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Informationen zum Dokument  BGer 4C.108/2005  Materielle Begründung
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BGer 4C.108/2005 vom 20.05.2005
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
4C.108/2005 /zga
 
Urteil vom 20. Mai 2005
 
I. Zivilabteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Corboz, Präsident,
 
Bundesrichter Nyffeler, Bundesrichterin Kiss,
 
Gerichtsschreiber Widmer.
 
Parteien
 
X.________,
 
Kläger und Berufungskläger, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Bruno Häfliger,
 
gegen
 
1. Y.________ Unfallversicherungs-Gesellschaft,
 
2. Z.________,
 
Beklagte und Berufungsbeklagte, beide vertreten durch Rechtsanwältin Claudia Brun,
 
Gegenstand
 
Haftung des Motorfahrzeughalters;
 
Vorfrage der Kausalität,
 
Berufung gegen das Urteil des Obergerichts
 
des Kantons Zug, Zivilrechtliche Abteilung,
 
vom 1. Februar 2005.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
Am 13. April 1994 prallte Z.________ (Beklagter 2) mit seinem Personenwagen auf der Hauptstrasse Nr. 4 eingangs Gisikon mit dem korrekt entgegenkommenden, von X.________ (Kläger) gelenkten Kleinbus zusammen. Die Ärzte des Kantonsspitals Luzern, in das der Kläger nach dem Unfall überführt wurde, diagnostizierten bei diesem eine Kontusion der linken Gesichtshälfte mit Monokelhämatom links, ein leichtes HWS-Schleudertrauma und eine oberflächliche Schürfung der Mandibula links (Unterkiefer). Am 18. Juli 1994 nahm der Kläger seine Arbeit als Bauarbeiter wieder auf. Wegen angeblicher Nacken- und Hinterkopfschmerzen hielt er sich vom 27. September 1995 bis 15. November 1995 zur weiteren Abklärung in der Rehabilitationsklinik Bellikon auf. Bei seiner Entlassung wurde er zu 100 % arbeitsfähig erklärt; am 25. Dezember 1995 nahm der Kläger seine angestammte Tätigkeit wieder auf.
 
Am 1. April 1997 meldete sich der Kläger bei der SUVA wegen Nackenbeschwerden an, die seit dem 19. März 1997 eine 100 %ige Arbeitsunfähigkeit bewirkt hätten. Die SUVA lehnte mit Verfügung vom 7. Januar 1998 für die neu gemeldeten Beschwerden einen Anspruch auf Versicherungsleistungen ab. Die SUVA, das Verwaltungsgericht des Kantons Zug und das Eidgenössische Versicherungsgericht wiesen die vom Kläger ergriffenen Rechtsmittel wegen Fehlens eines adäquaten Kausalzusammenhangs zwischen diesen Beschwerden und dem Unfallereignis vom 13. April 1994 ab.
 
B.
 
Der Kläger reichte am 29. April 2002 beim Kantonsgericht Zug gegen den Beklagten 2 und dessen Haftpflichtversicherung, die Y.________ Versicherungen (Beklagte 1), Klage ein. Er beantragte, die Beklagten seien in solidarischer Haftbarkeit zu verpflichten, ihm wegen den durch das Unfallereignis vom 13. April 1994 verursachten physischen und inzwischen aufgetretenen psychischen Beschwerden Fr. 1'323'133.- zuzüglich Zins zu 5 % ab 1. Mai 2002 zu bezahlen.
 
In der Folge wurde die Frage, ob die beim Kläger diagnostizierten psychischen Beschwerden aus haftpflichtrechtlicher Sicht in einem Kausalzusammenhang mit dem Unfallereignis vom 13. April 1994 stehen, zum Gegenstand eines Vorentscheids gemacht und gleichzeitig hierzu ein gerichtliches Gutachten in Auftrag gegeben.
 
Mit Urteil vom 10. Mai 2004 wies das Kantonsgericht Zug die Klage mangels adäquaten Kausalzusammenhangs ab.
 
Hiegegen erhob der Kläger mit modifizierten Rechtsbegehren Berufung an das Obergericht des Kantons Zug, Zivilrechtliche Abteilung, welches das angefochtene Urteil am 1. Februar 2005 in Abweisung der Berufung bestätigte. Dabei verneinte es sowohl den natürlichen als auch den adäquaten Kausalzusammenhang.
 
C.
 
Der Kläger beantragt dem Bundesgericht mit eidgenössischer Berufung, das Urteil des Obergerichts des Kantons Zug vom 1. Februar 2005 sei aufzuheben und die Sache zur materiellen und masslichen Neubeurteilung an die Vorinstanzen zurückzuweisen, wobei er - wie vor Obergericht - beantragt, die Beklagten seien zu verurteilen, dem Kläger aus dem Unfallereignis vom 13. April 1994 in solidarischer Haftbarkeit einen nach richterlichem Ermessen festzusetzenden Betrag, mindestens aber Fr. 400'000.- zu bezahlen.
 
Die Beklagten beantragen, die Berufung vollumfänglich abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei, und das angefochtene Urteil zu bestätigen.
 
Das Bundesgericht hat mit heutigem Datum eine vom Kläger in gleicher Sache eingereichte staatsrechtliche Beschwerde abgewiesen, soweit darauf einzutreten war.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
1.
 
Die Berufungsanträge sind zu begründen (Art. 55 Abs. 1 lit. c OG). In der Berufungsschrift ist anzugeben, welche Bundesrechtssätze und inwiefern sie durch den angefochtenen Entscheid verletzt sind (BGE 121 III 397 E. 2a S. 400). Unerlässlich ist, dass die Berufung auf die Begründung des angefochtenen Entscheids eingeht und im Einzelnen zeigt, worin eine Verletzung von Bundesrecht liegt (BGE 116 II 745 E. 3 S. 749). Der Berufungskläger soll in der Berufungsschrift nicht bloss die Rechtsstandpunkte, die er im kantonalen Verfahren eingenommen hat, erneut bekräftigen, sondern mit seiner Kritik an den als rechtsfehlerhaft erachteten Erwägungen der Vorinstanz ansetzen (Peter Münch, in: Geiser/Münch (Hrsg.), Prozessieren vor Bundesgericht, 2. Aufl., Basel/Frankfurt a.M. 1998, S. 154 f. N 4.91). Auf nicht oder ungenügend begründete Begehren tritt das Bundesgericht nicht ein (BGE 105 II 308 E. 6 S. 316).
 
2.
 
Der Kläger rügt zunächst eine Verletzung von Art. 8 ZGB, die er darin erblickt, dass die Vorinstanz seine Beweisanträge zu den somatischen Beschwerden nicht abgenommen, namentlich insofern kein medizinisches Gutachten in Auftrag gegeben habe.
 
Art. 8 ZGB regelt in erster Linie die Verteilung der Beweislast. Das Bundesgericht leitet aus Art. 8 ZGB als Korrelat zur Beweislast insbesondere das Recht der beweisbelasteten Partei ab, zum ihr obliegenden Beweis zugelassen zu werden, soweit entsprechende Anträge im kantonalen Verfahren form- und fristgerecht gestellt worden sind. Ob dies zutrifft, ist nach dem kantonalen Prozessrecht zu beurteilen. Art. 8 ZGB schreibt dem Sachgericht nicht vor, mit welchen Mitteln der Sachverhalt abzuklären ist oder wie die Beweise zu würdigen sind. Die Schlüsse, die das kantonale Gericht in tatsächlicher Hinsicht aus Beweisen und konkreten Umständen zieht, sind im Berufungsverfahren nicht überprüfbar (BGE 129 III 18 E. 2.6; 126 III 315 E. 4a; 122 III 219 E. 3c S. 223, je mit Hinweisen).
 
Die Vorinstanz hielt fest, der Kläger habe eine medizinische Begutachtung betreffend allfälliger somatischer Beschwerden vor der Erstinstanz nur für den Fall beantragt, dass die Beklagten die Beweistauglichkeit der aus dem Sozialversicherungsverfahren vorhandenen medizinischen Unterlagen bestreiten sollten, was diese nicht getan hätten. Wenn der Kläger im kantonalen Berufungsverfahren ein medizinisches Gutachten verlange, setzte er sich mit seinen damaligen Ausführungen in Widerspruch; für das Berufungsverfahren sei der Antrag abzuweisen, weil er gegen das Novenverbot verstosse.
 
Damit hat die Vorinstanz festgehalten, der Kläger habe seinen Beweisantrag nicht in einer Weise gestellt, dass diesem nach dem kantonalen Prozessrecht zu entsprechen gewesen wäre. Dies hat sich im Verfahren der in gleicher Sache erhobenen staatsrechtlichen Beschwerde als verfassungskonform erwiesen. Eine Verletzung von Art. 8 ZGB fällt damit ausser Betracht.
 
3.
 
Das Prozessthema wurde auf die Frage der Kausalität beschränkt. Die Vorinstanz verneinte sowohl den natürlichen als auch den adäquaten Kausalzusammenhang.
 
Die Feststellung darüber, ob ein natürlicher Kausalzusammenhang besteht, beschlägt die tatsächlichen Verhältnisse und bindet das Bundesgericht im Berufungsverfahren grundsätzlich (Art. 63 Abs. 2 OG; BGE 130 III 591 E. 5.3; 129 V 177 E. 3.1; 128 III 22 E. 2d S. 25, 180 E. 2d S. 184; 123 III 110 E. 2 S. 111). Zulässige Rüge bildet indessen der Vorwurf, die Vorinstanz habe den bundesrechtlichen Begriff der natürlichen Kausalität verkannt (vgl. BGE 128 III 22 E. 2d S. 25; vgl. auch für die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde in Strafsachen BGE 125 IV 195 E. 2b; 122 IV 17 E. 2c/aa). Die Frage nach der Adäquanz des Kausalzusammenhangs ist rechtlicher Natur und unterliegt der Prüfung im Verfahren der Berufung (BGE 116 II 519 E. 4a S. 524).
 
3.1 Der Kläger macht geltend, gemäss gefestigter Rechtsprechung (BGE 117 V 359 E. 4a) genüge Teilkausalität für eine Annahme der Haftung. Aus der vorinstanzlichen Begründung sei zu schliessen, dass diese nur eine ausschliessliche Kausalität als haftungsbegründend qualifiziere.
 
Damit scheint er rügen zu wollen, die Vorinstanz habe den Begriff der natürlichen Kausalität nicht richtig erkannt. Die Vorinstanz hat diesen Begriff indes durchaus zutreffend erfasst, weshalb die Rüge unbegründet ist. Namentlich hat die Vorinstanz nicht verkannt, dass es genügt, wenn das schädigende Ereignis zusammen mit anderen Bedingungen - im Sinne einer Teilursache - den Schaden bewirkt hat. Dass sie im konkreten Fall in Würdigung des gerichtlichen Gutachtens zum Schluss gelangte, das Unfallereignis sei keine Ursache, auch keine Teilursache, für das psychische Leiden des Klägers, bedeutet keine Verkennung des bundesrechtlichen Begriffs der natürlichen Kausalität, sondern ist Ergebnis ihrer Beweiswürdigung, das sich im parallelen Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde als verfassungsrechtlich haltbar erwiesen hat.
 
3.2 Schliesslich beanstandet der Kläger die Verneinung des adäquaten Kausalzusammenhangs durch die Vorinstanz.
 
Die Frage der Adäquanz stellt sich erst und nur dann, wenn bereits der natürliche Kausalzusammenhang zwischen dem Ereignis und den Unfallfolgen zu bejahen ist (BGE 107 II 269 E. 3 S. 276).
 
Die Vorinstanz hat im vorliegenden Fall den natürlichen Kausalzusammenhang zwischen dem Unfallereignis vom 13. April 1994 und den Beschwerden des Klägers verneint, woran das Bundesgericht im vorliegenden Verfahren nach dem Ausgeführten grundsätzlich gebunden ist. Inwiefern die Beurteilung der natürlichen Kausalität eine Vervollständigung erfordern sollte, wie der Kläger in seiner Berufung vorbringt, ist nicht ersichtlich. Eine Ausnahme von der Sachverhaltsbindung des Bundesgerichts nach Art. 63 f. OG ist nicht substantiiert.
 
Fehlt es bereits am natürlichen Kausalzusammenhang, stellt sich die Frage der Adäquanz nicht. Der Kläger hat kein Rechtsschutzinteresse an der Überprüfung dieser Frage. Auf die diesbezügliche Rüge ist daher nicht einzutreten.
 
4.
 
Das Gleiche gilt bezüglich der Rüge einer angeblichen Verletzung von Art. 46 OR. Nachdem mangels Kausalzusammenhangs ohnehin keine Haftung besteht, erübrigt sich zu prüfen, inwiefern die Position "Erschwerung des wirtschaftlichen Fortkommens" hätte berücksichtigt werden müssen. Zudem ist auch diese Rüge nicht hinlänglich begründet.
 
5.
 
Die Berufung ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Bei diesem Verfahrensausgang ist die Gerichtsgebühr dem Kläger aufzuerlegen, der zudem die Beklagten für das bundesgerichtliche Verfahren zu entschädigen hat (Art. 156 Abs. 1 und Art. 159 Abs. 2 OG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Berufung wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2.
 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 5'000.- wird dem Kläger auferlegt.
 
3.
 
Der Kläger hat die Beklagten für das bundesgerichtliche Verfahren mit insgesamt Fr. 6'000.- zu entschädigen.
 
4.
 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zug, Zivilrechtliche Abteilung, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 20. Mai 2005
 
Im Namen der I. Zivilabteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
 
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