BGer 2A.488/2005 | |||
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BGer 2A.488/2005 vom 24.08.2005 | |
Tribunale federale
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{T 0/2}
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2A.488/2005 /vje
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Urteil vom 24. August 2005
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II. Öffentlichrechtliche Abteilung
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Besetzung
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Bundesrichter Merkli, Präsident,
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Bundesrichter Hungerbühler, Wurzburger,
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Gerichtsschreiber Feller.
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Parteien
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X.________,
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Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Werner Greiner,
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gegen
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Regierungsrat des Kantons Zürich,
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Kaspar Escher-Haus, 8090 Zürich,
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Verwaltungsgericht des Kantons Zürich,
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4. Abteilung, 4. Kammer, Militärstrasse 36,
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Postfach 1226, 8021 Zürich.
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Gegenstand
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Niederlassungs- und Aufenthaltsbewilligung,
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Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich, 4. Abteilung, 4. Kammer, vom 8. Juni 2005.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
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1.
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X.________, geb. ... 1983, ist türkische Staatsangehörige. Ihr Vater war in der Schweiz niedergelassen bzw. hat heute das Schweizer Bürgerrecht. Im Dezember 1997 reiste sie in die Schweiz ein und erhielt im Rahmen des Familiennachzugs gestützt auf Art. 17 Abs. 2 Satz 3 ANAG die Niederlassungsbewilligung. Im Januar 2000 kehrte sie zusammen mit ihrer Mutter in die Türkei zurück, und ihre Niederlassungsbewilligung erlosch. In der Heimat heiratete sie, wohl ohne dass ihr Vater darüber informiert war, nach religiösem Brauch einen Landsmann, mit welchem zusammen sie die Tochter Y.________, geb. ... 2001, hat.
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Am 10. Mai 2001 stellte der Vater von X.________ ein Gesuch um Einreise seiner Tochter. In einer eidesstattlichen Erklärung vom 8. Januar 2002 gab er an, diese sei ledig, habe keine Kinder und sei auch nicht in Erwartung. Im April 2002 reiste X.________ in die Schweiz ein und ersuchte ihrerseits um Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung. Am 25. April 2002 erhielt sie wiederum gestützt auf Art. 17 Abs. 2 Satz 3 ANAG eine Niederlassungsbewilligung im Kanton Zürich zwecks Zusammenwohnens mit ihrem Vater. Nachdem sie zuvor, am 25. Juli 2002, den Vater ihrer Tochter auch standesamtlich geheiratet hatte, ersuchte sie im Oktober 2002 um Bewilligung des Nachzugs für Y.________.
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Mit Verfügung vom 6. Juni 2003 widerrief die Direktion für Soziales und Sicherheit des Kantons Zürich die Niederlassungsbewilligung von X.________ und lehnte entsprechend auch das Nachzugsbegehren für Y.________ ab. Ein Rekurs an den Regierungsrat blieb erfolglos. Am 8. Juni 2005 wies das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich die gegen den regierungsrätlichen Rekursentscheid vom 19. Januar 2005 erhobene Beschwerde ab.
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Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde vom 16. August 2005 beantragt X.________ dem Bundesgericht, der Entscheid des Verwaltungsgerichts sei vollumfänglich aufzuheben und es sei vom Widerruf der Niederlassungsbewilligung abzusehen; das Migrationsamt des Kantons Zürich sei anzuweisen, den Familiennachzug für die Tochter Y.________ zu bewilligen. Für das bundesgerichtliche Verfahren wird um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und Verbeiständung ersucht.
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Es ist weder ein Schriftenwechsel noch sind andere Instruktionsmassnahmen angeordnet worden. Das Urteil, mit dessen Ausfällung das Gesuch um aufschiebende Wirkung gegenstandslos wird, ergeht im vereinfachten Verfahren (Art. 36a OG).
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2.
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2.1 Gemäss Art. 9 Abs. 4 lit. a ANAG kann die Niederlassungsbewilligung widerrufen werden, wenn der Ausländer sie durch falsche Angaben oder wissentliches Verschweigen wesentlicher Tatsachen erschlichen hat.
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Der Widerruf setzt voraus, dass der Betroffene wissentlich falsche Angaben gemacht oder wesentliche Tatsachen verschwiegen hat, in der Absicht, gestützt darauf die Niederlassungsbewilligung zu erhalten (BGE 112 Ib 473 E. 3b S. 475 f.). Dabei ist Art. 3 Abs. 2 ANAG von Bedeutung, welcher den Ausländer verpflichtet, der Behörde über alles, was für den Bewilligungsentscheid massgebend sein kann, wahrheitsgetreu Auskunft zu geben. Wesentlich sind nicht nur solche Tatsachen, nach denen die Fremdenpolizei im Hinblick auf die Bewilligungserteilung bzw. -erneuerung ausdrücklich gefragt hat, sondern auch solche, von denen der Gesuchsteller wissen muss, dass sie für den Bewilligungsentscheid relevant sind. Von der Pflicht zu wahrheitsgetreuer bzw. vollständiger Auskunftserteilung ist der Ausländer selbst dann nicht befreit, wenn die Ausländerrechtsbehörde die fragliche Tatsache selbst hätte ermitteln können. Nicht erforderlich für einen Bewilligungswiderruf ist, dass die Bewilligung bei richtigen und vollständigen Angaben notwendigerweise zu verweigern gewesen wäre. Das Vorliegen des Widerrufsgrunds führt andererseits nicht zwingend dazu, dass die Bewilligung auch tatsächlich zu widerrufen ist. Zu beachten ist das Verhältnismässigkeitsgebot. Beim Widerrufsentscheid muss den besonderen Umständen des Einzelfalles angemessen Rechnung getragen werden (zum Ganzen BGE 112 Ib 473 E. 3 und 4 S. 375 ff.; ferner Urteile 2A.628/2004 vom 9. November 2004 E. 2.1, 2A.485/2003 vom 20. Februar 2004 E. 2.1 sowie 2A.551/2003 vom 21. November 2003 E. 2.1).
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Was die Pflicht zu vollständiger und wahrheitsgemässer Auskunftserteilung gemäss Art. 3 Abs. 2 ANAG betrifft, unterliegt dieser nicht nur der Ausländer, welcher in den Genuss der Bewilligung kommen soll, sondern auch eine Person, zu welcher der Ausländer in einer für das Erteilen der Bewilligung erheblichen Beziehung steht, sofern diese im Bewilligungsverfahren massgeblich in Erscheinung tritt, so insbesondere die Person, die das Gesuch einreicht (BGE 112 Ib 473 E. 3d S. 477). Der Widerrufstatbestand ist regelmässig erfüllt, wenn eine dieser ins Bewilligungsverfahren involvierten Personen falsche Auskünfte erteilt oder wissentlich massgebliche Tatsachen verschweigt und dadurch die Behörde über die tatsächlichen Verhältnisse in einen Irrtum versetzt wird. Es kommt denn grundsätzlich auch nicht darauf an, ob derjenige, der das Gesuch einreicht, seinerseits die Behörden wissentlich falsch oder unvollständig infomiert oder ob allein der Ausländer, für den das Gesuch gestellt wird, die für ihn an die Behörde gelangende Person über die wahren Gegebenheiten täuscht.
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2.2
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2.2.1 Die Niederlassungsbewilligung ist der Beschwerdeführerin gestützt auf Art. 17 Abs. 2 Satz 3 ANAG erteilt worden. Danach haben ledige Kinder unter 18 Jahren Anspruch auf Einbezug in die Niederlassungsbewilligung ihrer Eltern, wenn sie mit diesen zusammen wohnen. Der Vater der Beschwerdeführerin ist Schweizer Bürger; Art. 17 Abs. 2 Satz 3 ANAG findet dabei sinngemäss Anwendung (vgl. BGE 129 II 249 E. 1.2 S. 252; s. 118 Ib 153 E. 1b S. 155 ff.). Der Zweck des Familiennachzugs gemäss dieser Norm besteht darin, das familiäre Zusammenleben zwischen Eltern und Kindern zu ermöglichen und rechtlich abzusichern (vgl. BGE 129 II 11 E. 3.1.1 S. 14), nicht aber, Ausländern auf möglichst einfache Weise aus anderen Gründen zu einer fremdenpolizeilichen Bewilligung und zu einer Erwerbsgelegenheit in der Schweiz zu verhelfen. Hat ein Kind bereits einmal mit Niederlassungsbewilligung in der Schweiz gelebt und ist es hernach wieder definitiv in sein Heimatland zurückgekehrt, so besteht insbesondere dann, wenn erst kurz vor Erreichen des 18. Altersjahrs erneut um Familiennachzug ersucht wird, eine gewisse Vermutung dafür, dass es nicht um das familiäre Zusammenleben im engen Familienkreis mit den Eltern geht (BGE 119 Ib 81 E. 3 S. 88 ff.). Nicht Sinn und Zweck der gesetzlichen Familiennachzugsregelung entspricht es, wenn das nachzuziehende Kind bereits verheiratet ist, in einer eheähnlichen Beziehung lebt oder sonstwie eine eigene Familiengemeinschaft begründet hat (Urteile 2A.13/1995 vom 27. November 1995 E. 3a; 2A.145/1990 vom 27. Juli 1990 E. 1b).
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2.2.2 Die Beschwerdeführerin reiste im Alter von rund 14 Jahren erstmals in die Schweiz ein und verliess das Land gut zwei Jahre später. Ihr Vater ersuchte für sie um Wiedereinreise, als sie 17 Jahre und einige Monate alt war; definitiv reiste sie erst wieder ein, als sie bereits volljährig war. Schon darum fiel die Erteilung der Niederlassungsbewilligung nicht ohne weiteres in Betracht; entgegen der in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde vertretenen Ansicht sprach die Tatsache, dass bereits früher eine Niederlassungsbewilligung bestand, bei der gegebenen Konstellation (zweiter Familiennachzug) gerade gegen eine vorbehaltlose Bewilligungserteilung. Umso wichtiger wäre gewesen, dass die Behörde vollständig über die familiären Verhältnisse der nachzuziehenden Beschwerdeführerin ins Bild gesetzt wurde. Dass die Beschwerdeführerin ein Kind geboren hatte und, wenn auch nicht standesamtlich gültig, mit dem Kindsvater religiös verheiratet war, war für den Bewilligungsentscheid von grösster Bedeutung; es erscheint äusserst unwahrscheinlich, dass dem Nachzugsgesuch bei Kenntnis aller Umstände entsprochen worden wäre. Im Übrigen geht die Beschwerdeführerin davon aus, dass ihr Vater, ohne dessen Zustimmung sie eine Bewilligung gemäss Art. 17 Abs. 2 Satz 3 ANAG nie hätte erwirken können, dem Familiennachzug bei Kenntnis der wahren Verhältnisse nicht zugestimmt hätte. Sie hat vermutlich ihren Vater, jedenfalls aber die Behörden bezüglich ihrer Kinderlosigkeit getäuscht, weil sie nicht damit rechnete, bei Offenlegung der Verhältnisse wieder in die Schweiz einreisen zu können, um hier verbleiben zu dürfen. Was sodann die Beziehung zum Kindsvater betrifft, wäre die Behörde, wie gesehen, auch über das Bestehen eines bloss religiösen Ehebandes zu informieren gewesen, umso mehr, als es sich dabei nicht um eine bedeutungslose Beziehung handeln konnte, heiratete doch die Beschwerdeführerin den Vater ihrer Tochter nachträglich im Juli 2002 auch noch zivilrechtlich, weit über ein Jahr nach deren Geburt und nach Erteilung der Niederlassungsbewilligung.
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Was zu den Beweggründen der Beschwerdeführerin ausgeführt wird, womit ihr Verhalten entschuldigt werden soll, ist weitgehend irrelevant: Der Unrechtsgehalt beim Widerrufstatbestand des Erschleichens einer Bewilligung bemisst sich weniger danach, was den Ausländer zur Täuschung veranlasst, als danach, wie klar ihm bewusst sein muss, dass er bei Aufdecken der wahren Verhältnisse kaum eine Bewilligung erhältlich machen könnte. Da die Beschwerdeführerin (subjektiv und objektiv) nicht ernsthaft mit einer Niederlassungsbewilligung rechnen konnte, wiegt ihr Verschulden schwer. Wer auf diese Weise vorsätzlich eine Bewilligung erschleicht, hat grundsätzlich deren Widerruf zu gewärtigen und in Kauf zu nehmen. Ganz besondere Umstände, die unter dem Gesichtswinkel des Verhältnismässigkeitsgebots zu einer anderen Betrachtungsweise führen müssten, sind nicht erkennbar. Zum Einen wurde das Widerrufsverfahren schon kurze Zeit nach der Bewilligungserteilung eingeleitet, und der Widerruf erfolgte nach etwas mehr als einem Jahr. Zum Anderen kann von einer speziellen Verwurzelung der Beschwerdeführerin in der Schweiz nicht ausgegangen werden, lebte sie doch als Minderjährige vorerst nur gut zwei Jahre in der Schweiz, reiste wieder in die Türkei aus und kam erst mit 18 Jahren wieder hierher. Der Bewilligungswiderruf erfolgte im Alter von 19 ½ Jahren. Es steht auch sonst fest, dass Beziehungen der Beschwerdeführerin zur Türkei sehr wohl bestehen. So reist sie nach wie vor in ihr Heimatland und knüpft Kontakte zu Landsleuten; immerhin wurde sie dort im Laufe des Jahres 2004 erneut schwanger, wobei Vater des mittlerweile geborenen Kindes nicht der Vater der Tochter Y.________ ist, von dem sie zwischenzeitlich geschieden ist.
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2.2.3 Unter diesen Umständen hat das Verwaltungsgericht Bundes-recht nicht verletzt, wenn es den Widerruf der Niederlassungsbewilligung gestützt auf Art. 9 Abs. 4 lit. a ANAG bestätigt hat.
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2.3 Fehlt der Beschwerdeführerin ein gefestigtes Anwesenheitsrecht, steht ihr zum Vornherein kein Anspruch auf Nachzug der Tochter Y.________ zu. Bezüglich dieses Antrags steht die Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht offen (Art. 100 Abs. 1 lit. b Ziff. 3 OG).
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2.4 Soweit darauf einzutreten ist, ist die offensichtlich unbegründete Verwaltungsgerichtsbeschwerde abzuweisen.
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2.5 Die Beschwerdeführerin hat für das bundesgerichtliche Verfahren um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und Verbeiständung ersucht. Dem Gesuch kann schon wegen Aussichtslosigkeit der Rechtsbegehren nicht entsprochen werden (Art. 152 OG). Damit sind die bundesgerichtlichen Kosten der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 156 OG). Bei der Festsetzung der Gerichtsgebühr (Art. 153 Abs. 1 OG) kann ihren finanziellen Verhältnissen Rechnung getragen werden (Art. 153a Abs. 1 OG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht
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im Verfahren nach Art. 36a OG:
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1.
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Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
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2.
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Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen.
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3. Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'000.-- wird der Beschwerdeführerin auferlegt.
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4.
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Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, dem Regierungsrat und dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich sowie dem Bundesamt für Migration schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 24. August 2005
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Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
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