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Informationen zum Dokument  BGer 6A.13/2005  Materielle Begründung
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BGer 6A.13/2005 vom 03.06.2005
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
6A.13/2005 /pai
 
Urteil vom 3. Juni 2005
 
Kassationshof
 
Besetzung
 
Bundesrichter Schneider, Präsident,
 
Bundesrichter Wiprächtiger, Karlen,
 
Gerichtsschreiberin Arquint Hill.
 
Parteien
 
X.________,
 
Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Alois Kessler,
 
gegen
 
Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz, Kammer III, Postfach 2266, 6431 Schwyz.
 
Gegenstand
 
Entzug des Führerausweises (Art. 16 Abs. 2 SVG),
 
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Schwyz,
 
Kammer III, vom 20. Januar 2005.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
X.________ fuhr am 30. September 2004 mit dem Personenwagen ihrer Arbeitgeberin auf der Mohrentalstrasse in Rottenschwil, für die eine Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h signalisiert war, mit 82 km/h (nach Abzug von 5 km/h Toleranzmarge). Die fragliche Strecke liegt ausserorts. Das Bezirksamt Muri bestrafte sie am 12. November 2004 wegen einfacher Verkehrsregelverletzung im Sinne von Art. 90 Ziff. 1 SVG mit einer Busse von Fr. 320.--. Der Strafbefehl erwuchs in Rechtskraft.
 
Das Verkehrsamt Schwyz entzog ihr wegen der genannten Geschwindigkeitsüberschreitung am 14. Dezember 2004 den Führerausweis für einen Monat. Eine dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz am 20. Januar 2005 ab. Zugleich bestätigte es den einmonatigen Führerausweisentzug.
 
B.
 
X.________ erhebt Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht und beantragt, es seien der Entscheid des Verwaltungsgerichts und damit zugleich die Verfügung des Verkehrsamts Schwyz aufzuheben. Sie sei lediglich zu verwarnen.
 
Das Verwaltungsgericht ersucht um Abweisung der Beschwerde.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
1.
 
Am 1. Januar 2005 ist die vom Parlament am 14. Dezember 2001 verabschiedete Revision des Strassenverkehrsgesetzes in Kraft getreten (AS 2004, S. 2849). Sie berührt ebenfalls die Regelung des Führerausweisentzugs. Nach Abs. 1 der Übergangsbestimmung zur erwähnten Gesetzesrevision findet das neue Recht Anwendung, wenn die fragliche Widerhandlung gegen die Strassenverkehrsvorschriften nach ihrem Inkrafttreten, also nach dem 1. Januar 2005, erfolgt ist. Für die hier zu beurteilende Tat, die am 30. September 2004 geschah, ist daher noch das alte Recht (aSVG) massgebend.
 
2.
 
Anlass für den angefochtenen Führerausweisentzug bildet eine Geschwindigkeitsüberschreitung von 22 km/h auf einer Ausserortsstrecke, auf der die signalisierte Höchstgeschwindigkeit 60 km/h betrug. Die Vorinstanz qualifiziert diese Verkehrsregelverletzung im Lichte der bundesgerichtlichen Rechtsprechung (BGE 128 II 131 E. 2a S. 132) für sich allein betrachtet objektiv als leichten Fall, in dem nach Art. 16 Abs. 2 Satz 2 aSVG grundsätzlich eine Verwarnung ausgesprochen werden kann. Sie geht damit davon aus, dass der ganze Ausserortsbereich nach dem gleichen Massstab zu beurteilen ist und der signalisierten Höchstgeschwindigkeit, die hier nur 60 km/h und nicht wie im Regelfall 80 km/h betrug, grundsätzlich keine Bedeutung zukommt. Sie tönt freilich am Schluss ihrer Erwägungen an, dass in einem solchen Fall eine strengere Beurteilung angezeigt sein könnte.
 
Das Bundesgericht hat es jüngst zwar abgelehnt, Innerortsstrecken, auf denen eine Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h gilt, anders zu beurteilen als solche mit der üblichen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h, aber zugleich angedeutet, dass bei Höchstgeschwindigkeiten von 70 oder 80 km/h innerorts eine Differenzierung zu prüfen wäre (Entscheid 6S.99/2004 vom 25. August 2004, E. 2.4). Ob auch bei der hier gegebenen umgekehrten Konstellation, in der die Höchstgeschwindigkeit wegen Einmündungen auf einer Ausserortsstrecke von 80 km/h auf 60 km/h herabgesetzt ist, eine Unterscheidung angezeigt erscheint, kann offen bleiben. Aus den nachstehenden Erwägungen erweist sich die vorliegende Beschwerde ohnehin als unbegründet.
 
3.
 
Die Vorinstanz berücksichtigt neben der objektiven Schwere der Geschwindigkeitsüberschreitung vom 30. September 2004 auch den automobilistischen Leumund der Beschwerdeführerin. Dabei stellt sie fest, dass diese bereits am 24. Juni 2003 wegen einer Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit auf der Autobahn um 30 km/h verwarnt wurde. Aus diesem Grund hält sie für die neue Missachtung eine Verwarnung als unzureichende Sanktion und bestätigt den vom Verkehrsamt angeordneten Führerausweisentzug von einem Monat.
 
Die Beschwerdeführerin macht geltend, diese Betrachtungsweise stehe mit der bundesgerichtlichen Rechtsprechung nicht im Einklang und verletze Bundesrecht.
 
3.1 Nach der Rechtsprechung kann bei Verkehrsregelverletzungen auf den Entzug des Führerausweises nur verzichtet werden, wenn der Fall leicht im Sinne von Art. 16 Abs. 2 Satz 2 aSVG ist. Die Voraussetzungen des leichten Falls werden in Art. 31 Abs. 2 VZV näher umschrieben. Danach muss die Verkehrsregelverletzung unter Berücksichtigung des Verschuldens und des Leumunds als Motorfahrzeuglenker als leicht erscheinen. Der leichte Fall setzt somit kumulativ ein geringes Verschulden und einen guten automobilistischen Leumund voraus (BGE 126 II 202 E. 1a S. 204).
 
Die Grösse des Verschuldens bestimmt sich zunächst auf Grund des Ausmasses der Geschwindigkeitsüberschreitung. Wenn allein danach - wie vorliegend (vgl. E. 2) - ein leichter Fall gegeben ist, muss weiter geprüft werden, ob nicht die konkreten Umstände (Anwesenheit von Fussgängern, schlechtes Wetter usw.) das Verschulden des Lenkers als grösser erscheinen lassen (BGE 128 II 86 E. 2c S. 88 f.).
 
Zur Bedeutung des automobilistischen Leumunds erklärt die Rechtsprechung, dass ein Verstoss gegen Verkehrsregeln innerhalb eines Jahres nach der Verwarnung wegen eines solchen Delikts die Annahme eines leichten Falls ausschliesst. Denn diesfalls hat die Verwarnung offensichtlich nicht die erwünschte Wirkung gezeitigt, weshalb eine erneute Verwarnung von vornherein nicht in Betracht kommt. Umgekehrt ist eine zweite Verwarnung grundsätzlich möglich, wenn die neue Widerhandlung leicht ist und mehr als ein Jahr seit der ersten Verwarnung zurückliegt (BGE 128 II 86 E. 2c S. 89 f.).
 
3.2 In die Ausserortsstrecke, auf der die Beschwerdeführerin die Geschwindigkeitsüberschreitung beging, münden zwei Nebenstrassen ein. Aus diesem Grund ist dort die Höchstgeschwindigkeit auf 60 km/h hinabgesetzt. Die Vorinstanz hält fest, dass erschwerende Umstände vorliegen und daher von einem grösseren Verschulden der Beschwerdeführerin als im Normalfall auszugehen ist.
 
Diese Bewertung steht im Einklang mit der erwähnten Rechtsprechung. Unabhängig von der signalisierten Höchstgeschwindigkeit lässt die durch die Einmündungen geschaffene Gefahrensituation das Verschulden der Beschwerdeführerin an der Geschwindigkeitsüberschreitung schwerer erscheinen, als wenn sie diese auf einer normalen Ausserortsstrecke begangen hätte.
 
3.3 Die Beschwerdeführerin beging die hier zu beurteilende Widerhandlung rund 15 Monate nach der Verwarnung wegen eines gleichen Verstosses. Sie weist zwar zu Recht darauf hin, dass unter dem zeitlichen Gesichtspunkt eine erneute Verwarnung grundsätzlich in Frage käme. Sie übersieht jedoch, dass die dargelegte Rechtsprechung nicht ausschliesst, den automobilistischen Leumund auch unter anderen Gesichtspunkten als dem rein zeitlichen Aspekt zu würdigen.
 
Die Vorinstanz stellt in dieser Hinsicht fest, dass beim ersten Vorfall die Geschwindigkeitsüberschreitung auf der Autobahn - nach Abzug der Toleranzmarge - 30 km/h betrug und damit an der Grenze zum mittelschweren Fall lag, der einen Führerausweisentzug zur Folge gehabt hätte. Es verstösst nicht gegen Bundesrecht, bei der Beurteilung einer Verkehrsregelverletzung die Schwere einer früheren Widerhandlung und die Gleichartigkeit des erneuten Verstosses mitzuberücksichtigen.
 
3.4 Gesamthaft betrachtet bestehen somit sowohl unter dem Gesichtspunkt des Verschuldens als auch unter jenem des automobilistischen Leumunds sachliche Gründe, die gegen die Annahme eines leichten Falles sprechen. Der angefochtene Entscheid verletzt daher kein Bundesrecht.
 
4.
 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist aus diesen Gründen abzuweisen. Bei diesem Verfahrensausgang sind die bundesgerichtlichen Kosten der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 OG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
 
2.
 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird der Beschwerdeführerin auferlegt.
 
3.
 
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin und dem Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz, Kammer III, sowie dem Verkehrsamt des Kantons Schwyz, Abt. Massnahmen und dem Bundesamt für Strassen schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 3. Juni 2005
 
Im Namen des Kassationshofes
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:
 
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