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Informationen zum Dokument  BGer 6S.166/2005  Materielle Begründung
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BGer 6S.166/2005 vom 03.07.2005
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
6S.166/2005 /bri
 
Urteil vom 3. Juli 2005
 
Kassationshof
 
Besetzung
 
Bundesrichter Schneider, Präsident,
 
Bundesrichter Wiprächtiger, Zünd.
 
Gerichtsschreiber Näf.
 
Parteien
 
X.________,
 
Beschwerdeführer, vertreten durch Advokat Marco Albrecht,
 
gegen
 
Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt, Binningerstrasse 21, Postfach, 4001 Basel.
 
Gegenstand
 
Landesverweisung,
 
Nichtigkeitsbeschwerde gegen das Urteil des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt vom 10. Dezember 2004.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
X.________ hat sich im August 2002 und im November 2002 in drei Fällen als Freier gegenüber drogenabhängigen Prostituierten deliktisch verhalten, indem er diese in zwei Fällen zur Vornahme beziehungsweise Duldung sexueller Handlungen nötigte, mit welchen sie nicht einverstanden waren, und indem er ihnen unter Anwendung von Gewalt den ausgehändigten Dirnenlohn wieder wegnahm.
 
B.
 
B.a Das Strafgericht Basel-Stadt sprach X.________ am 24. Juli 2003 schuldig der Vergewaltigung, des Raubes, der mehrfachen sexuellen Nötigung, der mehrfachen einfachen Körperverletzung, des mehrfachen geringfügigen Diebstahls sowie der Tätlichkeiten und verurteilte ihn zu 4 ½ Jahren Zuchthaus. Zudem ordnete es eine Landesverweisung von 10 Jahren an unter Gewährung des bedingten Vollzugs bei einer Probezeit von 5 Jahren. Ferner verpflichtete es X.________ zur Zahlung von Schadenersatz und Genugtuung an die drei Geschädigten.
 
B.b Das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt bestätigte am 10. Dezember 2004 das Urteil des Strafgerichts, verweigerte indessen X.________ den bedingten Vollzug für die Landesverweisung.
 
C.
 
X.________ führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Appellationsgerichts sei insofern aufzuheben, als die Landesverweisung unbedingt ausgesprochen wurde. Zudem ersucht er um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege.
 
D.
 
Die Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt hat unter Hinweis auf die ihres Erachtens zutreffenden Erwägungen im Urteil des Appellationsgerichts auf eine Vernehmlassung verzichtet.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
1.
 
Die erste Instanz hat dem Beschwerdeführer den bedingten Vollzug für die Landesverweisung mit der Begründung gewährt, es könne erwartet werden, dass der Vollzug der zu verbüssenden Freiheitsstrafe verbunden mit der drohenden Ausweisung im Falle weiterer Delinquenz "einen doch gehörigen Eindruck" beim Beschwerdeführer hinterlassen werde, weshalb von einer "insgesamt günstigen Prognose" hinsichtlich seines künftigen Verhaltens auszugehen sei (erstinstanzliches Urteil S. 22). Die Vorinstanz ist dieser Auffassung nicht gefolgt. Wie insbesondere das im Appellationsverfahren erfolgte "Geständnis" zeige, sei der Beschwerdeführer nach wie vor der Meinung, er sei berechtigt gewesen, den Prostituierten ihren Lohn wieder wegzunehmen, da sie ihm "keinen guten Sex" geboten hätten. In Anbetracht dieser Haltung könne nicht ausgeschlossen werden, dass der Beschwerdeführer nach dem Strafvollzug weiter delinquieren werde (angefochtenes Urteil S. 8).
 
2.
 
Der Beschwerdeführer macht geltend, dass er und seine Ehefrau mit den schweizerischen Lebensgewohnheiten vertraut seien und der Vollzug der Landesverweisung zum endgültigen Abbruch der Verbindung zu seiner Ehefrau und seinem Kind führen würde, wodurch die gesamte Familie bestraft würde. Damit würde sein Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens gemäss Art. 13 BV und Art. 8 EMRK verletzt. Es falle insbesondere auf, dass die Vorinstanz die vom Gesetz und von der Rechtsprechung verlangte Abwägung zwischen dem Interesse des Staates einerseits und dem Interesse des Verurteilten und dessen Familie andererseits überhaupt nicht vorgenommen habe. Sie habe die Verweigerung des bedingten Vollzuges der Landesverweisung einzig unter Hinweis auf seine Äusserung verneint, dass die Prostituierten ihm "keinen guten Sex" geboten hätten. Diese Äusserung sei zwar völlig deplatziert, habe aber die Vorinstanz nicht von der eingehenden Prüfung der Frage dispensiert, ob ein erhebliches Risiko eines Rückfalls bestehe oder nicht. Die Vorinstanz habe von dieser Prüfung abgesehen und übersehen, dass nicht jede noch so entfernte Möglichkeit eines Rückfalls für die Aussprechung einer unbedingt vollziehbaren Landesverweisung genüge (Beschwerdeschrift S. 4/5).
 
3.
 
3.1 Gemäss Art. 41 Ziff. 1 Abs. 1 StGB kann der Richter den Vollzug der Landesverweisung aufschieben, wenn Vorleben und Charakter des Verurteilten erwarten lassen, er werde dadurch von weiteren Verbrechen oder Vergehen abgehalten.
 
Ob die Landesverweisung bedingt aufgeschoben oder vollzogen werden soll, hängt einzig von der Prognose über das zukünftige Verhalten des Verurteilten in der Schweiz ab. Nicht von Bedeutung ist dabei die Frage, ob die Aussichten der Wiedereingliederung in der Schweiz oder im Heimatland besser sind. Ob der bedingte Vollzug geeignet ist, den Verurteilten von der Begehung weiterer Straftaten abzuhalten, muss aufgrund einer Gesamtwürdigung entschieden werden. In die Beurteilung miteinzubeziehen sind neben den Tatumständen das Vorleben und der Leumund sowie alle weiteren Tatsachen, die gültige Schlüsse auf den Charakter des Täters und die Aussichten seiner Bewährung zulassen. Es ist unzulässig, unter den nach Art. 41 Ziff. 1 StGB zu berücksichtigenden Umständen einzelnen vorrangige Bedeutung beizumessen und andere zu vernachlässigen oder überhaupt ausser Acht zu lassen (BGE 123 IV 107 E. 4a und dortige Hinweise).
 
3.2 Die Vorinstanz hat die Verweigerung des bedingten Vollzuges der Landesverweisung einzig mit einer Aussage des Beschwerdeführers anlässlich der Appellationsverhandlung begründet. Dieser sei nämlich nach wie vor der Meinung, er sei berechtigt gewesen, den Prostituierten ihren Lohn wieder wegzunehmen, da sie "keinen guten Sex" geboten hätten. Zurecht führte die Vorinstanz dazu in ihren Erwägungen zur Strafzumessung aus, eine solche Einstellung zeuge von einer "äusserst egoistischen und rücksichtslosen Haltung", und würdigte sie dies entsprechend bei der Festsetzung der Strafe (angefochtenes Urteil S. 7). Der Beschwerdeführer selber bezeichnet seine Äusserung zutreffend als "völlig deplatziert". Die fragliche Aussage hätte aber die Vorinstanz bei der Prüfung des bedingten Vollzugs der Landesverweisung nicht davon abhalten dürfen, eine Gesamtwürdigung vorzunehmen. Indem sie dies unterliess, hat sie Bundesrecht verletzt. Fraglich ist im Übrigen auch, ob der bedingte Vollzug der Landesverweisung schon dann verweigert werden darf, wenn es "nicht ausgeschlossen werden" kann, dass der Verurteilte weiterhin auf die gleiche Art delinquieren werde (angefochtenes Urteil S. 8).
 
Die Nichtigkeitsbeschwerde ist demnach gutzuheissen und der angefochtene Entscheid bezüglich der Verweigerung des bedingten Vollzugs der Landesverweisung aufzuheben.
 
3.3 Bei dieser Sach- und Rechtslage braucht nicht geprüft zu werden, ob die Vorinstanz auch Art. 13 BV und Art. 8 EMRK verletzt habe (vgl. dazu etwa Urteil 6S.802/2000 vom 30. Januar 2001).
 
4.
 
Bei diesem Ausgang des Verfahrens werden keine Kosten erhoben und wird dem Vertreter des Beschwerdeführers eine Entschädigung aus der Bundesgerichtskasse ausgerichtet. Damit wird das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege gegenstandslos.
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, das Urteil des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt vom 10. Dezember 2004 hinsichtlich der Verweigerung des bedingten Vollzugs der Landesverweisung aufgehoben und die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen.
 
2.
 
Das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege wird als gegenstandslos geworden abgeschrieben.
 
3.
 
Es werden keine Kosten erhoben.
 
4.
 
Dem Vertreter des Beschwerdeführers, Rechtsanwalt Marco Albrecht, Basel, wird eine Entschädigung von Fr. 2'500.-- aus der Bundesgerichtskasse ausgerichtet.
 
5.
 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt und dem Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 3. Juli 2005
 
Im Namen des Kassationshofes
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
 
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