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Informationen zum Dokument  BGer 6P.169/2004  Materielle Begründung
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BGer 6P.169/2004 vom 09.03.2005
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
6P.169/2004
 
6S.443/2004 /bri
 
Urteil vom 9. März 2005
 
Kassationshof
 
Besetzung
 
Bundesrichter Schneider, Präsident,
 
Bundesrichter Kolly, Karlen,
 
Gerichtsschreiber Schönknecht.
 
Parteien
 
X.________,
 
Beschwerdeführer, vertreten durch Fürsprecher Michaela C. Hamberger,
 
gegen
 
Generalprokurator des Kantons Bern, Postfach 7475, 3001 Bern,
 
Obergericht des Kantons Bern, 2. Strafkammer, Postfach 7475, 3001 Bern.
 
Gegenstand
 
6P.169/2004
 
Strafverfahren; willkürliche Beweiswürdigung, Grundsatz "in dubio pro reo" (Art. 9 und 32 Abs. 1 BV sowie Art. 6 Ziff. 2 EMRK),
 
6S.443/2004
 
fahrlässige schwere Körperverletzung (Art. 125 Abs. 2 StGB), grobe Verkehrsregelverletzung (Art. 90 Ziff. 2 SVG), Strafzumessung (Art. 63 StGB),
 
staatsrechtliche Beschwerde (6P.169/2004) und Nichtigkeitsbeschwerde (6S.443/2004) gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Bern, 2. Strafkammer, vom 28. September 2004.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
X.________ verliess am Morgen des 11. April 2003 um 06.30 Uhr in seinem BMW 320i, Jg. 1988, seinen Wohnort in Wilderswil, um wie üblich zu seiner Arbeitsstelle in Steffisburg zu fahren. Beim Einsteigen hatte er es nicht als besonders kalt empfunden und die Scheiben seines Fahrzeugs, das er stets draussen parkte, waren weder beschlagen noch gefroren. Auf der Autostrasse A 8, Abschnitt Leissigen-Spiez, überholte er mit einer Geschwindigkeit von ca. 100 km/h das Auto von A.________, der mit ca. 60 km/h unterwegs war. Anschliessend schwenkte er vom Überholstreifen auf die rechte Fahrspur zurück. Kurz darauf, um 06.48 Uhr, als sich X.________ auf eine Distanz von ca. 200 m von A.________ abgesetzt hatte, brach das Heck seines Fahrzeugs auf einem vereisten Fahrbahnabschnitt auf einer Brücke in einer leichten Rechtskurve plötzlich aus. Trotz des Versuchs, den Wagen durch Gegenlenken wieder unter Kontrolle zu bringen, geriet X.________ auf die Gegenfahrbahn und kollidierte frontal mit dem korrekt entgegenkommenden Personenwagen von B.________. Durch die Wucht des Aufpralls wurde dessen Fahrzeug auf die andere Fahrbahn und gegen die Leitplanke geschleudert und kam auf der rechten Fahrspur zum Stehen. Während X.________ unverletzt blieb, wurde B.________ in seinem Fahrzeug eingeklemmt und erlitt ernsthafte Verletzungen; einen Oberschenkelbruch rechts mit Beteiligung der Kniescheibe und des rechten Kniegelenks, einen Oberschenkelbruch links, Riss-/Quetschwunden an beiden Kniegelenken, eine mittelschwere Hirnerschütterung mit Gedächtnisverlust in Bezug auf das Unfallereignis und eine vordere Kreuzbandverletzung rechts. Aufgrund des hohen Blutverlusts bestand Lebensgefahr.
 
B.
 
Der Gerichtspräsident 2 des Gerichtskreises XII Frutigen-Niedersimmental sprach X.________ am 1. April 2004 der fahrlässigen schweren Körperverletzung im Sinne von Art. 125 Abs. 2 StGB schuldig und verurteilte ihn zu einer Busse von Fr. 700.--.
 
Auf Berufung des Generalprokurators des Kantons Bern erkannte das Obergericht des Kantons Bern am 28. September 2004 zusätzlich auf grobe Verletzung von Verkehrsregeln begangen durch Nichtanpassen der Geschwindigkeit an die Strassenverhältnisse im Sinne von Art. 90 Ziff. 2 i.V.m. 32 Abs. 1 SVG und verurteilte X.________ neu zu 20 Tagen Gefängnis bedingt bei einer Probezeit von vier Jahren sowie zu einer Busse von Fr. 1'200.--.
 
C.
 
X.________ gelangt mit staatsrechtlicher Beschwerde und eidgenössischer Nichtigkeitsbeschwerde ans Bundesgericht und beantragt, das Urteil des Obergerichts des Kantons Bern sei aufzuheben.
 
Das Obergericht des Kantons Bern verzichtet auf eine Stellungnahme zu den Beschwerden. Eine Vernehmlassung des Generalprokurators des Kantons Bern wurde nicht eingeholt.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
I. Staatsrechtliche Beschwerde
 
1.
 
Gemäss Art. 84 Abs. 2 OG ist die staatsrechtliche Beschwerde nur zulässig, wenn die behauptete Rechtsverletzung nicht sonst wie durch Klage oder Rechtsmittel beim Bundesgericht oder einer anderen Bundesbehörde gerügt werden kann. Ob der Beschwerdeführer hätte erkennen müssen, dass der fragliche Fahrbahnabschnitt vereist war, und er seine Geschwindigkeit daher hätte herabsetzen müssen, beurteilt sich nach dem Massstab der Adäquanz damit nach Bundesstrafrecht (vgl. BGE 130 IV 7 E. 3.2). Nicht anders verhält es sich mit dem Einwand des Beschwerdeführers, es könne ihm jedenfalls keine grobe Fahrlässigkeit vorgeworfen werden (vgl. BGE 130 IV 32 E. 5.3). Die entsprechenden Rügen sind daher im Rahmen der Nichtigkeitsbeschwerde zu behandeln (vgl. E. 4 bzw. E. 5).
 
2.
 
Der Beschwerdeführer ist der Ansicht, die Beweiswürdigung des Obergerichts verstosse in verschiedener Hinsicht gegen den Grundsatz "in dubio pro reo".
 
2.1 Gemäss dem in Art. 32 Abs. 1 BV und in Art. 6 Ziff. 2 EMRK verankerten Grundsatz "in dubio pro reo" ist bis zum gesetzlichen Nachweis der Schuld zu vermuten, dass der wegen einer strafbaren Handlung Angeklagte unschuldig ist. Als Beweiswürdigungsregel besagt die Maxime, dass sich der Sachrichter nicht von der Existenz eines für den Angeklagten ungünstigen Sachverhalts überzeugt erklären darf, wenn bei objektiver Betrachtung erhebliche und nicht zu unterdrückende Zweifel bestehen, dass sich der Sachverhalt so verwirklicht hat. Inwiefern dieser Grundsatz verletzt ist, prüft das Bundesgericht unter dem Gesichtspunkt der Willkür, d.h. es greift nur ein, wenn der Sachrichter den Angeklagten verurteilte, obgleich bei objektiver Würdigung des Beweisergebnisses offensichtlich erhebliche bzw. schlechterdings nicht zu unterdrückende Zweifel an dessen Schuld fortbestanden. Willkür in der Beweiswürdigung liegt vor, wenn die Behörde in ihrem Entscheid von Tatsachen ausgeht, die mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch stehen, auf einem offenkundigen Fehler beruhen oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderlaufen. Dabei genügt es nicht, wenn der angefochtene Entscheid sich nur in der Begründung als unhaltbar erweist; eine Aufhebung rechtfertigt sich erst, wenn er auch im Ergebnis verfassungswidrig ist (BGE 127 I 38 E. 2 und 4 mit Hinweisen).
 
2.2 Soweit der Beschwerdeführer beanstandet, dass das Obergericht davon ausging, das Ausbrechen seines Fahrzeugs sei ausschliesslich auf eine Vereisung der Fahrbahn und nicht zusätzlich auf eine Bodenwelle zurückzuführen, zeigt er nicht auf, inwiefern die Beweiswürdigung willkürlich sein sollte. Seine Kritik ist rein appellatorisch, weshalb auf die staatsrechtliche Beschwerde in diesem Umfang nicht einzutreten ist (vgl. Art. 90 Abs. 1 lit. b OG; BGE 125 I 492 E. 1b).
 
Darüber hinaus bringt der Beschwerdeführer vor, es sei willkürlich anzunehmen, dass die Fahrbahn vor dem vereisten Strassenabschnitt zum Unfallzeitpunkt feucht gewesen sei. Er bestreitet indes nicht, dass die Strasse zumindest eineinhalb Stunden nach der Kollision feucht war, was die Fotos vom Unfallort belegen. Gestützt auf einen Bericht von Meteo Schweiz führt das Obergericht diesen Umstand darauf zurück, dass es in der Nacht vom 10. auf den 11. April 2003 im fraglichen Gebiet zwischen 2 und 4 cm Neuschnee gegeben habe. Auf den Fotografien vom Unfallort sei im Gras und auf der Stützmauer neben der Fahrbahn denn auch noch vereinzelt Schnee erkennbar. Inwiefern diese Feststellungen unhaltbar sein sollen, tut der Beschwerdeführer nicht dar und ist auch nicht ersichtlich. Bei diesem Ergebnis ist es nicht willkürlich anzunehmen, die Strasse vor der Brücke sei zum Unfallzeitpunkt feucht gewesen. Zwar trifft es zu, dass die Fahrzeuglenker, welche vor dem Unfall hinter dem Beschwerdeführer fuhren, diesen Umstand in ihren kurzen schriftlichen Stellungnahmen zum Unfallhergang gegenüber der Polizei nicht erwähnten. Da sie indes auch nicht ausführten, die Strasse sei trocken gewesen, vermögen ihre Aussagen angesichts der vom Obergericht angeführten überzeugenden Indizien keine offensichtlich erheblichen Zweifel am Beweisergebnis zu begründen.
 
Schliesslich rügt der Beschwerdeführer, dass das Obergericht davon ausgeht, er habe die herrschenden Witterungs- und Strassenverhältnisse nicht näher beachtet. Entgegen seiner Auffassung hält das Gericht damit nicht fest, er habe die äusseren Bedingungen überhaupt nicht wahrgenommen. Vielmehr wirft es ihm vor, sein Verhalten nicht den Umständen angepasst zu haben. Ob er seine Geschwindigkeit hätte reduzieren müssen, beurteilt sich aber nach Bundesstrafrecht (vgl. E. 1).
 
3.
 
Demnach ist die staatsrechtliche Beschwerde vollumfänglich abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist.
 
II. Nichtigkeitsbeschwerde
 
4.
 
Der Beschwerdeführer stellt sich zunächst auf den Standpunkt, sein Verhalten sei mangels Vorhersehbarkeit des eingetretenen Erfolgs nicht als fahrlässig zu betrachten.
 
4.1 Gemäss Art. 125 StGB wird mit Gefängnis oder Busse bestraft wer einen Menschen fahrlässig schwer am Körper oder der Gesundheit schädigt.
 
Fahrlässig begeht der Täter ein Verbrechen oder Vergehen, wenn die Tat darauf zurückzuführen ist, dass er die Folge seines Verhaltens aus pflichtwidriger Unvorsichtigkeit nicht bedacht oder darauf nicht Rücksicht genommen hat (Art. 18 Abs. 3 Satz 1 StGB). Ein Schuldspruch wegen eines Fahrlässigkeitsdelikts setzt somit voraus, dass der Täter den Erfolg durch Verletzung einer Sorgfaltspflicht verursacht hat. Sorgfaltswidrig ist sein Verhalten, wenn er zum Zeitpunkt der Tat aufgrund der Umstände sowie seiner Kenntnisse und Fähigkeiten die damit bewirkte Gefahr des Erfolgseintritts hätte erkennen können und müssen und wenn er zugleich die Grenzen des erlaubten Risikos überschritten hat (Art. 18 Abs. 3 Satz 2 StGB; BGE 130 IV 7 E. 3.2). Wo besondere Normen ein bestimmtes Verhalten gebieten, bestimmt sich das Mass der dabei zu beachtenden Sorgfalt in erster Linie nach diesen Vorschriften (BGE 127 IV 62 E. 2d S. 65).
 
Grundvoraussetzung für das Bestehen einer Sorgfaltspflichtverletzung und mithin für die Fahrlässigkeitshaftung ist die Vorhersehbarkeit des Erfolgs. Die zum Erfolg führenden Geschehensabläufe müssen für den konkreten Täter mindestens in seinen wesentlichen Zügen voraussehbar sein. Zunächst ist daher zu fragen, ob der Täter eine Gefährdung der Rechtsgüter des Opfers hätte voraussehen bzw. erkennen können und müssen. Für die Beantwortung dieser Frage gilt der Massstab der Adäquanz. Danach muss das Verhalten geeignet sein, nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und den Erfahrungen des Lebens einen Erfolg wie den eingetretenen herbeizuführen oder mindestens zu begünstigen. Die Adäquanz ist nur zu verneinen, wenn ganz aussergewöhnliche Umstände, wie das Mitverschulden eines Dritten oder Material- oder Konstruktionsfehler, als Mitursachen hinzutreten, mit denen schlechthin nicht gerechnet werden musste und die derart schwer wiegen, dass sie als wahrscheinlichste und unmittelbarste Ursache des Erfolges erscheinen und so alle anderen mitverursachenden Faktoren - namentlich das Verhalten des Angeschuldigten - in den Hintergrund drängen (BGE 130 IV 7 E. 3.2).
 
4.2 Der Umfang der Sorgfalt, welche der Beschwerdeführer vorliegend zu beachten hatte, richtet sich nach den Bestimmungen des SVG und der Verkehrsregelverordnung vom 13. November 1962 (VRV; SR 741.11; vgl. BGE 127 IV 34 E. 2b).
 
Nach der Grundregel von Art. 26 Abs. 1 SVG muss sich jedermann im Verkehr so verhalten, dass andere in der ordnungsgemässen Benützung der Strasse weder behindert noch gefährdet werden. Diese Vorschrift wird durch die einzelnen Verkehrsregeln konkretisiert. So sieht Art. 32 Abs. 1 SVG vor, dass die Geschwindigkeit stets den Umständen anzupassen ist, namentlich den Besonderheiten von Fahrzeug und Ladung, sowie den Strassen-, Verkehrs- und Sichtverhältnissen. Art. 4 Abs. 2 VRV verdeutlicht, dass der Fahrzeugführer langsam zu fahren hat, wo die Strasse verschneit, vereist, mit nassem Laub oder mit Splitt bedeckt ist, besonders wenn Anhänger mitgeführt werden.
 
Nach der Rechtsprechung zu Art. 4 Abs. 2 VRV ist der Fahrzeuglenker gehalten, Änderungen des Strassenzustands Rechnung zu tragen und seine Geschwindigkeit so stark zu reduzieren, dass er nicht ins Schleudern gerät. Bei welcher Geschwindigkeit er diesen Anforderungen genügt, lässt sich nicht in allgemeingültiger Form festlegen, sondern hängt von den konkreten Umständen ab, namentlich vom Zustand und der Führung der Strasse, der Verkehrsdichte sowie Besonderheiten des Fahrzeugs, seiner Beladung und Bereifung (BGE 101 IV 221 E. 1a). Bei Temperaturen um 0° ist auf feuchten Strassen nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und der allgemeinen Lebenserfahrung mit Glatteis zu rechnen (BGE 115 IV 241 E. 2c).
 
4.3 Gemäss den verbindlichen tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz war die Fahrbahn vor dem vereisten Strassenabschnitt zum Zeitpunkt des Unfalls feucht (vgl. E. 2.2) und bewegte sich die Aussentemperatur um den Gefrierpunkt. Diesen Strassen- und Witterungsbedingungen hatte der Beschwerdeführer Rechnung zu tragen, selbst wenn es an seinem Wohnort in Wilderswil etwas wärmer gewesen sein sollte. Denn eine Temperatur um 0° in den frühen Morgenstunden stellte trotz des kalendarischen Frühlingsbeginns keinen Umstand dar, mit dem schlechthin nicht gerechnet werden musste, zumal es bereits in den Wochen zuvor Kälteeinbrüche gegeben hatte. Der Beschwerdeführer hätte daher die Möglichkeit einer Vereisung der Fahrbahn in Betracht ziehen müssen. Da Glatteis nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet ist, ein Fahrzeug bei einer Geschwindigkeit von 100 km/h ins Schleudern zu bringen, hätte er seine Geschwindigkeit folglich unter die ausgeschilderte Höchstgeschwindigkeit reduzieren müssen. Indem er dies unterliess, verletzte er Art. 32 Abs. 1 SVG. Dass es für ihn voraussehbar war, er könnte die Herrschaft über sein Fahrzeug verlieren, auf die Gegenfahrbahn gelangen und dort mit einem entgegenkommenden Fahrzeug kollidieren, wenn er ins Schleudern geriete, bestreitet der Beschwerdeführer zurecht nicht. Die Vorinstanz ist daher zutreffend von einem fahrlässigen Verhalten ausgegangen.
 
5.
 
Weiter stellt sich der Beschwerdeführer auf den Standpunkt, sofern Fahrlässigkeit bejaht würde, könne diese jedenfalls nicht als grob bezeichnet werden. Neben Art. 125 Abs. 2 StGB komme in diesem Fall lediglich Art. 90 Ziff. 1 SVG und nicht Art. 90 Ziff. 2 SVG zur Anwendung.
 
5.1 Eine einfache Verkehrsregelverletzung im Sinne von Art. 90 Ziff. 1 SVG wird mit Haft oder Busse bestraft. Demgegenüber droht Art. 90 Ziff. 2 SVG demjenigen Gefängnis oder Busse an, der durch grobe Verletzung der Verkehrsregeln eine ernstliche Gefahr für die Sicherheit anderer hervorruft oder in Kauf nimmt. In subjektiver Hinsicht erfordert der Tatbestand ein rücksichtsloses oder sonst schwerwiegend regelwidriges Verhalten, d.h. zumindest grobe Fahrlässigkeit. Diese ist immer zu bejahen, wenn der Täter sich der allgemeinen Gefährlichkeit seiner verkehrswidrigen Fahrweise bewusst ist. Grobe Fahrlässigkeit kann aber auch vorliegen, wenn der Täter die Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer pflichtwidrig gar nicht in Betracht zieht, also unbewusst fahrlässig handelt. In solchen Fällen bedarf die Annahme grober Fahrlässigkeit jedoch einer sorgfältigen Prüfung (BGE 130 IV 32 E. 5.1).
 
Verliert ein Fahrzeuglenker wegen Glatteises die Herrschaft über sein Fahrzeug, obwohl er von der Vereisung Kenntnis hatte oder eine solche als möglich erachtete, so ist sein Verhalten als grobfahrlässig im Sinne von Art. 90 Ziff. 2 SVG einzustufen, wenn die gefahrene Geschwindigkeit in hohem Masse von derjenigen abwich, welche nach Art. 32 Abs. 1 SVG i.V.m. Art. 4 Abs. 2 VRV den Umständen angemessen gewesen wäre. Wird der Lenker hingegen vom Glatteis überrascht, ist Grobfahrlässigkeit nur anzunehmen, wenn das Nichtbedenken der Vereisungsgefahr zudem verschuldensmässig schwer wiegt (Jürg Boll, Grobe Verkehrsregelverletzung, Davos 1999, S. 67; vgl. BGE 120 Ib 312 E. 4c S. 316; 92 IV 143 E. 4 S. 147).
 
5.2 Die Auffassung des Obergerichts, dass eine Geschwindigkeit von 100 km/h den gegebenen Umständen in hohem Masse unangepasst war, ist nicht zu beanstanden. Die Fahrbahn war nach den nächtlichen Schneefällen noch feucht und die Temperatur bewegte sich um den Gefrierpunkt. Das Bundesgericht hat bei ähnlichen Strassen- und Witterungsbedingungen denn auch schon eine Geschwindigkeit von 70 km/h als übersetzt angesehen (vgl. Urteil vom 26. März 1980, publiziert in Pra 69 Nr. 180 E. 2). Vorliegend kommt hinzu, dass der Beschwerdeführer auf eine Brücke zufuhr, auf welcher die Gefahr einer Vereisung zusätzlich erhöht war.
 
Gemäss den vorinstanzlichen Tatsachenfeststellungen zog der Beschwerdeführer die Möglichkeit, die Fahrbahn könnte vereist sein, nicht in Betracht. Dies ist nicht nachvollziehbar. Angesichts der kühlen Temperaturen, der frühmorgendlichen Tageszeit und den vereinzelten Schneeresten im Gras neben der Strasse hätte er trotz des kalendarischen Frühlingsbeginns bedenken müssen, dass sich die Aussentemperatur um den Gefrierpunkt bewegen und die feuchte Strasse gerade an einer exponierten Stelle wie auf dem fraglichen Fahrbahnabschnitt vereist sein könnte. Zu diesem Schluss hätte er umsomehr gelangen müssen, als das Fahrzeug vor ihm die ausgeschilderte Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h bei weitem nicht ausfuhr, sondern lediglich mit ca. 60 km/h unterwegs war. Da das Nichtbedenken der Vereisungsgefahr somit schwer wiegt, ist aufgrund der massiven Überschreitung der den Umständen angemessenen Geschwindigkeit von einem grobfahrlässigen Verhalten auszugehen. Die Vorinstanz hat den subjektiven Tatbestand von Art. 90 Ziff. 2 SVG damit zurecht bejaht.
 
6.
 
Schliesslich macht der Beschwerdeführer geltend, bei der Strafzumessung müsse berücksichtigt werden, dass ihm keine grobe Fahrlässigkeit vorgeworfen werden könne und daher nur eine einfache Verkehrsregelverletzung vorliege. Da die Vorinstanz gemäss den vorstehenden Erwägungen zutreffend von Grobfahrlässigkeit ausgegangen ist, ist sein Einwand gegenstandslos.
 
7.
 
Demnach ist die Nichtigkeitsbeschwerde abzuweisen.
 
III. Kosten- und Entschädigungsfolgen
 
8.
 
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend sind die Gerichtskosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (vgl. Art. 156 Abs. 1 OG bzw. Art. 278 Abs. 1 BStP).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2.
 
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
 
3.
 
Die Gerichtsgebühr von insgesamt Fr. 4'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
4.
 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Generalprokurator des Kantons Bern und dem Obergericht des Kantons Bern, 2. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 9. März 2005
 
Im Namen des Kassationshofes
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
 
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