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Informationen zum Dokument  BGer I 467/2005  Materielle Begründung
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BGer I 467/2005 vom 11.10.2005
 
Eidgenössisches Versicherungsgericht
 
Tribunale federale delle assicurazioni
 
Tribunal federal d'assicuranzas
 
Sozialversicherungsabteilung
 
des Bundesgerichts
 
Prozess
 
{T 7}
 
I 467/05
 
Urteil vom 11. Oktober 2005
 
II. Kammer
 
Besetzung
 
Präsident Borella, Bundesrichter Schön und Frésard; Gerichtsschreiber Hochuli
 
Parteien
 
Y.________, 1970, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwältin Susanne Schaffner-Hess, Dornacherstrasse 10, 4600 Olten,
 
gegen
 
IV-Stelle des Kantons Solothurn, Allmendweg 6, 4528 Zuchwil, Beschwerdegegnerin
 
Vorinstanz
 
Versicherungsgericht des Kantons Solothurn, Solothurn
 
(Entscheid vom 18. Mai 2005)
 
Sachverhalt:
 
A.
 
Y.________, geboren 1970, seit 1981 in der Schweiz wohnhafte Staatsangehörige der Türkei, ist verheiratet und Mutter zweier Kinder (geboren 1990 und 1992). Sie verlor die von 1986 bis 1995 vollzeitlich ausgeübte Arbeit als Betriebsangestellte der Firma E.________ AG (nachfolgend: Arbeitgeberin) zum 31. Juli 1997 aus gesundheitlichen Gründen. Wegen seit August 1995 anhaltenden Rückenbeschwerden blieb sie arbeitsunfähig und meldete sich am 20. November 1996 bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle des Kantons Solothurn veranlasste im Januar 1999 einen vierwöchigen Aufenthalt in der beruflichen Abklärungsstelle (BEFAS). Diese Massnahme musste bereits am ersten Tag abgebrochen werden. Nach einer rheumatologischen Begutachtung im Spital R.________ (nachfolgend: Gutachten des Spitals R.________, datierend vom 28. Juni 1999) und einer Begutachtung im Rehabilitationszentrum der Medizinischen Klinik des Spitals S.________ (nachfolgend: Gutachten des Spitals S.________, datierend vom 22. Februar 2000 [recte: 2001]) scheiterte eine dreimonatige berufliche Abklärung in der Eingliederungsstätte O.________ vorzeitig nach gut zwei Wochen am 29. August 2002 wegen häufigen krankheitsbedingten Absenzen. Im Juni 2003 wurde die Versicherte in der Medizinischen Abklärungsstelle (MEDAS) polydisziplinär untersucht (das MEDAS-Gutachten datiert vom 22. September 2003). Mit Verfügung vom 8. Januar 2004 lehnte die IV-Stelle den Anspruch auf eine Invalidenrente bei einem Invaliditätsgrad von 34 % ab und hielt daran bei einem neu auf 36 % ermittelten Invaliditätsgrad fest (Einspracheentscheid vom 6. September 2004).
 
B.
 
Die hiegegen erhobene Beschwerde der Y.________ wies das Versicherungsgericht des Kantons Solothurn mit Entscheid vom 18. Mai 2005 ab.
 
C.
 
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt Y.________ unter Aufhebung des Einsprache- und des kantonalen Gerichtsentscheides die Zusprechung einer Invalidenrente ab Januar 1997 gestützt auf einen Invaliditätsgrad von mindestens 50 % beantragen.
 
Die IV-Stelle und des Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) verzichten auf eine Vernehmlassung zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde.
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
 
1.
 
1.1 Das kantonale Gericht hat die Bestimmungen über den Invaliditätsbegriff (Art. 8 Abs. 1 ATSG in Verbindung mit Art. 4 Abs. 1 IVG), den Anspruch auf eine Invalidenrente (Art. 28 Abs. 1 IVG) und die Bemessung des Invaliditätsgrades nach der Einkommensvergleichsmethode (Art. 28 Abs. 2 IVG in Verbindung mit Art. 16 ATSG) zutreffend dargelegt. Gleiches gilt in Bezug auf die Ausführungen zur praxisgemässen Bedeutung ärztlicher Auskünfte im Rahmen der Invaliditätsschätzung (BGE 125 V 261 Erw. 4, 115 V 134 Erw. 2, 114 V 314 Erw. 3c, 105 V 158 Erw. 1), zum Beweiswert eines Arztberichtes (BGE 125 V 352 Erw. 3a), zur Beweiswürdigung medizinischer Berichte (BGE 122 V 160 Erw. 1c mit Hinweisen; ZAK 1986 S. 188 Erw. 2a) sowie zu dem im Sozialversicherungsrecht geltenden Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit (BGE 126 V 360 Erw. 5b, 125 V 195 Erw. 2, je mit Hinweisen). Darauf wird verwiesen.
 
1.2 Die Beschwerdeführerin hat sich bereits im Jahre 1996 bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug angemeldet. Damit ist teilweise ein Sachverhalt zu beurteilen, der sich vor dem In-Kraft-Treten des ATSG am 1. Januar 2003 sowie der Änderungen des IVG vom 21. März 2003 und der IVV vom 21. Mai 2003 (4. IV-Revision) am 1. Januar 2004 verwirklicht hat, weshalb entsprechend den allgemeinen intertemporalrechtlichen Regeln für die Zeit bis 31. Dezember 2002 und bis 31. Dezember 2003 auf die damals geltenden Bestimmungen, ab diesen Zeitpunkten auf die Normen des ATSG und der 4. IV-Revision und deren Ausführungsverordnungen abzustellen ist (BGE 130 V 445 ff.), wobei die von der Rechtsprechung zu den Begriffen der Arbeitsunfähigkeit, der Erwerbsunfähigkeit und der Invalidität sowie zur Bestimmung des Invaliditätsgrades herausgebildeten Grundsätze unter der Herrschaft des ATSG prinzipiell weiterhin Geltung haben (BGE 130 V 343).
 
2.
 
Streitig ist der Anspruch auf eine Invalidenrente. Dabei stellt sich vorweg die Frage, ob und gegebenenfalls ab wann sowie in welchem Ausmass die Versicherte arbeitsunfähig war.
 
3.
 
Die Verwaltung ging gestützt auf das MEDAS-Gutachten davon aus, der Beschwerdeführerin sei die erwerbliche Verwertung einer Arbeitsfähigkeit von 50 % in Bezug auf eine leidensangepasste Tätigkeit trotz Gesundheitsschadens zumutbar, und ermittelte einen rentenausschliessenden Invaliditätsgrad von weniger als 40 %. Ohne die Frage zu beantworten, ob bei der Versicherten überhaupt ein Gesundheitsschaden im Sinne des IVG vorliege, vertrat das kantonale Gericht im angefochtenen Entscheid die Auffassung, die Würdigung der medizinischen Aktenlage führe mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zum Schluss, dass bei der Beschwerdeführerin jedenfalls der Endzustand noch nicht erreicht sei und sich deren Arbeitsfähigkeit bei gegebener Eingliederungsbedürftigkeit und -fähigkeit durch geeignete medizinische und berufliche Massnahmen noch erheblich steigern lasse, sofern diese gemäss ihrer Schadenminderungspflicht daran mitwirke. Getreu dem Grundsatz 'Eingliederung vor Rente' habe die IV-Stelle somit einen Rentenanspruch zumindest zur Zeit zu Recht abgewiesen.
 
4.
 
Der Sozialversicherungsprozess ist vom Untersuchungsgrundsatz beherrscht. Danach hat das Gericht von Amtes wegen für die richtige und vollständige Abklärung des rechtserheblichen Sachverhaltes zu sorgen. Dieser Grundsatz gilt indessen nicht uneingeschränkt; er findet sein Korrelat in den Mitwirkungspflichten der Parteien (BGE 125 V 195 Erw. 2, 122 V 158 Erw. 1a, je mit Hinweisen; vgl. BGE 130 I 183 Erw. 3.2).
 
Der Untersuchungsgrundsatz schliesst die Beweislast im Sinne einer Beweisführungslast begriffsnotwendig aus. Im Sozialversicherungsprozess tragen mithin die Parteien in der Regel eine Beweislast nur insofern, als im Falle der Beweislosigkeit der Entscheid zu Ungunsten jener Partei ausfällt, die aus dem unbewiesen gebliebenen Sachverhalt Rechte ableiten wollte. Diese Beweisregel greift allerdings erst Platz, wenn es sich als unmöglich erweist, im Rahmen des Untersuchungsgrundsatzes auf Grund einer Beweiswürdigung einen Sachverhalt zu ermitteln, der zumindest die Wahrscheinlichkeit für sich hat, der Wirklichkeit zu entsprechen (BGE 117 V 264 Erw. 3b mit Hinweisen).
 
5.
 
Der Rentenanspruch nach Art. 28 IVG entsteht gemäss Art. 29 Abs. 1 lit. b IVG (in der bis 31. Dezember 2002 gültig gewesenen Fassung) frühestens in dem Zeitpunkt, in dem die versicherte Person während eines Jahres ohne wesentlichen Unterbruch durchschnittlich mindestens zu 40 % arbeitsunfähig gewesen ist. Ein wesentlicher Unterbruch der Arbeitsfähigkeit liegt vor, wenn der Versicherte an mindestens 30 aufeinanderfolgenden Tagen voll arbeitsfähig war (Art. 29ter IVV). Die einjährige Wartezeit gilt in dem Zeitpunkt als eröffnet, ab welchem eine Arbeitsunfähigkeit von mindestens 20 % vorliegt (AHI 1998 S. 124 Erw. 3c).
 
Die Arbeitsunfähigkeit im Sinne von Art. 29 Abs. 1 IVG entspricht der Einbusse an funktionellem Leistungsvermögen im bisherigen Beruf oder Aufgabenbereich (Art. 6 ATSG; BGE 105 V 159 Erw. 2a). Bei erwerbstätigen Versicherten wird diese Einbusse ohne Rücksicht darauf bestimmt, wie sich die gesundheitliche Beeinträchtigung auf das erzielbare Einkommen auswirkt. Während bei der Beurteilung der Erwerbsunfähigkeit (Art. 7 ATSG) die Schadenminderungspflicht unter anderem in dem Sinne eine erhebliche Rolle spielt, als von der versicherten Person im Rahmen des Zumutbaren verlangt wird, eine andere als die angestammte Tätigkeit auszuüben, sofern sich dadurch die verbleibende Arbeitsfähigkeit finanziell besser verwerten lässt, bildet einzig der bisherige Beruf den Bezugspunkt der für den Rentenbeginn relevanten Arbeitsunfähigkeit gemäss Art. 29 Abs. 1 lit. b IVG. Diese ist auf der Grundlage der medizinischen Stellungnahmen zu beurteilen (BGE 130 V 99 Erw. 3.2 mit Hinweisen).
 
6.
 
Gestützt auf den Bericht der Arbeitgeberin vom 2. Dezember 1996 ist die Versicherte in ihrer angestammten Tätigkeit seit 16. August 1995 durchgehend zu 100 % arbeitsunfähig. Dr. med. M.________ welcher die Beschwerdeführerin seit 30. August 1996 - mithin erst mehr als ein Jahr nach dem von Arbeitgeberseite ausgewiesenen Eintritt der vollen Arbeitsunfähigkeit - behandelte (Bericht vom 12. Februar 1997), attestierte ihr ab Behandlungsbeginn bis 31. Januar 1997 eine Arbeitsunfähigkeit von 100 %, vom 1. bis 3. Februar 1997 eine solche von 50 % und ab 4. Februar 1997 wieder eine volle Arbeitsunfähigkeit. Die Verwaltung hat es bisher unterlassen, von dem gemäss Anmeldung zum Leistungsbezug bereits früher behandelnden Dr. med. W.________ einen Arztbericht einzuholen, welcher sich zu den erhobenen Befunden, der gestellten Diagnose und dem Verlauf der Arbeitsunfähigkeit äussert. Die sich bei den Akten befindlichen Schreiben des Dr. med. W.________ vom 16. März und 18. Mai 2000 sowie vom 5. und 19. September 2002 belegen zumindest, dass er die Versicherte anscheinend seit Jahren intensiv betreute. Dementsprechend wurde ihm gemäss Verteiler des MEDAS-Gutachtens - im Gegensatz zu Dr. med. M.________ - direkt eine Kopie dieses Gutachtens zugestellt. Diesem ist zu entnehmen, dass die Beschwerdeführerin in Bezug auf ihre angestammte Tätigkeit als Montagearbeiterin - selbst unter der Annahme, es habe sich dabei nur um eine leichte bis allenfalls intermittierend mittelschwere, in nicht monotoner Körperhaltung zu verrichtende Arbeit gehandelt - dauerhaft mindestens 50 % arbeitsunfähig war. Darauf ist mit der Verwaltung abzustellen. Blieb demnach die Versicherte nach übereinstimmenden medizinischen Einschätzungen auch unter Mitberücksichtigung der Ergebnisse des Gutachtens des Spitals R.________ und des Gutachtens des Spitals S.________ ab 16. August 1995 ununterbrochen zu mindestens 50 % arbeitsunfähig, war die Wartezeit im Sinne von alt Art. 29 Abs. 1 lit. b IVG am 16. August 1996 abgelaufen. Ein allfälliger Rentenanspruch konnte somit frühestens in diesem Zeitpunkt entstehen (mit Rentenbeginn am 1. August 1996: Art. 29 Abs. 2 IVG).
 
7.
 
7.1 Wie eben erwähnt, ist der IV-Stelle beizupflichten, soweit sie ab Eintritt des Gesundheitsschadens von einer der Versicherten dauerhaft verbleibenden behinderungsbedingten Einschränkung der Leistungsfähigkeit ausging. Dr. med. M.________ diagnostizierte gemäss Bericht vom 12. Februar 1997 ein chronisch-rezidivierendes, therapieresistentes lumbospondylogenes Syndrom rechts unter anderem bei einer Fehlhaltung der Brust- und Lendenwirbelsäule mit signifikanter Beckenfehlstatik. Er hielt schon damals zuhanden der IV-Stelle ausdrücklich fest, dass er berufliche Massnahmen ab sofort für angezeigt halte. In den Akten finden sich jedoch keine Hinweise dafür, dass die Beschwerdeführerin aus psychischen Gründen die ärztlich einzig verordnete medikamentöse und physiotherapeutische Behandlung ihrer Rückenbeschwerden nicht hätte umsetzen können oder wollen. Vielmehr wurde ihr von Seiten der Berufsberaterin der IV-Stelle im Bericht vom 11. Januar 1999 attestiert, dass sie trotz ihrer starken Beeinträchtigungen der Gesundheit "für berufliche Massnahmen hochmotiviert" sei und "gerne herausfinden [wolle], was trotz ihrer Behinderung beruflich noch möglich" sei. Aus berufsberaterischer Sicht sei der starke Wille der Versicherten, sich beruflich wieder integrieren zu wollen, als sehr unterstützenswert zu betrachten. Die mehr als dreieinhalb Jahre nach Eintritt der Arbeitsunfähigkeit in der angestammten Tätigkeit und knapp zweieinhalb Jahre nach der Anmeldung bei der Invalidenversicherung am 6. April 1999 begonnene berufliche Abklärung in der BEFAS scheiterte bereits am ersten Tag, weil sich die Beschwerdeführerin schon während der Basisabklärung ständig hinlegen musste, um die Aufgaben bewältigen zu können, ohne dass von Seiten der BEFAS Zweifel an der gesundheitsbedingten Rechtfertigung dieses Verhaltens erhoben worden wären. Während das Gutachten des Spitals R.________ keine Angaben zu allenfalls vorhandenen, somatisch nicht erklärbaren Beschwerden enthielt, schloss das Gutachten des Spitals S.________ "Hinweise auf eine zugrunde liegende prämorbide psychische Störung, der ein relevanter Krankheitswert zukommen würde", sogar explizit aus. Dies, bei einer gemäss letztgenanntem Gutachten bereits 1995 diagnostizierten HLA-B27-negativen, seronegativen Spondylarthropathie (M02.9 nach ICD-10) mit szintigraphisch belegter Sakroileitis und Costostenalgelenksarthritis sowie einem möglichen, aktuell klinisch inaktiven Syndesmophyt-LWK2. Zusätzlich führte dieses Gutachten die Diagnosen eines Hypermobilitätssyndroms (Beighton-Score 6/9; M35.7 nach ICD-10) sowie chronischer unterer Rückenschmerzen (M54.9 nach ICD-10) auf. Obwohl die bereits mehrfach durchgeführten physiotherapeutischen Behandlungen in der Vergangenheit nicht zu einer Verbesserung des Gesundheitszustandes geführt hatten, empfahl das Gutachten des Spitals R.________, durch eine intensive physiotherapeutische und ärztlich engmaschig überwachte medizinische Trainingstherapie könne die Arbeitsfähigkeit in einer angepassten Tätigkeit innert vier bis sechs Monaten von 50 auf 100 % gesteigert werden. Sodann wies die IV-Stelle die Versicherte mit Schreiben vom 8. Dezember 1999 darauf hin, dass die therapeutischen Möglichkeiten zur Verbesserung der Erwerbstätigkeit noch nicht vollends ausgeschöpft seien, weshalb sie sich zwecks Durchführung einer entsprechenden Behandlung mit dem Hausarzt in Verbindung zu setzen habe. In der Folge berichtete Dr. med. W.________ am 16. März und 18. Mai 2000, dass physiotherapeutische Massnahmen bisher keine wesentliche Schmerzlinderung gebracht hätten, weshalb er zur Begutachtung in einer medizinischen Abklärungsstation rate. Nachdem die Verwaltung im September 2000 eine Begutachtung am Spital S._______ in Auftrag gegeben hatte und ein weiterer Eingliederungsversuch in der Eingliederungsstätte O.________ vom August 2002 gescheitert war, veranlasste Dr. med. W.________ im September 2002 eine stationäre Rehabilitation in der Klinik H.________, wo sich die Beschwerdeführerin vom 1. bis 22. April 2003 aufhielt. Die IV-Stelle unterliess es, einen Bericht zu den Ergebnissen dieser stationären Rehabilitation einzuholen. Gemäss Sekundärangaben im MEDAS-Gutachten (S. 4) führte die Therapie in der Klinik H.________ nur zu einer geringen Schmerzreduktion bei hoher Schmerzempfindlichkeit und -fixierung. Angesichts dieser Ausgangslage vermochte das MEDAS-Gutachten aus rheumatologischer Sicht mit Blick auf den Bewegungsapparat keine medizinischen Massnahmen vorzuschlagen, von welchen betreffend den Grad der attestierten Arbeitsfähigkeit oder das Spektrum der Verweisungstätigkeiten eine erhebliche Verbesserung hätte erwartet werden können (rheumatologisches Fachgutachten des MEDAS-Gutachters Dr. med. F.________ vom 13. Juni 2003 S. 8). Unter Mitberücksichtigung der Gesamtbeurteilung, welche die MEDAS-Gutachter anlässlich ihrer interdisziplinären Konsens-Konferenz am 11. September 2003 vornahmen, ist nach dem Gesagten davon auszugehen, dass der Versicherten trotz ihrer Beschwerden körperlich leichte bis mittelschwere, nicht ausschliesslich stehende oder gehende Tätigkeiten ohne repetitives Sich-Bücken-Müssen, ohne repetitive kniende oder über Kopf zu verrichtende Tätigkeitsanteile, ohne repetitives Heben, Stossen oder Ziehen von Lasten mit einem Gewicht von mehr als fünf bis sieben Kilogramm zu 50 % zumutbar sind, sofern diese Beschäftigungen die Möglichkeit zum selbstständigen Wechsel der Körperpositionen bieten.
 
7.2 Wie die Beschwerdeführerin zu Recht geltend macht, sind den Akten zumindest bis zur Erstellung des MEDAS-Gutachtens rund acht Jahre nach Eintritt des Gesundheitsschadens keine Anhaltspunkte für eine Verletzung der ihr obliegenden Schadenminderungspflicht zu entnehmen. Bis zu diesem Zeitpunkt lagen aktenkundig keine Hinweise auf eine behandlungsbedürftige psychisch bedingte Einschränkung der Leistungsfähigkeit vor. Erstmals im Rahmen der MEDAS-Begutachtung war von einer bis dahin unbehandelten psychischen Beeinträchtigung der Gesundheit die Rede. Es wurden eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung (F 45.4 nach ICD-10) sowie eine leichte bis mittelschwere depressive Episode mit somatischem Syndrom (F32.11 nach ICD-10) diagnostiziert, welche gemäss abschliessender Bemerkungen im MEDAS-Gutachten durch geeignete und während einem Jahr konsequent durchzuführende Therapiemassnahmen einer Behandlung zugänglich seien, wodurch eine Verbesserung der Arbeitsfähigkeit erreicht werden könne. Prognostisch sahen die MEDAS-Gutachter für den Zeitpunkt nach erfolgreicher Durchführung einer adäquaten psychotherapeutischen Behandlung in Bezug auf eine leidensangepasste Tätigkeit (Erw. 7.1 in fine hievor) eine Arbeitsfähigkeit von mindestens 80 %. Ohne die Ergebnisse einer solchen Behandlung abzuwarten, ging die Verwaltung von einer dauerhaften gesundheitsbedingten Einschränkung der Leistungsfähigkeit in einer angepassten Tätigkeit von 50 % aus, erliess drei Monate nach Erhalt des MEDAS-Gutachtens am 8. Januar 2004 die strittige Verfügung und hielt mit Einspracheentscheid vom 6. September 2004 daran fest.
 
7.3 Hinsichtlich des für die Beurteilung der Streitsache in zeitlicher Hinsicht massgebenden Sachverhalts (BGE 129 V 4 Erw. 1.2 mit Hinweis) ist mit der IV-Stelle auf die Verhältnisse bei Begutachtung in der MEDAS abzustellen, zumal aktenkundig keine aktuelleren medizinischen Unterlagen verfügbar sind und der Gesundheitszustand seit Eintritt der Beschwerden 1995 im Wesentlichen unverändert gebliebenen ist. Dies, unter dem Vorbehalt der gemäss MEDAS-Gutachten ein Jahr nach konsequenter psychotherapeutischer Behandlung vorzunehmenden psychiatrischen Reevaluation der therapeutischen Massnahmen, deren Ergebnisse allenfalls revisionsweise zu berücksichtigen sein werden. Demnach ist für den hier massgebenden Zeitpunkt gestützt auf das MEDAS-Gutachten in Übereinstimmung mit den Gutachten des Spitals R.________- und des Spitals S.________ davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin seit August 1995 anhaltend sowohl in Bezug auf die angestammte wie auch jede andere leidensangepasste Tätigkeit zu 50 % arbeitsunfähig ist.
 
8.
 
Zu prüfen bleibt die erwerbliche Seite.
 
8.1 Zunächst ist zu untersuchen, welches Einkommen die Versicherte ohne Invalidität erzielen könnte (Valideneinkommen).
 
8.1.1 Für die Ermittlung des Valideneinkommen ist entscheidend, was sie im Zeitpunkt des frühestmöglichen Rentenbeginns (hier: am 1. August 1996; Erw. 6 hievor) nach dem Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit als Gesunde tatsächlich verdient hätte. Dabei wird in der Regel am zuletzt erzielten, nötigenfalls der Teuerung und der realen Einkommensentwicklung angepassten Verdienst angeknüpft, da es empirischer Erfahrung entspricht, dass die bisherige Tätigkeit ohne Gesundheitsschaden fortgesetzt worden wäre (vgl. BGE 129 V 224 Erw. 4.3.1 mit Hinweisen).
 
8.1.2 1995 erzielte die Beschwerdeführerin ein Jahreseinkommen von Fr. 32'760.- (= Fr. 2520.- x 13). Bezüglich der Anpassung an die Lohnentwicklung ist eine Differenzierung nach Geschlechtern vorzunehmen, weshalb auf den Nominallohnindex für Frauenlöhne abzustellen ist (BGE 129 V 410 Erw. 3.1.2). Dieser betrug im Jahr 1995 2087 und im Jahr 1996 2117 Punkte (1939 = 100; Die Volkswirtschaft 2000 Heft 6 S. 28 Tabelle B10.3), was einer Erhöhung um 1,44 Prozentpunkte entspricht, so dass die Versicherte ohne Gesundheitsschaden im Jahre 1996 einen Verdienst von Fr. 33'232.- (= Fr. 32'760.- x 1,0144) hätte realisieren können.
 
8.2 Nimmt die Versicherte wie vorliegend nach Eintritt des Gesundheitsschadens keine oder jedenfalls keine ihr an sich zumutbare neue Erwerbstätigkeit auf, so können für die Ermittlung des hypothetischen Einkommens nach Eintritt der Invalidität (Invalideneinkommen) die so genannten Tabellenlöhne gemäss der vom Bundesamt für Statistik herausgegebenen Schweizerischen Lohnstrukturerhebung (LSE) herangezogen werden (BGE 126 V 76 f. Erw. 3b/bb). Hier ist wie üblich (vgl. z.B. BGE 126 V 81 Erw. 7a) von der Tabelle A1 ("Monatlicher Bruttolohn [Zentralwert] nach Wirtschaftszweigen, Anforderungsniveau des Arbeitsplatzes und Geschlecht. Privater Sektor") der LSE auszugehen. Mit einfachen und repetitiven Tätigkeiten (LSE 1996 S. 17 TA1 Anforderungsniveau 4) beschäftigte Frauen verdienten bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden im Jahre 1996 monatlich Fr. 3455.- (LSE 1996, a.a.O., Zeile "Privater Sektor [total]"), was bei Annahme einer durchschnittlichen betriebsüblichen wöchentlichen Arbeitszeit von 41,9 Stunden (Die Volkswirtschaft 2000 Heft 6 S. 27 Tabelle B9.2 Zeile A-O "Total") einem Einkommen von monatlich Fr. 3619.- (= [Fr. 3455.- : 40] x 41,9) und jährlich Fr. 43'428.- (= Fr. 3619.- x 12) entspricht. Da der ermittelte Validenlohn von Fr. 33'232.- (Erw. 8.1.2 hievor) im Vergleich zum branchenüblichen Verdienst von Frauen in der Herstellung von elektronischen Geräten auf dem Anforderungsniveau 4 von monatlich Fr. 3383.- (gemäss LSE 1996, a.a.O., Zeile 30-32, bei 40 Arbeitsstunden pro Woche) und bei 41,9 betriebsüblichen Wochenarbeitsstunden Fr. 42'527.- im Jahr 1996 (= [Fr. 3383.- : 40] x 41,9 x 12) deutlich, nämlich rund 22 % (= [Fr. 42'527.- - Fr. 33'232.-] : 425,27), unter dem statistisch erhobenen Durchschnittswert liegt, rechtfertigt es sich (vgl. RKUV 1993 Nr. U 168 S. 104 Erw. 5b, ZAK 1989 S. 458 oben, AHI 1999 S. 240 unten sowie Urteile D. vom 29. April 2005 [I 140/05] Erw. 2.2 und S. vom 29. August 2002 [I 97/00] Erw. 1.4, je mit Hinweisen), den Tabellenlohn von Fr. 43'428.- vorweg um 22 % auf die mit dem Validenlohn vergleichbare Ausgangsbasis zu reduzieren (Fr. 43'428.- x 0,78 = Fr. 33'874.-). Um den besonderen Einschränkungen der Versicherten (insbesondere fehlende Berufsausbildung sowie Limitierung auf körperlich leichte bis mittelschwere wechselbelastende, nicht ausschliesslich stehende oder gehende Tätigkeiten ohne repetitives Heben, Stossen oder Ziehen von Lasten mit einem Gewicht von mehr als fünf bis sieben Kilogramm, ohne repetitives Sich-Bücken-Müssen, ohne repetitive kniende oder über Kopf zu verrichtende Tätigkeitsanteile) Rechnung zu tragen, ist sodann unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles ein angemessener Abzug von 10 % (vgl. BGE 126 V 79 ff. Erw. 5b) vorzunehmen, so dass mit einer behinderungsadaptierten Tätigkeit ein Jahreseinkommen von Fr. 30'487.- (= Fr. 33'874.- x 0,9) erzielbar wäre. Da die Beschwerdeführerin gemäss den medizinischen Unterlagen, insbesondere auch nach dem MEDAS-Gutachten zumindest bis zu dem hier für die Beurteilung der Streitfrage massgebenden Zeitpunkt in einer solchen angepassten Tätigkeit aus gesundheitlichen Gründen zu 50 % eingeschränkt ist, resultiert im Ergebnis ein trotz Gesundheitsschadens zumutbares Erwerbseinkommen (Invalideneinkommen) von Fr. 15'244.- (= Fr. 30'487.- x 0,5).
 
8.3 Aus der Gegenüberstellung dieses Invalideneinkommens auf der einen und des Valideneinkommens von Fr. 33'232.- (Erw. 8.1.2 hievor) auf der andern Seite ergibt sich ein Mindereinkommen von Fr. 17'988.- und ein Invaliditätsgrad von gerundet (vgl. zur Rundung des Invaliditätsgrades BGE 130 V 121) 54 % (= Fr. 17'988.- / Fr. 33'232.- x 100).
 
8.4 Demnach steht der Beschwerdeführerin bei einem Invaliditätsgrad von 54 % mit Wirkung ab 1. August 1996 (Erw. 6 hievor) eine halbe Invalidenrente zu. Die Sache ist deshalb unter Aufhebung des angefochtenen Gerichts- und des Einspracheentscheides zur Berechnung und masslichen Festsetzung der Invalidenrente sowie zur entsprechenden Neuverfügung an die IV-Stelle zurückzuweisen.
 
9.
 
Dem Prozessausgang entsprechend steht der obsiegenden Beschwerdeführerin zu Lasten der IV-Stelle eine Parteientschädigung zu (Art. 159 Abs. 2 OG in Verbindung mit Art. 135 OG).
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
 
1.
 
In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde werden der Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Solothurn vom 18. Mai 2005 und der Einspracheentscheid der IV-Stelle des Kantons Solothurn vom 6. September 2004 aufgehoben und es wird festgestellt, dass die Beschwerdeführerin mit Wirkung ab 1. August 1996 Anspruch auf eine halbe Invalidenrente hat.
 
2.
 
Die Sache wird an die IV-Stelle des Kantons Solothurn zurückgewiesen, damit sie im Sinne der Erwägungen Ziffer 6 bis 8 über den Leistungsanspruch in masslicher Hinsicht befinde.
 
3.
 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
 
4.
 
Die IV-Stelle des Kantons Solothurn hat der Beschwerdeführerin für das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht eine Parteientschädigung von Fr. 2'500.- (einschliesslich Mehrwertsteuer) zu bezahlen.
 
5.
 
Das kantonale Gericht wird die Parteikosten für das vorinstanzliche Verfahren, entsprechend dem Ausgang des Prozesses vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht, neu verlegen.
 
6.
 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Solothurn, der Ausgleichskasse des Kantons Solothurn und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.
 
Luzern, 11. Oktober 2005
 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts
 
Der Präsident der II. Kammer: Der Gerichtsschreiber:
 
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