BGer 2A.431/2005 | |||
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BGer 2A.431/2005 vom 14.11.2005 | |
Tribunale federale
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{T 0/2}
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2A.431/2005 /vje
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Urteil vom 14. November 2005
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II. Öffentlichrechtliche Abteilung
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Besetzung
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Bundesrichter Merkli, Präsident,
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Bundesrichter Betschart, Hungerbühler,
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Gerichtsschreiber Klopfenstein.
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Parteien
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A.X.________,
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B.X.________,
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C.X.________,
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D.X.________,
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Beschwerdeführer,
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alle vertreten durch Rechtsanwalt Jürg Stahel,
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gegen
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Regierungsrat des Kantons Schaffhausen, Beckenstube 7, Postfach, 8201 Schaffhausen,
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Obergericht des Kantons Schaffhausen,
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Postfach 568, 8201 Schaffhausen.
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Gegenstand
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Wegweisung und Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung,
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Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Schaffhausen
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vom 3. Juni 2005.
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Sachverhalt:
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A.
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Der nigerianische Staatsangehörige A.X.________ (geb. 1960) reiste am 24. August 1991 in die Schweiz ein. Nach Abweisung seines Asylgesuches heiratete er am 31. Juli 1993 die um 18 Jahre ältere Schweizerin Y.________, erhielt gestützt darauf eine Aufenthaltsbewilligung und wurde am 6. Juli 1998 erleichtert eingebürgert. Rund ein Jahr später, am 14. September 1999, wurde diese Ehe geschieden. Am 3. August 2000 heiratete A.X.________ die nigerianische Staatsangehörige D.X.________, die zuvor (im Jahre 1998) ein von ihm gezeugtes und von ihm in der Folge anerkanntes Kind, den Sohn B.X.________, geboren hatte; im Jahre 2002 brachte sie ein weiteres Kind, die Tochter C.X.________, zur Welt.
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Wegen Verheimlichung der tatsächlichen Verhältnisse erklärte das Bundesamt für Zuwanderung, Integration und Auswanderung (heute: Bundesamt für Migration) mit Verfügung vom 9. Mai 2003 die erleichterte Einbürgerung von A.X.________ gestützt auf Art. 41 des Bundesgesetzes vom 29. September 1952 über den Erwerb und Verlust des Schweizer Bürgerrechts (Bürgerrechtsgesetz, BüG; SR 141.0) für nichtig. Mit Schreiben vom 24. Juli 2003 stellte das Bundesamt zudem fest, dass sich diese Nichtigerklärung von Gesetzes wegen (Art. 41 Abs. 3 BüG) auch auf das Bürgerrecht des Sohnes B.X.________ erstrecke.
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B.
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Am 3. Oktober 2003 verfügte das Ausländeramt des Kantons Schaffhausen die Wegweisung von A.X.________ und seiner beiden Kinder aus der Schweiz. Gleichzeitig verweigerte es die Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung für die Ehefrau, unter Ansetzung einer Frist zum Verlassen des Kantonsgebiets. Ein gegen diese Verfügungen erhobener Rekurs beim Regierungsrat des Kantons Schaffhausen blieb erfolglos, und mit Entscheid vom 3. Juni 2005 wies das Obergericht des Kantons Schaffhausen die gegen den regierungsrätlichen Beschluss erhobene Beschwerde ab.
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C.
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Mit gemeinsamer Eingabe vom 6. Juli 2005 führen A.X.________, D.X.________, B.X.________ und C.X.________ Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht mit den Anträgen, den Entscheid des Obergerichts des Kantons Schaffhausen vom 3. Juni 2005 aufzuheben und das kantonale Ausländeramt anzuweisen, A.X.________ die Niederlassungsbewilligung oder eventuell eine Aufenthaltsbewilligung zu erteilen sowie die Aufenthaltsbewilligung der Ehefrau und der Kinder zu verlängern bzw. im Rahmen des Familiennachzuges neu zu erteilen. Gleichzeitig wird um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung ersucht.
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Der Regierungsrat des Kantons Schaffhausen beantragt, auf die Beschwerde nicht einzutreten, eventuell sie abzuweisen. Das Obergericht des Kantons Schaffhausen stellt denselben Antrag. Das Bundesamt für Migration schliesst auf Abweisung der Beschwerde.
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D.
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Mit Verfügung vom 8. August 2005 hat der Abteilungspräsident der Beschwerde - antragsgemäss - aufschiebende Wirkung zuerkannt.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
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1.
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1.1
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1.1.1 Nach Art. 100 Abs. 1 lit. b Ziff. 3 OG ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde auf dem Gebiet der Fremdenpolizei ausgeschlossen gegen die Erteilung oder Verweigerung von Bewilligungen, auf die das Bundesrecht keinen Anspruch einräumt. Gemäss Art. 4 des Bundesgesetzes vom 26. März 1931 über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (ANAG; SR 142.20) entscheidet die zuständige Behörde, im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften und der Verträge mit dem Ausland, nach freiem Ermessen über die Bewilligung von Aufenthalt und Niederlassung. Damit besteht kein Anspruch auf Erteilung einer Bewilligung, es sei denn, der Ausländer oder seine in der Schweiz lebenden Angehörigen könnten sich hierfür auf eine Sondernorm des Bundesrechts oder eines Staatsvertrags berufen (BGE 130 II 281 E. 2.1 S. 284; 128 II 145 E. 1.1.1 S. 148 mit Hinweisen).
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1.1.2 Die Nichtigerklärung der Einbürgerung des Beschwerdeführers A.X.________ ist in Rechtskraft erwachsen. Mangels gegenteiliger Anordnung (vgl. Art. 41 Abs. 3 BüG) haben damit auch seine Kinder ihr Schweizer Bürgerrecht verloren. Entgegen der vom Beschwerdeführer zitierten Meinungsäusserung aus einem privaten Gutachten lebt in solchen Fällen nicht die frühere fremdenpolizeiliche Bewilligung des Betroffenen automatisch wieder auf, sondern es ist aufgrund der aktuellen Sachlage neu über das allfällige Anwesenheitsrecht bzw. die Wegweisung zu entscheiden. Insbesondere führt die Nichtigerklärung der Einbürgerung nicht dazu, dass der Betroffene als Ausländer mit einer Niederlassungsbewilligung anzusehen ist (vgl. Urteil 2A.221/2005 vom 6. September 2005, E. 1). Ebenso wenig kann vom Weiterbestand einer seinerzeit erteilten Aufenthaltsbewilligung ausgegangen werden, schon deshalb nicht, weil diese aufgrund ihrer Befristung (vgl. Art. 5 Abs. 1 ANAG) als abgelaufen zu betrachten wäre. Falls sich zeigt, dass der Beschwerdeführer A.X.________ heute kein Aufenthaltsrecht mehr geltend machen kann, entfällt damit auch die Möglichkeit abgeleiteter Anwesenheitsrechte nach Art. 17 ANAG oder Art. 8 EMRK.
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1.1.3 Allein aus dem Umstand, dass sich der Beschwerdeführer A.X.________ schon länger als zehn Jahre in der Schweiz aufhält, ergibt sich mangels einer dahinlautenden staatsvertraglichen Sonderregelung noch kein Anspruch auf eine Niederlassungsbewilligung. Auch die Herleitung eines Anwesenheitsrechts aus Art. 8 EMRK (Recht auf Achtung des Privatlebens) fällt nach der einschlägigen Rechtsprechung (vgl. dazu BGE 130 II 281 E. 3.2.1 S. 286 mit Hinweisen) vorliegend ausser Betracht. Es kann sich einzig fragen, ob der Beschwerdeführer A.X.________ aufgrund seiner (früheren) Ehe mit einer Schweizer Bürgerin die (mit jenen der erleichterten Einbürgerung gemäss Art. 26/27 BüG nicht identischen) Voraussetzungen von Art. 7 ANAG für den Erwerb einer Niederlassungsbewilligung erfüllt hatte und damit heute unter diesem Titel ein Anwesenheitsrecht für sich selber und - davon abgeleitet - für seine Familienmitglieder geltend machen kann (vgl. BGE 128 II 145 E. 1.1.4 S. 149).
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1.1.4 Da die Ehe des Beschwerdeführers A.X.________ mit der Schweizer Bürgerin Y.________ mehr als fünf Jahre gedauert hat und er während dieser Zeit ordnungsgemäss und ununterbrochen in der Schweiz gelebt hat, sind die Voraussetzungen für den Erwerb einer Niederlassungsbewilligung (Art. 7 Abs. 1 Satz 2 ANAG, vgl. E. 2.1) formell erfüllt, weshalb auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde insoweit einzutreten ist. Ob ein vorbehaltener Hinderungsgrund zum Zuge kommt, ist eine Frage der materiellen Beurteilung (BGE 128 II 145 E. 1.1.5 S. 150).
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1.2 Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde kann die Verletzung von Bundesrecht, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, sowie die unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gerügt werden (Art. 104 lit. a und b OG). Hat - wie hier - eine richterliche Behörde als Vorinstanz entschieden und den Sachverhalt nicht offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften festgestellt, ist das Bundesgericht an die Sachverhaltsfeststellung im angefochtenen Entscheid gebunden (Art. 105 Abs. 2 OG).
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1.3 Das Bundesgericht wendet im Verfahren der Verwaltungsgerichtsbeschwerde das Bundesrecht von Amtes wegen an; es ist gemäss Art. 114 Abs. 1 OG an die von den Parteien vorgebrachten Begründungen nicht gebunden und kann die Beschwerde auch aus anderen als den geltend gemachten Gründen gutheissen oder abweisen (BGE 128 II 145 E. 1.2.2 S. 150 f.; 127 II 264 E. 1b S. 268 mit Hinweisen).
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2.
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2.1 Der ausländische Ehegatte eines Schweizer Bürgers hat Anspruch auf Erteilung und Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung. Nach einem ordnungsgemässen und ununterbrochenen Aufenthalt von fünf Jahren hat er Anspruch auf die Niederlassungsbewilligung (Art. 7 Abs. 1 ANAG). Kein Anspruch besteht, wenn die Ehe eingegangen worden ist, um die Vorschriften über Aufenthalt und Niederlassung von Ausländern und namentlich jene über die Begrenzung der Zahl der Ausländer zu umgehen (Art. 7 Abs. 2 ANAG). Erfasst wird davon die sog. Scheinehe bzw. Ausländerrechtsehe, bei der die Ehegatten von vornherein keine echte eheliche Gemeinschaft beabsichtigen (BGE 127 II 49 E. 5a S. 56 mit Hinweisen). Vorbehalten bleibt ferner die rechtsmissbräuchliche Berufung auf eine nachträglich definitiv gescheiterte Ehe (BGE 128 II 145 E. 2.2 S. 151 mit Hinweisen).
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2.2 Gemäss den Feststellungen des Obergerichts handelte es sich bei der Ehe von A.X.________ mit der Schweizerin Y.________ um eine eigentliche Scheinehe im Sinne von Art. 7 Abs. 2 ANAG. Als Indizien hiefür nennt das Gericht den engen zeitlichen Zusammenhang zwischen der Abweisung des Asylgesuches und der Eheschliessung, den grossen Altersunterschied zwischen den Ehegatten sowie die von A.X.________ unterhaltene aussereheliche Beziehung mit seiner späteren zweiten Ehefrau. Diese objektiven Umstände sprechen in der Tat klar dafür, dass der Beschwerdeführer A.X.________ mit der nach dem negativen Ausgang des Asylverfahrens erfolgten Heirat keine echte, auf Dauer ausgerichtete Ehegemeinschaft eingehen, sondern sich - und seiner später gegründeten neuen Familie - damit nur ein dauerhaftes Anwesenheitsrecht in der Schweiz verschaffen wollte.
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Doch selbst wenn anfänglich die Führung einer wirklichen Ehe beabsichtigt gewesen sein sollte, wäre, wie die Vorinstanz zutreffend annimmt, kein Anspruch auf eine Niederlassungsbewilligung entstanden. Denn im massgebenden Zeitpunkt, d.h. bei Ablauf der Fünfjahresfrist von Art. 7 Abs. 1 ANAG (am 30. Juli 1998), unterhielt der Beschwerdeführer A.X.________ - wie das Geburtsdatum des ersten Kindes (2. November 1998) zeigt - offensichtlich bereits eine aussereheliche Beziehung mit seiner künftigen Ehefrau, womit die Ehe mit Y.________ schon im damaligen Zeitpunkt als endgültig gescheitert zu gelten hatte mit der Folge, dass eine Anrufung dieser Ehe zwecks Erhaltes einer Niederlassungsbewilligung rechtsmissbräuchlich gewesen wäre (vgl. BGE 128 II 145 E. 2.2 S. 151).
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2.3 Steht dem Beschwerdeführer A.X.________ nach dem Gesagten heute kein Anspruch auf eine Anwesenheitsbewilligung in der Schweiz zu, entfällt auch jede Grundlage für entsprechende Ansprüche seiner Familienmitglieder. Da keiner dieser Angehörigen ein festes Anwesenheitsrecht in der Schweiz besitzt und die ganze Familie gemeinsam das Land verlassen muss, liegt kein Eingriff in den Schutzbereich der Garantie auf Achtung des Familienlebens (Art. 8 EMRK) vor (BGE 126 II 377 E. 2b/cc S. 383).
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3.
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Nach dem Gesagten ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde als unbegründet abzuweisen.
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Bei diesem Verfahrensausgang werden die unterliegenden Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 156 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 153 und 153a OG). Dem gestellten Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung ist nicht zu entsprechen, da die vorliegende Beschwerde aufgrund der gegebenen Rechtslage und der diesbezüglichen Ausführungen im angefochtenen Urteil keine ernsthaften Erfolgsaussichten haben konnte (Art. 152 Abs. 1 OG). Parteientschädigungen sind nicht geschuldet (Art. 159 Abs. 2 OG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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1.
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Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
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2.
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Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen.
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3.
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Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird den Beschwerdeführern auferlegt, unter solidarischer Haftung.
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4.
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Dieses Urteil wird den Beschwerdeführern, dem Regierungsrat und dem Obergericht des Kantons Schaffhausen sowie dem Bundesamt für Migration schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 14. November 2005
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Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
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