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Informationen zum Dokument  BGer 5C.138/2005  Materielle Begründung
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BGer 5C.138/2005 vom 05.09.2005
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
5C.138/2005 /bnm
 
Urteil vom 5. September 2005
 
II. Zivilabteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Raselli, Präsident,
 
Bundesrichterinnen Nordmann, Escher, Hohl,
 
Bundesrichter Marazzi,
 
Gerichtsschreiberin Scholl.
 
Parteien
 
X.________,
 
Kläger und Berufungskläger,
 
vertreten durch Fürsprecher Martin Bürgi,
 
gegen
 
Versicherungs-Gesellschaft Y.________,
 
Beklagte und Berufungsbeklagte,
 
vertreten durch Fürsprecher Konrad Luder,
 
Gegenstand
 
Versicherungsvertrag,
 
Berufung gegen das Urteil des Obergerichts des
 
Kantons Solothurn, Zivilkammer, vom 1. Februar 2005.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
X.________ hat bei der Versicherungs-Gesellschaft Y.________ eine Haushaltsversicherung abgeschlossen, welche unter anderem eine Deckung für Diebstahl vorsieht.
 
Am Abend des 12. Juni 2002 meldete X.________ der Kantonspolizei A.________, es sei bei ihm eingebrochen worden. Einen Tag später, am 13. Juni 2002, avisierte er die Versicherungs-Gesellschaft Y.________.
 
Mit Schreiben vom 8. November 2002 teilte die Versicherungs-Gesellschaft Y.________ X.________ mit, sie trete gestützt auf Art. 40 VVG rückwirkend vom Haushaltsversicherungsvertrag zurück. Zur Begründung führte sie aus, er habe falsche Angaben über den Typ einer gestohlen gemeldeten Uhr gemacht und Arbeiten in Rechnung gestellt, die gar nicht ausgeführt worden seien.
 
B.
 
Am 26. August 2003 klagte X.________ beim Richteramt Solothurn-Lebern gegen die Versicherungs-Gesellschaft Y.________. Er beantragte unter anderem, diese sei zu verpflichten, ihm einen Betrag von Fr. 267'940.-- nebst Zins zu bezahlen. Zudem verlangte er, die Versicherungs-Gesellschaft Y.________ habe an seine Ehefrau Z.________ Fr. 75'849.-- zu leisten.
 
Mit Urteil vom 1. Juli 2004 wies das Amtsgericht die Klage vollumfänglich ab. Dagegen gelangte X.________ mit Appellation an das Obergericht des Kantons Solothurn. Das Rechtsbegehren beschränkte er dabei auf die zu Gunsten seiner Ehefrau Z.________ geforderten Summe von Fr. 75'849.--. Das Obergericht wies am 1. Februar 2005 die Klage ebenfalls ab.
 
C.
 
X.________ gelangt mit eidgenössischer Berufung an das Bundesgericht. Er beantragt die Aufhebung des obergerichtlichen Urteils und verlangt, die Versicherungs-Gesellschaft Y.________ sei zu verurteilen, an seine Ehefrau Z.________ einen Betrag von Fr. 75'849.-- nebst Zins zu bezahlen.
 
Es ist keine Berufungsantwort eingeholt worden.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
1.
 
Im vorliegenden Fall handelt es sich um eine vermögensrechtliche Zivilrechtsstreitigkeit im Sinne von Art. 46 OG. Der erforderliche Streitwert für das Berufungsverfahren ist gegeben. Die Berufung ist rechtzeitig erhoben worden und richtet sich gegen einen Endentscheid eines oberen kantonalen Gerichts, der nicht mehr durch ein ordentliches kantonales Rechtsmittel angefochten werden kann (Art. 54 Abs. 1 und Art. 48 Abs. 1 OG). Die Berufung erweist sich dementsprechend als zulässig.
 
2.
 
Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist einzig die vom Kläger zu Gunsten seiner Ehefrau geforderte Leistung aus Versicherungsvertrag. Nicht mehr strittig ist dagegen, dass die Beklagte den vom Kläger für sich selber beanspruchten Betrag gemäss Art. 40 VVG verweigern und vom Vertrag zurücktreten durfte.
 
3.
 
Fraglich ist zunächst, ob der Kläger befugt ist, Leistung an eine Drittperson - seine Ehefrau - zu verlangen.
 
3.1 In den allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Haushaltsversicherung (nachfolgend: AVB) der Beklagten sind als versicherte Personen neben dem Kläger (Versicherungsnehmer) auch dessen Ehegatte angegeben (Art. 101 AVB). Als versicherte Sachen ist der Hausrat aufgeführt, der Eigentum der versicherten Person ist (Art. 102.1 AVB).
 
Aus diesen Bestimmungen ergibt sich, dass sich der abgeschlossene Versicherungsvertrag nicht nur auf Sachen bezieht, welche im Eigentum des Klägers als Versicherungsnehmer stehen, sondern auch solche im Eigentum einer Drittperson. Insoweit liegt eine Versicherung auf fremde Rechnung nach Art. 16 Abs. 1 VVG (Fremdversicherung) vor. Die Ehefrau des Klägers ist damit (mit-)versicherte Drittperson.
 
3.2 In Bezug auf die Anspruchsberechtigung bei einer Fremdversicherung lässt sich aus Art. 17 Abs. 2 VVG e contrario ableiten, dass die versicherte Drittperson grundsätzlich befugt ist, ihren Ersatzanspruch gegenüber dem Versicherer selbstständig geltend zu machen (BGE 60 II 368 E. 3 S. 371; 67 II 143 S. 145; Willy Koenig, Schweizerisches Privatversicherungsrecht, 3. Aufl. 1967, S. 232; Hans Roelli/Max Keller, Kommentar zum Schweizerischen Bundesgesetz über den Versicherungsvertrag, Bd. I, 2. Aufl. 1968, S. 291; Alfred Maurer, Schweizerisches Privatversicherungsrecht, 3. Aufl. 1995, S. 325).
 
Der Versicherungsnehmer ist zur Geltendmachung des Versicherungsanspruches der Drittperson - vorbehältlich deren Zustimmung - nur berechtigt, wenn diese ihn vorbehaltlos zum Abschluss des Vertrages beauftragt oder wenn dem Versicherungsnehmer eine gesetzliche Versicherungspflicht oblegen hat (Art. 17 Abs. 2 VVG). Der Versicherungsnehmer hat das Vorhandensein der entsprechenden Voraussetzungen nachzuweisen (Willy Koenig, a.a.O., S. 229; Hans Roelli/Max Keller, a.a.O., S. 289; Franz Hasenböhler, Basler Kommentar zum VVG, N. 38 f. zu Art. 17 VVG). Im vorliegenden Fall behauptet der Kläger weder die Zustimmung seiner Ehefrau, noch einen Auftrag oder eine gesetzliche Pflicht zum Abschluss des Versicherungsvertrages. Er kann daher seine Legitimation nicht auf Art. 17 Abs. 2 VVG stützen.
 
3.3 Nun befürwortet ein Teil der Lehre - auf welche der Kläger sich ausdrücklich beruft -, dass der Versicherungsnehmer in jedem Fall berechtigt ist, den Ersatzanspruch der Drittperson gegen den Versicherer geltend zu machen, sofern er Leistung an die versicherte Drittperson verlangt (Hans Roelli/Max Keller, a.a.O., S. 289; Franz Hasenböhler, a.a.O., N. 37 zu Art. 17 VVG).
 
Ob dieser Lehrmeinung zu folgen ist, kann vorliegend - wie bereits im kantonalen Verfahren - offen bleiben, da die Berufung ohnehin abgewiesen werden muss, wie nachfolgend aufzuzeigen ist.
 
4.
 
Das Obergericht hat angenommen, mit dem Rücktritt vom Vertrag durch die Beklagte gemäss Art. 40 VVG sei der ganze Vertrag aufgehoben. Die Leistungspflicht entfalle deshalb nicht nur gegenüber dem Versicherungsnehmer, sondern auch gegenüber den anderen Anspruchsberechtigten. Ob diesen ebenfalls ein Verhalten vorgeworfen werden könne, das zur Auflösung gemäss Art. 40 VVG berechtige, spiele dabei keine Rolle. Der Kläger bringt dagegen vor, die Beklagte habe gegenüber seiner Ehefrau kein Recht auf Leistungsverweigerung nach Art. 40 VVG und der Rücktritt vom Vertrag sei zudem ausschliesslich ihm und nicht auch seiner Ehefrau erklärt worden.
 
4.1 Nach Art. 40 VVG ist der Versicherer gegenüber dem Anspruchsberechtigten an den Vertrag nicht gebunden, wenn der Anspruchsberechtigte oder sein Vertreter Tatsachen, welche die Leistungspflicht des Versicherers ausschliessen oder mindern würden, zum Zwecke der Täuschung unrichtig mitgeteilt oder verschwiegen hat, oder wenn er die ihm nach Massgabe des Art. 39 VVG obliegenden Mitteilungen zum Zwecke der Täuschung zu spät oder gar nicht gemacht hat (BGE 131 III 314 E. 2.1 S. 315).
 
Nach dem klaren Wortlaut der Bestimmung ist der Versicherer nur "gegenüber dem Anspruchsberechtigten", auf welchen die betrügerische Begründung des Versicherungsanspruchs zurückzuführen ist, nicht an den Vertrag gebunden. Bestehen weitere Anspruchsberechtigte, welche keine Täuschung zu verantworten haben, bleibt die Leistungspflicht des Versicherers diesen gegenüber bestehen (Willy Koenig, a.a.O., S. 103 f.; Hans Roelli/Max Keller, a.a.O., S. 585 ff.; Jürg Nef, Basler Kommentar zum VVG, N. 46 zu Art. 40 VVG).
 
4.2 Die Rechtsfolge einer betrügerischen Begründung des Versicherungsanspruchs besteht darin, dass der Versicherer "an den Vertrag nicht gebunden" ist. Das bedeutet, dass der Versicherer seine Leistung verweigern und vom Vertrag zurücktreten kann. Die letztere Möglichkeit - Rücktritt vom Vertrag - besteht indes nur gegenüber dem betrügerischen Anspruchsberechtigten, der gleichzeitig Versicherungsnehmer, also Vertragspartner des Versicherers ist. Gegenüber der versicherten Drittperson - die ja nicht Vertragspartei ist - steht ein Rücktritt vom Vertrag gar nicht zur Disposition (Hans Roelli/Max Keller, a.a.O., S. 587; Jürg Nef, a.a.O., N. 50 zu Art. 40 VVG).
 
Ist die versicherte Drittperson Anspruchsberechtigte und hat sie ihren Versicherungsanspruch nach Art. 40 VVG betrügerisch begründet, steht dem Versicherer einzig das Recht auf Verweigerung der Leistung zu. Dementsprechend stösst die Rüge des Klägers, die Beklagte habe den Rücktritt vom Vertrag seiner Ehefrau nicht mitgeteilt, ins Leere.
 
4.3 Nach dem Gesagten erweist sich die Erwägung des Obergerichts, mit dem Rücktritt vom Vertrag entfalle die Leistungspflicht nicht nur gegenüber dem Versicherungsnehmer, sondern auch gegenüber anderen Anspruchsberechtigten, als unzutreffend. Vielmehr kann der Versicherer gegenüber der versicherten Drittperson die Leistung gestützt auf Art. 40 VVG nur verweigern, wenn diese selber ihren Anspruch betrügerisch begründet hat.
 
Indes hat das Obergericht in einer Eventualerwägung festgehalten, die Ehefrau des Klägers habe selber einen Grund zur Leistungsverweigerung gesetzt, indem sie der Beklagten inhaltlich unzutreffende Rechnungen zugesandt habe. Wenn der Kläger dagegen vorbringt, aus dem Zusenden der Rechnungen durch seine Ehefrau könne nicht abgeleitet werden, diese habe in Täuschungsabsicht gehandelt, richtet sich diese Rüge gegen die Beweiswürdigung: Was jemand wusste oder wollte betrifft so genannte innere Tatsachen und ist damit Tatfrage, welche das Bundesgericht im Berufungsverfahren nicht prüfen kann (Art. 63 Abs. 2 OG; BGE 115 II 83 E. 3 S. 84; 130 IV 58 E. 8.5 S. 62 mit Hinweisen). Auf die entsprechenden Vorbringen kann damit nicht eingetreten werden. Folglich ist davon auszugehen, dass auch die Ehefrau des Klägers Täuschungshandlungen gegenüber der Beklagten vorgenommen hat, so dass Letztere befugt ist, gestützt auf Art. 40 VVG die Leistung zu verweigern. Die Berufung erweist sich als unbegründet.
 
5.
 
Bei diesem Ergebnis erübrigt sich eine Behandlung der Rügen, welche der Kläger gegen die obergerichtliche Eventualbegründung bezüglich des Nachweises des Eintritts des Versicherungsfalles vorbringt. Damit ist die Berufung abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der Kläger kostenpflichtig (Art. 156 Abs. 1 OG). Er schuldet der Beklagten allerdings keine Parteientschädigung für das bundesgerichtliche Verfahren, da keine Berufungsantwort eingeholt worden ist.
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Berufung wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2.
 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 5'000.-- wird dem Kläger auferlegt.
 
3.
 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Solothurn, Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 5. September 2005
 
Im Namen der II. Zivilabteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:
 
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