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Informationen zum Dokument  BGer 4P.153/2005  Materielle Begründung
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BGer 4P.153/2005 vom 11.08.2005
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
4P.153/2005 /ruo
 
Urteil vom 11. August 2005
 
I. Zivilabteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichterin Klett, präsidierendes Mitglied,
 
Bundesrichterin Rottenberg Liatowitsch,
 
Bundesrichter Nyffeler,
 
Gerichtsschreiber Gelzer.
 
Parteien
 
A.________,
 
B.________,
 
Beschwerdeführer,
 
beide vertreten durch Fürsprecher Andreas Wyssenbach,
 
gegen
 
C.________,
 
Beschwerdegegnerin, vertreten durch
 
Fürsprecher Markus Fischer,
 
Appellationshof des Kantons Bern, II. Zivilkammer, Postfach 7475, 3001 Bern.
 
Gegenstand
 
Art. 9 und 29 Abs. 1 + 2 BV (Zivilprozess; Mietvertrag; Mängel),
 
Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Entscheid des Appellationshofs des Kantons Bern, II. Zivilkammer,
 
vom 20. April 2005.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
A.________ und seine Ehefrau B.________ haben mit Mietverträgen vom 12./15. März 1999 eine 5 ½-Zimmer-Wohnung an der Strasse X.________ in Y.________ und eine Doppelgarage gemietet. Die Vermieterin, C.________, kündigte die Mietverträge am 31. Januar 2003.
 
B.
 
Die Mieter klagten am 15. August 2003 beim Gerichtspräsidenten 1 des Gerichtskreises VII Bern-Laupen (nachstehend: Gerichtspräsident) gegen die Vermieterin und stellten die Anträge, es sei festzustellen, dass die Kläger die Mietverträge während der ganzen Vertragsdauer richtig erfüllt hätten und die Kündigung sei aufzuheben; eventuell seien die Mietverträge um ein Jahr zu erstrecken.
 
Mit Verfügung vom 3. September 2004 setzte der Gerichtspräsident am Freitag, 19. November 2004 um 8.15 Uhr einen Termin für einen Augenschein an der Strasse X.________ in Y.________, mit anschliessender Hauptverhandlung im Amtshaus Bern fest.
 
Mit Eingabe vom 12. November 2004 machte der Kläger dem Sinne nach geltend, für die Einladung zu einem Augenschein fehle im gegebenen Verfahrensstadium eine Rechtsgrundlage. Da die Ladung zum Augenschein nicht rechtmässig sei, sei die Vorladung zum Termin vom 19. November 2004 insgesamt unrechtmässig, weshalb die Parteien nach der Rekonstruktion der Akten nochmals formell und materiell richtig zur Hauptverhandlung vorzuladen seien. An der anberaumten Hauptverhandlung könnten die Kläger nicht teilnehmen, weil jede Einlassung mit dem Rechtsnachteil gemäss Art. 359 Ziff. 2 ZPO/BE verbunden sei.
 
Die Kläger erschienen am 19. November 2004 weder zum Augenschein noch zur Hauptverhandlung, worauf der Gerichtspräsident ein Säumnisurteil erliess, in dem er auf das Feststellungsbegehren der Kläger nicht eintrat und deren Anträge auf Aufhebung der Kündigungen vom 31. Januar 2003 sowie auf Erstreckung der Mietverhältnisse abwies. Am 30. November 2004 nahmen die Kläger das schriftlich eröffnete Urteilsdispositiv in Empfang, welches mit folgender Rechtsmittelbelehrung versehen war:
 
"Gegen dieses Urteil kann innert 10 Tagen nach Erhalt der schriftlichen Ausfertigung bei der Zivilabteilung des Gerichtskreises VIII Bern-Laupen zuhanden des Appellationshofes des Kantons Bern schriftlich die Appellation erklärt werden. Darin ist anzugeben, inwieweit die appellierende Partei Abänderung des erstinstanzlichen Urteils verlangt und welche weiteren Beweismassnahmen sie zu beantragen gedenkt (Art. 338 und 339 ZPO)."
 
Mit Eingabe vom 15. Dezember 2004 verlangten die Kläger vom Gerichtspräsidenten eine schriftliche Urteilsbegründung, wobei sie ausführten, bei der in der Rechtsmittelbelehrung erwähnten fristauslösenden "schriftlichen Ausfertigung" des Urteils handle es sich um die mit einer Begründung versehene ihnen noch zuzustellende Fassung des Urteils und nicht um das bereits zugestellte Dispositiv.
 
Am 30. Dezember 2004 erhoben die Kläger - unter Vorbehalt einer späteren Appellation - beim Appellationshof des Kantons Bern Nichtigkeitsklage. Das entsprechende Verfahren hat der Appellationshof (1. Zivilkammer) am 15. März 2005 sistiert.
 
Die schriftliche Begründung des erstinstanzlichen Urteils vom 19. November 2004 wurde den Klägern am 2. Februar 2005 zugestellt.
 
Mit Eingabe vom 14. Februar 2005 erklärten die Kläger gegen das Urteil vom 19. November 2004 die Appellation, mit der die Kläger im Wesentlichen die Aufhebung des angefochtenen Entscheides und die Gutheissung der Klage beantragten. Der Appellationshof (2. Zivilkammer) des Obergerichts des Kantons Bern erachtete die Appellation als verspätet und trat daher mit Entscheid vom 20. April 2005 darauf nicht ein.
 
C.
 
Die Kläger erhoben staatsrechtliche Beschwerde mit den Anträgen, der Entscheid des Appellationshofs vom 20. April 2005 sei aufzuheben und der Beschwerde sei die aufschiebende Wirkung zu gewähren.
 
Am 6. Juni 2005 verfügte der Präsident der I. Zivilabteilung des Bundesgerichts, dass alle Vollziehungsvorkehrungen bis zum Entscheid über das Gesuch um aufschiebende Wirkung zu unterbleiben haben.
 
Die Beklagte beantragt, das Gesuch um Erteilung der aufschiebenden Wirkung abzuweisen und schliesst auf Abweisung der Beschwerde, soweit darauf eingetreten werden könne.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
1.
 
Da die Eintretensvoraussetzungen erfüllt sind, ist auf die form- und fristgerechte Beschwerde gegen den Entscheid des Appellationshofs vom 20. April 2005 grundsätzlich einzutreten.
 
2.
 
2.1 Der Appellationshof ging davon aus, die Appellation vom 14. Februar 2005 sei verspätet. Zur Begründung führte er zusammengefasst aus, gemäss Art. 338 ZPO/BE betrage die Appellationsfrist zehn Tage, laufend ab schriftlicher Mitteilung des Urteils. Die massgebliche Eröffnung richte sich nach Art. 204 Abs. 3 ZPO. Laut dieser Bestimmung sei die Urteilsformel jeder Partei nach der mündlichen Eröffnung schriftlich mitzuteilen. Mit der "Urteilsformel" sei das Dispositiv und nicht die Urteilsbegründung gemeint, welche regelmässig zu einem späteren Zeitpunkt erfolge. Dass die obligatorische schriftliche Mitteilung der Urteilsformel für die Rechtsmittelfrist massgeblich sei, entspreche der Praxis des Appellationshofs und gehe aus dem massgebenden Kommentar zur bernischen Zivilprozessordnung unmissverständlich hervor. An der Tatsache, dass die Zustellung der schriftlichen Urteilsformel fristauslösend sei, ändere nichts, wenn eine Partei an der Hauptverhandlung nicht teilgenommen habe.
 
2.2 Die Beschwerdeführer rügen dem Sinne nach, diese Erwägung beruhe auf einer willkürlichen Anwendung der Berner Zivilprozessordnung, der Verletzung der Berner Kantonsverfassung und führe im Ergebnis zu einer gegen Art. 29 Abs. 1 BV verstossenden formellen Rechtsverweigerung.
 
2.3 Gemäss Art. 29 Abs. 1 BV hat jede Person in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist. Diese Bestimmung verbietet eine formelle Rechtsverweigerung. Eine solche liegt vor, wenn eine Behörde auf eine ihr frist- und formgerecht unterbreitete Sache nicht eintritt, obschon sie darüber entscheiden müsste (Urteil des Bundesgerichts 1P.617/1999 vom 31. Januar 2000 E. 4b). Eine formelle Rechtsverweigerung kann sich aufgrund einer willkürlichen Anwendung des kantonalen Verfahrensrechts ergeben. Gleichermassen kann sie in einer Missachtung von verfassungs- und konventionsrechtlichen Verfahrensgarantien begründet sein. Das Bundesgericht prüft die Anwendung des kantonalen Verfahrensrechts grundsätzlich unter dem Gesichtswinkel des Willkürverbots nach Art. 9 BV; mit freier Kognition werden die verfassungsmässigen Rechte der Bürger geprüft, welche sich aus der Bundesverfassung aber auch aus den Kantonsverfassungen ergeben (vgl. BGE 131 I 366 E. 2.2 S. 368; Urteil des Bundesgerichts 1P.7/2004 vom 13. Oktober 2004 E. 1.2). Gemäss Art. 9 BV hat jede Person Anspruch darauf, von den staatlichen Behörden ohne Willkür behandelt zu werden. Nach der Rechtsprechung ist eine Rechtsanwendung nicht bereits dann willkürlich, wenn eine andere Lösung ebenfalls vertretbar erscheint oder sogar vorzuziehen wäre. Vielmehr liegt eine willkürliche Rechtsanwendung nur vor, wenn sie offensichtlich unhaltbar ist. Dies trifft namentlich zu, wenn eine Norm oder ein unumstrittener Rechtsgrundsatz krass verletzt wird (BGE 129 I 8 E. 2.1; 128 II 259 E. 5, je mit Hinweisen).
 
2.4
 
2.4.1 Im Einzelnen machen die Beschwerdeführer zusammengefasst geltend, der Appellationshof habe Art. 338 ZPO/BE willkürlich angewendet, weil diese Bestimmung besage, dass die Appellationsfrist mit der Zustellung des Urteils und nicht mit der Zustellung der Urteilsformel zu laufen beginne. Mit dem Urteil sei daher das mit der Begründung versehene Urteil zu verstehen.
 
2.4.2 Nach der bernischen Zivilprozessordnung ist ein Urteil des Gerichtspräsidenten von diesem mündlich zu begründen und zu verkünden (Art. 204 Abs. 1 ZPO/BE). Die Urteilsformel ist jeder Partei nach der mündlichen Eröffnung schriftlich mitzuteilen (Art. 204 Abs. 3 ZPO/BE). Die schriftliche Begründung wird den Parteien in der Regel nach der Aushändigung der Urteilsformel zugestellt (vgl. Leuch/Marbach/Kellerhals/Sterchi, Die Zivilprozessordnung für den Kanton Bern, 5. Aufl. Bern 2000, N. 5b zu Art. 204 ZPO/BE).
 
In der Appellationserklärung ist anzugeben, inwieweit der Appellant Abänderungen des erstinstanzlichen Urteils verlangt und welche weiteren Beweismassnahmen er zu beantragen gedenkt (Art. 339 Abs. 1 ZPO/BE). Die Appellationsfrist, laufend ab schriftlicher Mitteilung des Urteils, beträgt zehn Tage (Art. 338 ZPO/BE). Gemäss der Praxis des Appellationshofes stellt für kantonale Rechtsmittel die schriftliche Mitteilung der Urteilsformel die für den Fristenlauf massgebende Mitteilung dar (Leuch/Marbach/Kellerhals/Sterchi, a.a.O., N. 6 zu Art. 204 ZPO/BE). Dies gilt bei Säumnis auch für die bei der Urteilsverhandlung nicht anwesenden Partei (Leuch/Marbach/Kellerhals/Sterchi, a.a.O., N. 1a zu Art. 361 ZPO/BE und N. 1 zu Art. 284 ZPO/BE).
 
2.4.3 Dem Wortlaut von Art. 338 ZPO/BE, der bezüglich des Fristbeginns auf die "schriftlichen Mitteilung des Urteils" abstellt, kann nicht eindeutig entnommen werden, ob damit die Mitteilung der Urteilsformel oder des begründeten Urteils gemeint ist. Demnach ist es vertretbar diese Bestimmung - insbesondere unter Berücksichtigung ihrer Entstehungsgeschichte - gemäss der Praxis des Appellationshofes so zu verstehen, dass damit auf die Mitteilung der Urteilsformel abzustellen ist.
 
2.5
 
2.5.1 Weiter machen die Beschwerdeführer geltend, das Abstellen auf die Urteilsformel führe zu einer Verletzung des gemäss Art. 97 Abs. 2 KV/BE gewährten Anspruchs auf eine schriftliche Begründung. Aus dem Zweck dieses Anspruchs ergebe sich, dass die Parteien erst nach der Mitteilung einer solchen Begründung über Art und Mass einer Weiterziehung zu entscheiden haben.
 
2.5.2 Gemäss Art. 97 Abs. 2 KV/BE haben die Parteien Anspruch auf eine schriftliche Begründung, soweit das Gesetz keine Ausnahme bezeichnet. Die aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör abgeleitete Begründungspflicht hat zum Zweck, eine sachgerechte Anfechtung des Entscheides zu ermöglichen (vgl. BGE 126 I 97 E. 2b).
 
2.5.3 Entgegen der Annahme der Beschwerdeführer wird eine sachgerechte Anfechtung eines Entscheids durch das Abstellen auf die Mitteilung der Urteilsformel für den Beginn der zehntätigen Appellationsfrist nicht verhindert, da die Appellation innerhalb dieser First erklärt, jedoch nicht begründet werden muss. Da die Begründung der Appellation in Kenntnis der nachfolgend mitgeteilten schriftlichen Urteilsbegründung erfolgen kann, wird der Anspruch auf eine solche nicht verletzt.
 
2.6
 
2.6.1 Weiter machen die Beschwerdeführer geltend, bei einem Verzicht auf Teilname an den Verhandlungen nach Art. 205 ZPO/BE hätten die Parteien Anspruch auf eine schriftliche Ausfertigung des ganzen Urteils mit Urteilsformel und Urteilsbegründung. Die Rechtsmittelfrist beginne in solchen Fällen erst mit der Eröffnung des begründeten Urteils zu laufen. Dies müsse auch im vorliegenden Fall gelten, weil die Beschwerdeführer den Verhandlungen ferngeblieben seien, weil der Urteilstermin nicht gesetzlich bekannt gemacht worden sei, was gemäss Art. 359 Ziff. 2 ZPO/BE einen Nichtigkeitsgrund darstelle. Die Beschwerdeführer seien daher nicht als Säumige, sondern als gemäss Art. 205 ZPO/BE erlaubt Abwesende zu behandeln.
 
2.6.2 Haben die Parteien auf die Teilnahme an der Verhandlung des Rechtsstreits verzichtet, so brauchen sie nicht vorgeladen zu werden, und das Urteil kann alsdann ohne Anwesenheit der Parteien ausgefällt und durch Zustellung einer schriftlichen Ausfertigung eröffnet werden (Art. 205 ZPO/BE). Die Parteien haben in solchen Fällen Anspruch auf schriftliche Eröffnung des Urteils in vollständiger, die Erwägungen enthaltender Ausfertigung. Vor solcher Eröffnung beginnen die Rechtsmittelfristen nicht zu laufen (Leuch/Marbach/Kellerhals/Sterchi, a.a.O., N. 4 zu Art. 205 ZPO/BE). Nach Art. 359 Abs. 2 ZPO/BE kann ein Urteil mit Nichtigkeitsklage angefochten werden, wenn der Urteilstermin der sich beschwerenden Partei nicht gesetzlich bekannt gemacht wurde und sie sich bei der Verhandlung auch nicht eingefunden hat. Die Nichtigkeitsgründe gemäss Art. 359 ZPO/BE können in appellablen Streitsachen auch mit Appellation geltend gemacht werden (Leuch/Marbach/Kellerhals/Sterchi, a.a.O., N. 2 zu Art. 359 ZPO/BE). Bei einer ungesetzlichen Ladung kann die Wiedereinsetzung nach Art. 228 ZPO/BE verlangt werden (Leuch/Marbach/Kellerhals/Sterchi, a.a.O., N. 4 zu Art. 359 ZPO/BE).
 
2.6.3 Die Meinung der Beschwerdeführer, bei Säumnis wegen eines nicht gesetzlich bekannt gemachten Urteilstermins, sei für den Beginn der Appellationsfrist in Analogie zum Verzicht auf eine Verhandlung auf die Mitteilung des begründeten Urteils abzustellen, ist vertretbar. Zu beachten ist jedoch, dass bei einer nicht gesetzlichen Vorladung die Wiedereinsetzung gemäss Art. 288 ZPO/BE verlangt werden kann. Zudem muss die Frage der gesetzlichen Vorladung im Einzelfall geprüft werden, wobei das Ergebnis nicht zum vornherein feststeht, weshalb das Abstellen auf eine gesetzliche Vorladung keine eindeutige Grundlage für den Fristbeginn schaffen würde. Demnach ist es nicht willkürlich, auch bei Säumnis wegen einer geltend gemachten nicht gesetzlichen Vorladung bezüglich der Appellationsfrist auf die Mitteilung des Urteilsdispositivs abzustellen.
 
2.7 Nach dem Gesagten hat der Appellationshof weder die Berner Zivilprozessordnung willkürlich angewendet noch die Berner Kantonsverfassung verletzt, wenn er die Appellation als verspätet qualifizierte. Die Rüge der formelle Rechtsverweigerung bzw. der Verletzung von Art. 29 BV erweist sich insoweit als unbegründet.
 
3.
 
3.1 Der Appellationshof nahm an, den durch einen bernischen Fürsprecher vertretenen Beschwerdeführern sei es im Falle von Unsicherheiten bei der Auslegung der Wendung in der Rechtsmittelbelehrung "nach Erhalt der schriftlichen Ausfertigung" möglich und zumutbar gewesen, entweder fristgerecht eine Appellationserklärung einzureichen oder sich beim Gericht über die bestehende Praxis zu erkundigen.
 
3.2 Die Beschwerdeführer rügen, der Appellationshof habe mit dieser Erwägung den Vertrauensschutz nach Art. 9 BV verletzt, weil in der Rechtsmittelbelehrung auf die "schriftliche Ausfertigung des Urteils" abgestellt werde, worunter das begründete Urteil und nicht bloss die schriftliche Urteilsformel nach Art. 204 Abs. 3 ZPO zu verstehen sei.
 
3.3 Der Vertrauensschutz ist in seiner spezifisch grundrechtlichen Ausprägung in Art. 9 BV verankert. Nach ständiger Rechtsprechung verleiht der dort geregelte Grundsatz von Treu und Glauben Anspruch auf Schutz des berechtigten Vertrauens in behördliche Zusicherungen oder sonstiges, bestimmte Erwartungen begründendes Verhalten der Behörden (BGE 130 I 26 E. 8.1 S. 60). So darf grundsätzlich auf die Richtigkeit einer Rechtsmittelbelehrung vertraut werden. Kein Vertrauensschutz in eine mangelhafte Rechtsmittelbelehrung besteht jedoch, wenn der Betroffene den Mangel kennt oder bei genügender Aufmerksamkeit hätte erkennen müssen, insbesondere wenn er oder sein Anwalt den Mangel schon allein durch Konsultierung des massgebenden Gesetzestextes hätte ersehen können (BGE 124 I 255 E. 1a/aa S. 258 mit Hinweisen). Von Anwälten wird ein höheres Mass an Sorgfalt verlangt als von rechtsunkundigen Personen (Urteil des Bundesgericht 1A.29/1997 vom 6. August 1997 E. 1e).
 
3.4 Im vorliegenden Fall ist der in der Rechtsmittelbelehrung verwendete Begriff der "schriftlichen Ausfertigung des Urteils" - gleich wie der in der Berner Zivilprozessordnung verwendete Begriff der "schriftlichen Mitteilung des Urteils" - nicht eindeutig. Zu berücksichtigen ist, dass die Rechtsmittelbelehrung dem Urteilsdispositiv angefügt wurde, was als gewichtiges Indiz dafür spricht, dass sie sich auf die Mitteilung des Dispositivs und nicht auf das noch ausstehende begründete Urteil bezieht. Der Beschwerdeführer 1 durfte daher als bernischer Fürsprecher nicht darauf vertrauen, fristauslösend sei erst die Zustellung des begründeten Entscheides. Vielmehr hätte er sich durch die Konsultation des Standardkommentars zur Berner Zivilprozessordnung oder durch eine Anfrage beim Appellationshof über dessen Praxis, welche auf die Zustellung des Urteilsdispositivs abstellt, informieren müssen. Demnach ist eine Verletzung des Vertrauensgrundsatzes zu verneinen.
 
4.
 
4.1 Die Beschwerdeführer machen weiter geltend, selbst wenn die Appellation verspätet eingereicht worden wäre, habe die darin aufgeworfene Frage der Nichtigkeit des erstinstanzlichen Entscheids vom Appellationshof geprüft werden müssen. Habe der Betroffene die Frist zur Einreichung eines Rechtsmittels verpasst, so habe er immer noch Anspruch darauf, dass ein Verfahren eingeleitet werde, in welchem die Nichtigkeit des fraglichen Hoheitsakts geprüft werde. Der Appellationshof habe daher das rechtliche Gehör der Beschwerdeführer verletzt, indem er sich zur Frage der Nichtigkeit des erstinstanzlichen Entscheids nicht geäussert habe.
 
4.2 Eine Rechtsmittelinstanz hat sich grundsätzlich nur inhaltlich mit einer Streitsache auseinanderzusetzen, wenn bei ihr ein form- und fristgerechtes Rechtsmittel eingereicht wurde. Da dies gemäss den vorstehenden Erwägungen nicht zutraf, musste der Appellationshof sich nicht mit den in der Appellation vorgebrachten Rügen auseinandersetzen. Es hat daher entgegen der Annahme der Beschwerdeführer ihr rechtliches Gehör nicht verletzt, indem es sich nicht zur Rüge der Nichtigkeit des erstinstanzlichen Entscheids äusserte.
 
Ist in einer appellablen Streitsache die relativ kurze Appellationsfrist versäumt worden, so kann innerhalb der dreissigtägigen Frist gemäss Art. 361 Abs. 1 ZPO/BE Nichtigkeitsklage erhoben werden (Leuch/Marbach/Kellerhals/Sterchi, a.a.O., N. 1a zu Art. 337 ZPO/BE). Dies haben die Beschwerdeführer getan, weshalb die Rüge der Nichtigkeit des erstinstanzlichen Urteils beim Entscheid über die Nichtigkeitsklage geprüft werden muss. Demnach können die Beschwerdeführer nicht geltend machen, es stehe kein Verfahren zur Verfügung, in welchem die Nichtigkeitsfrage geprüft werde.
 
Da über die Frage der Nichtigkeit des erstinstanzlichen Urteils im kantonalen Verfahren noch nicht entscheiden wurde, ist mangels eines Anfechtungsobjekts auf die Rüge der Beschwerdeführer in ihrer Beschwerde, der Appellationshof habe von der Nichtigkeit des erstinstanzlichen Urteils ausgehen müssen, nicht einzutreten.
 
5.
 
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Bei diesem Ausgang des Verfahrens werden die Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren kosten- und entschädigungspflichtig (Art. 156 Abs. 1 und 159 Abs. 2 OG).
 
Mit diesem Entscheid wird das Gesuch um Erteilung der aufschiebenden Wirkung gegenstandslos.
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2.
 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird den Beschwerdeführern auferlegt.
 
3.
 
Die Beschwerdeführer haben die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'500.-- zu entschädigen.
 
4.
 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Appellationshof des Kantons Bern, II. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 11. August 2005
 
Im Namen der I. Zivilabteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Das präsidierende Mitglied: Der Gerichtsschreiber:
 
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