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Informationen zum Dokument  BGer 2A.467/2005  Materielle Begründung
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BGer 2A.467/2005 vom 17.08.2005
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
2A.467/2005 /dxc
 
Urteil vom 17. August 2005
 
II. Öffentlichrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Merkli, Präsident,
 
Bundesrichter Hungerbühler, Wurzburger,
 
Gerichtsschreiber Feller.
 
Parteien
 
X.________,
 
Beschwerdeführer, vertreten durch Fürsprecher René Firmin,
 
gegen
 
Einwohnergemeinde Bern, vertreten durch die Einwohnerdienste, Migration und Fremdenpolizei
 
der Stadt Bern, Postfach, 3000 Bern 7,
 
Polizei- und Militärdirektion des Kantons Bern, Kramgasse 20, 3011 Bern,
 
Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Verwaltungsrechtliche Abteilung, Speichergasse 12, 3011 Bern.
 
Gegenstand
 
Aufenthaltsbewilligung,
 
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern, Verwaltungsrechtliche Abteilung, vom 27. Juni 2005.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
1.
 
X.________, geb. 1973, Staatsangehöriger von Bangladesh, reiste im September 2000 in die Schweiz ein und stellte ein Asylgesuch, welches am 27. Januar 2001, unter Anordnung der Wegweisung und Ansetzung einer Ausreisefrist, abgelehnt wurde. Die Verfügung wurde mit Urteil der Schweizerischen Asylrekurskommission vom 24. Oktober 2001 rechtskräftig. Die letzte Ausreisefrist wurde auf den 16. Januar 2002 angesetzt.
 
Am 29. Januar 2002 heiratete X.________ eine Schweizer Bürgerin. Er erhielt gestützt auf Art. 7 ANAG eine Aufenthaltsbewilligung zum Verbleib bei der Ehefrau, welche einmal, bis zum 15. Juli 2003, verlängert wurde. Die Einwohnerdienste der Stadt Bern (Fremdenpolizei) lehnten am 17. Juli 2003 eine weitere Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung ab und setzten eine Ausreisefrist an (Wegweisung). Die Polizei- und Militärdirektion des Kantons Bern wies die gegen diese Verfügung erhobene Beschwerde am 13. September 2004 ab. Das Verwaltungsgericht des Kantons Bern wies die gegen den Direktionsentscheid erhobene Beschwerde mit Urteil vom 27. Juni 2005 ebenso ab wie das Gesuch um unentgeltliche Prozessführung.
 
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde vom 27. Juli (Postaufgabe 28. Juli) 2005 beantragt X.________ dem Bundesgericht, das Urteil des Verwaltungsgerichts sei aufzuheben und es sei ihm die Aufenthaltsbewilligung zu verlängern. Zugleich ersucht er darum, es sei ihm für das Verfahren vor Bundesgericht das Recht auf unentgeltliche Prozessführung zu gewähren unter Beiordnung des die Rechtsschrift Unterzeichnenden als amtlichen Anwalt. Am 28. Juli und 15. August 2005 hat er weitere Unterlagen eingereicht und sich am 12. August 2005 ergänzend zum Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege geäussert, unter Beilage diesbezüglicher Dokumente.
 
Es ist weder ein Schriftenwechsel noch sind andere Instruktionsmassnahmen angeordnet worden. Das Urteil, mit dessen Ausfällung das im Hinblick auf die Ausreiseaufforderung gestellte Gesuch um aufschiebende Wirkung gegenstandslos wird, ergeht im vereinfachten Verfahren (Art. 36a OG).
 
2.
 
2.1 Gemäss Art. 7 Abs. 1 ANAG hat der ausländische Ehegatte eines Schweizer Bürgers Anspruch auf Erteilung oder Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung. Kein Anspruch besteht gemäss Art. 7 Abs. 2 ANAG, wenn die Ehe eingegangen worden ist, um die Vorschriften über Aufenthalt und Niederlassung von Ausländern und namentlich jene über die Begrenzung der Zahl der Ausländer zu umgehen (Ausländerrechtsehe bzw. Scheinehe). Selbst wenn ursprünglich keine Ausländerrechtsehe eingegangen worden ist, kann sich die Berufung auf die Ehe im ausländerrechtlichen Verfahren als rechtsmissbräuchlich erweisen. Nach feststehender bundesgerichtlicher Rechtsprechung liegt Rechtsmissbrauch vor, wenn der Ausländer sich auf eine Ehe beruft, die nur noch formell besteht, entweder weil ihm jeglicher Wille zum Führen einer ehelichen Gemeinschaft fehlt oder aber für ihn erkennbar ist, dass keine Aussicht auf ein (weiteres) eheliches Zusammenleben bzw. auf die Führung einer Lebensgemeinschaft mit dem schweizerischen Ehegatten besteht, wobei es auf die Ursache der Trennung nicht ankommt. Die Berufung auf die Ehe läuft in einem solchen Fall darauf hinaus, dem Ausländer völlig unabhängig vom Bestand einer ehelichen Beziehung die Anwesenheit in der Schweiz zu ermöglichen; auf eine derartige Beanspruchung des gesetzlichen Aufenthaltsrechts des ausländischen Ehegatten eines Schweizer Bürgers in der Schweiz ist Art. 7 ANAG nicht ausgerichtet (BGE 130 II 113 E. 4.2 S. 117; 128 II 145 E. 2.2 S. 151; 127 II 49 E. 5 S. 56 ff. mit Hinweisen).
 
Die Annahme von Rechtsmissbrauch setzt klare Indizien dafür voraus, dass die Führung einer Lebensgemeinschaft nicht mehr beabsichtigt bzw. auch aus der Sicht des Ausländers nicht mehr ernsthaft zu erwarten ist (BGE 128 II 145 E. 2.2 S. 151; 127 II 49 E. 5a S. 56 f., mit Hinweisen). Dabei handelt es sich um tatsächliche Gegebenheiten, welche äussere Begebenheiten, aber auch innere, psychische Vorgänge (Wille zur Weiterführung einer Lebensgemeinschaft bzw. Wissen um das Fehlen einer entsprechenden Möglichkeit) beschlagen können, und diesbezügliche Feststellungen binden das Bundesgericht, wenn eine richterliche Behörde als Vorinstanz den Sachverhalt nicht offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen ermittelt hat, wobei darauf abzustellen ist, wie sich die Sachlage der kantonalen richterlichen Behörde zum Zeitpunkt ihres Entscheids darstellte, was das Vorbringen neuer tatsächlicher Behauptungen vor Bundesgericht weitgehend ausschliesst (Art. 105 Abs. 2 OG; vgl. BGE 125 II 217 E. 3a S. 221). Frei zu prüfen ist nur die Rechtsfrage, ob die festgestellten Tatsachen (Indizien) darauf schliessen lassen, die Berufung auf die Ehe bezwecke die Umgehung ausländerrechtlicher Vorschriften und sei rechtsmissbräuchlich (BGE 128 II 145 E. 2.3 S. 152).
 
2.2 Das Verwaltungsgericht begründet die Bewilligungsverweigerung damit, dass der Beschwerdeführer sich rechtsmissbräuchlich auf die Ehe bzw. auf Art. 7 ANAG berufe. Es hat die nach der Rechtsprechung hiefür massgeblichen, vorstehend dargestellten Kriterien vollständig und zutreffend wiedergegeben und sich bei seiner Entscheidung davon leiten lassen. Es hat entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers nicht verkannt, dass es auf die Sicht des ausländischen Ehegatten ankommt. Dass dieser unbedingt an der Ehe festhalten will, genügt zum Ausschluss des Rechtsmissbrauchs nicht; Rechtsmissbrauch liegt, wie dargelegt, unter anderem dann vor, wenn auch aus der Sicht des Ausländers klar sein muss, dass die (Wieder)Aufnahme einer tatsächlichen Ehegemeinschaft nicht mehr ernsthaft zu erwarten ist.
 
In tatsächlicher Hinsicht geht das Verwaltungsgericht von folgenden Gegebenheiten aus: Der Beschwerdeführer heiratete im Januar 2002, unmittelbar nach Ablauf der asylrechtlichen Ausreisefrist, eine Schweizer Bürgerin. Die Ehegatten wohnten höchstens einige Monate zusammen und leben seit spätestens Juni 2002 getrennt; am 11. Juli 2003 schlossen sie eine Vereinbarung ab, wonach sie auch weiterhin für unbestimmte Zeit getrennt leben würden. Während Monaten bestanden keinerlei Kontakte, und die Ehegatten wussten während einer längeren Zeitperiode nicht, wo der andere lebte. Die Ehefrau hatte unmissverständlich erklärt, sie wolle von einem gemeinsamen Leben mit dem Beschwerdeführer nichts wissen. Zwei Schreiben der Ehefrau vom 13. Oktober 2004 und vom 23. Februar 2005, worin diese die Möglichkeit eines ehelichen Zusammenlebens erwähnt, bezeichnet das Verwaltungsgericht als unglaubwürdig, da in den tatsächlichen Verhältnissen keine massgeblichen Veränderungen eingetreten seien, die für eine Konkretisierung dieser allgemein gehaltenen Erklärungen sprechen würden. Inwiefern diese Feststellungen im Sinne von Art. 105 Abs. 2 OG offensichtlich unrichtig oder unvollständig sein könnten, vermag der Beschwerdeführer auch mit seinen Ausführungen in der Beschwerdeschrift nicht aufzuzeigen. Keines der tatsächlichen Vorbringen im bundesgerichtlichen Verfahren, welche teilweise neu sind und nicht gehört werden können, ist geeignet, über blosse Absichtserklärungen hinausgehende konkrete Bemühungen für die Wiederaufnahme einer ehelichen Beziehung aufzuzeigen. So sagt diesbezüglich offenkundig weder die Kündigung der Einzimmerwohnung der Ehefrau noch der Umstand, dass der Beschwerdeführer dort gemeldet ist, etwas aus.
 
Der Gesamtwürdigung des Verwaltungsgerichts (E. 3.5 des angefochtenen Urteils) kann beigepflichtet werden: Die Ehe bestand praktisch von Beginn an bloss auf dem Papier. Erst als der Beschwerdeführer sich mit der Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung konfrontiert sah, versuchte er, den Kontakt mit der Ehefrau wieder aufzunehmen. Erkennbar ist einzig der Wunsch des Beschwerdeführers, in der Schweiz bleiben zu können; allenfalls bestehen sporadisch vage Erwartungen der drogensüchtigen Ehefrau auf irgend eine Hilfestellung durch den Beschwerdeführer. Die Ehegatten leben nunmehr seit mehr als drei Jahren getrennt. Obwohl das Bewilligungsverfahren zum Zeitpunkt, als das Verwaltungsgericht sein Urteil fällte, bereits zwei Jahre dauerte und der Beschwerdeführer sich um seine Ehefrau bemüht haben will, lässt sich konkret keine Änderung der Verhältnisse feststellen. An einem in äusseren Umständen zum Ausdruck kommenden und objektiv feststellbaren Interesse an der Pflege einer wirklichen ehelichen Beziehung oder, wie der Beschwerdeführer es ausdrückt, an klaren Anzeichen der Wiederannäherung zwischen den Ehegatten fehlt es jedenfalls.
 
Das Verwaltungsgericht hat Bundesrecht nicht verletzt, wenn es davon ausging, der Beschwerdeführer berufe sich allein aus ausländerrechtlichen Gründen auf die Ehe, und die Verweigerung der Aufenthaltsbewilligung bestätigte.
 
2.3 Der Beschwerdeführer beantragt für das bundesgerichtliche Verfahren die unentgeltliche Rechtspflege. Für das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht war ein entsprechendes Begehren wegen Aussichtslosigkeit des Rechtsmittels und für das Verfahren vor der Polizei- und Militärdirektion wegen fehlender Bedürftigkeit abgelehnt worden. Zur Frage der unentgeltlichen Rechtspflege äussert sich der Beschwerdeführer nur im Zusammenhang mit dem für das bundesgerichtliche Verfahren gestellten Gesuch, und es darf angenommen werden, dass er das Urteil des Verwaltungsgerichts diesbezüglich nicht anficht. Was die Äusserungen zur finanziellen Lage betrifft, wären diese ohnehin nicht geeignet, die diesbezügliche Einschätzung für den Zeitpunkt des Entscheids der Polizei- und Militärdirektion in Frage zu stellen; sodann liesse sich die Auffassung des Verwaltungsgerichts, die kantonale Verwaltungsgerichtsbeschwerde habe insgesamt als aussichtslos gewertet werden dürfen, unter Berücksichtigung der vorstehenden Erwägungen zur Hauptsache nicht beanstanden. Ebenso konnte der Beschwerdeführer nicht ernsthaft mit einer Gutheissung der vorliegenden Verwaltungsgerichtsbeschwerde rechnen, sodass dem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung für das bundesgerichtliche Verfahren nicht zu entsprechen ist (Art. 152 OG). Dementsprechend sind ihm als unterliegender Partei die bundesgerichtlichen Kosten aufzuerlegen (Art. 156 OG in Verbindung mit Art. 153 und 153a OG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht
 
im Verfahren nach Art. 36a OG:
 
1.
 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
 
2.
 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen.
 
3.
 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'200.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
4.
 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Einwohnergemeinde Bern, der Polizei- und Militärdirektion und dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern sowie dem Bundesamt für Migration schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 17. August 2005
 
Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
 
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