gerichtsschreiber:
 
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