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Informationen zum Dokument  BGer 6S.186/2005  Materielle Begründung
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BGer 6S.186/2005 vom 21.09.2005
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
6S.186/2005 /bri
 
Urteil vom 21. September 2005
 
Kassationshof
 
Besetzung
 
Bundesrichter Schneider, Präsident,
 
Bundesrichter Kolly, Zünd,
 
Gerichtsschreiber Borner.
 
Parteien
 
Staatsanwaltschaft des Kantons St.Gallen,
 
9001 St. Gallen,
 
Beschwerdeführerin,
 
gegen
 
D.________,
 
Beschwerdegegnerin, vertreten durch Rechtsanwalt Marco Neeser,
 
Gegenstand
 
Strafzumessung,
 
Nichtigkeitsbeschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts St. Gallen, Strafkammer, vom 2. März 2005.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
D.________ arbeitete von anfangs April 1998 bis etwa Ende 2000 mit Unterbrüchen als Verkäuferin im Hanfshop "H.________" bzw. in dessen Nachfolgegeschäft "L.________ GmbH" in St. Gallen. Sie verkaufte hauptsächlich mit Marihuana abgefüllte "Duftsäcklein" verschiedener Grössen, wobei der THC-Gehalt der Hanfblüten zwischen 5 und 11 % lag.
 
B.
 
Das Kantonsgericht St. Gallen verurteilte D.________ am 2. März 2005 zweitinstanzlich wegen gewerbsmässiger Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz zu einer bedingten Gefängnisstrafe von 7 Monaten. Zudem sah es vom Widerruf einer 14-tägigen Gefängnisstrafe aus dem Jahre 1997 ab, den die erste Instanz angeordnet hatte.
 
C.
 
Die Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen führt Nichtigkeitsbeschwerde und beantragt, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
 
Das Kantonsgericht beantragt die Abweisung der Beschwerde.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
1.
 
Die Beschwerdeführerin beanstandet einzig die vorinstanzliche Strafzumessung. Nach Art. 63 StGB misst der Richter die Strafe nach dem Verschulden des Täters zu. Er berücksichtigt die Beweggründe, das Vorleben und die persönlichen Verhältnisse des Schuldigen.
 
Die Schwere des Verschuldens bildet das zentrale Kriterium bei der Zumessung der Strafe. Bei deren Bestimmung hat der Richter die Umstände der Tat (sog. Tatkomponente) zu beachten, also das Ausmass des verschuldeten Erfolgs, die Art und Weise der Herbeiführung dieses Erfolgs, die Willensrichtung, mit welcher der Täter gehandelt hat, und die Beweggründe des Schuldigen. Je leichter es für ihn gewesen wäre, das Gesetz zu respektieren, desto schwerer wiegt dessen Missachtung und damit das Verschulden. Neben diesen auf die Tat bezogenen Faktoren sind auch täterbezogene Elemente (sog. Täterkomponente) zu berücksichtigen, so das Vorleben, die persönlichen Verhältnisse des Täters, weiter aber auch sein Verhalten nach der Tat und im Strafverfahren, allenfalls gezeigte Reue und Einsicht sowie die Strafempfindlichkeit (BGE 129 IV 6 E. 6.1 S. 20; 127 IV 101 E. 2a S. 103; 117 IV 112 E. 1 S. 113 f.).
 
Dem Sachrichter steht bei der Gewichtung der genannten Strafzumessungskomponenten ein erheblicher Spielraum des Ermessens zu. Das Bundesgericht greift in diesen im Rahmen der Nichtigkeitsbeschwerde, mit der ausschliesslich eine Rechtsverletzung geltend gemacht werden kann, nur ein, wenn der kantonale Richter den gesetzlichen Strafrahmen über- oder unterschritten hat, wenn er von rechtlich nicht massgebenden Gesichtspunkten ausgegangen ist oder wenn er umgekehrt solche Faktoren ausser Acht gelassen hat und schliesslich wenn er wesentliche Kriterien in Überschreitung oder Missbrauch seines Ermessens falsch gewichtet hat (BGE 129 IV 6 E. 6.1 S. 21; 124 IV 286 E. 4a S. 295).
 
2.
 
2.1 Die Beschwerdeführerin beanstandet die vorinstanzliche Begründung, in objektiver Hinsicht sei zu berücksichtigen, dass es sich beim Hanfkraut um ein Produkt mit eher geringem Sucht- und Gefährdungspotential handle. Dieses Element sei bei der Frage der Gewerbsmässigkeit nicht von Bedeutung. Wenn es trotzdem strafmindernd veranschlagt werde, verletze dies Bundesrecht (Beschwerdeschrift S. 4 f. Ziff. 13).
 
Entgegen der Annahme der Beschwerdeführerin erblickt die Vorinstanz im Umstand des eher geringen Sucht- und Gefährdungspotentials von Hanfkraut nicht einen Strafminderungsgrund, der das gewerbsmässige Handeln der Beschwerdegegnerin in einem milderen Licht erscheinen lassen würde. Vielmehr stellt sie die beiden Elemente unter dem Titel der objektiven Tatschwere einander gegenüber. Zwanglos lässt sich die vorinstanzliche Begründung dahingehend verstehen, dass ein Gewinn von Fr. 25'000.-- bzw. ein Umsatz von Fr. 170'000.-- etwas mehr als die Minimalstrafe von einem Jahr Freiheitsentzug nach sich ziehen muss, dass diese Erhöhung jedoch - stets im Rahmen der objektiven Tatschwere - nur relativ gering ausfallen darf, weil das Sucht- und Gefährdungspotential von Hanfkraut im Vergleich zu den harten Drogen gering ist. Eine solche Beurteilung ist von Bundesrechts wegen nicht zu beanstanden (BGE 117 IV 314; 120 IV 256, insbesondere S. 259 oben).
 
2.2 Die Beschwerdeführerin macht geltend, die Vorinstanz lege nicht offen, welche weiteren Strafzumessungskriterien zu einer Modifikation der Einsatzstrafe geführt hätten. Die Begründung lege allerdings nahe, dass sich die strafmindernden (untergeordnete Stellung im Geschäft) und straferhöhende Umstände (Vorstrafe, Weiterführung der Delinquenz nach Hausdurchsuchungen) etwa die Waage hielten, was auch richtig wäre. Angesichts der Deliktsdauer von 2 ½ Jahren, dem Umsatz von Fr. 170'000.-- und dem Gewinn von Fr. 25'000.-- wäre eine Einsatzstrafe von mindestens 18 Monaten angemessen gewesen.
 
Wie bereits dargelegt (E. 2.1), durfte die Vorinstanz im Rahmen der objektiven Tatschwere berücksichtigen, dass das Gefährdungs- und Suchtpotential von Hanfkraut im Vergleich zu den harten Drogen gering ist. Zudem übersieht die Beschwerdeführerin, dass die Beschwerdegegnerin seit den eingeklagten Hanfverkäufen ihr Leben in völlig andere Bahnen gelenkt hat. So liess sie sich zur Rotkreuzhelferin ausbilden und begann eine Ausbildung als Bachblüten-Therapeutin. Seit Februar 2004 ist sie als Kinderbetreuerin fest angestellt. Auch hat sie sich verheiratet und ist Mutter einer Tochter. Im Rahmen der persönlichen Verhältnisse sind diese Umstände zu Gunsten der Beschwerdegegnerin zu veranschlagen. Angesichts der wesentlichen Beurteilungsmerkmale erscheint eine Einsatzstrafe von 12 Monaten als eher milde, doch liegt sie noch im Rahmen des weiten Ermessens der Vorinstanz.
 
2.3 Die Beschwerdeführerin rügt, die Vorinstanz habe die Verletzung des Beschleunigungsgebots zu stark gewichtet, wenn sie die Einsatzstrafe von 12 auf 7 Monate herabsetze.
 
Bei dieser Rüge argumentiert die Beschwerdeführerin zur Hauptsache mit Art. 64 Abs. 8 StGB und rechnet in Prozenten aus, wieviel die Verzögerung des Verfahrens im Verhältnis zur absoluten Verjährung ausmachen würde. All diese Ausführungen gehen an der Sache vorbei, weil die Vorinstanz die gerügte Gesetzesbestimmung nirgends angerufen hat. Grundlage bildet vielmehr Art. 6 Ziff. 1 EMRK, wonach jede Person unter anderem Anspruch darauf hat, dass eine strafrechtliche Anklage innert angemessener Frist behandelt wird.
 
Die Beschwerdeführerin wirft die Frage auf, ob bei einer Verfahrensverzögerung gestützt auf die EMRK eine Strafmilderung überhaupt möglich sei. Dies ist klar zu bejahen. Wenn als Folge einer Verletzung des Beschleunigungsgebots die Schuldigsprechung des Täters unter gleichzeitigem Verzicht auf Strafe oder sogar die Einstellung des Verfahrens möglich sind, kann die weniger weit gehende Sanktion einer Strafmilderung nicht ausgeschlossen sein (Hans Wiprächtiger, Basler Kommentar, Strafgesetzbuch I, N 118 zu Art. 63 StGB mit Hinweisen).
 
Nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz erfolgten ab Mitte Juli 2000 bis Mitte Juni 2003 ohne ersichtlichen Grund keine Untersuchungshandlungen. Zudem weist die Beschwerdeführerin selbst darauf hin, dass auch das vorinstanzliche Verfahren zu lange gedauert habe, weil die Hauptverhandlung erst 11 ½ Monate nach Abschluss des Schriftenwechsels durchgeführt worden sei. Dieser Umstand relativiert nicht etwa die vorinstanzliche Rüge an der Dauer der Untersuchung (Beschwerdeschrift S. 5 lit. g), sondern hätte von der Beschwerdeführerin vielmehr bei der Strafmilderung von 12 auf 7 Monate mitberücksichtigt werden sollen.
 
Das Strafverfahren gegen die Beschwerdegegnerin war weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht komplex. Auch das teilweise gleichzeitig geführte Strafverfahren gegen den Hanfshop-Betreiber rechtfertigte nicht eine derart lange Verfahrensdauer. Mit der Beschwerdeführerin ist anzunehmen, dass jedenfalls zu Beginn des Verfahrens dessen Bedeutung für die Beschwerdegegnerin als gering bezeichnet werden kann, zumal diese noch bis Ende 2000 Hanf verkaufte und mit einer bedingten Gefängnisstrafe rechnen konnte. Je länger je mehr sie sich jedoch vom damaligen Milieu entfernte und sich fester ins bürgerliche Leben integrierte, desto unangenehmer und damit bedeutungsvoller wird wohl das Strafverfahren für sie gewesen sein. Unter diesen Umständen hat die Vorinstanz kein Bundesrecht verletzt, wenn sie die Einsatzstrafe von 12 auf 7 Monate herabsetzte.
 
3.
 
Nach dem Gesagten erweist sich die Nichtigkeitsbeschwerde als unbegründet und ist abzuweisen.
 
Da der öffentliche Ankläger unterliegt, sind keine Kosten zu erheben. Die Beschwerdegegnerin hatte vor Bundesgericht keine Umtriebe, weshalb auch keine Parteientschädigung zuzusprechen ist (Art. 278 Abs. 2 und 3 BStP).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2.
 
Es werden keine Kosten erhoben und es wird keine Parteientschädigung zugesprochen.
 
3.
 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht St. Gallen, Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 21. September 2005
 
Im Namen des Kassationshofes
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
 
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