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Informationen zum Dokument  BGer I 122/2004  Materielle Begründung
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BGer I 122/2004 vom 03.11.2005
 
Eidgenössisches Versicherungsgericht
 
Tribunale federale delle assicurazioni
 
Tribunal federal d'assicuranzas
 
Sozialversicherungsabteilung
 
des Bundesgerichts
 
Prozess
 
{T 0}
 
I 122/04
 
Urteil vom 3. November 2005
 
III. Kammer
 
Besetzung
 
Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Lustenberger und Kernen; Gerichtsschreiberin Amstutz
 
Parteien
 
K.________, 1958, Beschwerdeführer, vertreten durch Fürsprecher Dr. Michael Weissberg, Zentralstrasse 47, 2502 Biel,
 
gegen
 
IV-Stelle Bern, Chutzenstrasse 10, 3007 Bern, Beschwerdegegnerin
 
Vorinstanz
 
Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Bern
 
(Entscheid vom 30. Januar 2004)
 
Sachverhalt:
 
A.
 
Mit Verfügung vom 18. November 2002 sprach die IV-Stelle Bern dem 1958 geborenen K.________ gestützt auf einen ermittelten Invaliditätsgrad von 58 % rückwirkend ab 1. März 1998 bis 31. Mai 2000 eine halbe Invalidenrente (samt Kinderrenten) zu; hinsichtlich des Rentenanspruchs ab 1. Juni 2000 hatte die nach dem Umzug des Versicherten nach X.________ als zuständig erachtete IV-Stelle des Kantons Solothurn am 6. November 2002 ebenfalls die Zusprechung einer halben Invalidenrente bei einem Invaliditätsgrad von 58 % verfügt.
 
B.
 
Gegen beide Verfügungen liess K.________ Beschwerde mit dem Antrag auf Zusprechung einer ganzen Invalidenrente erheben. In der Folge wurde die Verfügung der IV-Stelle des Kantons Solothurn mangels Zuständigkeit wiedererwägungsweise aufgehoben und durch eine denselben Zeitraum betreffende, im Wesentlichen gleich lautende Verfügung der IV-Stelle Bern vom 6. Februar 2003 ersetzt (Zusprechung einer halben Invalidenrente bei einem Invaliditätsgrad von 58 % ab 1. Juni 2000), welche - auf die gemäss Art. 52 des am 1. Januar 2003 in Kraft getretenen Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG; SR 830.1) erhobene Einsprache hin - mit Einspracheentscheid vom 6. August 2003 bestätigt wurde. Nachdem der Versicherte dagegen ebenfalls Beschwerde erhoben hatte und die Verfahren betreffend die Verfügung der IV-Stelle Bern vom 18. November 2002 sowie deren Einspracheentscheid vom 6. August 2003 mit prozessleitender Verfügung vereinigt worden waren, hob das Verwaltungsgericht des Kantons Bern die angefochtenen Verwaltungsakte in Gutheissung der Beschwerde(n) auf und sprach K.________ gestützt auf einen Invaliditätsgrad von 69 % rückwirkend ab 1. März 1998 eine ganze Invalidenrente zu (Entscheid vom 30. Januar 2004).
 
C.
 
K.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem sinngemässen Rechtsbegehren, in Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids sei ihm ab 1. März 1998 eine ganze Invalidenrente auf der Basis eines Invaliditätsgrades von 100 % zuzusprechen.
 
Die IV-Stelle Bern schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherung hat auf eine Vernehmlassung verzichtet.
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
 
1.
 
Nach der Rechtsprechung wird das gemäss Art. 103 lit. a in Verbindung mit Art. 132 OG zur Beschwerdelegitimation erforderliche schutzwürdige Interesse an der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheids verneint, wenn sich die Verwaltungsgerichtsbeschwerde nur gegen die Begründung desselben richtet, ohne dass eine Änderung des - allein anfechtbaren (BGE 115 V 418 Erw. 3b/aa, 106 V 92 Erw. 1 mit Hinweis) - Dispositivs verlangt wird. Bei einer Verfügung über Versicherungsleistungen bildet grundsätzlich einzig die Leistung Gegenstand des Dispositivs. Die Beantwortung der Frage, welcher Invaliditätsgrad der Rentenzusprechung zu Grunde gelegt wurde, dient demgegenüber in der Regel lediglich der Begründung der Leistungsverfügung. Diese könnte nur dann zum Dispositiv gehören, wenn und insoweit sie Gegenstand eines Feststellungsentscheides ist. Ein solcher setzt seinerseits ein schutzwürdiges, d.h. besonderes, unmittelbares und aktuelles Feststellungsinteresse tatsächlicher oder rechtlicher Natur voraus. Ferner ist der Erlass einer Feststellungsverfügung oder eines entsprechenden Verwaltungsjustizentscheides nur zulässig, wenn dem keine erheblichen öffentlichen oder privaten Interessen entgegenstehen und das von der Beschwerde führenden Person geltend gemachte schutzwürdige Interesse nicht durch einen rechtsgestaltenden Entscheid gewahrt werden kann (vgl. Art. 5 Abs. 1 lit. b und Art. 25 VwVG und zum Ganzen BGE 115 V 418 Erw. 3b/aa, 114 V 203 mit Hinweisen; ferner BGE 130 V 390 Erw. 2.2 und 391 Erw. 2.4, 129 V 290 Erw. 2.1, 128 V 48 Erw. 3a, 126 II 303 Erw. 2c, 125 V 24 Erw. 1b, 121 V 317 Erw. 4a, je mit Hinweisen).
 
2.
 
2.1 Mit Bezug auf den - Grenze der richterlichen Überprüfungsbefugnis bildenden (BGE 121 V 366 Erw. 1b mit Hinweis; vgl. auch BGE 129 V 4 Erw. 1.2, 169 Erw. 1, 356 Erw. 1, je mit Hinweisen) - Beurteilungszeitraum bis 6. August 2003 (Einspracheentscheid) hat der vom Beschwerdeführer letztinstanzlich behauptete Invaliditätsgrad von 100 % (anstelle der vorinstanzlichen Festlegung auf 69 %) keinen Einfluss auf den Umfang des Rentenanspruchs, bleibt es doch nach Art. 28 Abs. 1 IVG in der bis 31. Dezember 2003 gültig gewesenen, nach den Grundsätzen des intertemporalen Rechts und des zeitlich massgebenden Sachverhalts hier anwendbaren (BGE 129 V 4 Erw. 1.2, 169 Erw. 1, 356 Erw. 1, je mit Hinweisen; vgl. auch BGE 130 V 446 f. Erw. 1.2.1. und 1.2.2, mit Hinweis auf BGE 130 V 329) Fassung bei der Zusprechung einer ganzen Invalidenrente (bei gleich bleibendem Rentenbetrag). Soweit der Beschwerdeführer namentlich im Hinblick auf die 4. IV-Revision eine Erhöhung des Invaliditätsgrades von 69 % auf 100 % beantragt, verlangt er letztinstanzlich mithin nicht einen rechtsgestaltenden (Leistungs-)Entscheid, sondern einen Feststellungsentscheid. Zu prüfen ist, ob ein aktuelles, schutzwürdiges Interesse an der beantragten Feststellung eines höheren Invaliditätsgrades besteht (Erw. 1).
 
2.2
 
2.2.1 Nach den zutreffenden Ausführungen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde besteht gemäss Art. 28 Abs. 1 IVG in der ab 1. Januar 2004 geltenden Fassung lediglich bei einem Invaliditätsgrad von mindestens 70 % Anspruch auf eine ganze Invalidenrente, bei einem Invaliditätsgrad von weniger als 70 %, aber mindestens 60 %, dagegen lediglich ein solcher auf eine Dreiviertelsrente. Nach lit. f der Übergangsbestimmungen zur Änderung vom 21. März 2003 (4. IV-Revision) werden laufende ganze Renten im Falle jener Rentenberechtigten, die - wie der Beschwerdeführer - im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Gesetzesänderung das 50. Altersjahr noch nicht zurückgelegt haben und deren Invaliditätsgrad unter 70 % liegt, innerhalb eines Jahres nach Inkrafttreten (von Amtes wegen) einer Revision unterzogen. Ergibt die Überprüfung eine Änderung des Invaliditätsgrades, und besteht gestützt auf die neue Rentenabstufung Anspruch auf eine höhere oder tiefere Rente, erfolgt eine Rentenerhöhung gemäss Art. 88bis Abs. 1 lit. b IVV mit Wirkung ab 1. Januar 2004 (vgl. auch Kreisschreiben über Invalidität und Hilflosigkeit in der Invalidenversicherung [KSHI] vom 1. Januar 2004, Rz 10.010-10.013), eine Rentenherabsetzung frühestens ab dem ersten Tag des zweiten der Zustellung der Verfügung folgenden Monats (Art. 88bis Abs. 2 lit. a IVV); bleibt der Invaliditätsgrad nach der Überprüfung unverändert, entsteht aber nach der neuen Rentenabstufung Anspruch auf eine höhere oder tiefere Rente, so ist die Rentenerhöhung oder -herabsetzung im Sinne der genannten Bestimmungen vorzunehmen (siehe Urteil B. vom 11. Oktober 2005 [I 313/04] Erw. 2.2; vgl. auch IV-Rundschreiben Nr. 183 vom 9. Oktober 2003).
 
2.2.2 Im jüngst ergangenen Urteil B. vom 11. Oktober 2005 (I 313/04) hat das Eidgenössische Versicherungsgericht das schutzwürdige Interesse einer gestützt auf einen vorinstanzlich ermittelten Invaliditätsgrad von 69 % zum Bezug einer ganzen Invalidenrente berechtigten Person an der - im Hinblick auf den mit der 4. IVG-Revision geänderten Art. 28 Abs. 1 IVG - beantragten Feststellung eines 70 % übersteigenden Invaliditätsgrades verneint und hierzu begründungsweise erwogen:
 
"(Allein) die Möglichkeit, dass bei gleich bleibendem Invaliditätsgrad die ganze Rente der Beschwerdeführerin bei der Anpassung an die geänderten Bestimmungen im Verlauf des Jahres 2004 gekürzt werden könnte (...), begründet kein aktuelles, unmittelbares Interesse an der Feststellung eines höheren Invaliditätsgrades bereits im vorliegenden Verfahren (...). Versicherten, deren Invaliditätsgrad unter den bis 31. Dezember 2003 gültig gewesenen Bestimmungen allenfalls zu tief festgesetzt worden war, muss es hingegen insoweit, als der altrechtlich festgesetzte und zu einer ganzen Rente berechtigende Invaliditätsgrad neurechtlich nur noch eine Dreiviertelsrente zu begründen vermöchte, offen stehen, die entsprechende Rüge in den Revisionsverfahren vorzubringen, welche im Zuge der 4. IV-Revision nötig geworden sind" (a.a.O., Erw. 3.1.2 und 3.2.1).
 
Nach dieser Rechtsprechung, welche eine verfahrensrechtliche Schlechterstellung all jener Versicherten, die es unterlassen haben, einzig mit Blick auf (mögliche) künftige Auswirkungen der 4. IV-Revision auf ihren laufenden Rentenanspruch Verwaltungsgerichtsbeschwerde zu erheben, vermeidet, ist das schutzwürdige Interesse des Beschwerdeführers an der Feststellung eines Invaliditätsgrades von 100 % im laufenden Verfahren zu verneinen und die Verwaltungsgerichtsbeschwerde somit unzulässig. Soweit die Verwaltung zwischenzeitlich - entsprechend ihrem aktenkundigen Beschluss vom 11. Februar 2004 - den Anspruch des Beschwerdeführers auf eine ganze Invalidenrente ab 1. Januar 2004 mangels eines Invaliditätsgrades von mindestens 70 % zwischenzeitlich verfügungsweise verneint hat und diese Verfügung zufolge Anfechtung noch nicht rechtskräftig geworden ist, hat der Beschwerdeführer nach der zitierten Rechtsprechung jedoch Anspruch darauf, dass seine im Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht vorgebrachte Rüge, der Invaliditätsgrad betrage nicht 69 %, sondern 100 %, im Rahmen des hängigen Revisionsverfahrens frei geprüft wird (vgl. Urteil B. vom 11. Oktober 2005 [I313/04] Erw. 3.2.2).
 
3.
 
Das Verfahren ist kostenlos (Art. 134 OG).
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
 
1.
 
Auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird nicht eingetreten.
 
2.
 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
 
3.
 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, der Ausgleichskasse des Kantons Bern und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.
 
Luzern, 3. November 2005
 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts
 
Die Präsidentin der III. Kammer: Die Gerichtsschreiberin:
 
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