BGer U 87/2005 | |||
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BGer U 87/2005 vom 13.09.2005 | |
Eidgenössisches Versicherungsgericht
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Tribunale federale delle assicurazioni
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Tribunal federal d'assicuranzas
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Sozialversicherungsabteilung
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des Bundesgerichts
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Prozess
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{T 7}
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U 87/05
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Urteil vom 13. September 2005
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IV. Kammer
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Besetzung
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Präsident Ferrari, Bundesrichter Meyer und Ursprung; Gerichtsschreiber Traub
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Parteien
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R.________, 1968, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Max Sidler, Untermüli 6, 6302 Zug,
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gegen
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Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), Fluhmattstrasse 1, 6004 Luzern, Beschwerdegegnerin
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Vorinstanz
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Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, Luzern
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(Entscheid vom 25. Januar 2005)
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Sachverhalt:
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A.
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Die 1968 geborene R.________ war seit September 1990 als Sekretärin bei der Firma G.________ AG erwerbstätig und dadurch obligatorisch gegen die Folgen von Unfällen und Berufskrankheiten versichert. Am 20. März 1993 erlitt sie bei einer Heckauffahrkollision ein Schleudertrauma der Halswirbelsäule. Mit durch Einspracheentscheid vom 18. Dezember 2003 bestätigter Verfügung vom 12. September 2003 sprach die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA) der Versicherten mit Wirkung ab dem 1. Oktober 2003 eine auf einer Erwerbsunfähigkeit von 30 Prozent beruhende Invalidenrente und eine Integritätsentschädigung aufgrund einer Einbusse von 20 Prozent zu.
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B.
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Das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern wies die gegen den Einspracheentscheid erhobene Beschwerde ab (Entscheid vom 25. Januar 2005).
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C.
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R.________ führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Rechtsbegehren, es sei ihr, unter Aufhebung des strittigen Einsprache- und des angefochtenen kantonalen Beschwerdeentscheids, eine "Rente nach Gesetz, ev. eine solche auf Grundlage einer Erwerbsunfähigkeit von 54 % zu gewähren". Gerügt wird, im Rahmen des Einkommensvergleichs sei die ohne Gesundheitsschaden hypothetisch angefallene Lohnentwicklung nicht hinreichend berücksichtigt worden. Entsprechendes gelte auf der anderen Seite hinsichtlich eines auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt anfallenden lohnmässigen Nachteils gegenüber Gesunden.
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Die SUVA schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für Gesundheit verzichtet auf eine Stellungnahme.
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Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
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1.
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Letztinstanzlich strittig sind allein noch die Eckdaten für den Einkommensvergleich, mit welchem der Invaliditätsgrad ermittelt wird (Art. 16 ATSG). Weil sie davon ausging, dass die Restarbeitsfähigkeit in der angestammten Tätigkeit am besten verwertet werden kann, hat die SUVA im Ergebnis von der medizinisch ausgewiesenen Beeinträchtigung über 30 Prozent direkt auf das Mass der Invalidität geschlossen.
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2.
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Für die Bemessung des hypothetischen Verdienstes ohne Gesundheitsschaden (Valideneinkommen) ist entscheidend, was die versicherte Person im massgebenden Zeitpunkt des Rentenbeginns (vgl. BGE 129 V 222 mit Hinweis) nach dem Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit als Gesunde tatsächlich verdienen würde und nicht, was sie bestenfalls verdienen könnte. Die Ermittlung des Valideneinkommens muss so konkret wie möglich erfolgen. Da die bisherige Tätigkeit ohne Gesundheitsschaden erfahrungsgemäss fortgesetzt wird, ist in der Regel vom letzten Lohn auszugehen, der vor Eintritt der Gesundheitsschädigung erzielt wurde. Dieses Gehalt ist wenn nötig der Teuerung und der realen Einkommensentwicklung anzupassen (RKUV 1993 Nr. U 168 S. 101 Erw. 3b in fine).
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2.1
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2.1.1 Die Beschwerdeführerin lässt auf eine kürzlich veröffentlichte Arbeit hinweisen, gemäss welcher sich die Entwicklung des Erwerbsschadens (Art. 46 OR) arbeitsmarktökonomisch gesehen aus vier Komponenten zusammensetzt (Dorn/Geiser/Senti/Sousa-Poza, Die Berechnung des Erwerbsschadens mit Hilfe von Daten der Lohnstrukturerhebung, in: HAVE, Personen-Schaden-Forum 2005, Zürich 2005, S. 48 ff.). Danach kann sich eine solche Entwicklung grundsätzlich aus folgenden Elementen ergeben: (1) Nominallohnwachstum durch Teuerungsausgleich; (2) allgemeines Reallohnwachstum durch technischen Fortschritt sowie aus konjunkturellen Gründen; (3) Reallohnwachstum durch individuelle Produktivitätssteigerung; (4) Lohnänderung durch spezifische individuelle Ereignisse.
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2.1.2 Die teuerungsbedingte Zunahme des Nominallohns (1) wird aufgrund der offiziellen Angaben (Nominallohnindex nach Geschlecht [vgl. BGE 129 V 408], Arbeitsbereich und Qualifikation) erfasst, wie sie etwa der Publikation des Bundesamtes für Statistik über die Lohnentwicklung, dem Statistischen Jahrbuch oder der Zeitschrift "Die Volkswirtschaft" entnommen werden können. Das allgemeine Reallohnwachstum (2) ist im Regelfall anhand der Daten nachzuvollziehen, die für die vor Eintritt des Gesundheitsschadens konkret ausgeübte Arbeit erhoben werden. Unter dem Titel des individuell begründeten Reallohnwachstums (3) schlagen Veränderungen der persönlichen Fähigkeiten zu Buche (Dorn et al., a.a.O., S. 50). Für die Erfassung der Lohnwirksamkeit einer mit zunehmendem Alter wachsenden Berufserfahrung kann auf allgemeine betriebliche Erfahrungswerte zurückgegriffen werden; soweit indes ein zusätzlicher persönlicher (etwa weiterbildungsbedingter) Produktivitätsfortschritt im Gesundheitsfall geltend gemacht wird, müssen hiefür im Einzelfall greifbare Anhaltspunkte ersichtlich sein (BGE 96 V 29; RKUV 1993 Nr. U 168 S. 100 Erw. 3b; ZAK 1992 S. 92 Erw. 4a). Dies gilt auch hinsichtlich spezifischer individueller Ereignisse (4), etwa einer Beförderung in eine neue Funktion oder gar eines Berufswechsels.
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2.2 Im Sozialversicherungsrecht wird die aus einer gesundheitlichen Beeinträchtigung folgende Einbusse an Erwerbskraft durch den Invaliditätsgrad ausgedrückt, der mittels eines Einkommensvergleichs ermittelt wird. Dabei sind die Verhältnisse im Zeitpunkt des allfälligen Rentenbeginns massgebend; Validen- und Invalideneinkommen sind auf zeitidentischer Grundlage zu ermitteln und allfällige rentenwirksame Änderungen der Vergleichseinkommen bis zum Erlass des Einspracheentscheides zu berücksichtigen (BGE 129 V 222, 128 V 174).
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Ob die (für die Berechnung des Erwerbsschadens entwickelte) Theorie (Erw. 2.1.1) eine geeignete Grundlage zur Bestimmung des Valideneinkommens bietet, kann hier offen bleiben; denn deren Anwendung führte ohnehin nicht zu dem von der Beschwerdeführerin gewünschten Ergebnis: Ist - wie hier unstrittig der Fall - eine teilinvalide Person in der angestammten Beschäftigung bestmöglich eingegliedert, so ist es nicht erforderlich, die beiden ersten der vorgenannten Parameter (Nominallohnwachstum durch Teuerungsausgleich und allgemeines Reallohnwachstum) je gesondert nachzuvollziehen. Gleichlaufende Entwicklungen verhalten sich mit Bezug auf die durch Einkommensvergleich darzustellende Differenz neutral. In einem solchen Fall erübrigt sich die Rekonstruierung des hypothetischen Verlaufs des Valideneinkommens bis zum Rentenbeginn oftmals auch hinsichtlich des Reallohnwachstums durch individuelle Produktivitätssteigerung aufgrund zunehmender berufserfahrungsbedingter Fertigkeiten. Ein abweichender Verlauf von Validen- und Invalideneinkommen ergibt sich aber, sobald die leidensbedingte Einschränkung den Erfahrungseffekt und das damit verbundene übliche berufliche Fortkommen (teilweise) zunichte macht. Dies gilt a fortiori, wenn hinreichend konkrete Anhaltspunkte für ausserordentliche Karriereschritte oder einen einkommenswirksamen Wechsel des Tätigkeitsbereichs bestehen; entsprechende Indizien sind beispielsweise in der Inangriffnahme (und invaliditätsbedingten Aufgabe) oder in der nachweislichen Planung weiterführender Ausbildungen zu erblicken, die für die Ausübung der bisherigen Arbeit allein nicht erforderlich sind (vgl. Art. 28 Abs. 1 UVV).
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2.3 Im konkreten Fall sind Gründe für einen Lohnanstieg im Gesundheitsfall, der über das Ausmass der bei einer Fortführung der bisherigen Tätigkeit nach Eintritt der Invalidität anfallenden Einkommensentwicklung hinausginge, weder ersichtlich noch ergeben sich dafür aus den Akten entsprechende Anhaltspunkte, die näherer Abklärung bedürften. Andererseits kann weder mit überwiegender Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass sich die gesundheitlichen Einschränkungen (Kopf- und Nackenschmerzen mit neurovegetativen Begleitsyndromen wie Konzentrationsstörung) nach Eintritt der Invalidität negativ auf den individuellen Produktivitätszuwachs ausgewirkt hätten, noch, dass dadurch etwa besondere Karriereaussichten gegenstandslos geworden wären. Danach kann davon ausgegangen werden, dass Validen- und Invalideneinkommen hinsichtlich sämtlicher arbeitsmarktökonomischer Komponenten der Lohnentwicklung bis zum Zeitpunkt des Rentenbeginns parallel verliefen. Damit entfällt ohne weiteres die Begründung für den verlangten leidensbedingten Abzug im Sinne der Rechtsprechung nach BGE 126 V 75. Auch besteht für beweismässige Weiterungen, wie beantragt (Lohnprofilgutachten), kein Anlass.
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3.
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Nach dem Gesagten haben die Vorinstanzen zu Recht von der medizinisch ausgewiesenen Arbeitsunfähigkeit auf den massgebenden Grad der Erwerbsunfähigkeit geschlossen (Invaliditätsgrad: 30 Prozent).
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Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
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1.
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Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
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2.
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Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
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3.
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Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für Gesundheit zugestellt.
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Luzern, 13. September 2005
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Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts
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Der Präsident der IV. Kammer: Der Gerichtsschreiber:
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