BGer 1P.284/2005 | |||
| |||
Bearbeitung, zuletzt am 16.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
BGer 1P.284/2005 vom 13.07.2005 | |
Tribunale federale
| |
{T 0/2}
| |
1P.284/2005 /ggs
| |
Urteil vom 13. Juli 2005
| |
I. Öffentlichrechtliche Abteilung
| |
Besetzung
| |
Bundesrichter Féraud, Präsident,
| |
Bundesrichter Aemisegger, Eusebio,
| |
Gerichtsschreiberin Gerber.
| |
Parteien
| |
Ehepaar X.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Urs Hess-Odoni,
| |
gegen
| |
Y.________ AG, Beschwerdegegnerin, vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Franz Hess,
| |
Gemeinderat Horw, Gemeindehausplatz 1, Postfach, 6048 Horw,
| |
Regierungsrat des Kantons Luzern, vertreten durch das Bau-, Umwelt- und Wirtschaftsdepartement des Kantons Luzern, Bahnhofstrasse 15, Postfach 4168, 6002 Luzern,
| |
Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, Verwaltungsrechtliche Abteilung, Obergrundstrasse 46, 6002 Luzern.
| |
Gegenstand
| |
Art. 8, 9 und 26 BV (Strassenerschliessungsprojekt),
| |
Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Entscheid
| |
des Verwaltungsgerichts des Kantons Luzern, Verwaltungsrechtliche Abteilung, vom 30. März 2005.
| |
Sachverhalt:
| |
A.
| |
Mit Entscheid vom 12. Februar 2004 bewilligte der Gemeinderat Horw ein Strassenprojekt der Y.________ AG für die Erschliessung der Parzellen Nrn. 1600 und 1475 in Horw und wies die gegen das Projekt erhobene Einsprache von Ehepaar X.________ ab.
| |
B.
| |
Gegen den gemeinderätlichen Entscheid erhob das Ehepaar X.________ Verwaltungsbeschwerde an den Regierungsrat des Kantons Luzern. Dieser wies die Beschwerde am 26. November 2004 ab, soweit er darauf eintrat, und genehmigte den Entscheid des Gemeinderats vom 12. Februar 2004. Zugleich erteilte er der Gemeinde Horw das Enteignungsrecht.
| |
C.
| |
Gegen den Entscheid des Regierungsrats erhob das Ehepaar X.________ Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern. Dieses wies die Beschwerde am 30. März 2005 ab.
| |
D.
| |
Gegen den verwaltungsgerichtlichen Entscheid erhob das Ehepaar X.________ staatsrechtliche Beschwerde an das Bundesgericht. Sie beantragen, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und die Sache sei zur Fortsetzung des Verfahrens und zur Neubeurteilung an das Verwaltungsgericht zurückzuweisen. Zudem ersuchen sie um Gewährung der aufschiebenden Wirkung.
| |
E.
| |
Die Y.________ AG, das Verwaltungsgericht und der Regierungsrat beantragen, die staatsrechtliche Beschwerde sei abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. Die Gemeinde Horw hat sich vernehmen lassen, ohne einen Antrag zu stellen.
| |
F.
| |
Mit Verfügung vom 3. Juni 2005 wurde das Gesuch um Gewährung der aufschiebenden Wirkung abgewiesen.
| |
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
| |
1.
| |
Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Endentscheid des Verwaltungsgerichts, der sich auf das Strassengesetz des Kantons Luzern vom 21. März 1995 (StrG), mithin auf kantonales Recht, stützt. Dagegen steht nur die staatsrechtliche Beschwerde ans Bundesgericht wegen Verletzung verfassungsmässiger Rechte offen (Art. 34 Abs. 3 RPG, Art. 84 Abs. 1 lit. a und Abs. 2, 86 Abs. 1 OG).
| |
Die Beschwerdeführer sind Eigentümer der Parzelle Nr. 1473. Sie müssen für das streitige Strassenprojekt eine Fläche von 6.25 m2 ihres Grundstücks abtreten, und sind daher legitimiert, mit staatsrechtlicher Beschwerde eine Verletzung der Eigentumsgarantie (Art. 26 BV) und des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) geltend zu machen (Art. 88 OG).
| |
Auf die rechtzeitig erhobene staatsrechtliche Beschwerde ist daher - vorbehältlich rechtsgenügend begründeter Rügen (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG) - einzutreten.
| |
2.
| |
Die Beschwerdeführer rügen zunächst, das Verwaltungsgericht habe ihren Antrag auf Vornahme eines Augenscheins willkürlich und unter Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör abgelehnt.
| |
Das Verwaltungsgericht verzichtete auf einen Augenschein, weil sich der entscheidwesentliche Sachverhalt hinlänglich aus den Akten ergebe. In der Tat lässt sich den in den Akten liegenden Plänen die Lage der Parzellen, die Länge und Breite der bestehenden Zufahrt sowie deren vorgesehene Verbreiterung entnehmen. Es ist nicht ersichtlich, welche weiteren, über die Pläne hinausgehenden, Aufschlüsse durch einen Augenschein hätten gewonnen werden können. Dies wird auch von den Beschwerdeführern nicht substantiiert dargelegt.
| |
Aus denselben Gründen ist auch der Antrag der Beschwerdeführer auf Durchführung eines Augenscheins im bundesgerichtlichen Verfahren abzuweisen.
| |
3.
| |
Die Beschwerdeführer werfen dem Verwaltungsgericht sodann Willkür bei der Sachverhaltsfeststellung vor.
| |
3.1 Sie machen geltend, das Verwaltungsgericht habe willkürlich festgestellt, dass die bestehende Zufahrt auf einer Länge von 20 m eine Breite von nur drei Metern aufweise; tatsächlich sei die Stelle, auf der die Zufahrt auf drei Meter verengt werde, viel kürzer.
| |
Den Beschwerdeführern ist zuzustimmen, dass die Ausführungen des Verwaltungsgerichts, wonach die Parzellen Nrn. 1600 und 1475 durch einen 20 m langen und lediglich 3 m breiten Landstreifen an das öffentliche Strassennetz angebunden seien (E. 2d S. 6), verwirrlich sind: Diese Masse entsprechen zwar dem auf der Parzelle 1600 verlaufenden Teil der bestehenden Zufahrt; tatsächlich ist jedoch die Zufahrtsmöglichkeit breiter, weil aufgrund des zugunsten der Parzellen Nrn. 1600 und 1475 bestehenden Fuss- und Fahrwegrechts auch der Vorplatz der Beschwerdeführer (Parzelle Nr. 1473) beansprucht werden kann.
| |
Das Verwaltungsgericht hat jedoch in derselben Erwägung festgehalten, dass die bestehende Zufahrt in baulicher Hinsicht nur auf einer Länge von ca. 5 m auf eine Lichtraumbreite von 3 m eingeschränkt sei. Die ungenügende Erschliessung der Parzellen Nrn. 1600 und 1475 begründete das Verwaltungsgericht - wie schon die Vorinstanzen und das Bauprojekt (vgl. technischer Bericht Ziff. 2) - mit diesem bestehenden "Nadelöhr", das die Zufahrt von Einsatzkräften im Falle eines Brandes erheblich behindern könne. Insofern kommt den eingangs erwähnten 20 m keine entscheiderhebliche Bedeutung zu.
| |
3.2 Als aktenwidrig und willkürlich rügen die Beschwerdeführer weiter die Feststellung des Verwaltungsgerichts, wonach die Erschliessung des Grundstücks Nr. 1473 nicht zur Diskussion stehe.
| |
Zwar ist im Entscheid des Gemeinderates Horw vom 12. Februar 2004 vom "Strassenprojekt zur Erschliessung der Grundstücke Nrn. 1600, 1475 und 1473" die Rede. Es ist jedoch unstreitig, dass die Parzelle Nr. 1473 der Beschwerdeführer genügend erschlossen ist und dass das Strassenprojekt nur der rechtsgenüglichen Erschliessung der Parzellen Nrn. 1475 und 1600 dient, hierfür aber auch die Parzelle Nr. 1473 beansprucht. Dies hat das Verwaltungsgericht in E. 2b S. 5 des angefochtenen Entscheids willkürfrei klargestellt.
| |
4.
| |
Das angefochtene Strassenprojekt, das 6.25 m2 der Parzelle der Beschwerdeführer beansprucht, ist eine öffentlichrechtliche Eigentumsbeschränkung, die auf einer gesetzlichen Grundlage beruhen, im öffentlichen Interesse liegen und verhältnismässig sein muss (Art. 26 BV i.V.m. Art. 36 BV). Das öffentliche Interesse und die Verhältnismässigkeit des Eingriffs prüft das Bundesgericht frei. Die gesetzliche Grundlage wird bei besonders schwer wiegenden Eingriffen frei und ansonsten nur auf Willkür hin geprüft (BGE 126 I 213 E. 3a S. 218 mit Hinweis).
| |
4.1 Das Strassenprojekt stützt sich auf § 59 Abs. 2 StrG und § 71c StrG. Danach kann die Gemeinde, wenn das öffentliche Interesse es erfordert, Privatstrassen bauen, sofern die Grundeigentümer sich nicht einigen und ein Gesuch vorliegt. Wird im Strassenprojekt für die davon erfassten Flächen das Enteignungsrecht beansprucht, bedarf die Projektbewilligung der Genehmigung des Regierungsrats, der mit seinem Genehmigungsentscheid der Gemeinde oder der zuständigen Genossenschaft das Enteignungsrecht erteilt.
| |
Umstritten ist im vorliegenden Fall einzig, ob die Parzellen Nrn. 1600 und 1475 bereits hinreichend erschlossen sind, und deshalb kein öffentliches Interesse am streitigen Strassenprojekt besteht. Die Gemeinde Horw verneinte dies, weil nach ihrer Praxis private Zufahrten grundsätzlich eine Fahrbahnbreite von 3.50 m und je ein beidseitiges Bankett von 0.60 m aufweisen müssten. Im vorliegenden Fall hielt die Gemeinde eine reduziertes Bankett von 0.30 m für genügend, beharrte aber auf einer Fahrbahnbreite von 3.50 m, namentlich um die Zufahrt bis zum Wendeplatz bei einem allfälligen Einsatz der Feuerwehr zu sichern. Die bestehende Zufahrt erweise sich deshalb als ungenügend und müsse verbreitert werden.
| |
Das Verwaltungsgericht hat im angefochtenen Entscheid (E. 2c und d S. 5 ff.) ausführlich dargelegt, welche Anforderungen an die Erschliessung von Bauland nach Art. 19 Abs. 1 RPG i.V.m. § 117 f. des Luzerner Planungs- und Baugesetzes vom 7. März 1989 (PBG) zu stellen sind, und die Auffassung der Gemeinde bestätigt, wonach die bestehende Zufahrt diesen Anforderungen nicht genügt. Die Beschwerdeführer üben pauschale Kritik an diesen Erwägungen, ohne im einzelnen darzulegen, inwiefern sie kantonalem oder Bundesrecht widersprechen. Auf die diesbezügliche Rüge ist daher mangels rechtsgenügender Begründung (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG) nicht einzutreten.
| |
4.2 Die Erschliessung von Bauland gehört zu den Aufgaben der Gemeinde (Art. 19 Abs. 2 RPG) und liegt im öffentlichen Interesse. Überdies besteht auch ein öffentliches Interesse an einer genügenden Zufahrt mit Rücksicht auf die öffentlichen Dienste, namentlich der Feuerwehr (so schon BGE 98 I 43 E. 3 S. 48 in einem vergleichbaren Fall). Im Lichte dieses öffentlichen Interesses erweist sich der Eingriff in das Grundeigentum der Beschwerdeführer auch als verhältnismässig: Diese müssen von ihrer insgesamt 1168 m2 umfassenden Parzelle nur ca. 6 m2 für das Strassenbauprojekt abgeben und werden hierfür voll entschädigt (Art. 26 Abs. 2 BV).
| |
4.3 Nach dem Gesagten liegt keine Verletzung der Eigentumsgarantie vor.
| |
5.
| |
Schliesslich rügen die Beschwerdeführer einen Verstoss gegen das Rechtsgleichheitsgebot (Art. 8 BV), weil sich die Gemeinde bei dem auf dem Grundstück der Beschwerdegegnerin verlaufenden Teil der Zufahrt mit einer nur drei Meter breiten Zufahrt begnüge.
| |
Das vorliegende streitige Strassenprojekt umfasst die Zufahrt von der Einfahrt in die St. Niklausenstrasse bis zum Wendeplatz auf der Parzelle Nr. 1600. In diesem Abschnitt weist die geplante Zufahrt überall eine Breite von mindestens 3.50 m auf. Die Zufahrt vom Wendeplatz bis zu den geplanten Bauten auf den Parzellen Nrn. 1600 und 1475 ist Gegenstand eines noch beim Verwaltungsgericht hängigen Beschwerdeverfahrens (vgl. Vernehmlassung des Verwaltungsgerichts S. 2). Mit welcher Begründung die Gemeinde in jenem Verfahren geringere Anforderungen an die Zufahrtsbreite stellt, lässt sich weder den Akten noch der Beschwerdeschrift entnehmen. Die Beschwerdeführer legen auch nicht dar, inwiefern die öffentlichen Dienste und namentlich die Feuerwehr auf eine Zufahrtsmöglichkeit hinter dem Wendekreis angewiesen sind. Bei dieser Sachlage fehlt es an einer hinreichenden Begründung der Beschwerde und es kann daher vom Bundesgericht nicht beurteilt werden, ob beide Sachverhalte mit Bezug auf die tatsächlichen Verhältnisse vergleichbar sind und gleich behandelt werden müssen.
| |
6.
| |
Nach dem Gesagten erweist sich die staatsrechtliche Beschwerde als unbegründet und ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Bei diesem Ausgang des Verfahrens werden die Beschwerdeführer kosten- und entschädigungspflichtig (Art. 156 und 159 OG).
| |
Demnach erkennt das Bundesgericht:
| |
1.
| |
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
| |
2.
| |
Die Gerichtsgebühr von Fr. 3'000.-- wird den Beschwerdeführern auferlegt.
| |
3.
| |
Die Beschwerdeführer haben die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'000.-- zu entschädigen.
| |
4.
| |
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Gemeinderat Horw, dem Regierungsrat und dem Verwaltungsgericht des Kantons Luzern schriftlich mitgeteilt.
| |
Lausanne, 13. Juli 2005
| |
Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
| |
des Schweizerischen Bundesgerichts
| |
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:
| |
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR). |