BGer C 79/2004 | |||
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BGer C 79/2004 vom 11.02.2005 | |
Eidgenössisches Versicherungsgericht
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Tribunale federale delle assicurazioni
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Tribunal federal d'assicuranzas
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Sozialversicherungsabteilung
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des Bundesgerichts
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Prozess
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{T 7}
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C 79/04
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Urteil vom 11. Februar 2005
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III. Kammer
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Besetzung
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Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Lustenberger und Kernen; Gerichtsschreiberin Bollinger
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Parteien
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T.________, 1956, Beschwerdeführerin,
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gegen
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Amt für Wirtschaft und Arbeit, Abt. Rechtsdienst
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und Entscheide, Verwaltungsgebäude Promenade, 8510 Frauenfeld, Beschwerdegegner
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Vorinstanz
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Rekurskommission des Kantons Thurgau für die Arbeitslosenversicherung, Eschlikon
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(Entscheid vom 18. März 2004)
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Sachverhalt:
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A.
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Mit Verfügung vom 18. September 2003 wies das Amt für Wirtschaft und Arbeit (AWA) des Kantons Thurgau das Gesuch der T.________, geboren 1956, um Übernahme der Kosten für ein "Traineeprogramm Projektleiter SIZ" ab. Vorgängig hatte es bereits die Finanzierung eines Nachdiplomkurses "Interne Kommunikation" (Gesuch vom 30. Juli 2003) sowie einer Schulung zur Ausbilderin mit Eidg. Fachausweis (Gesuch vom 28. August 2003) abgelehnt, wobei die entsprechenden Verfügungen unangefochten in Rechtskraft erwuchsen. Die Ablehnung des am 10. September 2003 eingereichten dritten Gesuchs begründete es damit, dass die beantragte Ausbildung (Kostenpunkt: Fr. 4800.-) aus arbeitsmarktlicher Sicht nicht indiziert sei. Es handle sich um eine persönlich motivierte Ausbildung, die nicht in den Leistungsbereich der Arbeitslosenversicherung falle. Mit Einspracheentscheid vom 9. Dezember 2003 hielt das AWA an seiner ablehnenden Haltung fest und führte aus, T.________ verfüge über ein Germanistik-Studium und habe vor der Arbeitslosigkeit als Redaktorin gearbeitet. Der abgelehnte Kurs stehe mit der angestammten Tätigkeit nicht in Zusammenhang. Auch könne die Versicherte keine Stelle nachweisen, für welche ein Arbeitgeber eine schriftliche und glaubhafte Begründung liefere, dass die beantragte Weiterbildung zwingend für eine Festanstellung benötigt werde.
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B.
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Die hiegegen erhobene Beschwerde wies die Rekurskommission des Kantons Thurgau für die Arbeitslosenversicherung (Rekurskommission) am 18. März 2004 ab.
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C.
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Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde erneuert T.________ ihr Leistungsbegehren. Gleichzeitig macht sie geltend, von den Behörden ungebührlich (hochmütig, herablassend und verhöhnend) behandelt worden zu sein.
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Die Rekurskommission und das AWA beantragen die Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Staatssekretariat für Wirtschaft verzichtet auf eine Vernehmlassung.
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Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
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1.
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Am 1. Juli 2003 haben verschiedene Bestimmungen des AVIG geändert. In materiell-rechtlicher Hinsicht gilt der allgemeine übergangsrechtliche Grundsatz, wonach der Beurteilung diejenigen Rechtsnormen zu Grunde zu legen sind, welche gegolten haben, als sich der zu den materiellen Rechtsfolgen führende Sachverhalt verwirklicht hat (BGE 127 V 467 Erw. 1, 126 V 136 Erw. 4b, je mit Hinweisen). Die Beschwerdeführerin ersuchte am 10. September 2003 um Übernahme der Kurskosten; die am 1. Juli 2003 in Kraft getretenen Änderungen des AVIG sind somit anwendbar.
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2.
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Nach den bis 30. Juni 2003 in Kraft gewesenen Bestimmungen förderte die Arbeitslosenversicherung durch finanzielle Leistungen die Umschulung, Weiterbildung oder Eingliederung von Versicherten, deren Vermittlung aus Gründen des Arbeitsmarktes unmöglich oder stark erschwert war (alt Art. 59 Abs. 1 AVIG). Gemäss den seit 1. Juli 2003 gültigen Vorschriften wird für die Gewährung arbeitsmarktlicher Massnahmen vorausgesetzt, dass die versicherte Person aus Gründen des Arbeitsmarktes erschwert vermittelbar ist. Wie das Eidgenössische Versicherungsgericht mit Urteil B. vom 24. Dezember 2004, C 77/04, entschieden hat, sind mit der unterschiedlichen Formulierung keine materiell-rechtlichen Änderungen verbunden. Insbesondere hat die Neufassung von Art. 59 Abs. 2 AVIG weder eine erleichterte Begründung des Anspruchs auf arbeitsmarktliche Massnahmen noch eine Ausweitung des Kreises der Anspruchsberechtigten eingeführt (dazu Botschaft zu einem revidierten Arbeitslosenversicherungsgesetz vom 28. Februar 2001, BBl 2001 II S. 2259; vgl. auch Ueli Kieser, Leistungen der Sozialversicherung, Zürich 2003, S. 54 und Thomas Nussbaumer, Arbeitslosenversicherung, in: Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht [SBVR], Soziale Sicherheit, Basel etc. 1998, Rz 561). Massnahmen nach Art. 59 ff. AVIG sind somit weiterhin nur einzusetzen, wenn die Arbeitsmarktlage dies unmittelbar gebietet, weshalb von der Arbeitslosenversicherung ausschliesslich für solche Vorkehren die Kosten übernommen werden können, welche es einer versicherten Person erlauben, sich dem (industriellen und technischen) Fortschritt anzupassen oder sie in die Lage versetzen, ihre bereits vorhandenen beruflichen Fähigkeiten ausserhalb der angestammten engen bisherigen Erwerbstätigkeit auf dem Arbeitsmarkt zu verwerten (ARV 1987 Nr. 12 S. 113 Erw. 1 mit Hinweisen).
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3.
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Die Rekurskommission erwog, die Beschwerdeführerin habe bei ihrer bisherigen Tätigkeit als Redaktorin bereits Projekte geleitet und betreut. Würden für eine Anstellung Erfahrungen im Bereiche der Projektleitung und des Projektmanagements vorausgesetzt, erfülle sie diese Bedingung deshalb bereits. Durch die Absolvierung des beantragten Kurses könne somit nicht auf eine namhafte Verbesserung der Vermittlungsfähigkeit geschlossen werden, weshalb es an der arbeitsmarktlichen Indikation fehle. Im Übrigen sei eine Weiterbildung bei hochqualifizierten Berufen anders zu beurteilen als bei weniger anforderungsreichen Berufen, indem bei ersteren von den Absolventen ohne weiteres vorausgesetzt werden könne, dass sie sich um die Belange ihrer spezifischen Weiterbildung kümmerten.
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Die Versicherte bringt dagegen sinngemäss vor, die Arbeitslosenversicherung habe von Gesetzes wegen die Weiterbildung zu fördern. Mit der Bezahlung entsprechender Beiträge habe sie sich für den Fall einer Arbeitslosigkeit Ansprüche gegenüber der Versicherung erworben. Der beantragte Kurs sei aus arbeitsmarktlicher Sicht dringend angezeigt (gewesen), zumal er keine allgemeine Weiterbildung und keine Grundausbildung beinhalte, sondern in einer berufsspezifischen Weiterbildung bestehe. Auch hätte der Kursbesuch ihre Vermittlungsfähigkeit erhöht.
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4.
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4.1 Aus den Akten ergibt sich, dass das fragliche Traineeprogramm die Vermittlung branchenneutraler Projektmanagement-Kenntnisse (Grundsätze; Zieldefinition und -präsentation; Aufbau entsprechender Teams; Kenntnisse von Modellen, rechtlichen Grundlagen und Kommunikationsgrundsätzen; Hilfe bei Kostenplanung und Risikoabschätzung; Einsatz von bestimmten technischen Hilfsmitteln) bezweckt. Der Abschluss des Kurses soll den Teilnehmenden den Einstieg als Projektleiter-Assistenten in allen Branchen ermöglichen und die Grundlagen für eine Weiterbildung in der Informatik auf Stufe eines eidgenössischen Fachausweises mit der Spezialisierung in Projektmanagement schaffen.
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4.2 Ohne Zweifel ist die Teilnahme am Traineeprogramm für die Versicherte von einigem Interesse. Wie aus den sich bei den Akten befindlichen Inseraten hervorgeht, sind Erfahrungen auf dem Gebiet der Projektleitung und -betreuung für Stellen im journalistischen Bereich, aber auch für Tätigkeiten als (Deutsch-) Lehrerin zumindest teilweise erwünscht, weshalb die im fraglichen Kurs vermittelten Inhalte auch von beruflichem Wert sind. Sodann ist verständlich, dass die Versicherte sich nach längerer Arbeitslosigkeit einen strukturierten Tagesablauf und soziale Kontakte wünscht, wie diese durch den Kursbesuch ermöglicht würden.
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Aus der Kursbeschreibung geht aber auch klar hervor, dass die Ausbildung "ein umfassendes fach- und branchenneutrales Basiswissen" vermitteln soll und die Aspekte einer allgemeinen beruflichen Weiterbildung überwiegen. Wie das kantonale Gericht - von der Versicherten unbestritten - erwog, beinhaltete die frühere Berufstätigkeit als Redaktorin die Betreuung und Begleitung von Projekten, weshalb sie bereits über praktische Erfahrungen in diesem Bereich verfügt. Es ist nicht wahrscheinlich, dass die Absolvierung des Trainingsprogramms, auch wenn es nach Angaben der Kursleitung sofort einsetzbare Kenntnisse vermittelt, und das dadurch erworbene Zertifikat, welches im Wesentlichen die Grundlage für eine Weiterbildung zum eidgenössischen Fachausweis bildet, die Berufschancen konkret und entscheidend verbessert. Dass die anbegehrte Vorkehr für das weitere berufliche Fortkommen (nur) allgemein vorteilhaft ist, genügt aber nicht, zumal praktisch jede berufliche Massnahme wegen der dadurch vermittelten zusätzlichen Kenntnisse und Fertigkeiten Vorteile auf dem Arbeitsmarkt bringt (vgl. ARV 1999 Nr. 12 S. 66 Erw. 2). Ist nicht die Wahrscheinlichkeit dargetan, dass die Vermittlungsfähigkeit durch eine im Hinblick auf ein konkretes berufliches Ziel absolvierte Weiterbildung im konkreten Fall tatsächlich und in erheblichem Masse gefördert wird, kommt eine Kostenübernahme durch die Arbeitslosenversicherung nicht in Frage (ARV 1987 Nr. 12 S. 114 Erw. 2c mit Hinweisen). Ein solcher konkreter Einsatz, für welchen die im Kurs vermittelten Kenntnisse unabdingbare Voraussetzung wären, ist nicht in Sicht. Mit der Vorinstanz ist davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin trotz der momentan eher angespannten Lage im Zeitungs- und Verlagswesen auf Grund ihrer guten Ausbildung und der mehrjährigen Berufserfahrung auch ohne die gewünschte Weiterbildung in der Lage ist, eine Stelle im angestammten oder in einem verwandten Tätigkeitsgebiet zu finden bzw. die Absolvierung des Kurses ihre Chancen jedenfalls nicht entscheidend verbessert. Die Ablehnung des Leistungsbegehrens ist deshalb zu Recht erfolgt.
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Ob Absolventen höherer Ausbildungen sich mehr um ihre eigene Weiterbildung zu kümmern haben als Personen in weniger anforderungsreichen Berufen, bleibe dahingestellt. Jedenfalls hat die Arbeitslosenversicherung nicht für Kurse aufzukommen, deren Inhalte üblicherweise von den betreffenden Berufsleuten erworben werden, die zum beruflichen Standard gehören und die deshalb in keinem Zusammenhang mit der Arbeitslosigkeit stehen (in BJM 1998 S. 197 auszugsweise veröffentlichtes Urteil F. vom 29. April 1997, C 48/97, Erw. 1 mit Hinweisen).
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5.
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Aus den Akten ist nichts ersichtlich, was auf eine ungebührliche Behandlung der Beschwerdeführerin durch die Behörden hindeutet. Zwar ist nachvollziehbar, dass die wiederholte Ablehnung der Übernahme von Kurskosten zusammen mit der längeren Arbeitslosigkeit zu einer gewissen Frustration geführt hat. Der mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde vorgebrachte, äusserst unpassende Hinweis auf die Tat eines Amokschützen in Zug vom September 2001 wird dadurch aber keinesfalls gerechtfertigt.
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Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
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1.
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Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
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2.
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Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
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3.
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Dieses Urteil wird den Parteien, der Rekurskommission des Kantons Thurgau für die Arbeitslosenversicherung, dem Amt für Wirtschaft und Arbeit, Abt. Arbeitslosenkasse, Frauenfeld, und dem Staatssekretariat für Wirtschaft zugestellt.
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Luzern, 11. Februar 2005
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Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts
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Die Präsidentin der III. Kammer: Die Gerichtsschreiberin:
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