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Informationen zum Dokument  BGer 2A.248/2005  Materielle Begründung
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BGer 2A.248/2005 vom 08.06.2005
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
2A.248/2005 /dxc
 
Urteil vom 8. Juni 2005
 
II. Öffentlichrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Merkli, Präsident,
 
Bundesrichter Betschart, Müller,
 
Gerichtsschreiber Feller.
 
Parteien
 
X.________,
 
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Ervin Deplazes,
 
gegen
 
Regierungsrat des Kantons Zürich, Kaspar Escher-Haus, 8090 Zürich,
 
Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 2. Abteilung, 2. Kammer, Postfach, 8090 Zurich.
 
Gegenstand
 
Aufenthaltsbewilligung (Familiennachzug),
 
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich,
 
2. Abteilung, 2. Kammer, vom 2. März 2005.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
1.
 
X.________, geb. 1966, ist Staatsangehöriger der Union Serbien und Montenegro. Aus einer ersten Ehe mit einer Landsfrau hat er fünf Kinder, nebst den beiden ältesten Söhnen A.________ (geb. 1987) und B.________ (geb. 1988) zwei Töchter (geb. 1991 und 1997) sowie einen weiteren Sohn (geb. 1995). Die Ehe wurde am 18. Januar 2002 in Jagodina (Serbien) geschieden, wobei das Sorgerecht für alle fünf Kinder X.________ übertragen wurde. Nachträglich, am 28. Januar 2003, übertrug das Gemeindegericht in Jagodina das Sorgerecht für die drei jüngeren Kinder der Mutter.
 
Am 4. Februar 2002 heiratete X.________ eine Landsfrau, welche in der Schweiz über die Niederlassungsbewilligung verfügt. Im April 2002 reiste er in die Schweiz ein und erhielt im Kanton Zürich die Aufenthaltsbewilligung zum Verbleib bei der Ehefrau; seit Mitte Juli 2002 hat er eine Stelle als Hilfsarbeiter bei einer Unternehmung in Zürich.
 
Am 20. Februar 2004 stellte X.________ beim Migrationsamt des Kantons Zürich für seine beiden ältesten Söhne ein Gesuch um Familiennachzug. Das Migrationsamt wies das Gesuch am 17. Mai 2004 ab. Der dagegen erhobene Rekurs an den Regierungsrat des Kantons Zürich blieb erfolglos. Am 2. März 2005 wies das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich die gegen den Rekursentscheid vom 3. November 2004 erhobene Beschwerde ab.
 
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde vom 22. April 2005 beantragt X.________ dem Bundesgericht, den Entscheid des Verwaltungsgerichts aufzuheben und sein Gesuch um Bewilligung der Einreise der beiden Söhne A.________ und B.________ zum Verbleib bei ihm im Kanton Zürich gutzuheissen.
 
Beim Verwaltungsgericht sind die Akten des kantonalen Verfahrens angefordert worden. Ein Schriftenwechsel oder weitere Instruktionsmassnahmen sind nicht angeordnet worden.
 
2.
 
Gegenstand des Verfahrens ist die Frage, ob den beiden ältesten Söhnen des Beschwerdeführers eine Aufenthaltsbewilligung zu erteilen sei. Gemäss Art. 100 Abs. 1 lit. b Ziff. 3 OG ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde auf dem Gebiete der Fremdenpolizei unzulässig gegen die Erteilung oder Verweigerung von Bewilligungen, auf die das Bundesrecht keinen Anspruch einräumt.
 
Der Beschwerdeführer hat die Aufenthaltsbewilligung, nicht die Niederlassungsbewilligung. Damit aber kann er sich für den Nachzug seiner Söhne nicht auf Art. 17 Abs. 2 Satz 3 ANAG berufen. Die heutige Ehefrau des Beschwerdeführers hat demgegenüber die Niederlassungsbewilligung; die Aufenthaltsbewilligung des Beschwerdeführers beruht insofern auf einem festen Rechtsanspruch (Art. 17 Abs. 2 Satz 1 ANAG) und stellt ein gefestigtes Anwesenheitsrecht dar. Der Beschwerdeführer kann sich daher gestützt auf diese Bewilligung für den Nachzug von nahen Familienangehörigen, zu denen er eine echte familiäre Beziehung pflegt, auf Art. 8 EMRK berufen (BGE 130 II 281 E. 3.1 S. 285 f.; 129 II 215 E. 4 S. 218; 127 II 60 E. 1d/aa S. 64 f.). Dies gilt jedoch nur in Bezug auf minderjährige Kinder. Was volljährige Kinder betrifft, können diese im Zusammenhang mit der Beziehung zu einem hier anwesenheitsberechtigten Elternteil höchstens dann Anspruch auf Erteilung einer ausländerrechtlichen Bewilligung erheben, wenn sie in einem eigentlichen Abhängigkeitsverhältnis zu diesem stehen (BGE 120 Ib 257 E. 1d und 1e S. 260 ff.; s. auch BGE 129 II 11 E. 2 S. 13 unten).
 
Der ältere Sohn A.________, den der Beschwerdeführer nachziehen lassen will, wurde im Februar 1987 geboren und ist heute volljährig, wie übrigens, entgegen der irrtümlichen Feststellung im angefochtenen Entscheid (E. 1.3), schon zum Zeitpunkt, als das Verwaltungsgericht entschieden hat. Von einem Abhängigkeitsverhältnis zwischen Vater und Sohn, der seine Lehre abgeschlossen hat und seit Jahren mehrheitlich getrennt von seinem Vater gelebt hat, kann keine Rede sein. Da es für die Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde unter dem Gesichtswinkel von Art. 8 EMRK - anders als bei Bewilligungen nach Art. 17 Abs. 2 Satz 3 ANAG - nicht auf den Zeitpunkt der Gesuchseinreichung, sondern auf den Zeitpunkt der Urteilsfällung ankommt (vgl. BGE 120 Ib 257 E. 1f S. 262), entfällt die Möglichkeit, sich vor Bundesgericht im Hinblick auf die Bewilligungserteilung an A.________ auf Art. 8 EMRK zu berufen. Insofern ist auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht einzutreten.
 
Der Sohn B.________, geboren im März 1988, ist demgegenüber erst 17 Jahre und einige Monate alt, mithin noch nicht volljährig. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist in Bezug auf das ihn betreffende Nachzugsgesuch zulässig.
 
3.
 
3.1 Was den Nachzug von Kindern betrifft, können sinngemäss die zu Art. 17 Abs. 2 Satz 3 ANAG entwickelten Kriterien herangezogen werden.
 
Zweck des Familiennachzugs ist es, das Zusammenführen der Gesamtfamilie bzw. das Leben in der Familiengemeinschaft zu ermöglichen. Wird das Nachzugsrecht für die bisher im Ausland verbliebenen Kinder, deren Eltern zusammen in der Schweiz leben, verzögert geltend gemacht, bedarf es vorbehältlich eigentlicher Rechtsmissbrauchstatbestände keiner besonderen Gründe für das Zuwarten (BGE 126 II 329 E. 3b S. 332 f.; neuestens Urteil 2A.455/2004 vom 13. Dezember 2004). Lebt nur ein Elternteil in der Schweiz und will er Kinder aus der Heimat nachziehen, ohne dass damit ein Zusammenleben der Gesamtfamilie in der Schweiz beabsichtigt wird, besteht kein vorbehaltloser Anspruch auf Nachzug. Wenn der in der Schweiz wohnende Elternteil längere Zeit von seinen Kindern getrennt lebt, wobei diese im Ausland vom anderen Elternteil, von Grosseltern oder anderen Verwandten betreut werden, muss angenommen werden, das Nachzugsgesuch ziele nicht auf die Pflege der Beziehung im engen familiären Rahmen ab, sondern es gehe wesentlich darum, von besseren Lebensbedingungen profitieren zu wollen bzw. auf möglichst einfache Weise im Hinblick auf den bevorstehenden Eintritt ins Erwerbsleben in den Genuss einer ausländerrechtlichen Bewilligung zu gelangen. Der Aufschub des Nachzugs muss darum durch stichhaltige Gründe gerechtfertigt erscheinen. Erste, für sich aber nicht genügende Voraussetzung ist, dass der in der Schweiz lebende Elternteil die vorrangige familiäre Beziehung zum nachzuziehenden Kind hat. Erforderlich ist sodann, dass sich der Familiennachzug zur Pflege dieser Beziehung und im Hinblick auf die Betreuungsbedürftigkeit des Kindes - anders als bis anhin - als notwendig erweist. Dabei ist insbesondere auf die bisherigen Betreuungsverhältnisse und diesbezüglich eingetretene Änderungen zu achten. Zu berücksichtigen sind die Art und die Intensität der Integration des Kindes in der Heimat, wobei zu prüfen ist, wie es sich im Vergleich hiezu mit den Aussichten der Integration in der Schweiz verhält; das Kind soll nicht ohne Notwendigkeit aus der gewohnten Umgebung herausgerissen werden. Diesbezüglich ist auch zu prüfen, welche Gründe für die Wahl des Zeitpunkts sprechen, zu welchem das Gesuch gestellt wird. An den Nachweis der Veränderung der (Betreuungs-)Verhältnisse dürfen hohe Beweisanforderungen gestellt werden. Zusammengefasst lässt sich die Verweigerung der Bewilligung dann nicht beanstanden, wenn die Familientrennung von den Betroffenen ursprünglich selbst freiwillig herbeigeführt worden ist, für die Änderung der bisherigen Verhältnisse - gerade zum gewählten Zeitpunkt - keine überwiegenden familiären Interessen bestehen bzw. sich ein Wechsel nicht als zwingend erweist und die Fortführung und Pflege der bisherigen familiären Beziehungen nicht behördlich verhindert wird (BGE 129 II 11 E. 3.1.3 S. 15, 249 E. 2.1 S. 253; 115 Ib 97 E. 3a S. 101; Urteil 2A.111/2005 vom 19. April 2005, E. 1.2, mit weiteren Hinweisen).
 
Das Verwaltungsgericht ist für seinen Entscheid im Wesentlichen von diesen Grundsätzen ausgegangen. Aus seinen Erwägungen könnte geschlossen werden, dass es dem Kriterium der vorrangigen Beziehung des in der Schweiz wohnenden Elternteils (im Vergleich zum im Ausland lebenden anderen Elternteil) eine etwas zu weitreichende Bedeutung beimisst. Es ist unter Hinweis auf die vorstehenden Ausführungen klarzustellen, dass für die Veränderung eingespielter Betreuungsverhältnisse, auch soweit die Betreuung durch andere Verwandte als durch den anderen Elternteil wahrgenommen wird, immer triftige Gründe vorliegen müssen, speziell kurz vor Erreichen des Mündigkeitsalters.
 
3.2 Der Beschwerdeführer wirft dem Verwaltungsgericht fehlerhafte Sachverhaltsfestellung vor. Gemäss Art. 105 Abs. 2 OG ist das Bundesgericht an tatsächliche Feststellungen der richterlichen Vorinstanz gebunden, soweit diese nicht offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen getroffen worden sind. Zu überprüfen ist - in diesem beschränkten Sinn - bloss der rechtserhebliche Sachverhalt, d.h. die Feststellung von Tatsachen, die für den Entscheid über die anstehenden Rechtsfragen massgeblich sind. Unter Berücksichtigung der Vorbringen des Beschwerdeführers ist von folgenden relevanten Sachverhaltselementen auszugehen:
 
Die gesamte Familie des Beschwerdeführers (d.h. nebst ihm seine frühere Ehefrau sowie alle fünf Kinder) musste ihren ursprünglichen Aufenthaltsort im Kosovo im Jahr 1999 wegen der damaligen Ereignisse verlassen. Der Beschwerdeführer zog zusammen mit seiner damaligen Ehefrau und den fünf Kindern nach Serbien zu seiner Schwester, bei welcher alle Familienangehörigen vorerst wohnten. Im Laufe des Jahres 2001 zog die ganze Familie in ein Haus, welches der Beschwerdeführer ca. vier Kilometer vom Haus der Schwester entfernt gebaut hatte. Noch im gleichen Jahr kehrte der Beschwerdeführer mit den fünf Kindern wieder in den Haushalt seiner Schwester zurück. Anfangs 2002 kam es zur Scheidung von der ersten Ehefrau, wobei das Sorgerecht für alle fünf Kinder dem Beschwerdeführer zuerkannt wurde. Kurz danach heiratete er seine heutige Ehefrau und reiste im April 2002 in die Schweiz. Die drei jüngeren Kinder zogen zur Mutter, welche anfangs 2003 nachträglich das Sorgerecht über sie erhielt, die beiden Söhne blieben bei ihrer Tante.
 
Der Beschwerdeführer hat das Nachzugsgesuch für die beiden Söhne knapp zwei Jahre nach seinem Wegzug gestellt. Damals war A.________ 17 Jahre alt und stand wenige Monate vor dem Lehrabschluss; B.________, um dessen Nachzug es heute einzig noch gehen kann (s. vorstehend E. 2), war 16 Jahre alt und absolvierte eine Lehre, die er in wenigen Wochen (Ende Juni 2005) abschliessen wird. In der für die Vorbereitung auf das Berufsleben wichtigen Phase lebten die Söhne ohne ihren Vater in Wohngemeinschaft mit ihrer Tante, bei welcher sie zuvor schon seit 1999 praktisch ununterbrochen gewohnt hatten, wenn auch bis Frühjahr 2002 zusammen mit ihrem Vater und den übrigen Geschwistern. Die massgebliche Betreuung und Erziehung im Alltag erfuhren die Söhne durch die Schwester des Beschwerdeführers, eine für sie nahestehende Person; die Tatsache, dass der Beschwerdeführer sich im Rahmen des Möglichen von der Schweiz aus um die Erziehung der Söhne bemühte, ändert daran nichts. Wie in der Beschwerde eingeräumt wird, hätte der Beschwerdeführer ohnehin das Sorgerecht nicht erhalten, wenn seine Schwester sich nicht bereit erklärt hätte, die Söhne zur Pflege und Erziehung zu sich zu nehmen.
 
Mit dem Nachzugsgesuch soll nun erwirkt werden, dass B.________ gegen Ende der Ausbildung in die Schweiz kommt. Zu diesem Zeitpunkt geht es nicht mehr um die Absicherung des engen familiären Zusammenlebens. Vielmehr steht der Eintritt ins Erwerbsleben an, ohne dass - aus dem Kreis der Familie hinaus - eine Integration in die hiesigen Verhältnisse stattgefunden hat. Entgegen der Darstellung in der Beschwerdeschrift darf B.________ demgegenüber als an seinem bisherigen Aufenthaltsort integriert gelten. Er spricht die dortige Sprache, hat eine Ausbildung absolviert und lebt seit sechs Jahren in mindestens teilweise gleichbleibender familiärer Umgebung; abgesehen davon, dass sein älterer Bruder keinen Anspruch auf Einreise in die Schweiz mehr geltend machen kann, wohnen auch die übrigen drei Geschwister bloss vier Kilometer vom bisherigen Wohnort von B.________ entfernt. Dem Umstand, dass es nicht leicht ist, am jetzigen Aufenthaltsort eine Arbeitsstelle zu finden, und dass das künftige wirtschaftliche Fortkommen schwierig sein dürfte, kann im Hinblick auf die Frage des Familiennachzugs und den damit verfolgten Zweck keine entscheidende Bedeutung zukommen. Es ist daher auch nicht näher der Frage nachzugehen, inwiefern Behinderungen im wirtschaftlichen Fortkommen durch die Eigenschaft als Vertriebener bedingt sind. Altersangemessene, auch finanzielle Unterstützung kann der Beschwerdeführer seinem Sohn ebenfalls von der Schweiz aus zukommen lassen, wie er dies bereits bisher tat und woran er durch die Ablehnung des Nachzugsgesuchs nicht gehindert wird.
 
3.3 Aus den vorstehenden Darlegungen ergibt sich, dass das Verwaltungsgericht sich bei seinem Entscheid nicht von offensichtlich unzutreffenden oder unvollständigen tatsächlichen Vorgaben leiten liess. In rechtlicher Hinsicht hat es aus der tatsächlichen Situation die zutreffenden Schlüsse gezogen. Es hat richtig erkannt, dass keine überwiegenden familiären Interessen für die Änderung der bisherigen Verhältnisse im jetzigen Zeitpunkt bestehen und keine Notwendigkeit dargetan ist, dass die künftig noch notwendige Erziehung durch den Beschwerdeführer in der Schweiz zu gewähren wäre.
 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde erweist sich somit als offensichtlich unbegründet und ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann.
 
3.4 Entsprechend dem Verfahrensausgang sind die bundesgerichtlichen Kosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 156 in Verbindung mit Art. 153 und 153a OG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2.
 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
3.
 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Regierungsrat und dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich sowie dem Bundesamt für Migration schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 8. Juni 2005
 
Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
 
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